Legenden auf dem Prüfstand: "Parsifal" unter Knappertsbusch (1962)


  • Hans Knappertsbusch gilt noch heute vielen als "der" Dirigent des "Bühnenweihfestspiels" "Parsifal" schlechthin. Kaum jemand hat diese Oper öfter zu Gehör gebracht, wohl niemand wird so sehr mit ihr identifiziert, oft (völlig zu unrecht) auf sie geradezu reduziert. Das wußte man bereits zu Lebzeiten von "Kna", daher entschloß sich Philips im Jahre 1962, das Gralsspektakel offiziell mitzuschneiden, und zwar in Stereo. Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang war diese Aufnahme die einzig offiziell greifbare der letzten Wagner-Oper unter Knappertsbusch (abgesehen vielleicht vom Premieren-Mitschnitt zur Eröffnung von Neubayreuth im Jahre 1951). Ich meine, dieser Umstand hat zur Popularität dieser Aufnahme unheimlich beigetragen. Heute freilich liegen uns sämtliche Rundfunk-Mitschnitte der Knappertsbusch'schen "Parsifal"-Dirigate auf dem Grünen Hügel vor. Sie umfassen die Jahre 1951 und 1952 sowie ununterbrochen 1954–1964 (wobei 1955 m. W. nur als Querschnitt vorliegt; zudem gibt es den 3. Akt aus Berlin von 1942). Dadurch wird Knappertsbusch unweigerlich für sich selbst zur Konkurrenz, die '62er Aufnahme kommt somit auf den Prüfstand.


    Um es kurz zu machen: Es gibt mindestens drei Bayreuther Aufnahmen unter ihm, die ich der von 1962 vorziehen würde. Ich verweise hier auf meinen sehr ausführlichen Beitrag im entsprechenden Thread. Hier möchte ich das Ganze straffen und plädiere daher viel eher für die Aufnahme von 1964, sein allerletztes Dirigat überhaupt:



    Einzig tontechnisch ein wenig unterlegen, obschon sehr gutes Mono, haben wir hier die besseren Sänger (allen voran Vickers statt Thomas) und ein besser aufgelegtes Festspielorchester. Ich nenne nur mal die Schlußapotheose: Die Steigerung ist 1964 ungleich gelungener, die zusätzlichen Blechbläsereinsätze (die macht er nur hier und 1959) sind besonders hervorzuheben.


    Fazit: Der "Parsifal" unter Knappertsbusch ist zurecht legendär und einer, wenn nicht der beste auf Tonträger überhaupt, aber nicht unbedingt in der offiziellen Stereo-Aufnahme.


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph,


    erst einmal vielen Dank für die Aufnahme der Idee mit einer Neubewertung von Legenden!


    Ich kenne nur die Parsifal-Aufnahmen unter Knappertsbusch aus den Jahren 1951 und 1962, aber die 1951er Version hat mir immer besser gefallen - vor allem aufgrund der sängerischen Leistungen. London ist Fixpunkt beider Aufnahmen, aber Weber als Gurnemanz, Uhde als Klingsor und Windgassen als Parsifal waren 1951 schon richtig gut. Nicht zu vergessen Martha Mödl als Kundry.


    Jetzt bin ich auf die 1964er Aufnahme gespannt. Vickers, Stewart und Neidlinger machen in der Tat neugierig. Meine monatliche Bestell-Liste ist zwar schon ausgebucht, aber vielleicht schaffe ich es ja noch bis Karfreitag ... :hello:

  • Die Aufnahme von 1951 wird/wurde sehr oft hochgepriesen. Orchestral gehörts dieser Parsifal allerdings zu einer der langweiligsten + gleichförmigsten Parsifalwiedergaben überhaupt ....
    :hello:

  • Was der eine für langweilig empfindet, ist für den anderen ein unvergleichlicher Spannungsbogen. Wie wir zudem bereits vor Jahren hier festgestellt haben, ist Knappertsbusch keinwegswegs der langsamste "Parsifal"-Dirigent auf Tonträger: das ist Sir Reginald Goodall (EMI, 1984) mit 286 Minuten, somit zwischen 14 und 28 Minuten langsamer als "Kna".


    Ich würde Leuten, die einen "opernhafteren" "Parsifal" wollen, zu Herbert Kegel (Berlin Classics, 1975) raten.


    :hello:

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    – Luís de Camões