TSCHAIKOWSKY, Peter I.: Sinfonie Nr 6 in h-moll op 74 "Pathetique"

  • Ich habe vor ein paar Tagen, aufgrund des anderen threads mir mal Fricsays DG-Aufnahme (Berliner Phil 1953) angehört. Zwar kenne ich zB Toscaninis nicht, aber es dürfte sich hier um eine der zügigsten und vielleicht auch "trockensten" Aufnahmen handeln. Von denen, die mir gerade zur Verfügung stehen, ist es klar die Schnellste 17:22, 7:48, 7:51, 9:14 (Es gibt eine spätere Stereo-Einspielung (mit dem RSO Berlin) von ca. 1960, die vom Dirigenten nicht freigegeben, aber Jahrzehnte später posthum veröffentlich wurde, die im Kopfsatz 4, im 3. gut eine und im Finale gut 2 min langsamer ist!)


    Meiner Erinnerung nach hatte nicht zuletzt diese (vergriffene, höchstens in Japan oder als "graue" Wiederveröffentlichung erhältliche) Interpretation vor etwa 7 Jahren dazu beigetragen, dass ich wieder etwas mehr Interesse an Tschaikowsky faßte.


    Obwohl mir beim Wiederhören das Stück schon gut gefallen hat, war mir nun aber selbst diese Lesart stellenweise zu "schmalzig", besonders die eigentlich durchaus beeindruckenden Ecksätze. Und die kühne Kombination mit den vergleichsweise leichten Mittelsätzen löste bei mir diesmal Reaktionen aus, die von âmes humorigen Anmerkungen im Rating-thread nicht allzuweit entfernt waren...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Eine wahrlich "knallharte" Aufnahme ist jene von Solti (Decca, 1976):



    Die Zeiten, dahinter in Klammern Bernstein (DG, 1986):


    I. 17'36 (22'34)
    II. 7'47 (8'29)
    III. 8'07 (9'52)
    IV. 9'20 (17'12)
    Gesamt 42'50 (58'31)


    Unbändig, schroff, ja brutal kommt Solti daher. Hier sind er und das CSO in ihrem Element. Die Bläser und Pauken sind wirklich sehr gut (v. a. im 1. Satz), die Chicagoer werden ihrem Ruf voll gerecht. Solti peitscht das Orchester förmlich voran, insbesondere der 3. Satz grenzt bereits an Raserei. "Ohne romantisches Geplänkel durchgezogen" trifft es gut. Allerdings wird für meinen Geschmack die Spannungssteigerung zu wenig ausgekostet. Die Pauken könnten beim Marsch auch präsenter sein. Den Weltabschiedssatz am Ende bringt er fast doppelt so schnell wie der alte Bernstein. Der absolute Gegenentwurf zu dessen Spitzeneinspielung.


    Es ist schon interessant: Sowohl Soltis als auch Bernsteins "Pathétique" sind jeweils "extrem" und insofern nichts für "mal schnell zwischendurch". Mrawinsky (DG, 1960) ist natürlich russischer als die "Westler", aber m. E. nicht ganz so "hart" wie Solti. Karajan (DG, 1976) steht zwischen den Extremen und ist auf seine Art auch groß. Vermutlich die "normalste" Deutung unter den Vieren bei dieser letzten Tschaikowsky-Symphonie.


    Insgesamt jetzt mein dritter Favorit bei der "Pathétique" neben Bernstein und Karajan.


    :hello:


    P.S.: Tontechnisch ist diese CD von 1987, recht enttäuschend für eine 70er Jahre-Decca-Aufnahme, mit recht hohem Rauschen behaftet. Vielleicht ist die die neuere Ausgabe remastered?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph,


    es freut mich, dass meine Empfehlung auch hier für Dich zum Erfolg führte.


    Zustimmung, das es im 3.Satz noch besser gehen kann, wenn man Bernstein (SONY, 1964) oder Karajan (DG, 1964 und 1977) betrachtet.
    Aber als Ganzes ist diese Aufnahme auch genau wie bei Dir neben Karajan und Bernstein mein Favorit - nur bei mir ist es die alte CBS-Bernstein-Aufnahme.


    Mit der Solti-Aufnahme (Decca, 1977) bin ich klanglich aber voll zufrieden. Das ist gennau so, wie ich es von einer Analogaufnahme von 1977 bei Decca erwarte - TOP.


    Ich habe eine andere Decca-Ausgabe der Pahethique, bei der Roemo und Julia (Decca, 1987, DDD) noch mit enthalten ist (gleiche Aufnahme wie auf der CD der Sinfonie Nr.4). Meine Decca-CD gibt als Erscheinungsdatum 1991 an und ist aus der Decca-Serie Emotionen.


    412AZHSRF9L.jpg


    Decca, 1977, ADD (6.); 1987, DDD (Romeo und Julia)


    Ob diese tatsächlich besser oder neuer remastert ist, als Deine englische LONDON-Jubillee-Ausgabe ? Kann ja sein.


    OT:
    :yes: Die größte Poisitivüberraschung müßte Dir aber noch bevorstehen. Das ist die Solti-CD mit der Sinfonie Nr.5. Dort sind auch die gekoppelten Werke Glinka: Ruslan und Ludmilla und Mussorgsky: Die Nacht auf dem kahlen Berge das Beste, was man sich davon überhaupt vorstellen kann - der absolute Wahnsinn ! :D Sowas braucht der teleton. Da kommt Freude auf !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,


    ich glaube auch mehr und mehr, daß diese (vermutlich erste) CD-Ausgabe (die nur 42 Min. der gesamten CD füllt) nicht remastered von LP überspielt wurde. Dieser Mangel wurde dann offenbar kurz darauf behoben. Wobei ich jetzt nicht sagen könnte, daß frühe CDs (80er) allgemein klanglich Defizite hätten. Meine "Romeo und Julia"-CD von Karajan (DG, Erstausgabe 1983), die ich für 'n Appel und 'n Ei bekommen habe, klingt TOP und wie am ersten Tag und somit bestimmt nicht schlechter als die "Karajan Gold"-Ausgabe, die noch heute über 20 EUR kostet. Selbiges gilt für Karajans 4. von Nielsen (DG, Erstausgabe 1982), die sogar eine der allerersten CDs überhaupt sein müßte. Übrigens steht auf meiner "Pathétique" mit Solti nicht "London", sondern "Decca", ansonsten aber identisch. Evtl. lege ich mir diese neuere '91er Ausgabe noch zu, zumal mich die '87er eh nur 38 Cent (sic!) kostete.


    P.S.: Welcher Hirni bei Decca sowohl die 4. als auch die 6. mit dem bereits auf der "1812"-CD enthaltenen "Romeo und Julia" ergänzte, ist auch eine interessante Frage ... :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,


    Favoriten eindeutig Bernstein und Pletnev.


    Mein Live-Erlebnis in der Berliner Philharmonie mit den Berlinern unter Solti war eine unwiederholbare Sternstunde. Der Beifall wollte nicht enden, bis Solti in sehr guten Deutsch die Zuhörer bat, nach Hause zu gehen. Einzigartig.



    Gruß aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Letzte Woche war es endlich soweit: Valery Gergiev spielte im Dresdner Kulturpalast live mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters Tschaikowskys 6. Symphonie "Pathétique" (neben Wagners "Tannhäuser"-Ouvertüre und "Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43" von Rachmaninow mit Denis Matsuev am Klavier).


    Die Erwartungen waren sehr hoch gesteckt, galt dies doch insgeheim als der Höhepunkt der Dresdner Musikfestspiele 2010, welche "Rußland" als Motto tragen. Zudem ist es schon eine Sache, einen russischen Dirigenten mit einem echten russischen Orchester mal hierzulande zu erleben. Demzufolge hatte ich bereits vor Monaten Karten vorbestellt.


    Es war dann wirklich auch ein toller Abend. Wagner mit russischem Orchester ist schon ein wenig kurios, das Ergebnis konnte sich allerdings mehr als sehen lassen. Besonders gelungen auch das mir bis dato unbekannte Rachmaninow-Stück mit einem bestens aufgelegten Pianisten. Höhepunkt war freilich dann die "Pathétique", die Gergiev nach der feierlichen Verleihung des "Glashütte Original MusikFestspielPreises" dirigierte. Besonders ergreifend gelang ihm der 4. Satz, den er, wenn ich mich nicht täusche, auf 15 Minuten dehnte – fast Bernstein'sche Verhältnisse –, was dem Werk m. E. allerdings sehr entgegenkommt. Der 3. Satz kam als Kontrast sehr flott, ähnlich der Solti-Aufnahme. Den fand ich persönlich daher auch am enttäuschendsten. Seit ich Bernstein 1986 gehört habe, ist das einfach das Maß aller Dinge, alles andere kommt mir zu schnell vor (und d. h. de facto: wirklich alles, weil wir den wohl nie wieder so langsam und spannungsreich mit derartiger Steigerung hören werden). Insgesamt kamen mir die Pauken ein wenig zu verhalten rüber, was allerdings auch an der Akustik liegen mag.


    Für alle Interessierten: Kommenden Freitag, 4. Juni, überträgt MDR Figaro das Konzert noch einmal (20:05–22:00). Ich hoffe, mir gelingt es, das aufzuzeichnen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Seit ich Bernstein 1986 gehört habe, ist das einfach das Maß aller Dinge, alles andere kommt mir zu schnell vor (und d. h. de facto: wirklich alles, weil wir den wohl nie wieder so langsam und spannungsreich mit derartiger Steigerung hören werden).


    Hallo Joseph,


    ich glaube gerade bei der Pathetique kommt es darauf an von welcher Aufnahme man geprägt wurde. Ich stimme Dir zu das Bernstein (DG) hier wahrlich etwas ausssergewöhnliches und auch packendes hinterlassen hat.


    :yes: Aber mir sind die "normalen" Spielzeiten bei Karajan´s erster DG-Aufnahme von 1964 noch am liebsten, weil diese mich zuerst und dann für viele Jahre geprägt hatte: 18:53 - 7:59 - 8:44 - 9:19.


    Die Solti-Zeiten (Decca) hattest Du ja schon hier geschrieben, die finde ich ähnlich packend.


    :] Aber auch zurück zu Bernstein, den ich in seiner Aufnahme mit den New Yorker PH (SONY, 1964, ADD) ebenfalls favorisiere: 18:44 - 7:05 - 8:51 - 11:38.
    Hochemotional aber mit hier angemessensten Spielzeiten geht es eben auch.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wegen der Durchführung des ersten Satzes ist diese Symphonie für mich singulär.


    Ich empfehle:


    Giulini/ Los Angeles (DGG DDD),


    Karajan/ BPO 1964


    Mitropoulos/ NYP CBS 60er


    Kletztki/ Philharmonia Orchestra Emi 1960


    Mrawinskij/ Leningrader (DGG mono)


    und natürlich:


    Martinon/ VPO DECCA

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat aus fonoforum zu Tschaikowskys Nr. 5


    "Th.Rübenacker. Das Publikum tobte wie zu Karajans Zeiten. Aber so wird es wohl gewesen sein und man hörts am Ende der CD. Hier brodeln wieder die Leidenschaften, trumpft das Pathos auf, wühlt ein Zerrissener namens Tschaikovsky in seinen Gefühlen - und doch ist der Vergleich mit HvK unangebracht. Denn in dieser Aufnahme klingt alles nicht nur "groß", sondern auch echt. Es geht nicht um philharmonischen Glamour, sondern um wahre Gefühle, und das reißt mit. Es ist wahr: das Repertoire braucht nicht unbedingt eine Neuaufnahme der Fünften von Tschaikovsky, aber wenn sie so gelingt (auch aufnahmetechnisch), sei sie willkommen."


    Uneingeschränkte Zustimmung. 4 und 6 besitze ich allerdings nicht mit ihm.



    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Lieber Taminos :


    " farinelli " hat dankenswerterweise auf zwei Interprten hingewiesen, die hier bislang überraschend nicht erwähnt worden sind :


    (1) Jean martinon .


    Sein repertoire war sehr gross .
    Leider sind , wie ich bereits früher erwähnt habe , nur noch wenige seiner bedeutenden Aufnahmen auf CD in Deutschlan d dauerhaft verfügbar .


    Dazu zählt auch Tscheikowskys letzte Symphonie ;


    (2) Carlo Maria Giulini
    hat dies e symphonie meines Wissens mindestens dreimal uafgenommen .
    Sehr empfehlenswert ist auch der Konzert - Mitschnitt , der bei BBC Legnds veröffentlicht worden ist .


    Viele Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Zitat

    Original von teleton
    :yes: Aber mir sind die "normalen" Spielzeiten bei Karajan´s erster DG-Aufnahme von 1964 noch am liebsten, weil diese mich zuerst und dann für viele Jahre geprägt hatte: 18:53 - 7:59 - 8:44 - 9:19.


    Wow, habe heute reingehört. Was für eine Aufnahme! Ich muß konstatieren: Viel besser als seine 70er- und insbesondere 80er-Aufnahmen davon. Die Pauken sind hier eine Wucht. Sie sind irgendwie viel präziser und individueller als in den späteren Aufnahmen. Die Blechbläser sind auch betonter.


    Danke für den tollen Tipp! :jubel:

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    – Luís de Camões

  • Durch Zufall stieß ich bei youtube auf Furtwängler. Die Aufnahme klingt großartig, nur gibt es ja scheinbar gar zwei unter ihm: 1938 und 1951.


    Wo liegen die Unterschiede? Welche ist vorzuziehen?



    1938


    Die '51er Aufnahme finde ich gar nicht.

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    – Luís de Camões

  • Ich habe mich heute von dieser Aufnahme aufwühlen lassen:


    Das Orchesterklangbild finde ich sehr ausgewogen, das Blech knallt nicht so sehr wie auch manch anderer Aufnahme, die Tempi finde ich mitreißend und aufwühlend - eine rundum gelungene Einspielung.


    Am Ende der Exposition (nach dem Buchstaben G für die, die in die Partitur schauen können) im I.Satz gibt es einen Abstieg in der Klarinette, die im pppppp verklingt, die letzten Noten sind im Fagott notiert. Aus meiner aktiven Zeit als Fagottist weiß ich: ein Alptraum! So leise in der Tiefe - kann man fast vergessen. So leise wie eine Klarinette kann ein Fagott niemals sein. Deshalb, so las ich inzwischen, nehmen viele Dirigenten für diese Stelle die Baßklarinette - so auch Jansons.


    Mich würde interessieren, welche Dirigenten sonst noch auf diese Variante zurückgreifen. An den Maazel kann ich mich nicht erinnern - das war bisher meine Gesamtaufnahme.


  • Eher durch Zufall konnte ich in diese EMI-Box reinhören. Es wurde (nicht zu unrecht) die für das Aufnahmedatum (1971) mäßige Tonqualität beanstandet (Theophilus verwies bereits darauf, daß die LP-Ausgabe seinerzeit excellent klang; wohl gelang der Transfer auf CD suboptimal), doch entgeht dem geneigten Hörer doch einiges, wenn er sich nur deswegen dieser Aufnahme verschließt. Karajan legt hier eine ungleich spannendere Aufnahme hin als wenige Jahre später in der zumindest tontechnisch gelungeneren Box der DG. Überhaupt scheint Karajan ein sehr enges Verhältnis zur "Pathétique" gehabt zu haben: kaum eine Symphonie liegt unter seinem Dirigat öfter vor:



    - Berliner Philharmoniker, 1939, DG



    - Philharmonia Orchestra, 1955, EMI



    - Berliner Philharmoniker, 1964, DG



    - Berliner Philharmoniker, 1971, EMI



    - Berliner Philharmoniker, 1973, DG (Video)



    - Berliner Philharmoniker, 1976, DG





    - Wiener Philharmoniker, 1984, DG (CD und Video)


    51bo4TBBGcL.jpg


    - Berliner Philharmoniker, 1988, DG Japan


    Ich habe einen Direktvergleich des III. Satzes vorgenommen zwischen folgenden Aufnahmen: 1939, 1964, 1971, 1976, 1988 (die Videos aus Berlin und Wien von 1973 bzw. 1984 kenne ich aber auch noch vom Hören/Sehen).


    Vergleichen wir mal die Zeiten:


    1939: 8'07


    1964: 8'49


    1971: 8'16


    1976: 8'33


    1988: 9'15


    Wie man sieht, war Karajan erstaunlicherweise bereits 1964 etwas langsamer als in den 70ern; 1971 war er fast so schnell wie als gut Dreißigjähriger.
    Da die Mono-Aufnahme von 1939 (seine allererste für die DG?) eher historischen Charakter hat, ist sie nur Interesse halber beim Vergleich dabei gewesen. Die Tontechnik verweist sie eindeutig auf die Ränge.
    1964 wirken die Berliner Pauken sehr gut aufgelegt, eine sehr eigenwillige Betonung derselben erfolgt hier, die ich als gelungen bezeichnen würde. Überhaupt: Diese Aufnahme wirkt trotz der relativ längeren Spielzeit spannend von Anfang bis Ende.
    An Feurigkeit wird sie nun aber von der 1971er EMI-Aufnahme übertroffen. Eine derartige Spontaneität legte Karajan allenfalls noch im Video 1973 hin (das habe ich aber nur mehr grob in Erinnerung). Das Orchester glüht förmlich, die Steigerung ist hier immens. Wermutstropfen, wie gesagt, die mäßige Tontechnik, die das ganze wie unter einem leichten Schleier erscheinen läßt.
    Verlierer in diesem Ranking ist die 1976er Aufnahme. Auch hier wird zwar perfekt musiziert, doch stellt sich ein Gefühl ein, als wäre dies einfach mal etwas seelenlos heruntergespielt worden. Die Steigerung des Satzes ist im direkten Vergleich hier eher lahm, wenngleich die Pauken hier aufgrund der guten Tonqualität richtig auftrumpfen können. Für sich genommen immer noch eine gute Aufnahme.
    Die letzte Aufnahme Karajans von der "Pathétique" stammt aus dem Jahre 1988. Es handelt sich um einen Live-Mitschnitt von der letzten Japan-Tournee der Berliner unter seiner Stabführung. Geschwindigkeitsrekorde sind bei einem 80jährigen nicht zu erwarten, und so ist diese Aufnahme in der Tat die langsamste im Vergleich. Gleichwohl geling es Karajan hier, die Spannung aufrechtzuerhalten, so daß ich auch diese Aufnahme für empfehlenswert halte.
    Noch ein Wort zum Video aus Wien von 1984, das ich hier nicht gesondert behandeln wollte: Diese Aufnahme wirkt, wie bereits andernorts geschrieben wurde, etwas "weichgespült". Natürlich spielen die Wiener wunderbar, doch geht hier m. E. doch einiges an Emotionalität und Spannung verloren, so daß ich diese Aufnahme auch nicht besonders hervorheben würde.
    Wie man sieht, fehlt in meinem Vergleich also lediglich die EMI-Aufnahme von 1955 (wohl bereits frühes Stereo). Wer diese kennen sollte, kann sich ja evtl. kurz äußern. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph,


    ein interessanter vergleich, den Du da anstellst, der mich auch sehr interessiert. Es wird sicher bei TAMINO einige geben, die das anders sehen (Schon wieder Karamalz !), aber gerade seine Tschaikowsky-Sinfonien haben meine Hörgewohnheiten von Anfang an geprägt.


    Ich kenne vier Aufahmen aus deinem Vergleich:
    Die EMI-Aufnahme(n) von 1971 stand bei der nahen Verwandschaft in der EMI-LP-Ausgabe zur Verfügung. Ich hatte da mal intensiv reingehört und war schon durch die flaue EMI-Klangqualität sehr enttäuscht. Das diese auf EMI-LP besser gewesen sein soll, als später auf CD kann ich genau nicht bestätigen. Wie du schreibst soll ja die CD-Übernahme auch nichts dolles sein. Das Karajan hier eine spannende Aufnahme vorgelgte, habe ich genau als Gegenteil empfunden. Ich hatte zu dieser Zeit zudem gerade Swetlanow (Eurodisc) im Ohr und da konnte man den EMI-Karajan ohnehin abhaken !


    Ganz anders seine DG-Aufnahme von 1964, die ich damals zuerst als Doppel-LP mit der Sinfonie Nr.5+6 hatte. Das ist bis heute eine meiner liebsten Interpretationen der Pathetique geblieben und liegt selbstverständlich auch auf CD in der Karajan-Edition (mit Bildern seiner Emmilu Eliette von Karajan) vor. Vorwärsdrängender, spannender und bessere Pauken findet man selbst bei Bernstein und Solti nicht. :thumbup: Das ist IMO die beste, ergreifenste Karajan-Pathetique.


    In meiner Tschaikowsky-Sinfonien-GA (DG, 1976) empfinde ich die Pathetiqe auch nicht so umwerfend wie 1964. Aber gleich von seelenlosen Herunterspielen zu reden finde ich nicht angemessen. Wenn es die DG1964er nicht geben würde, wäre diese immer noch an zweiter Stelle und den "EMI-Klangluschen" allemale vorzuziehen. Im Prinzip höre ich diese gut klingende Aufnahme auch ganz gerne, denn so schrecklich weit entfernt von seiner emotioanlen 64er-Glanzleistung ist sie auch nicht.


    Eine Enttäuschung war dann für mich die altersmilde Wiener-Aufnahme (DG, 1984), die ich bereits vor Jahren abgesetzt habe. Kein Vergleich mit der fetzigen Aufnahme von 1964, aber auch nicht mit der 1976er !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Vor etlicher Zeit habe ich die 1938er Studio-Aufnahme der "Pathétique" von Furtwängler angesprochen. Daß es noch eine Live-Aufnahme gibt, war mir zwar bekannt, diese aufzutreiben gestalte sich aber zur Odyssee, weil sie offensichtlich nur auf einer mittlerweile vergriffenen Edition der DG "Wilhelm Furtwängler. Live Recordings 1944-1953" zu finden ist. Nun gelang es mir endlich, diese nur mehr gebraucht zu erstehende Box sündteuer, dafür aber neuwertig an Land zu ziehen:



    I. 19'47
    II. 9'22
    III. 9'51
    IV. 9'41
    Ges. 48'41


    Kairo, 19.-22.04.1951 (U.A.R. Broadcasting & TV Corporation Cairo)


    Wie man sieht, handelt es sich scheinbar um Mitschnitte von mehreren Konzerten, was freilich sogar vorteilhaft ist, da etwaige kleine Verspieler dadurch korrigiert werden konnten.


    Aber zurück zur Aufnahme selbst:


    Um es kurz zu machen: Die '51er Aufnahme würde ich in jedem Fall der '38er vorziehen. Das liegt zum einen am scheinbaren Faktum, daß Furtwängler live immer noch besser war, zum anderen nicht zuletzt an der wesentlich besseren und natürlicheren Tonqualität dieser Aufnahme.


    Die Interpretation ist sicherlich eine der besitzenswertesten, die überhaupt existieren. Wie man an den Spielzeiten ansieht, ist Furtwängler z. T. sehr langsam, insbesondere im II. Satz, wo er sogar noch langsamer ist als Bernstein (DG). Gleichauf liegt er mit diesem im III. Satz. Im I. ist er ca. 3 Minuten schneller als Lenny, im IV. erstaunlicherweise sogar nur 20 Sekunden langsamer als der rasante Solti. Bernstein (DG) bringt es hier auf unglaubliche 17 Minuten.


    Der Kopfsatz gerät in der Tat sehr depressiv. Wunderbar lyrisch der II. Satz. Das Allegro molti vivace hörte man wohl selten emotionaler. Die Spielzeit ist beinahe auf die Sekunde genau gleich mit Bernstein (DG), doch während dieser durchgängig sehr gemächliche Tempi anschlägt, beobachten wir bei Furtwängler stetige Tempowechsel. Ich glaube, in keiner mir bekannten Aufnahmen sind die Pauken derart präsent und betont (ein Wink mit dem Zaunpfahl an Teleton, der die Aufnahme wegen Mono aber wohl leider verschmähen wird), man meint wahrlich, eine Schnellzugdampflok fahre gerade an. Atemberaubend, die Wirkung! Das Adagio lamentoso gerät sehr emotional, wiederum in besonders depressivem Grundton, wie schon zu Beginn des Werkes. Tränenreicher Kitsch à la Bernstein (DG) wird allerdings vermieden.


    Insgesamt gesprochen eine überaus lohnende Aufnahme, die ich zu den TOP 3 unter den "Pathétiques" zählen würde. Und das, wo man Furtwängler gewiß nicht als genuinen Tschaikowsky-Dirigenten bezeichnet. Gespannt bin ich jetzt bereits auf seine Aufnahmen der 4. und 5. Symphonie.


    LG
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Fu und Tschaikowsky
    halte ich persönlich für pure Geschmacksverirrung!


    Aber auch das muss ich nun lernen!
    Wenn man Mrawinski oder Solti, um mal was Sportives zu nennen, gehört hat, dann sollte man eigentlich gegen FU und Konsorten immun sein, dachte ich.
    Wie habe ich mich geirrt!!


    Gruß S.


    PS. Die Aufnahme aus Kairo gab es billig als DGG LP. Daher kenne ich sie zur Genüge. BRRRRR!

  • Hallo S.,


    ich glaube, du hast dich auch schon mal über Lennys letzte "Pathétique"-Aufnahme von 1986 ähnlich ausgelassen. :D
    Gewissermaßen kann man wohl bei beiden, Furtwängler und Bernstein, von "Verfehlungen auf höchstem Niveau" sprechen.


    Übrigens kenne ich Mrawinsky, Swetlanow, Solti, Pletnev, Gergiev und andere, die einen ganz anderen Tschaikowsky musizieren, auch und schätze sie ebenfalls.
    Das muß sich also nicht unbedingt gegenseitig ausschließen. ;)


    LG
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • So bei mir!
    Wobei Pletnev eindeutig in die Bernstein Fraktion fällt. Noch so ein Schmalzrudi!
    Nee, für mich ist die Sache (vielleicht) zu einfach


    Tschaikowski wird interpretiert von
    Klangfetischisten: HvK ist ein Beispiel dafür. Ganz nett anzuhören. Aber mehr auch nicht!
    Sensualisten: Fu und Lennie, obwohl Lennies Interpretation bezgl. der Empfindlichkeit der von Fu wohll nicht entsprechen würde.
    Hier amerikanischer Jude, da deutscher Bildungsbürger des späten 19. Jahrhunderts. Dennoch sind beide Filmmusik für Rosamunde Pilcher oder Ivan Golotkov näher als Tschaikowski. Eben Musik zum "Staubsaugen".


    Partiturtreue(ere): wie Mrawinski, Solti und andere.
    Selbst der große "russische Bernstein" Svetlanov war nie näher bei Mrawinski wie bei Tschaikowski; ich nehme an, auch er wusste nur zu genau, dass ein Verlassen das schmalen Pfades der Partiturnähe aus Tschaikowski unerträglichen Schmalz machen würde.


    Aber das ist nur meine unbedeutende Meinung.


    Gruß S.

  • Hallo Joseph,


    :!: lass dich doch nicht immer in Deinem Geschmack durch andere Meinungen beeinflussen. Im Januar 2010 warst Du doch von Bernstein (DG,86) total beheistert:

    Zitat

    Die digitale Bernstein-Aufnahme (DGG, 1986) habe ich mir heute spontan zugelegt. Sie gefällt mir ausnehmend gut. Die langsamen Tempi sind m. E. für diese Symphonie keineswegs verfehlt. Insbesondere den 3. und 4. Satz finde ich hinreißend. Was für eine Wucht im 3., was für eine Emotionalität im 4.!


    :no: Heute schreibst Du was von

    Zitat

    Bernstein, von "Verfehlungen auf höchstem Niveau"
    .... Tränenreicher Kitsch à la Bernstein (DG)


    Ich finde einfach, im Prinzip genau wie Du, dass dies eine große tief empfundene Interpretation ist. Eine "Verfehlung oder Kitsch" möchte ich somit absolut ausschliessen. Auch Schmalz, wie Hans meint, sehe und höre ich da nicht. (Schmalz höre ich bei Schleiereulen und Tenören.)


    Das hat auch nichts damit zu tun, das meine Favoriten dann letztendlich Bernstein (SONY), Solti (Decca), Swetlanow (Eurodisc) und Karajan (DG,64), im Falle der Nr.6 auch Mrawinsky (DG und seine Melodiya-Aufnahmen) sind.
    @ Hans
    Deshalb wäre ich nie "immun" gegen so eine groß empfundene Bernstein-Aufnahme. Früher hatte ich ja schon geschrieben, dass auch ich nicht immer bereit bin, mich auf diese bernsteinsche Gefühlswelt bei der Pathetique einzulassen und deshalb gerne zu Solti greife.
    Schade, das Du dies so negativ siehst und hörst !


    Pletnev siehst Du auch als "Schmalzrudi". Ich habe seine Aufnahme der Manfred-Sinfonie ... die ist mir zu artig und zu brav, wogegen ich "immun" bin. Da bin ich durch Swetlanow auf positivste Weise vorbelastet !



    @ Josef
    Im Moment bist Du ja auf dem Furtwängler-Tripp (wie man an allen möglichen Stellen bei Tamino lesen kann) .
    Ich glaube Dir auch gerne, dass er in der 6 ,3.Satz abgeht wie Schmidts Katze und die Pauken nach unseren beiden wünschen sind. ;) Andererseits kenne ich aber den Klang dieser "Wumm-Mono-Pauken" :D aus der Mitte. Ich hatte auch mal in die Hörschnipsel reingehört - :D das war ja klanglich grausam (lag aber offenbar an der jpc-Sounddatei; da stimmt mit dem Tempo was nicht; absolut verfärbter Grusel-Sound ). Das mag sicher auf CD besser klingen als dort !
    :hello: Da ich mit Tschaikowsky bestens eingedeckt bin, kann ich somit mit gutem Gewissen auf den Monowängler verzichten. ;):D Geschenkt nehme ich sie natürlich !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Hallo Wolfgang,


    ich meinte mit "tränenreichem Kitsch" nicht unbedingt etwas Negatives. Das kam wohl falsch herüber. Bernstein (DG) rührt mich wirklich zu Tränen. Eine zutiefst empfundene Aufnahme und ein großartiges Dokument eines großen Dirigenten. Ich höre sie auch heute noch sehr gern.


    Mit "Verfehlung auf höchstem Niveau" meinte ich, geht man von einem strengen, eben russischen Tschaikowsky Marke Mrawinsky aus, der dem echten wohl doch näher steht als Bernstein und Furtwängler. Ich weiß nicht, ob es Metronomangaben bei Tschaikowsky gibt, gehe aber davon aus, daß der unsentimentale Zugriff Mrawinskys oder auch Soltis dem Willen des Komponisten letztlich näher kommt. Von daher spreche ich hier bewußt von "Verfehlung" in Anführungszeichen. Daß diese gleichwohl auf einem tadellosen Niveau geschieht, betone ich zudem.


    Wie gesagt: Ich bin da für vieles offen, auch bei anderen Komponisten. ;)


    LG
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bin ein Freund der direkten Sprache und liebe es geradezu, Dinge zu zuspitzen.
    So kann man übrigens auch mit mir umgehen!
    Ich formuliere gerne drastisch.
    Ich will aber keinesfalls jemanden persönlich ob seines Geschmacks abwerten. Wenn das so wirken sollte, es täte mir leid.


    Ich schätze an Wolfgang beispielsweise seinen kompromisslosen Einsatz für die drei großen der 70iger und 80iger eben Solti, Hvk und Lennie. Ich habe wenig von denen.
    Aber ohne ihn hätte ich nie und nimmer Svetlanov wieder für mich entdeckt.
    Dass Swiatoslav an Fu und Richter "einen Narren gefressen hat", geschenkt. Ich habe eine Adresse hier im Forum, wo ich mich erkundigen kann!
    Ich habe auch blinde Flecken (Mehr Cluytens denn Klemp), wo die Kritikfähigkeit stark eingeschränkt ist.
    Kontroversen sind eben dazu da, direkt ausgetragen zu werden.


    Mir ist nicht bekannt, dass ich bisher mal jemanden als "dumme Nuss" oder was ich sonst manchmal hier so lesen musste, bezeichnet habe.
    So "blau" war ich noch nie :D In Kiel gibt es auch nur wenig Äppelwoi, der bekanntlich aggressiv machen soll.


    Nein, es geht mir darum, heraus zu stellen, dass gerade im Falle Tschaikowsky der sportive Zugang mir viel sympathischer ist als der sentimentale.
    Dazu mag auch Klaus Mann beigetragen haben, sein Roman Pathetique trieft geradezu von Klischees über den armen (schwulen) Tschaikowsky, der sich selbst mit Cholera verseuchtem Wasser vergiftet hat, weil.....
    Ich bin der Meinung, dass wir froh sein können, dies alte und überholte Bild des larmoyanten Tschaikowsky endlich hinter uns gelassen zu haben.
    Das hindert einen doch nicht, auch mal Mengelberg oder Fu oder Lennie zu hören. Warum denn nicht?
    Aber doch bitte nicht als Referenz! Und wenn dann als historische Referenz. Darüber darf man gerne schwärmen. So wie ich von Walter mit der 6. Beethovens.
    Der Faust von Gründgens ist heute noch interessant, aber eben als historisches Zeugnis.


    Gruß aus Kiel


    So, und nun lest gefälligst meine Beiträge über Michael Tilson Thomas und William Steinberg mit Mahler 2! :P

  • Ich schätze an Wolfgang beispielsweise seinen kompromisslosen Einsatz für die drei großen der 70iger und 80iger eben Solti, Hvk und Lennie. Ich habe wenig von denen.

    Ich habe sehr viel von Solti, HvK und Lennie. Und Tschaikovsky konnten sie, perfekt, jeder auf seine Art. Von Wand und Böhm habe ich noch viel mehr, aber Wand hat die Sechste eingespielt und Böhm 4 und 5. Zu den besten Aufnahmen, die auf dem Markt sind, zählen die aber nicht.
    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)




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    Klemperer und Tschaikowsky – klingt erstmals abstrus, wie Furtwängler in dieser Kombination. Aber die Aufnahmen der Symphonien Nr. 4-6, die zwischen 1961 und 1963 mit dem Philharmonia Orchestra entstanden sind, sind mehr als bloß eine Randnotiz wert. Alle drei sind hochkarätige Aufnahmen, m. E. in jedem Fall sehr individuell und unverwechselbar. In erster Linie soll es hier aber um die "Pathétique" gehen.


    Die Spielzeiten muten erstmal relativ seltsam an:


    I. 18'26
    II. 8'35
    III. 10'54
    IV. 9'40


    Im 1. Satz ist Klemperer annähernd so schnell wie Karajan 1976 (18'21), im 2. und 4. Satz überholt er diesen sogar um einige Sekunden (Karajan: 8'56 und 9'56). Völlig aus der Reihe fällt nun aber das Allegro molto vivace (3. Satz) mit beinahe 11 (!) Minuten Spielzeit. Hier ist er sogar noch etwa 1 Minute langsamer als Furtwängler 1951 und Bernstein 1986.


    Das Merkwürdigste daran ist: Es funktioniert! Hier bekommen wir (wieder mal) eine wie in Marmor gemeißelte Symphonie präsentiert. Stellenweise mutet das Werk brucknerisch an. Sehr zu loben auch das überaus detailreiche Spiel des Philharmonia Orchestra und die signifikanten Betonungen der Bläser und des Schlagwerks durch Klemperer. Wir haben hier einen unsentimenatelen, strengen Tschaikowsky vor uns.


    Auf jeden Fall sehr speziell!


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gerne werbe ich bei der "Pathétique" nochmals für Cantelli und Sinopoli (letztere ist leider derzeit nicht verfügbar - DG):


  • Hi


    Interessant finde ich die Cover-Beschriftung: "The last Three Symphonies" - als ginge es um Nr. 39 - 41 ...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Gerne werbe ich bei der "Pathétique" nochmals für (...) Sinopoli (letztere ist leider derzeit nicht verfügbar - DG)

    Diese Meinung von Wolfram teile ich hundertprozentig. Es gibt von der Pathétique zahlreiche herausragende Aufnahmen, wobei insbesondere Mrawinsky und Reiner genannt werden müssen. Aber die allerbeste, nur noch mit dem Prädikat "Eine Wahnsinnsaufnahme!" zu bezeichnende Einspielung ist diejenige von Giuseppe Sinopoli

    welche von der DG später noch einmal in dieser Reihe



    veröffentlicht wurde.


    Ähnliche Lobeshymnen rechtfertigt übrigens auch Sinopolis Einspielung der Fünften


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  • Dei 6. mit Klemp ist in der Tat seltsam.
    Ich empfehle die 5. Eine Aufnahme, bei der selbst Walter Legge völlig aus dem Häuschen war (Heyworth). Und sie wird in Classics Today mit 10/10 beurteilt.


    Sinopoli empfinde ich dagegen als pures Sacharin. Genau in die Tretmühle, voll rein in die Klischees über Tschaikowski, immer mit dem Alibi des Dr. med. Sinopoli, des großen Pschychaters. Wer das mag, gerne! Nicht mit mir! Für mich ist das an der Grenze zur Geschmacksverirrung. wie das meiste von Sinopoli, aber das ist "my humble opinion".
    Gruß S.

  • Lieber s.bummer,


    ich habe eine Menge "erste Sätze" der 6. Sinfonie Tschaikowskys mit der Partitur gehört. Ich kann Dir sagen: Niemand bleibt so eng am Notentext wie Sinopoli. Nicht einmal Mrawinsky. Da gibt es keine Drücker, keine willkürlichen Ritardandi, keine Verbreiterungen an "schönen Stellen". Sinopoli entfaltet das Werk alleine mit dem, was Tschaikowsky selbst an Darstellungsmitteln vorgeschrieben hat - und gewinnt alles.


    Sinopoli bietet gerade NICHT die Klischees über Tschaikowski, sondern das, was wirklich in der Partitur lesbar ist. Wer das als Geschmacksverirrung bezeichnet, hat ja bei anderen Komponisten vielleicht noch die Chance, seinem Geschmack zu frönen.

  • Wenn das wirklich so eine Musik wäre!
    Armer Tschaikowski!
    Ich hatte mich schon mit Mrawinskis Deutng angefreundet. Na, Pech!
    Gruß S.

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