Jacques Fromental Halévy ( 1799 – 1862 )
La Juive
(Die Jüdin)
Oper in fünf Akten
Libretto: Eugène Scribe
Originalsprache: Französisch
Uraufführung: Paris 1835
PERSONEN DER HANDLUNG
Kaiser Sigismund, stumme Rolle
Kardinal Brogni, Bass
Reichsfürst Leopold, Tenor
Prinzessin Eudora, seine Verlobte, Sopran
Eleazar, jüdischer Juwelier, Tenor
Recha, seine Tochter, Sopran
Ruggiero, Oberrichter, Bariton
Albert, Offizier der kaiserlichen Leibwache, Bass
Majordomus, Bariton
Ein Ausrufer, Bariton
Höflinge, Hofdamen, Geistliche, Soldaten, Henker, Volk
Ort und Zeit der Handlung: Konstanz, 1414
ERSTER AKT
Öffentlicher Platz in Konstanz mit Dom und Eleazars Haus.
Es ist Festtag. Bürger und Bürgerinnen knien vor dem Dom. Im Dom und außen erklingt das TeDeum. Im Hause Eleazars wird gearbeitet. Das Volk ist erbost.
Eleazar und Recha kommen aus dem Haus, treten aber nach kurzem Dialog wieder zurück, weil sie nicht gern gesehen werden wollen. Leopold erscheint verkleidet und späht vorsichtig nach dem Eleazars Haus. Albert, der gleichzeitig auftritt, spricht ihn auf seine Verkleidung an. Wir erfahren, dass der Kaiser heute einzieht, um ein Konzil zu halten und den Anführer der Hussiten, die von Leopold besiegt wurden, zum Tode verurteilen will.
Das Volk strömt aus dem Dom und singt ein Freudenlied auf den Festtag. Leopold und Albert eilen davon. Ruggiero kommt mit einem Edikt, und ein Ausrufer verkündet das Fest zur Feier des Sieges über die Hussiten. Als Ruggiero die Hammerschläge in Eleazars Haus vernimmt, lässt er den Juden und seine Tochter verhaften. Er vernimmt ihn, der erklärt, dass er als Jude sich nicht an die Gesetze der Christen halten müsse, die seine Söhne getötet hätten.
Als die Hellebardiere Eleazar und Recha fortschleppen wollen, tritt Kardinal Brogni aus dem Dom und lässt sich Eleazar vorführen. Im Gespräch erfahren wir, dass beide sich aus Rom kennen, als Brogni noch nicht Bischof war und Frau und Tochter hatte. Brogni beklagt, dass er sein Glück verloren habe, will den Juden retten und bietet ihm Freundschaft an. Doch dieser kann nicht vergessen, dass Brogni ihn einst aus Rom verbannte. In einem Ensemble drückt Brogni aus, dass er Gnade gewähren will. Eleazar hegt weiterhin seine Rachegedanken. Ruggiero warnt den Kardinal, dass der Jude auch weiterhin sein Feind bleiben werde und das Volk preist den Kardinal.
Nachdem sich der Platz geleert hat, tritt der verkleidete Leopold, der in Recha verliebt ist, erneut auf und singt eine Serenade.
Recha, der er sich unter dem Namen Samuel vorgestellt hat, kommt aus dem Haus. Nach einem Liebesduett lädt sie ihn in das Haus ihres Vaters ein, in dem sich heute Abend die Söhne Israels zu einem Mahl versammeln. Er lehnt zwar verlegen ab, aber sie besteht auf der Einladung. Leopold geht und Recha tritt ins Haus zurück.
Glocken läuten, das Volk strömt herbei und singt in verschiedenen Gruppierungen fröhliche Lieder. Ein kurzer Streit zwischen zwei Zechern wird von anderen geschlichtet. Man tanzt.
Auch Eleazar und Recha schließen sich dem Fest an. Als Ruggiero kommt und die beiden auf der Schwelle zum Dom stehen sieht, fordert er das Volk auf, sie wegen dieser Frechheit dem Blutgericht zu übergeben. Das Volk zerrt die Juden von der Treppe. Leopold schreitet ein und will Recha befreien. Auch Albert kommt mit Hellebardieren, um die Juden festzunehmen. Er erkennt Leopold, der ihm etwas zuflüstert. Danach gibt er die beiden frei.
Während Eleazar und Recha noch nicht zu fassen vermögen, wem sie ihre Freiheit verdanken, einigen sich Albert und Leopold, dass diese den Namen Leopolds nicht erfahren sollen. Das Volk ist über die Befreiung empört.
Da zieht der Kaiser unter dem Jubel des Volkes ein, indessen Eleazar und Recha immer noch rätseln, wer wohl die Macht hatte, sie zu befreien.
ZWEITER AKT
In Eleazars Haus.
Die Juden haben sich versammelt und beten. Unter ihnen ist auch Leopold. Eleazar bricht das Brot zum Festmahl. Auch Leopold erhält ein Stück, das er heimlich unter den Tisch fallen lässt, was aber von Recha bemerkt wird.
Recha fordert Leopold auf, ihr Rede und Antwort zu stehen, warum er das gesegnete Brot unter den Tisch fallen ließ. Es klopft und Stimmen fordern Einlass im Namen des Kaisers. Alle außer Eleazar und Leopold verschwinden. Leopold verbirgt sich in einer Nische, nimmt Pinsel und Palette und wendet den Eintretenden den Rücken zu.
Auf Eleazars Aufforderung tritt Prinzessin Eudora ein. Nachdem sie sich nach dem Fremden erkundigt hat, der ihr als Künstler bezeichnet wird, erklärt sie, dass sie eine besonders kostbare Kette erwerben will, die sie ihrem Geliebten Leopold zur Siegesfeier schenken möchte. Schon morgen wolle sie ihn zum Gemahl nehmen, was Leopold in seiner Nische verlegen werden lässt. Nach kurzen Verhandeln hat ihr der Jude die Kette zum überhöhten Preis verkauft und geleitet Eudora hinaus.
Recha kommt und stellt Leopold erneut zur Rede. Die Antwort wird jedoch wegen des wiedereintretenden Eleazar zunächst hinausgeschoben. Eleazar bemerkt die Verwirrung der beiden und fordert Leopold auf, zur Abendandacht zu kommen, Leopold entfernt sich verlegen.
Recha, allein zurückgeblieben, singt eine Romanze, in der auch ihre Zweifel zum Ausdruck kommen. Es gewittert, sie öffnet das Fenster und Leopold steigt durch dieses ein. Er gesteht endlich, dass er Christ ist. In einem Duett äußert Recha ihre Zerrissenheit zwischen Liebe und der Pflicht ihrer Religion und ihrem Vater gegenüber, während Leopold sie zur Flucht zu überreden versucht. Schließlich gibt sie nach.
In diesem Augenblick tritt Eleazar ein und hält sie zurück. Als Leopold schließlich auch diesem gegenüber gesteht, Christ zu sein, zückt Eleazar seinen Dolch. Recha wirft sich dazwischen. Eleazar will zwar seiner verzweifelten Tochter verzeihen, schwört aber dem Christen gegenüber ewige Rache. Als er erneut auf Leopold eindringen will, hält Recha ihn zurück. Leopold kann entfliehen. Eleazar, der ihm nacheilen will, bricht schmerzbewegt an der Tür zusammen.
DRITTER AKT
Festlich geschmückte Halle in Konstanz mit Festtafel
Eudora freut sich auf das bevorstehende Fest und die Ankunft des Geliebten.
Der Majordomus kündigt eine Unbekannte an, die um Gehör bittet und führt Recha herein. Beide Frauen bewundern jeweils die Schönheit der anderen. Dann trägt Recha ihr Anliegen vor: Sie möchte beim Fest als Dienerin mitwirken. Den Grund verschweigt sie.
Nachdem Recha gegangen ist, tritt Leopold, festlich geschmückt aber mit finsteren Blicken auf. Eudora fragt nach dem Anlass, der ihn quält und betont ihre Liebe zu ihm. Wortlos nimmt er neben ihr den Platz an der Tafel ein.
Kaiser, Kardinal, Ruggiero, Fürsten und Fürstinnen sowie Volk strömen herein. Der Chor preist den Freudentag. Der Majordomus kündigt das nun folgende Ballett an. Während im Anschluss daran Eudora und die übrigen Anwesenden fröhlich singen, hegt Leopold ängstliche Gedanken.
Eleazar und Recha kommen mit dem bestellten Schmuck. Recha erkennt Leopold und hindert Eudora daran, Leopold diesen umzulegen. Sie klagt ihn des Meineids an. Während Eleazar sie zurückhalten will, fordert Brogni Klarheit. Recha trägt vor, dass Leopold als Christ ihr, einer Jüdin, die Treue geschworen habe, was als Verbrechen gilt. Nachdem alle in einem großen Ensemble ihre Gedanken über die Schmach geäußert haben, rufen sie Gott um Verzeihung an.
Doch Eleazar fordert die hohen Herren auf, ihr Richteramt gegen den Verführer auszuüben. Da verflucht Brogni sowohl Leopold als auch die beiden Juden. Im Schlussensemble äußern noch einmal alle ihre unterschiedlichen Gedanken. Dann lässt Brogni die drei von den Hellebardieren ins Gefängnis abführen.
VIERTER AKT
Saal im Gerichtsgebäude von Konstanz.
Eudora kommt mit einem schriftlichen Befehl des Kaisers, der ihr erlaubt, Recha allein zu sprechen. Recha wird hereingeführt. Eudora, die Leopold auch für sich selbst als verloren ansieht, versucht sie zu überreden, die Schuld allein auf sich zu nehmen, um ihm das Leben zu retten. Als schon durch Glockentöne und Wutgeschrei des Volkes erkennbar wird, dass Leopold zum Richtplatz geführt werden soll, gibt sie schließlich nach. Die beiden Frauen umarmen sich.
Eudora geht ab, während Brogni erscheint und Recha vor das Tribunal fordert. Dort will sie ein Geständnis ablegen, von dem Brogni hofft, dass es die Todesurteile noch abwendet.
Nachdem Recha abgeführt wurde, lässt Brogni Eleazar hereinführen. Er versucht ihm nahezulegen, dass er seinem Glauben abschwöre, um das Leben Leoplds, Rechas und sein eigenes zu retten, was Eleazar empört ablehnt. Er frönt hingegen seiner Rache, indem er erklärt, dass Brognis Tochter bei dem Überfall auf Rom nicht ums Leben kam, sondern bei einem ihm bekannten Juden aufgezogen wurde. Aber selbst auf die flehentlichen Bitten des Kardinals, der vor ihm niederkniet, ist er nicht bereit, deren Aufenthaltsort zu benennen.
Ruggiero ruft Brogni zum Tribunal. Eleazar, allein geblieben, trauert – während draußen der Pöbel nach dem Tod auf dem Schafott schreit – dass er nun die geliebte Tochter opfern muss, ist aber zum Tode entschlossen. Dann bricht er zusammen.
FÜNFTER AKT
Ein Platz in Konstanz, auf dem ein großer Kessel beheizt wird.
Der Pöbel freut sich auf die Hinrichtung, die in siedendem Wasser geschehen soll.
Der Zug mit Kardinal Brogni, Ruggiero, Geistlichen und den Verurteilten nähert sich. Ruggiero verkündet das Todesurteil für die beiden Juden, indes Leopold lediglich verbannt wird. Als Eleazar sich erkundigt, warum dieser die Freiheit erhält, erklärt Ruggiero ihm, dass ihn ein wichtiger Zeuge entlastet habe. Recha bekennt, dass sie dieser Zeuge ist und nimmt alle Schuld auf sich.
Während das Volk auf schnellen Vollzug der Strafe drängt und Recha gefasst dem Tode entgegensieht, versucht Brogni erneut, von Eleazar den Aufenthalt seiner Tochter zu erfahren.
Als die Henker Recha in den Kessel stoßen wollen, gewährt Brogni auf Eleazars Bitte noch einmal Aufschub. Dieser bittet seine Tochter, die Taufe anzunehmen, um wenigstens sich zu retten, was diese entschieden ablehnt.
Brogni fleht Eleazar noch einmal wegen seiner Tochter an. Als nun die Henker Recha in den Kessel stoßen, zeigt dieser dorthin mit den Worten: „Sieh dort dein Kind“. Dann geht er mit festen Schritten seinem Tode entgegen. Brogni bricht entsetzt zusammen. Das Volk preist die vollzogene Rache.
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