Zyklus der Verzweiflung - Schuberts Winterreise


  • Will kein Gott auf Erden sein, / sind wir selber Götter.


    Das ist ja die abschließende Übersteigerung des kurzen Euphorie-Zwischenspiels des neu erwachten Lebensmuths:


    Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,
    Schüttl' ich ihn herunter.
    Wenn mein Herz im Busen spricht,
    Sing' ich hell und munter.


    Höre nicht, was es mir sagt,
    Habe keine Ohren,
    Fühle nicht, was es mir klagt,
    Klagen ist für Thoren.


    Lustig in die Welt hinein
    Gegen Wind und Wetter!
    Will kein Gott auf Erden sein,
    Sind wir selber Götter!


    Da würde ich nicht mehr hineininterpretieren.

  • Lieber Kurzstueckmeister,


    es sollte ja auch nur eine Antwort auf Deine Frage sein:

    Zitat

    (Gibt es irgendwo eine Stelle, wo sich der Winterreisende bewundert, wie toll er doch sei?)


    Ich meine, im Sinne der Frage eine zutreffende Stelle aufgezeigt zu haben.


  • Lieber Kurzstueckmeister,


    ich verstehe die Müllersche Textversion "Was soll ich länger weilen, bis man mich trieb hinaus" so, dass der Wanderer nicht warten will, bis man ihn hinaustreibt. "Trieb" ist hier Konjunktiv - bis man mich "hinaustriebe". Der Wanderer kommt der Gesellschaft zuvor.


    Die Schubertsche Textversion "Was soll ich länger weilen, dass man mich trieb hinaus" verstehe ich so, dass der Wanderer schon hinausgetrieben wurde, d. h., ihm wurde klar gemacht, dass seines Bleibens hier nicht länger sein könne. "Trieb" ist hier Präteritum und "dass" eine nicht ganz schlüssige Konjunktion - gemeint ist "da man mich trieb hinaus". Hier ist die Vertreibung schon ausgesprochen, und der Wanderer verzichtet lediglich auf einen hochoffiziellen Abschied am nächsten Morgen, sondern verschwindet bei Nacht und Nebel.


    Hast Du eine schlüssige Erklärung für das "dass" bei Schubert?

  • Nein, "dass" ist doch nicht "da"!
    Die Bedeutung ist ziemlich genau dieselbe:
    Ich bleibe so lange, bis man mich fortschickt.
    Ich bleibe so lange, dass man mich fortschickt.
    (nämlich zu lange)


    "trieb" ist Konjunktiv.

  • Lieber Kurzstückmeister,


    wenn Du nun Deinerseits den Text modifizierst, passt Deine Argumentation: "Ich bleibe solange, dass man mich fortschickt".


    Aber der Schubertsche Text "Was soll ich länger bleiben, / dass man mich trieb hinaus" ist ein anderer. Ich verstehe aber, was Du meinst, und es ist für mich schlüssig.


    Wenn Du recht hast, dann stimmen aber die Behauptungen nicht, die hier schon aufgestellt wurden, dass der Wanderer ein Vertriebener sei. Ist er nicht - er macht sich selbst zu einem.

  • Und weiter: Die Behauptung, Schubert habe die Gedichte Müllers nicht textgemäß musikalisch interpretiert, bedarf erst einmal eines Nachweises. Der dürfte nicht zu erbringen sein. Warum also ständig mit dem argumentativen Konstrukt einer angeblichen Dualität zwischen Müllers Texten und Schuberts Liedern arbeiten?


    Manchmal fällt einem das Nächstliegende nicht ein. - Da, wo Schubert ein unvariiertes Strophenlied komponiert, kann er logischerweise nicht allen Strophen in gleicher Weise musikalisch gerecht werden und den jeweiligen Text musikalisch interpretieren. Das ist zumindest schon einmal ein Beweis für verschiedene Grade der Textgemäßheit der musikalischen Umsetzung.


    Es gibt natürlich immer ein Verhältnis zwischen Text und Musik, Kongruenz kann nie vorliegen. Alleine durch die zwei handelnden Personen (nehmen wir Wagner u. a. mal aus). Das Verhältnis kann an Imitation oder Illustration orientiert sein, das Verhältnis kann eher am Kommentar orientiert sein, es kann am offensichtlichen Gegensatz orientiert sein. Aber es bleibt ein Verhältnis, und es ist eine Aufgabe der liedanalytischen Analyse des Liedes (wie komme ich nur auf diesen Pleonasmus?), dieses Verhältnis aufzuzeigen.

  • Manchmal wünscht man sich nichts mehr, als dass Menschen, die hier über die "Winterreise" schreiben, ganz einfach nur die Augen und die Ohren weit aufsperren und gründlich zur Kenntnis nehmen, das da geschrieben steht und was zu hören ist.


    Ich möchte das an einem Beispiel demonstrieren. Da heißt es in Beitrag 540:
    "Zitat von »kurzstueckmeister«


    (Gibt es irgendwo eine Stelle, wo sich der Winterreisende bewundert, wie toll er doch sei?)


    Will kein Gott auf Erden sein, / sind wir selber Götter."


    Diese Verse aus dem Lied "MUT" sind Ausdruck tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Dieser Mensch hat genau das nicht mehr, was in der Überschrift des Gedichts steht: "Mut"


    Da redet sich einer ein, dem der menschenfeindliche Schnee ins Gesicht fliegt, dass man den doch einfach nur abzuschütteln brauche, und das Problem sei gelöst.


    Da will sich einer einreden, er brauche gar nicht zu hören auf das, was sein Herz an Leid und Schmerz von sich gibt. Man brauche ja nur die Ohren zu verschließen. Nur Toren jammerten in der Welt herum.


    Da will sich einer sogar einreden, dass man gar keine Götter brauche. Der Mensch könne sich ja doch selber einer sein.


    Das alles ist Ausdruck tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Da spielt einer einen Augenblick lang mit dem Gedanken, er brauche doch nur die Augen und die Ohren zu verschließen, - und die Welt sei wieder in Ordnung. Das ist auf anrührende Weise menschlich, und wir kennen es alle: Kopf in den Sand.


    Er weiß es besser. Das nächste Lied endet nicht ohne tiefen Grund mit der Feststellung: "Im Dunkeln wird mir wohler sein."


    Die Verse "Will kein Gott auf Erden sein, Sind wir selber Götter" als Beleg dafür zu nehmen, dass der Wanderer sich darin bewundere, wie toll er sei, - und das auch noch einmal ausdrücklich in seiner Richtigkeit zu bestätigen (Ich meine, im Sinne der Frage eine zutreffende Stelle aufgezeigt zu haben" Beitrag 544), --



    - - was soll man dazu noch sagen?


    -----------------------------------------------------------------------------------------------------


    Es tut mir leid, aber ich verstehe allmählich nicht mehr, worum hier gestritten wird.


    Im Zentrum der "Winterreise" steht ein leidender Mensch, der von sich selbst sagt: "Bin matt zum Niedersinken, bin tödlich schwer verletzt"


    Welchen Grund sollte es geben, dieses Bekenntnis nicht ernst zu nehmen?


    Kein Vers in den Gedichten Müllers steht dem entgegen. Und schon gar kein Ton in der von Leid und Trauer geprägten - "schauerlichen" - Musik Schuberts.

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  • Manchmal wünscht man sich nichts mehr, als dass Menschen, die hier über die "Winterreise" schreiben, ganz einfach nur die Augen und die Ohren weit aufsperren und gründlich zur Kenntnis nehmen, das da geschrieben steht und was zu hören ist.


    Sehr geehrter Herr Hoffmann,


    wenn es denn ein Vergehen ist, nicht alle Postings im Tamino-Klassikforums gelesen zu haben und auswändig zu kennen, dann bin ich dessen schuldig. Aber wenn nur derjenige posten dürfte, der dies alles kennt, dann wäre die Anzahl der Beiträge vermutlich sehr gering. Im Übrigen: Sie selbst bemerkten bei Gelegenheit, dass Sie ein Ei nicht ganz aufessen müssten, um zu bemerken, dass es faul sei (es ging um die Aufnahme der Winterreise mit Drehleier). Sehr richtig! Ich halte es ganz ähnlich mit dem Lesen der verschiedenen Threads zu diesem Werk. - Wie kommt es nun, dass Sie solches Vorgehen bei anderen beklagen? Es steht mir doch nicht weniger zu als Ihnen, in der Selektion meiner Wahrnehmung wahlfrei zu sein.


    Diese Verse aus dem Lied "MUT" sind Ausdruck tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Dieser Mensch hat genau das nicht mehr, was in der Überschrift des Gedichts steht: "Mut"


    Da redet sich einer ein, dem der menschenfeindliche Schnee ins Gesicht fliegt, dass man den doch einfach nur abzuschütteln brauche, und das Problem sei gelöst. [...]


    Nun, zum einen ist das ja richtig: Wenn man Schnee ins Gesicht bekommt, dann schüttelt man ihn ab und gut. Eigentlich ganz einfach.


    Angesichts dieser Worte

    Mut


    Fliegt der Schnee mir ins Gesicht, / Schüttl' ich ihn herunter.
    Wenn mein Herz im Busen spricht, / Sing' ich hell und munter.


    Höre nicht, was es mir sagt, / Habe keine Ohren;
    Fühle nicht, was es mir klagt, / Klagen ist für Toren.


    Lustig in die Welt hinein / Gegen Wind und Wetter !
    Will kein Gott auf Erden sein, / Sind wir selber Götter !

    zu behaupten, sie seien Ausdruck tiefster Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, finde ich recht gewagt. Das genaue Gegenteil steht da. Das Lied ist ein Beleg dafür, dass der Protagonist Entwicklungen durchläuft. Der Wechsel zwischen tiefer Depression und Euphorie ist ja nicht untypisch für depressive Störungen, in denen es manische Phasen und depressive Phasen geben kann. Die unglaubliche Hybris " ... sind wir selber Götter" passt genau in das Bild der Symptome einer manischen Phase. Genau so hat es Wilhelm Müller ohne Kenntnis moderner Psychologie eingefangen. - Ist das so schwierig nachzuvollziehen?


    Das nächste Lied endet nicht ohne tiefen Grund mit der Feststellung: "Im Dunkeln wird mir wohler sein."


    Genau. Da ist der Protagonist dann wieder in der depressiven Phase.


    Im Zentrum der "Winterreise" steht ein leidender Mensch, der von sich selbst sagt: "Bin matt zum Niedersinken, bin tödlich schwer verletzt"


    Welchen Grund sollte es geben, dieses Bekenntnis nicht ernst zu nehmen?


    Weil es laut Müller eben mal so und mal so ist. Eben nicht eindimensional. Mal manisch, mal depressiv. Wobei die depressiven Phasen typischerweise überwiegen. - Im Übrigen: Wenn dieses Argument legitim ist ("Welchen Grund sollte es geben, dieses Bekenntnis nicht ernst zu nehmen?"), dann es ist genauso legitim, dieses Argument auf das Lied "Mut" anzuwenden: Welchen Grund sollte es also geben, das Lied "Mut" nicht ernst zu nehmen?


    Mit Metternich ist das alles noch viel zwangloser zu verstehen.


    Mit freundlichen Grüßen
    Wolfram S.

    2 Mal editiert, zuletzt von Wolfram ()

  • Einen Nachtrag noch zu meinem Beitrag (Nr. 550):


    An dem Lied "MUT" zeigt sich die tiefe "Menschlichkeit" des Liederzyklus "Winterreise" (Wer oder was ist Metternich?).


    Präziser formuliert: Ihre, - aus heutiger Sicht -, existenzielle Relevanz.


    Da ist einer in eine existenzielle Grenzsituation geraten, die eigentlich hoffnungslos ist. Er weiß es, aber er redet sich Mut zu. Er meint, man brauche doch gar keine "Götter", die dem Menschen in einer solchen Situation helfend beistehen, Man sei doch eigentlich selber einer.


    Frei nach dem Goetheschen "Prometheus", den Wilhelm Müller natürlich kannte: "Hier stehe ich, schaffe Menschen nach meinem Bilde..." (Müller treibt hier übrigens ein hochinteressantes poetisches Spiel mit dem Prometheus-Mythos. Das aber nur nebenbei!)


    Solche Worte nehmen sich im Munde eines Verlorenen aus wie bitterste Ironie. Er kommt ja gerade von einem "Totenacker", und Schubert hat in dem Lied "Das Wirtshaus" den "Todesdaktylus" musikalisch über ihn gelegt. Jetzt meint er, ein Mensch müsse sich in einer solchen Situation doch aufraffen und noch einmal Mut fassen können.


    Dieses Lied sagt etwas aus über das Wesen des Menschen.


    Und das ist der Grund, warum uns die "Winterreise" noch heute etwas zu sagen hat.

  • Und das ist der Grund, warum uns die "Winterreise" noch heute etwas zu sagen hat.


    Auf die Gefahr hin, wiederum ein Ärgernis zu evozieren: Darf nicht jeder Hörer selbst beantworten, ob und warum ihm die Winterreise etwas zu sagen hätte? Dürfen wir uns wirklich anmaßen, zu befehlen: "Die 'Winterreise sagt Dir etwas aus den Gründen a), b) und c). Basta!"

  • Das Lied "Mut" ist ganz sicher kein Ausdruck der manischen Phase eines Menschen, der an einer "bipolaren Störung" leidet. Eine solche Interpretation ist schlicht abwegig. Dieser Wanderer leidet, aber er ist kein Geisteskranker.


    Das Lied "Mut", das als eine Art prometheisches Sich-Aufbäumen des Wanderers gegen die längst als hoffnungslos empfundene eigene Situation zu verstehen ist, gibt in seinen beiden letzten Versen Anlass zum Nachdenken über das grundsätzliche Verständnis der "Winterreise" als musikalisches Kunstwerk.


    In seinem Zentrum steht ein leidender Mensch. In einer Situation des äußersten Zurückgeworfenseins auf sich selbst ruft er in einer vorübergehenden Anwandlung von Trotz - von Schubert mit harten Klavierakkorden unterstützt - aus:


    "Will kein Gott auf Erden sein,
    Sind wir selber Götter!"



    Bisher, in den 21 Liedern davor, erschien das Leiden des Wanderers als Folge eines Verstoßenwordenseins aus dem Lebensraum einer bürgerlichen Existenz in eine Einsamkeit, in der selbst die Natur keine bergende Kraft mehr besitzt. Schon bis dahin kann man das Leiden des Wanderers als ein typisch modernes verstehen: Das moderne Inidviduum ist per se ständig der Gefahr der Vereinsamung ausgesetzt, weil es sich in seinem Selbstverständnis von der in vormoderner Zeit noch nicht in Frage gestellten Einbindung in die soziale Gemeinschaft emanzipiert hat.


    Nun, mit dem Lied "MUT", enthüllt sich dieses Leiden in einer noch weiterreichenden Dimension moderner Existenz. Man könnte aus diesen beiden Versen durchaus die von Georg Lukàcs für die moderne Welt diagnostizierte "transzendentale Obdachlosigkeit" lesen. Dieser auf seine schiere Individualität zurückgeworfene Wanderer hat nicht nur die bergende Kraft der menschlichen Gemeinschaft verloren, sondern auch einen Gott, der seine schützende Hand über ihn halten und, wenn nicht dieses, ihm doch wenigstens die Hoffnung auf eine Erlösung im Jenseits verheißen könnte.


    Auch eine solche Interpretation des Liedes "MUT" würde die These stützen, dass die Winterreise insofern ein modernes musikalisches Kunstwerk ist, als es die sich im modernen Individuum kistallisierende Daseinsbefindlichkeit artikuliert. Dieses Individuum ist von allem abgeschnitten, was auch nur entfernt etwas mit Gemeinschaft zu tun hat: Die Hunde im Dorf bellen ihn fort, die Post hat keinen Brief mehr für ihn, und selbst auf dem Gemeindefriedhof gibt es keine Bleibe.


    Aber es kommt für diesen Menschen noch schlimmer. Es gibt auch keinen Gott mehr, der ihm in seiner äußersten existentiellen Vereinsamung Zuflucht bieten könnte. Was ihm bleibt, das ist der Rabe, der auf seine Leiche wartet, und der Traum von einem "hellen, warmen Haus", der sich freilich in dem Licht, das diese Hoffnung geweckt hat, als "Täuschung" erweist.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mit dieser Interpretation die beiden letzten Verse von "MUT" interpretatorisch nicht überstrapaziert habe. Wie dem auch sei: Die Gegenwartsrelevanz der Winterreise als musikalischer Audruck moderner Daseinsbefindlichkeit bleibt davon unberührt. Meine Interpretation wäre nur eine Art Verstärkung dieses Ansatzes zum Verständnis der "Winterreise".

  • (Wer oder was ist Metternich?)


    Diese Frage wirft natürlich ein erhellendes Licht auf so manchen Beitrag zu diesem Thread und anderen zum selben Werk. Über Metternich informiere man sich am besten im Internet oder in der Kurzbiografie von Wolfram Siemann (C. H. Beckscher Verlag), die einem geplanten umfangreicheren Werk über diesen Staatsmann voraus gegangen ist.


    In aller Kürze: Metternich (1773 - 1859) war ab 1809 österreichischer Außenminister und spielte eine wesentliche Rolle, wenn nicht überhaupt die wesentliche Rolle beim Wiener Kongress. In der Folge dieses Kongresses wurden liberale und nationalstaatliche Ideen unterdrückt. Insbesondere konnte Metternich 1819 die sogenannten Karlsbader Beschlüsse durchsetzen: Burschenschaften wurden verboten, die Freiheit von Universitäten und Presse stark eingeschränkt. Es wurde ein Polizeistaat mit Zensur und Spitzeln installiert. Dies ist es, was heute mit "Restauration" bzw. etwas später "Vormärz" bezeichnet wird. Die liberalen nationalstaatlichen Bestrebungen wurden im Untergrund weitergeführt.


    Was hat das mit Wilhelm Müller zu tun? Ich zitiere aus der Müller-Biografie von Erika von Borries (C. H. Beck 2007, S. 150ff.):


    Dass die <Winterreise> auch als politische Lieddichtung begriffen werden muss, in der Müller versteckt unter der Liebesgeschichte auch seine enttäuschte und verratene Vaterlandsliebe thematisiert, mag zunächst überraschen, macht aber den maßlosen Schmerz verständlicher, der allein als Folge einer zerbrochenen Liebe fast übertrieben scheint. Seine private Zufriedenheit konnte den liberal gesinnten Dichter nicht über die öffentlichen Missstände hinwegtrösten. <<Wer in dieser Zeit nicht handlen kann, der kann doch ruhen und trauern>>, hatte er dem Freund aus Italien, Daniel Atterbom, in der Widmung seines zweiten <Rom>-Bandes geschrieben. Die <Winterreise> ist auch Dokument der Trauer, der Dichter hat es für sich und alle Befreiungskrieger gefertigt, um die Erinnerung an die Versprechen von Freiheit und Heimat in einem Nationalstaat wachzuhalten, um die sie betrogen wurden. In dem Zyklus hat der Dichter seinen Glauben an politische Redlichkeit zu Grabe getragen, seiner Heimatlosigkeit als deutscher Bürger Ausdruck gegeben. [...]


    Wenn politisches Agieren verwehrt ist, so lässt sich doch mit Trauern und Liedern, die dieser Trauer Ausdruck geben, gegen das System protestieren. Indem der Dichter mit Ironie und Sarkasmus auf den Verrat von Treu und Glauben antwortet, schafft er seinem angestauten Zorn ein Ventil.


    Die in der <Winterreise> artikulierten Gefühle der Fremdheit und Verlorenheit sind auch der Reflex einer Gesellschaft auf dem Weg zur Moderne. Die Emanzipation von alten Ordnungen und Gesellschaftsstrukturen sollte in eine menschengerechtere Zeit führen, aber um 1820 führte der Geist des Systems Metternich [Hervorhebung durch Wolfram] erst einmal zurück zum Ancien Régime und zur Lähmung aller emanzipatorischen Kräfte. [...]


    Soweit Frau von Borries. - Ich meine also, dass alle Behauptungen, die andeuten, dass alle Wissenschaftler die "Winterreise" nur als völlig direkt zu verstehenden Text auffassen, damit zunächst einmal falsifiziert wären.


    Ferner meine ich, dass die Winterreise - sowohl die Dichtung Müllers wie auch die Komposition Schuberts - so vielfältig und gleichzeitig so offen ist, dass die Auffassung - vergleichbar einem Prisma - davon abhängt, mit welcher Art Licht und aus welcher Richtung man auf das Werk blickt. Was man dann in der Lichtbrechung erkennt, erzählt etwas von dem Werk - und etwas vom Betrachter und seinen Beobachtungsmethoden. Das ist ja nichts Schlechtes - das ist bei vielen großen Kunstwerken so. Nur diejenigen, die auftreten und sagen: "So und so ist es, und wer anders denkt, hat unrecht", die machen das Werk kleiner und eindimensionaler, als es ist.

  • Betrifft Beitrag 555:


    "Zitat von »Helmut Hofmann«


    (Wer oder was ist Metternich?)


    Diese Frage wirft natürlich ein erhellendes Licht auf so manchen Beitrag zu diesem Thread und anderen zum selben Werk."


    Man sollte mit solchen herablassenden Äußerungen über andere Forianer vorsichtig sein. Der Grund dafür wird aus den folgenden Feststellungen leicht ersichtlich (aber unabhängig davon sind sie ganz einfach ungehörig!):




    Danke für die Belehrung.


    Derjenige, der diese Frage gestellt hat, ist ausgebildeter Historiker. Er verkneift es sich, hier zum Ausdruck zu bringen, was er bei der Lektüre der Belehrungen über Metternich empfunden hat.


    Er hat diese Frage ("Wer oder was ist Metternich?") als dezenten Hinweis darauf gemeint, dass für Schubert die von Erika von Borries herausgearbeiteten Konnotationen zur Lyrik Wilhelm Müllers irrelevant gewesen sind.


    Nebenbei: Der Schreiber dieser Zeilen kannte auch dieses Buch von Erika von Borries (dies weiterhin zum Thema "Belehrung"), und ist dennoch bei seiner hier dargestellten Auffassung hinsichtlich der Interpretation von Schuberts "Winterreise" geblieben.


    Das einzige, was an den angeführten Zitaten auch für Schubert in Anspruch genommen werden kann, ist das folgende:


    "Die in der <Winterreise> artikulierten Gefühle der Fremdheit und Verlorenheit sind auch der Reflex einer Gesellschaft auf dem Weg zur Moderne".


    Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meinen Beitrag Nr. 554. Da ging es genau um dieses Thema!

  • Meine lieben Freunde,
    Lieber Helmut -


    Will kein Gott auf Erden sein,
    sind wir selber Götter!


    Das ist, mit Verlaub, ehe daß es Lukàcs wäre, schon aus chronologischen Gründen Nietzsche, und daher die Selbstbefreiung des Subjekts, das keinen Gott braucht (die ganze Winterreise braucht keinen Gott). Lukàcs käme bei Rilke ins Spiel:


    Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; -
    aber auch in ihnen flimmert Zeit.
    Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
    obdachlos die Unvergänglichkeit.



    Auf welches Niveau wird hier die Diskussion gehoben durch Fragen wie:


    (Gibt es irgendwo eine Stelle, wo sich der Winterreisende bewundert, wie toll er doch sei?)


    Welche Begriffe von Narzißmus liegen denn hier vor? - Ein Narzißt inszeniert eine Liebe, um sein (schwaches) Selbstwertgefühl zu heben. Eine narzißstische Kränkung per entzogener Liebe trifft eben dieses Selbstwertgefühl ins Mark -


    "Ihr Kind ist eine reiche Braut!";


    also nicht die bürgerliche Wertewelt, deren Vertonung mir Helmut noch nachweisen muß, sondern der paranoide Blick auf eine Quasi-Verschwörung (Mutter und Tochter), der man zum Opfer fällt - hinter jedem Treuebruch lauert schon der Verrat aller menschlichen Beziehungen; so gibt´s im Haus also kein treues Frauenbild (die narzißtische Kränkung kennt jeder; denn alle fürchten das Gelächter auf die eigenen Kosten.)


    Eine narzißstische Liebe wird, wie im Fall des Ich-Erzählers von À la recherche du temps perdu, erst im Verlust so richtig fühlbar; La Fugitive handelt nicht von einer verstorbenen Geliebten, sondern von den Wehleidigkeiten eines Eifersüchtigen, der einer Toten nachspioniert. Es ist auch unrichtig, daß der Narzißt keine Wunschbilder hätte. Er lebt ja geradezu vom imaginären Gehalt einer Affäre (statt auf ein konkretes Du bezogen zu sein) - und so, wie ein anonymes Anhängsel einer großen Gefühlsblase, wirkt ja auch das "Mädchen" der Winterreise. Hinter der Ohnmacht des Auswanderers steht der Machtverlust und damit insgeheim auch der Machtwille, der die narzißtistische Liebe so zwanghaft werden läßt und sich mit berauschenden Hochgefühlen verbindet.


    Wolfram hatte mich ganz richtig verstanden; auch ich dachte an die Inszenierung eines Selbstmordes, dessen ganze Umstände für die Hinterbliebenen angelegt werden. Die Ironie besteht einerseits in der Vergeblichkeit, der notwendig zu spät kommenden Reue ("Wenn ihr diese Zeilen lest, bin ich längst tot"); andererseits in der vom Täter antizipierten Süße der Befriedigung über sein vollendetes Werk (die ihm später ja nicht mehr möglich ist). Die ganze Geschichte mit dem Gutenachtgruß am Tor als "Liebende Zuwendung" auszugeben, unterschlägt völlig die implizite Ungleichzeitigkeit der Botschaft, die doch in actu scrivendi mitzudenken ist. Schuberts glasklare Harmonien bei dieser Stelle könnten durchaus ausdrücken, daß der Reisende eine imaginäre Geliebte kalt lächelnd ins gleichfalls eingebildete offene Messer ihres verpaßten Lebensglücks laufen läßt. Man könnte die letzte Strophe mühelos ein wenig süffisanter singen - ein durchwachte Nacht löst im Hirn euphorisierende Prozesse aus.
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Schuberts glasklare Harmonien bei dieser Stelle könnten durchaus ausdrücken, daß der Reisende eine imaginäre Geliebte kalt lächelnd ins gleichfalls eingebildete offene Messer ihres verpaßten Lebensglücks laufen läßt. Man könnte die letzte Strophe mühelos ein wenig süffisanter singen - ein durchwachte Nacht löst im Hirn euphorisierende Prozesse aus.


    Lieber Farinelli,


    wenn es Dir möglich ist, dann höre doch einmal in die 1945er Aufnahme mit Peter Anders hinein. Hier erschließt sich die Ironie in Strophe 3 und die Süffisanz in Strophe 4 sofort. Das ist - jedenfalls für mich - höchst überzeugend! Die sängerischen Mittel sind natürlich von vorgestern, aber welch Transport der Inhalte, die hinter der vordergründigen Oberfläche stehen! Ich meine, die existenziellen Bedingungen von 1945 mitzuhören.

  • Man sollte mit solchen herablassenden Äußerungen über andere Forianer vorsichtig sein.


    Mag sein. Das gilt dann aber für alle! Ich bemühe mich redlich, mich dem Grundton dieses Threads anzupassen. :hello:


    Danke für die Belehrung.


    Immer wieder gerne - keine Ursache, dies ist ja ein Forum. Ich danke ebenso über manche Belehrung über Ihre individuelle Auffassung von Müllers und Schuberts Winterreise und darüber, worin meine Auffassung Ihrer Meinung nach unzutreffend wäre.


    Er hat diese Frage ("Wer oder was ist Metternich?") als dezenten Hinweis darauf gemeint, dass für Schubert die von Erika von Borries herausgearbeiteten Konnotationen zur Lyrik Wilhelm Müllers irrelevant gewesen sind.


    Das klingt in meinen Ohren auch nach wiederholtem Lesen ziemlich absolut. Wie nun, wenn ein Schriftstück von Schuberts eigener Hand gefunden würde, das genau diese These falsifiziert?


    Derjenige, der diese Frage gestellt hat, ist ausgebildeter Historiker. Er verkneift es sich, hier zum Ausdruck zu bringen, was er bei der Lektüre der Belehrungen über Metternich empfunden hat.


    Ich frage mich gerade, was ein Musikwissenschaftler empfinden könnte, wenn er hier so manche Beiträge liest ... :yes: ... wer Beiträge eines Internetforums liest, muss das m. E. ertragen können. Dennoch: Natürlich steht es Ihnen frei, sich zu Ihren Empfindungen zu äußern oder nicht. Metternichs Spitzel kontrollieren jedenfalls nicht dieses Forum.

  • Nur kurz, da farinelli mich in seinem Beitrag ( 557 ) mit der folgenden Bemerkung angesprochen hat:


    "...also nicht die bürgerliche Wertewelt, deren Vertonung mir Helmut noch nachweisen muß, ..."


    Nein, das muss er nicht, da er nur kurz einmal in Erwägung gezogen hatte, dass in dem Vers "Ihr Kind ist eine reiche Braut" eine Spur von Sozialkritik in die "Winterreise" komme.


    Diesen Interpretationansatz habe ich im selben Atemzug wieder verworfen.


    Diese Äußerung des Wanderers ist aus seiner Haltung in diesem Augenblick zu verstehen. Er steht vor dem Haus, das er als "Fremder" verlassen musste, und ist verbittert. Er sucht nach Erklärungen für das, was ihm widerfahren ist und möchte dem "Mädchen", dem er wohl immer noch innerlich verbunden ist, keine Schuld zuweisen. Da muss halt die Mutter herhalten, die einen ordentlichen Ehemann für die Tochter will und dabei auch ans liebe Geld denkt.


    Nein! Nicht die Welt des Bürgertums ist es, wonach der einsame Wanderer sich sehnt. Es ist die Vision eines erfüllten Lebens in Zweisamkeit mit einem weiblichen Wesen und in Gemeinschaft mit anderen Menschen. Das kann eine dörfliche Gemeinschaft sein oder eine kleinstädtische, - das spielt für ihn gar keine Rolle. In der Einsamkeit, in die er sich inzwischen geworfen sieht, geht es nur noch um existentiell ganz elementare Dinge.


    Ein wenig salopp formuiliert könnte man sagen: Ein Mensch, der so am Ende ist wie dieser Wanderer, hat keine Wunschbilder von einem Einfamilienhaus mit Gärtchen im Sinn, sondern ist in all seinem Denken und Fühlen auf die menschlichen Urbedürfnisse reduziert. Hier ist das eine "liebende Seele".


    Diese Vision wird ja auch tatsächlich im Lied "TÄUSCHUNG" artikuliert: Ein "helles warmes Haus" mit einer "lieben Seele drin".

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  • Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben,


    mein lieber Helmut, und wird den Nachweis erbringen, daß auch der transzendental obdachlose Künstler noch über ein konfessionsloses Hinterzimmerchen verfügt. - Ich danke Dir für den Hinweis auf "Täuschung", das ja sozusagen den "Hinterweltler-Abschnitt" der Winterreise darstellt:


    Traum schien mir da die Welt, und Dichtung eines Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines göttlich Unzufriednen.


    Ich habe mir, nach ein wenig akustischer Abstinenz, oh hoher Baum im Ohr, ein paar Gute-Nacht-Versionen angetan, auf jutuhb. Prey war mir zu schnell und Prégardien zu langsam, die Begleitung hier zu sehr rubato, dort zu lieblos untergeordnet. Ganz ausgezeichnet fand ich Bostridge, Schreier und Quasthoff. Wolframs Empfehlung konnte ich bloß für die 1948er Version nachgehen (wird noch nachgeholt). Wenn der Interpret, wie Prégardien, dem "Was soll ich länger weilen" usw. besonders markanten, ingrimmigen Nachdruck verleiht, verliert die Stelle augenblicklich an Wirkung. Am besten sind die Sänger, die eine gewisse Monotonie walten lassen (alle singen hier natürlich lauter). Bostridge hat für die Schlußstrophe das erlesenste Pianissimo, Quasthoff den besten Begleiter (Barenboim) sowie die beste, die ideale Farbbalance. Schreier und Eschenbach bieten ebenfalls eine auf höchstes Ebenmaß gehobene Interpretation.


    Ich streife hier nur, weil das glaube ich bislang etwas zu kurz gekommen ist, die strophische Anlage mit der intensivierten Duraufhellung (Durparallele) jeweils in der Strophenmitte, deren Wirkung ja immer etwas anders ausfällt - Liebe- und Ehegedanken lösen beim mittleren Dieskau fast ein wenig belustigte Nostalgie aus; die zerstobenen Hoffnungen bieten ebensowenig echten Trost wie die Compagnie des Mondenschattens, während in der Rückwendung ins Moll die echohaften Punktierungen im Diskant die eisigen Lichter auf den Schneeflächen zu malen scheinen.


    Sonderbar ist die Wirkung in der dritten Strophe, "die Liebe liebt das Wandern" usw. Natürlich ist auch das keine tröstliche, eher eine bittere Einsicht. Schubert dosiert seine Dur- und Mollfärbungen also sehr bewußt; auch durch die Wiederholung der ganzen Verszeile und die pathetische Steigerung der Gesangslinie wird die Auflichtung irgendwie unterwandert.


    "Das Mädchen sprach von Liebe,
    Die Mutter gar von Eh´"


    - man spürt, wie sich aus dieser beschwörenden Formel bei ihrer Wiederholung bereits alles verflüchtigt.


    Danach trübt es sich bis zum Strophenende wieder ein; das entspricht wörtlich dem Schlußvers in Str. 1; in Str. 2 gilt es der nachtkalten Weite; in Str. 3 jedoch verfährt Schubert plötzlich anders mit der Verszuordnung:


    (in der Durparallele)


    Die Liebe liebt das Wandern,
    Gott hat sie so gemacht,
    Von einem zu dem andern,
    Gott hat sie so gemacht


    (in der Mollrückwendung)


    Die Liebe liebt das Wandern,
    Fein Liebchen, gute Nacht!
    Von einem zu dem andern,
    Fein Liebchen, gute Nacht!


    Nur wenn man alle Bitterkeit dieses Kehrreims "Fein Liebchen, gute Nacht!" auch harmonisch in die Waagschale wirft, ist die Wirkung der Dur-Terz-Rückung in der letzten Strophe recht zu beurteilen: Fast gewaltsam wird hier das (wie ich finde) abfällige "Fein Liebchen" (das sich ja wenig fein verhielt) noch einmal ins Lichte umgedeutet; das kann ebenso innig wie heimtückisch klingen, ebenso traumverloren wie selbstlos-suizidal, ebenso verzückt wie maskiert.


    "Gute Nacht", einer Schlummernden als Morgenempfehlung ans Tor in den Schneereif geschrieben, ist kein freundlicher Abschied, kann schon dem Wortsinn nach beim Erwachen kein Liebesgruß sein. Selbst wenn dem Wanderer ihr schlummerndes Gesicht einen Moment lieblich vor Augen trat - der Gruß wird sich am Morgen in einen buchstäblich frostigen verwandelt haben.
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • und daher die Selbstbefreiung des Subjekts, das keinen Gott braucht (die ganze Winterreise braucht keinen Gott).


    Lieber farinelli,


    wie gehst Du bitte mit der Tatsache um, dass 1/8 des Textes von "Gute Nacht" Gott zum Thema hat?
    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachtrag: Eine ganz bescheidene Anfrage: Wäre es u. U. sinnvoll, dass Du Deinen Beitrag Nr.561 im Thread "...liedanalytische..." gepostet haben würdest?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Danke für deine differenzierte Würdigung der Aufnahme mit Scott Weir und dem Folkwang Gitarrenduo. Dein Hinweis auf die Spielweise am Steg zu spielen, um dem Klavierklang nahe zu kommen, ist mir als des Gitarren-Spielens-Unkundiger wertvoll.
    .


    Lieber moderato,


    im Thread "Schuberts Winterreise in liedanalytischer Betrachtung" hat man sich auf eine liedweise Betrachtung eingelassen - man ist bei "Gefrorne Tränen" angelangt.


    Ich habe aus diesem Anlass die Aufnahme von FiDi mit Gerald Moore mit der von Scot Weir und dem Folkwang Gitarren Duo mehrmals verglichen. Hier ergibt das "Spielen am Steg" verbunden mit dem spezifischen Gitarrenklang einen dem Liedcharakter sehr treffenden Klang. Scot Weir hat einen beachtlichen Tonumfang und dabei immer eine sehr, sehr schöne Stimme - aber die Liedgestaltung gefällt mir bei FiDi besser. (Was ich für mich schon oft festgestellt habe: "Die" Aufnahme, bei der für mich Alles stimmt, gibt es nicht - oder besser: FiDi ist für mich immer sehr gut und in seltenen Fällen, wie hier, wäre sie Stimme von Scot Weir mit der Gestaltungskunst von FiDi nicht überbietbar; und bei allem Wohlklang hier mit der Gitarre, doch besser mit Kavier, es geht ja nicht an, im Zyklus die Art der Begleitung zu wechseln.)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zweiterbass merkt an:


    "im Thread "Schuberts Winterreise in liedanalytischer Betrachtung" hat man sich auf eine liedweise Betrachtung eingelassen - man ist bei "Gefrorne Tränen" angelangt.


    Ich habe aus diesem Anlass die Aufnahme von FiDi mit Gerald Moore mit der von Scot Weir und dem Folkwang Gitarren Duo mehrmals verglichen...."


    Irgendwie sehr wohltuend, das hier zu lesen.


    Liedanalyse ist eine recht mühsame, zuweilen anstrengende und manchmal sogar qualvolle Angelegenheit. Dann nämlich, wenn man merkt, dass man doch ein ziemlich unbeholfener Laie ist.


    Da tut es gut, zu lesen, dass man von Menschen hörend und dieses Hören kommentierend begleitet wird.

  • Ich habe aus diesem Anlass die Aufnahme von FiDi mit Gerald Moore mit der von Scot Weir und dem Folkwang Gitarren Duo mehrmals verglichen. Hier ergibt das "Spielen am Steg" verbunden mit dem spezifischen Gitarrenklang einen dem Liedcharakter sehr treffenden Klang. Scot Weir hat einen beachtlichen Tonumfang und dabei immer eine sehr, sehr schöne Stimme - aber die Liedgestaltung gefällt mir bei FiDi besser. (Was ich für mich schon oft festgestellt habe: "Die" Aufnahme, bei der für mich Alles stimmt, gibt es nicht - oder besser: FiDi ist für mich immer sehr gut und in seltenen Fällen, wie hier, wäre sie Stimme von Scot Weir mit der Gestaltungskunst von FiDi nicht überbietbar


    Lieber Zweiterbass,


    die Aufnahmen mit FiDi/Moore unterscheiden sich ziemlich. Meinst Du die Mono-Aufnahme von 1955, die Stereo-Version von 1962 oder die im Rahmen der GA der Schubert-Lieder (soweit für eine Männerstimme aus FiDis Sicht vertretbar) entstandene Aufnahme aus 1971? - Abgesehen von Moore: Ich hatte immer eine Schwäche für die frühen Aufnahmen (nicht die allererste mit Klaus Billing), wenngleich die späte Aufnahme mit Brendel auch ihre Reize hat.

  • Lieber Zwoter,


    mein Beitrag steht, wo er stehen soll. An dem von Dir angesprochenen Thread werde ich mich nur sporadisch beteiligen, da ich auf Textkritik nicht verzichten kann. Meine diesbezüglichen Ansichten stehen hier und im Sprache-und-Musik-Thread. Ich lasse mir auch nicht gerne sagen, meine Argumentationen beruhten auf textfernen Konstruktionen, oder Müllers Bildsprache zeige an keiner Stelle poetische Schwächen. Die Würdigung der Winterreise ist im Themenkomplex Innen-/Außenwelt, existentielle Erfahrung, Chiffre, Außenseiterthema, Bild- und Wahnwelten usw. begrifflich ein wenig ins Schwimmen geraten, für meinen Geschmack. Ich rühre nicht in jedem Brei.
    Aber schön, daß es auch dort weitergeht. Früher hätte man gesagt, ihr seid beim Dessert - man reicht schon "Gefrorenes" ...
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat farinelli:


    "Ich rühre nicht in jedem Brei."


    Manchmal erschrickt man, - hier in diesem Forum. Ist eine solche Sprache dem Dialog daselbst förderlich?


    -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


    Ich redigiere diesen Beitrag wie folgt:


    Das Erschrecken war eine spontane Reaktion. Die sich daran anschließende Frage folgte unmittelbar daraus. Für mich stellt sich wieder einmal die Frage, ob man solche Spontaneinträge hier im Forum machen sollte, oder ob es nicht besser wäre, erst einmal nachzudenken und notfalls einfach runterzuschlucken, was einem sauer aufstieß. Dem forialen Leben wäre aber wahrscheinlich eine solche hochreflektierte Haltung durchaus abträglich.


    Vielleicht gehört man ja zum alten Eisen, wenn man auch in einem Internet- Forum den sorgfältigen Umgang mit der Sprache für wünschenswert hält. Das schließt selbstverständlich auch eine diesbezüglich kritische Prüfung der eigenen Beiträge ein.


    Es ist, um das einmal an einem Beispiel zu erläutern, aus meiner Sicht durchaus zulässig, hier im Forum den bildhaften Spruch zu verwenden: "Ich muss nicht jedes Ei aufessen, um zu merken, dass es faul ist".


    Allerdings nur dann(!), wenn das nicht auf den Beitrag eines anderen Mitglieds des Forums bezogen ist.


    Dieser Fall betrifft mich selbst. Ich habe diesen Spruch damals nicht auf eine Äußerung eines Forumsmitglieds, sondern auf eine CD bezogen: Eine Aufnahme der Winterreise mit den von mir radikal abgelehnten Begleitinstrumenten, als da sind Gitarre, Drehleier und dergleichen. Es ging darum, dass man mir vorwarf, ich hätte sie nicht von Anfang bis Ende durchgehört.


    Aus meiner Sicht habe ich damit nicht gegen meine eigenen Grundsätze im Umgang mit der Sprache hier im Forum verstoßen.


    Ob man den Beitrag eines Kollegen mit dem Wort "Brei" versehen sollte, das überlasse ich jedem zur eigenen Beurteilung. Die obige Frage hatte ich mir selbst gestellt. Ich hätte sie wahrscheinlich auch besser bei mir behalten.


  • Vor einiger Zeit war hier zu lesen:

    Zitat

    Ich muss ein Ei nicht aufessen, um zu erkennen, dass es faul ist.


    Das ist sprachlich der Farinellischen Formulierung zumindest recht nahestehend. Beide Bilder stammen aus dem Küchenbereich und verwenden eine negative Konnotation. - Das Thema "Quod licet Iovi ..." war aber schon mehrmals implizit Gegenstand der Auseinandersetzung.


    Wer über eine solche Formulierung erschrickt, hat vielleicht eine Auffassung von Internetforen, die noch Realitätsabgleichspotenzial beinhaltet. Das erinnert mich an: Nun sitz' ich hier alleine / Und denke dem Traume nach.

  • Lieber farinelli,


    wie gehst Du bitte mit der Tatsache um, dass 1/8 des Textes von "Gute Nacht" Gott zum Thema hat?
    Viele Grüße
    zweiterbass


    Lieber fallo,
    (oder doch lieber falli, um jeder noch so mißliebigen Fehlinterpretation aus dem Weg zu gehen)


    Keine Deine Antwort ist auch eine Deine Antwort (ich liebe Sorbet - auch als antipasti!).

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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