Leo Slezak (1873-1946)
Vermutlich sieht die Grabstelle aktuell besser aus, als auf dem Foto, das schon vor vielen Jahren als Dia geknipst wurde. Man kommt zufällig vorbei und hält es so fest, wie es sich darstellt. Aber hier geht es ja nicht um einen Fotowettbewerb, sondern um Dokumentation.
Leo Slezak war ein großer Sänger in des Wortes zweifacher Bedeutung. Mit 150 Kilogramm und einer Körpergröße von 195 Zentimetern war er kaum zu übersehen, und zu überhören auch nicht, denn das war ein Wagnersänger von echtem Schrot und Korn.
Als er 1896 in Brünn in der Rolle des Lohengrin die Bühne betrat, war Wieland Wagner (*1917) noch nicht geboren, man trug noch Schwanenhelm, Panzerhemd, Schild und Horn...
Aber vor diesem Debüt in Brünn war eine abgebrochene Gärtnerlehre und eine abgeschlossene Lehrzeit als Maschinenschlosser. Solche Karrieren sind heute praktisch nicht mehr möglich. Aber der gefeierte Bariton Adolf Robinson, ein bekannter Wagner-Sänger, wurde auf Slezaks Stimme aufmerksam und bildete ihn aus.
Eine Zeitlang musste sich der Sängeranfänger mit dem Verkauf von »Powidl«, das ist so eine Art, Zwetschgenmus, finanziell über Wasser halten, aber dann ging die Karriere steil nach oben, obwohl das in Berlin noch nicht danach aussah, ab September 1901 war er ständiges Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, wo man ihn dann 1934 als Othello letztmals sah.
1909 bekam er einen Drei-Jahres-Vertrag an der Metropolitan Opera New York, ja man kann auch hier verkürzt sagen, dass Slezak in allen Musikzentren präsent war.
Aber dieser gewaltige Mann konnte sich auch stimmlich zügeln und widmete sich intensiv, nicht nur so mal nebenbei, dem Kunstlied. Gerade dieser Tage habe ich alte Slezak-Programme studiert und gesehen, wie zahlreich und vielfältig diese Liederabende waren.
In den späteren Jahren wurde Slezak durch den Film und durch seine Bücher noch populärer, heute steht er mit seinen Freunden Ganghofer und Thoma im Kurpark von Rottach-Egern.
Er passte in diese Gegend. Schon 1911 kaufte er sich nach langem Feilschen hier ein Haus und ließ es, seiner Statur angemessen, umbauen. Damit kam er wohl nicht ganz zurecht, denn von ihm ist der Spruch überliefert:
» Wan aner a Göid hat, und ist recht saudumm, dann kauft er a old's Haus und baut's um.«
Slezak nannte sein 250 Jahre altes Bauernhaus »Hungerbauernhof«, weil seine Familie, um seine Gesundheit besorgt, ihn nicht so viel essen ließ, wie er wollte.
Ein Mannskerl wie er, ließ sich auch nicht von seiner jüdischen Frau scheiden, obwohl man ihm dies von der politischen Seite aus nahelegte. Vom Tod seiner Frau erholte sich Leo Slezak nicht; er lebte zurückgezogen in seinem alten Bauernhaus bis zu seinem Tode am 1. Juni 1946.
Seine Tochter Margarete, ebenfalls Kammersängerin, die noch zusammen mit ihrem Vater auf der Bühne stand, hatte in dem Haus ihrer Eltern 1949 ein Museum eingerichtet, sie starb 52-jährig.
1962 kauften Johann und Anna Höss von der Enkelin Leo Slezaks das nachbarliche Anwesen und bauten es in ein Gästehaus mit Kaffeelokal und Gartenterrasse um.
Slezaks Sohn Walter, ein in New York lebender Schauspieler, starb 1987 durch Suizid. Er hatte seine Lebenserinnerungen in den USA veröffentlicht und der Piper-Verlag verlangte das Umschreiben der deutschen Übersetzung, weil Sohn Walter zahlreiche Anekdoten seines Vaters als eigene Erlebnisse ausgegeben hatte.
Das Grab auf dem Friedhof in Rottach-Egern wird zurzeit anders aussehen, als auf meinem alten Foto, aber die Inschrift wird noch erhalten sein.
Jeder Liedfreund kennt diesen Text in der Vertonung von Franz Liszt - hier ist der gesamte Text von Oscar von Redwitz-Schmölz:
Es muß ein Wunderbares sein
Ums Lieben zweier Seelen,
Sich schließen ganz einander ein,
Sich nie ein Wort verhehlen,
Und Freund und Leid und Glück und Not
So mit einander tragen;
Vom ersten Kuß bis in den Tod
Sich nur von Liebe sagen.