"Klinge, klinge meiner Gusli Klang" - der Magier Nikolai Rimski-Korsakow

  • Zugegeben, ich bin lange Zeit auch darauf nicht gekommen und sah es ebenfalls als Polit-Satire, bis ich das Gefühl hatte, mit wäre bei der Lektüre von Sigrid Neefs sehr interessantem Aufsatz "Musik als Teil klingenden Weltalls" ein Lichtlein aufgegangen. Nach langem Suchen fand ich jetzt endlich das Zitat gleich vorne in dem Abschnitt "Werke eines Paradigmenwechsels". Dort heisst es: "Und bei dem oft und so grob missverstandenen Goldenen Hahn handelt es sich nicht nur um eine Sozialsatire oder die Parodie eines verstaubten zaristischen Staatswesens. Wenn hätte das damals interessiert und wen wohl heute? Es geht vielmehr um menschliche Sünden wider die Natur -- auf politischer wie wissenschaftlicher Ebene. Das Satirische daran, dass die Handelnden die Tragweite und Bedeutung ihres Tuns nicht begreifen, und nicht bemerken, was wirklich geschieht: die missbrauchte Natur schlägt zurück."

    Also wenn Herr Neefs das so meint, ich finde das reichlich weit hergeholt (gerade, wenn ich mir den zugrunde liegenden Puschkin-Text betrachte) und mich überzeugt das noch lange nicht.



    Es fällt mir äußerst schwer, Rimskis Opern überhaupt mit einander zu vergleichen.

    Da gebe ich dir recht, sie sind in sich doch recht unterschiedlich.



    Rimski gibt seinen menschlichen Gestalten in den Natur-Opern nicht den zentralen Raum wie es zum Beispiel in den Bühnenwerken Verdis der Fall ist. Hier dreht sich alles nur um den Menschen. Bei Rimski geht der Mensch in seiner engen Welt unter, sobald er versucht seinen Machtanspruch zum Maß der Dinge zu machen.

    Da gebe ich dir auch Recht.



    Zitat von »SchallundWahn«
    Hängt womöglich mit der Tatsache zusammen, dass es so ein undefinierbares Zwitter-Werk ist.


    Aber das ist doch eigentlich gerade das Interessante. Vermutlich hatte zu dieser Zeit schon viel zu sehr Wagner den Fuß in der Tür. Die Musik der ersten drei Akte ist doch hinreißend. Was Rimski mit dem vierten Akt passiert ist, erscheint mir allerdings rätselhaft.

    Ich würde sagen, allein schon der logistische Aufwand so ein Werk aufzuführen, bei dem Operngesang und Ballett so verbunden und so tragend sind, ist heute nicht zu vernachlässigen.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Also wenn Herr Neefs

    Ups :), Sigrid Neef ist eine Frau, Musikwissenschaftlerin und ehemalige Dramaturgin an der Deutschen Staatsoper Berlin. Soweit mir bekannt ist gilt sie als eine der größten und profiliertesten Unterstützer von Rimski-Korssakovs Opern ("Opernwelt" bezeichnet sie in diesem Punkt als "Überzeugungstäterin"). Sehr interessant ist ihr Handbuch der russischen und sowjetischen Oper, vielleicht eine Fundgrube für Unentdecktes (?), das noch aus DDR-Zeiten aus dem Jahre 1985 stammt. "Musik als Teil des klingenden Weltalls" wurde aber 1999 geschrieben und findet sich bei Nikolai Rimski-Korsakov "Zugänge zu Leben und Werk" (Ernst Kuhn, Berlin), das auch noch etliche sehr interessante Schriften aus den Zwanziger Jahren enthält.


    Allerdings gebe ich Dir Recht, dass es natürlich besser ist, den Text selbst vor der Nase zu haben und sich ein eigenes Bild zu machen. Das habe ich leider (noch) nicht. Aber es stellt sich für mich doch noch die Frage, ob ein Komponist der literarischen Vorlage auch in seiner eigenen künsterlischen Sprache bereit ist zu folgen. Und dabei bin ich im Zweifel. Ein Komponist hat den ungeheuren Vorteil, sich der universellsten Sprache zu bedienen, die es überhaupt nur geben kann, um der Welt "nur" eine russische Politsatire zu schenken, deren literarische Vorlage ohnehin das Werk eines Dichters ist? Das, glaube ich, ist für einen Meister vom Schlage Rimskis viel zu wenig.



    Ich würde sagen, allein schon der logistische Aufwand so ein Werk aufzuführen, bei dem Operngesang und Ballett so verbunden und so tragend sind, ist heute nicht zu vernachlässigen.

    Wahrscheinlich hast Du Recht. Vor allem, weil an allen Ecken und Enden immer wieder Vorbehalte in Bezug auf Rimskis "dramatische Fähigkeiten" zu lesen sind, gehen wohl viele Regisseure das Risiko nicht ein. Dabei ist es schon von vornherein falsch, sich bei Rimski die "dramatische" Brille aufzusetzen. Es ist sehr schade, dass wir im Westen nicht die Möglichkeit haben, dieses Werk einmal auf der Bühne zu erleben. Für Wagner dagegen ist kein Aufwand zu groß.


    Gruss Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Inwiefern denn beim "Goldenen Hahn"? ich habe das immer als Polit-Satire verstanden, dass da eine Natur-Geschichte drin steckt, darauf würde ich nie kommen.


    Warum denn nicht? Allerdings ist es für mich eher eine Geschichte der menschlichen Natur.
    Was Korsakov aus der Vorlage macht, weiß ich leider nicht, den Text habe ich noch nirgends gefunden, doch bei Puschkin ahnt man deftige Scherzlaune.


    Von der politischen Seite, dem Zarenmord abgesehen, ist die Geschichte ziemlich absurd. Zwei Zarensöhne erstechen sich gegenseitig wegen einer Prinzessin, von der niemand weiß, wo sie herkommt und ein Kastrat will sie einem greisen Zaren abspenstig machen.
    Dazu kommt noch, dass einerseits der Zar sich ähnlich wie Wotan gegenüber den Riesen nicht verpflichtet fühlt, sein Versprechen zu halten und andererseits niemand begreift, was ein Kastrat mit der Prinzessin soll. Vielleicht ist er ein russischer Kohlhaas und will nur sein Recht.


    Zum Schluss nennt Puschkin sein Märchen Lüge, aber doch eine gute Lehre für die brave Jugend. Was er wohl damit meinte?
    Trau nicht der Obrigkeit oder halte immer deine Versprechen?
    Will man noch weiter ausholen, bietet sich die Impotenz der beiden Alten an und deren vergeblicher Versuch, die Probleme des Alters zu ignorieren, sowohl auf dem Felde der Liebe, wie auf dem Felde der Ehre.
    Schließlich löst sich Alles in Luft auf und nur das Gelächter der Prinzessin ist noch zu hören. Dann verschwindet die Fata Morgana für immer.

  • Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow *18. März 1844 in Tichwin bei Sankt Petersburg; † 21. Juni 1908 auf Gut Ljubensk bei Luga), russischer Komponist.
    Heute ist sein 170. Geburtstag.



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Guten Morgen,



    Nikolai Rimsky-Korssakoff (1844-1908)
    Klavierkonzert op.30
    + Capriccio Espagnol op. 34; Zar Saltan-Suite op. 57; Sadko op. 5; Russische Ostern-Ouvertüre


    Noriko Ogawa, Malaysian Philharmonic Orchestra, Kees Bakels
    BIS, DDD, 2003


    Eine meiner Ansicht nach schlicht exzellente CD, denn das Symphonieorchester aus Malaysia spielt diese an vielen Stellen doch sehr bildhafte Musik ganz hervorragend, spannend, mit Verve und Ausdrucksstärke. Dabei erscheint mir die Interpretation auch spieltechnisch höchst gelungen. Beinahe meint man, dem CSO oder einem anderen amerikanischen Spitzenorchester zu lauschen, so klar und perfekt wird hier artikuliert. Gestützt wird der Eindruck durch die stupende Tontechnik.
    Weiterhin positiv zu erwähnen ist die mit ca. 75 Minuten gut ausgefüllte Spieldauer der CD. Einziger Fauxpas: die fehlende Erwähnung des Konzertmeisters, dessen tadellose Leistung u. a. im Capriccio Espagnol durch Nennung zumindest auf dem Back-Cover hätte unterstrichen werden müssen.
    Für mich ist dies eindeutig in diesem Repertoire eine der Referenz-CD. Im Bereich von Digital-Aufnahmen kenne ich keine besseren Fassungen.
    Netzeindrücke/Besprechungen: 1, 2, 3.


    Viele Grüße
    Frank

  • Hallo zusammen,


    Nikolai Rimsky-Korssakoff (1844-1908)
    Orchesterwerke: Zarenbraut-Ouvertüre; Ouvertüre über russische Themen; Wojewode-Suite; Schneeflöckchen-Suite; Christmas Eve-Suite

    Malaysian Philharmonic Orchestra, Kees Bakels
    BIS, DDD, 2004


    Bei mir rotiert diese CD mit wohlbekannten Häppchen Rimsky-Korssakoffs im Rahmen der Einspielungen seiner Orchesterwerke durch das MPO unter Kees Bakels. Die Stücke sind überwiegend recht bekannt, teilweise orchestrale "Showpieces". Gemeinhin kein Repertoire in und mit dem man sich meiner Ansicht nach besonders auszeichnen kann, ist die Musik doch zwar alles andere als banal, andererseits aber eben auch nicht übermäßig substanzvoll. Wie bereits in den anderen mir bekannten Aufnahmen, erweist sich das MPO unter Bakels als hervorragend, kultiviert und gleichzeitig zupackend spielendes Orchester, welches - unterstützt von einer sehr guten Klangtechnik - vollauf überzeugen kann und keinen Vergleich scheuen müssen.


    Viele Grüße
    Frank