Zyklus der Verzweiflung - Schuberts Winterreise

  • Hallo Schubertfreunde,


    folgende Aufnahme finde ich wegen der Begleitung interessant. Statt dem üblichen Klavier wirkt hier ein Streichquartett mit, was manche Lieder in ganz neuem Licht erscheinen läßt.
    Zum Sänger gibt es neuerdings einen eigenen Thread.


    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von klaus
    Mein unerfüllter Wunschtraum wird eine Winterreise mit Wunderlich und Gulda bleiben, aber ich stell es mir ununterbrochen vor, wie das geklungen hätte mit den beiden Fritz und Friedrich.


    Hallo Klaus,


    für 1967 hatte Fritz Wunderlich die Einspielung der "Winterreise" geplant, allerdings sollte ihn sein väterlicher Freund Hubert nGiesen wieder am Klavier begleiten.
    Leider ist es nich mehr dazu gekommen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Sind beide dieser Herren Nachfahren der weitbekannten Namensträger... oder einer... oder keiner?

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Der aus der Pfalz stammende junge Baßbariton Dominik Wörner hat seine Interpretation der Winterreise nun auf CD herausgebracht.
    Hier ist sie:



    :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Die Winterreise ist eines der Werke, an die ich mich als Frau niemals heranwagen würde und um die ich die Männer zutiefst beneide.


    Fairy Queen :angel:



    Liebe Feenkönigin,


    in aller Demut vor dir, aber warum soll eine Frau die "Winterreise" nicht singen ? Oder hast du die Ablehung ganz persönlich gemeint, DU würdest sie nicht singen wollen.
    Ich habe erst vor ein paar Tagen ein Gespräch geführt, ob die "Winterreise" wirklich ein Liederzyklus für Männer ist (nachdem ich eine mir bekannte Sängerin gefragt habe, ob sie nicht "Winterreise" singen möchte). Ich bin der meinung, dass bis auf das erste Lied (wo es im Text heißt "das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Eh´") aller Lieder geschlechtsneutrale Texte haben. Die Trauer, die sich durch den ganzen Zyklus zieht, kann ein Mann oder eine Frau gleichermaßen ausdrücken. Das ist für mich eher eine Frage der Sensibilität des Sängers/der Sängerin.
    Für mich stellt sich eher die Frage, ob die "Winterreise" von einer hohen oder von einer tiefen Stimme gesungen werden soll. Und da neige ich ganz eindeutig zur tiefen Stimme und das kann jetzt wieder ein Bass oder tiefer Bariton oder auch ein Mezzo oder Alt sein. Ich habe diesen Liedzyklus unter anderem von Peter Schreier gehört (und dem kann man seine Stärken im Liedgesang sicher nicht absprechen) - es war stilistisch und technisch ausgezeichnet, aber sein heller Tenor stört MICH bei all der Trauer, Sentimentalität und Todesahnung der Lieder (da finde ich Peter Pears mit benjamin Britten am Klavier noch besser, weil er nicht wirklich Schubert singt). Bei allem Manierismus im Gesang, da haben mir Prey oder FiDi doch mehr gefallen; nicht zu reden von Hans Hotter.
    Am Abend meiner Heimkehr aus Berlin habe ich im Radio die "Winterreise" von Christine Schäfer gehört. Und sie hat mich absolut kalt gelassen. Nicht nur, dass in dieser Aufnahme für mein Gefühl viel zu schnell musiziert wird, fehlt es mir auch an Gefühl und Innigkeit im Ausdruck. Da habe ich mir auch einen Sänger gewunschen - aber nicht aus Prinzip sondern im konkreten Fall.


    viele Grüße aus Wien (ich wohne ja beinahe neben Schubert´s Geburtshaus)


    Michael 2

  • Ich finde, dass zur Winterreise einer Männerstimme gehört. Und zwar ein Tenor. Wenn ein Bass oder Bariton singt, wird logischerweise transponiert. Und ein "Gute Nacht" in c-Moll hat einfach einen ganz anderen Charakter in d-Moll. Schubert hat die Tonarten bestimmt nicht ohne Grund gewählt.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Rappy,


    sicher hat Schubert den Zyklus für Tenor geschrieben und es ist ein ergreifendes Erlebnis, die Aufnahme von Peter Anders zu hören.
    Doch auch bei tieferen Männerstimmen, und hier bevorzuge ich Hermann Prey und Thomas Quasthoff, geht von der Eindringlichkeit des Werks nichts verloren. Für mich ist jede der genannten Aufnahmen (neben einigen anderen) hörenswert.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Brunello,
    besteht denn die Notwendigkeit, daß "Winterreise" von einer Frau,
    oder von einem Countertenor gesungen werden muß.
    Ich habe auch noch nie das Bedürfnis gehabt "Frauenliebe und Leben"
    von einem Bass gesungen zu hören. Es gab schon einige Frauen,
    welche "Winterreise" gesungen haben z.B.Lotte Lehmann, Christa
    Ludwig oder Brigitte Fassbänder. Große Interpretationen haben
    sie alle nicht zum Thema "Winterreise" beigetragen.Davon ganz
    abgesehen, daß viele Interpreten, auch männliche, wenn sie für
    die Oper nicht mehr taugen, die Winterreise aufzunehmen wollen.
    Eine fatale Fehlentscheidung. Für die Wintereise braucht man
    eine Stimme, die in jeder Höhe und Dynamik völlig intakt ist.


    (Es gibt übrigens noch andere Lieder, die auf einen männlichen
    Interpreten hinweisen z.B..: "und ach, zwei Mädchenaugen glühten,
    da war's geschehn um dich, Gesell".)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber brunello,


    nicht nur das erste Lied, sondern einige folgende sind alles andere als geschlechtsneutral.
    Nr. 2 : So hätt er nimmer suchen wollen im Haus ein treues Frauenbild.
    Nr. 4 : Strophen 1, 4, 5
    Nr. 5 : Komm her zu mir, Geselle....
    Nr. 6 : Fühlst du meine Tränen glühen, da ist meiner Liebsten Haus.
    Nr. 7 : In deine Decke grab ich mit einem spitzen Stein den Namen meiner Liebsten....
    Nr. 8 : Und ach, zwei Mädchenaugen glühten - da war`s geschehn um dich, Gesell !
    Nr. 11 : Ich träumte von Lieb um Liebe, von einer schönen Maid


    Dies ist eine möglicherweise unvollständige Auflistung, wobei auffallen mag,
    dass der zweite, resignative Teil tatsächlich ziemlich geschlechtsneutral ist.
    Ich habe übrigens nichts gegen Frauen, welche diesen Zyklus interpretieren,
    solange sie einen eher androgynen Stimmansatz pflegen.


    Ciao. Gioachino :hello:

    MiniMiniDIFIDI

  • Bei allem Respekt gegenüber Sängerinnen:
    Die Winterreise ist und bleibt ein Liederzyklus für die Männerstimme. Herberts Ausführungen finden meine volle Zustimmung.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo gioacino,


    Zitat

    nicht nur das erste Lied, sondern einige folgende sind alles andere als geschlechtsneutral.


    Pfui. Man besorge sich Klappspaten und Taschenlampe und eile zum Grabe von Kathleen Ferrier... :stumm: Nein. Quatsch. Aber ihrer Stimme wäre die Winterreise durchaus zuzumuten!!!


    Und Geschlechtsneutralität?
    In diesen "Modernen Zeiten", wo jeder mit jedem darf...wäre es doch durchaus angebracht, auch bei Frauen die Frauen mögen,
    jene Männertränen evoziiert zu wissen ;-)


    Doch im Endeffekt sind meine Lauscher so dermaßen von der Raucheisen/Anders-Aufnahme beleckt, dass ich mich schwer mit irgendwem anderen tue. Und somit hab ich dann auch die zuletzt erstandene FIDI Aufnahme (1952 - 2. Aufnahme für den WDR - Audite) als schmach empfunden. Vielleicht dann doch lieber mit nem guten Contralto???


    Übrigens: Bei den ständig schlechter werdenden Aussprachs-leistungen von Sängerinnen könnten jene Sätze, in denen es um genanntes Geschlecht geht, einfach überhört werden.....dann wärs sozusagen eine Aufnahme für Alle und Keinen, wie so manche Operninszenierung von heute, wo man sich dann frägt: "Is die jetzt in ihn oder in sie verliebt?" Aber es gibt ja Gott sei dank abgedruckte Librettos für die Mehrheit, die anscheinend keinen Mangel in undeutlicher Artikulation mehr zu sehen scheint. :stumm:


    Ein Hoch auf Peter Anders... :jubel:


    :hello:

  • Hallo Rappy,
    Ich finde auch, daß die Tonart wichtig, aber nicht das wichtigste ist.
    Wenn man sich immer nur an die Tonarten der Lieder(nicht nur bei
    der Winterreise)gehalten hätte, gäbe es ja die meisten großartigen
    Interpretationen auf Tonträger,z.B. : Hüsch, Hotter, Fischer- Dieskau, u.v.a.garnicht.Das fände ich traurig.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Jaaan,
    Peter Anders ist großartig, Dietrich Fischer-Dieskau aber auch,
    und wenn Du es als Schmach empfindest, daß er die Winterreise
    gesungen hat, solltest Du Deine Schmach schon begründen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    Dieskau bringt mir den falschen Ausdruck in das Gefühl der Winterreise.
    Gerade in dieser Aufnahme war es die Wetterfahne, die mich so schwer straucheln liess. Ausdruckslos. Wenn ich mir dann seinen Schwanengesang mit Moore anhöre, der um etwa die selbe Zeit entstand und der mir die Tränen in die Augen treibt kann ich nur meinen, er hatte einen schlechten Aufnahmetag!?


    Hab mir die Wetterfahne gerade wieder angehört... ?(
    Möglicherweise ersteh ich demnächst einmal die jüngere Moore-Dieskau Aufnahme um besser vergleichen zu können. Aber das da.... :rolleyes:

  • Hallo jaaan,


    beim Schreiben meines Beitrags ist es mir auch wie Schuppen von den Augen gefallen : Natürlich könnte durchaus auch eine SIE das Haus ihrer Geliebten verlassen müssen, eine Flucht, die bei d i e s e r Konstellation zu Schuberts und Müllers Zeiten zwingend erforderlich war !
    Ich habe mich immer gefragt, was der junge Mann verbrochen haben muss, dass er des Hauses verwiesen wird.
    Spätestens, seit sich Frau Fassbaender dieses Zyklus` annahm, hätte man ahnen können, dass man diesen " Kreis schauerlicher Lieder " auch anders deuten kann.....


    Ciao. Gioachino :pfeif:

    MiniMiniDIFIDI

  • Hallo gioachino,


    Jetzt hast Du mich soweit, dass ich mir schnellstmöglich einmal Frau Fassbaender kaufe. (Übrigens Eine, die noch Artikuliert und deutlich singt und absolut verständlich ist)


    :hello:

  • So ist, es lieber gioachino - obwohl ich nicht sagen will, dass jedem diese Idee gefallen mag, aber durchaus KANN.


    Und wenn man es noch weiter spinnen wuerde: Ich kenne z.B. auch eine Einspielung mit Peter Pears. Wenn eine Frau nicht ueber "sie" singen darf, warum sollte Peter Pears das "durchgehen", wenn er vermutlich nie im Leben Liebeskummer wegen einer Frau verspuerte (wie ja allgemein bekannt sein duerfte, war er der jahrzehntelange Lebenspartner von Benjamin Britten). Gerade Pears hat aber eine ganz hervorragende Einspielung abgeliefert, wie ich finde. Wie auch einige Damen (Nathalie Stutzmann und Brigitte Fassbaender) ...

  • Auch ich wäre sehr an einer guten Interpretation durch eine Sängerin interessiert.


    Deshalb habe ich mir vor längerer Zeit auch diese im FonoForum geradezu euphorisch rezensierte Aufnahme mit Christine Schäfer gekauft:



    Ich finde diese Interpretation grässlich. Einerseits. Andererseits, wenn ich sie als kalt, blutleer, schauerlich bezeichne, so ist das ja eigentlich ganz passend für eine "Winterreise". Vielleicht verstehe ich also einfach nur etwas nicht oder kann mich nicht genügend von Quasthoffs Stimme lösen (meine Lieblingsaufnahme).


    Aber dies hier mit Schäfer - sehr seltsam. Die Stimme hat gar kein Volumen. Und es ist auch viel zu schnell.


    Mit Gruß von Carola

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • ....wie ja auch Frau Fassbaender, liebe Eponine, Herrn Pears gleich, bekanntlich nie einen Hetero - Liebeskummer verspürt haben dürfte.
    Was die Zuordnung der " Winterreise ", des Kunstlieds überhaupt, betrifft , soweit es um Stimmfächer geht : Wenn der Text irgendwo so wichtig ist wie die Musik, dann beim Lied. Da die notwendige Verfärbung der Vokale zwecks Klangoptimierung mit wachsender Entfernung von der Sprechlage zunimmt, sind grundsätzlich die mittleren bzw. tieferen Stimmen bei der Artikulation bevorteilt. Nicht von ungefähr sind deshalb die meisten und dazu wichtigsten LiedsängerInnen dem Bariton- bzw. Mezzofach zuzuordnen.
    Schuberts Interpret und Freund, Johann Michael Vogl, war so etwas wie ein Tenorbariton. Ihm hat er seine Lieder in " die Kehle geschrieben". Der so genannte Urtext der Winterreise ist auch heute noch von einem hohen Bariton ( Mezzo ) oder Tenor zu bewältigen.
    Dass sich die Baritone, in der Nachfolge FiDis, dieses Zyklus` bemächtigt haben,
    liegt aus den oben genannten Gründen auf der Hand. Allerdings war dazu in den meisten Fällen das Transponieren in angenehmere Lagen unverzichtbar.
    Geschah und geschieht dies unter weitestgehender Beachtung der Tonart - Relationen, ist dagegen nichts, aber auch gar nichts, einzuwenden.


    Ciao. Gioachino

    MiniMiniDIFIDI

  • Zitat

    Original von Carola


    Ich finde diese Interpretation grässlich. Einerseits. Andererseits, wenn ich sie als kalt, blutleer, schauerlich bezeichne, so ist das ja eigentlich ganz passend für eine "Winterreise". Vielleicht verstehe ich also einfach nur etwas nicht oder kann mich nicht genügend von Quasthoffs Stimme lösen (meine Lieblingsaufnahme).


    Die Frage ist, ob man da unbedingt etwas verstehen muß ?


    Ich habe diese Aufnahme lustigerweise heute gerade gehört, und empfinde sie gänzlich anders. Was nicht heisst, dass ich Deine Beschreibung nicht nachvollziehen könnte, aber ich empfinde sie halt nicht als grässlich, sondern bin einfach fasziniert.


    Nur: Es ist sicher eine extreme Deutung wie auch Besetzung, nicht nur von der Stimmlage her, sondern generell gesehen angesichts der vokalen Signatur der Künstlerin. Und das muß doch nicht jeden ansprechen, wäre doch sonst langweilig in der Kunst, wenn alles allen gefallen würde. ;):)


    :hello:
    Sascha

  • Ich bin der selben Meinung wie Paul und Siegfried.
    Es geht hier um einen Liederzyklus, den die meisten Sänger
    seit ihrem Gesangsstudium lieben, schätzen und zu interpretieren
    versuchen. Das hat nichts mit erotischen Neigungen zu tun.
    Das ist ganz einfach Romantik.Wie wir feststellen konnten,
    sind nur wenige Sänger mit der Herausforderung "Winterreise"
    fertig geworden. Einige haben sie auch mehrfach aufgenommen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Ich bin der selben Meinung wie Paul und Siegfried.
    Es geht hier um einen Liederzyklus, den die meisten Sänger
    seit ihrem Gesangsstudium lieben, schätzen und zu interpretieren
    versuchen. Das hat nichts mit erotischen Neigungen zu tun.


    Lieber Herbert,


    da bin ich mit Dir einer Meinung.


    Zitat

    Das ist ganz einfach Romantik.


    Das ist allerdings eine Feststellung, die ich nicht verstehe. Selbstverständlich gibt es auch in der Romantik Erotisches und Homoerotisches. Und im Zyklus geht es um eine enttäuschte Liebe. Wie sie zu verstehen ist, muss man sorgfältig interpretieren, aber "einfache" Antworten gibt es bei Schubert mE nicht. Es gibt nicht umsonst eine ziemlich umfangreiche Literatur zur Deutung des Zyklus, der ja auch seine politischen Implikationen hat.


    Zitat

    Wie wir feststellen konnten,
    sind nur wenige Sänger mit der Herausforderung "Winterreise"
    fertig geworden.


    Das wurde behauptet, aber nicht bewiesen. Da müsste man schon ein wenig genauer wissen, was die Herausforderung "Winterreise" ist - es ist sicher nicht nur eine rein sängerische.


    Zitat

    Einige haben sie auch mehrfach aufgenommen.


    Was nicht bedeuten muss, dass sie ihnen das erste Mal misslungen ist.


    Liebe Grüße Peter

  • Ob Schubert an homoerotische Neigungen gedacht hat, sei mal vorerst dahingestellt. Das ist ein anderes sicher sehr interessantes Thema. Auf die Winterreise bezogen nehme ich das eher nicht an, denn im Werk selbst gibt es keinerlei Indizien. Das hat aber auch niemand hier behauptet!
    Was aber die Neigungen und persönlichen Gefühle der Sänger angeht, die dieses Werk interpretieren, spielt die Neigung sehr wohl eine Rolle!
    Immerhin haben wir es hier mit einem hochemotionalen Liederzyklus zu tun und ich möchte den Sänger sehen, der das überhaupt adäquat interpretieren kann, wenn er/sie sich NICHT emotional in den Liebesschmerz, die Verzweiflung und die Todessehnsucht hineinimaginieren kann.
    DAS kann aber nur jemand, der jemals Liebesgefühle gekannt hat und darin entäuscht wurde. Ich nehme mal an , bis zu diesem Punkt sind sich Alle die einig, die Lied-Gesang nciht als ein steriles Retortenprodukt betrachten. Sondern einen durchlebten und durchdrungenen Gesang wünschen.
    Wenn also nun, wie es die Regel ist, ein Mann diesen Zyklus interpretiert, muss er in der Lage sein, sich eine Liebes- Beziehung vorzustellen, die ihn zu dieser fruchtbaren Reise gebracht haben könnte.
    Handelt es sich nun um einen heterosexuellen Mann, wird er sich naturgemäss eine Frau vorstellen. So steht es auch im Text -Alles andere wäre zu Schuberts Zeiten ohnehin kompletter Tabubruch gewesen.
    Singt aber nun ein homosexueller Mann wie der hervorragende Peter Pears den Zyklus, stellt er sich wohl eher einen Mann als Ursache seines Liebesschmerzes vor.
    Wenn jetzt aber, wie schon mehrfach erwähnt, eine Frau diesen Zyklus singt, muss sie aus ihrer eigenen Vorstellngswelt schöpfen.
    Mir würde das in diesem Falle angescihts des Textes sehr schwer fallen, und ich würde deshalb ganz abgesehen von den stimmlcihen Mitteln diese Lieder bei aller Liebe zu ihnen nicht singen wollen.
    Eine Frau mit lesbischen Neigungen hat es da evtl leichter.
    Das Innenleben eines Sängers spielt grundsätzlich eine mehr oder weniger grosse Rolle bei dem, WAS und WIE er/sie es singt. Erst Recht bei solchen Emotionshämmern wie der Winterreise :yes:
    Wer das ablehnt, kann sich gerne auch Spielautomaten anhören.


    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Eine frühere Diskussion bei Tamino zum Thema "Dürfen Frauen Männerlieder singen?" ist übrigens auch schon aus feministischem Blickwinkel kommentiert worden:


    "www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/lili-marleen-oder-duerfen-frauen-maennerlieder-singen/"


    Lieber Giselher,


    vielen Dank für den Hinweis, es ist doch schön zu sehen, wie viel weiter wir es jetzt gebracht haben. Ich habe weder bei Lotte Lehmann noch bei Christa Ludwig überhaupt darüber nachgedacht, ob die das "dürfen" - das scheint mir doch eine ziemlich anmaßende Haltung. Ob es ihnen gelungen ist, darüber darf natürlich gestritten werden.


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Peter,
    wenn ich sagte, daß einige Sänger die "Winterreise" mehrmals
    aufgenommen haben, meinte ich damit, daß man in diesem
    Zyklus immer wieder neue Gestaltungsmöglichkeiten entdeckt,
    die aber meist stimmgestalterischer Natur sind.Ob der Sänger
    mit der Geliebten einen Freund meint, oder die Sängerin eine
    Freundin, kann man der Interpretation nicht entnehmen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Unter meinen unzähligen "Winterreisen" ist auch die von Brigitte Fassbaender/Aribert Reimann, die ich durchaus gelten lasse, ebenso wie die von Christa Ludwig.


    Persönlich schätze ich diesen Zyklus jedoch von einer tiefen Männerstimme gesungen. Die weiter ober schon genannte Aufnahme mit Thomas Allen / Roger Vignoles gehört dabei zu meinen Fafariten.


    Am besten finde ich persönlich jedoch die CD von Karl Ridderbusch, am Flügel begleitet von Prof. Klaus-Michael Leifeld (Aufnahmedatum ist mir nicht bekannt)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Eine weitere Variante von Schuberts Winterreise, diesmal sind es Lieder ohne Worte:



    Mir persönlich fehlt der Text. Was haltet Ihr von dieser Aufnahme?

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Sagitt meint:


    Wie so viele aus meiner Alterskohorte haben wir die Winterreise durch Fischer-Dieskau kennen gelernt. Alle durch die Aufnahme mit Moore, die Mitte der fünfziger Jahre herauskam.
    Fischer-Dieskau wird mir immer ein zentraler Maßstab der Interpretation bleiben,wobei ich einen Mix aus seinen vielen Aufnahmen schätze, gerade auch die späte mit Brendel, in der er so schlecht bei Stimme ist. Für die Winterreise sehr passend. Schöngesang gehört nicht zu diesem Zyklus.
    Übermässiger Affekt auch nicht. Es sind 24 in sich kreisende Lieder um Schwermut und Einsamkeit, eben schaurige Lieder...


    Es gibt manche Lieder, wie Lied 3 oder 9, wo man gerne eine profunde Tiefe hört. Die Tenören nachvollziehbar schwer fällt.


    Deswegen ist ein Quasthoff mit seiner profunden Tiefe ein bewegender Interpret dieses Zyklus. Grossartig seine DVD-Version mit Barenboim.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose