Der Musiker Gräber


  • Heute ist der Todestag von Marianne Schech



    Die Sopranistin Marianne Schech war in Geitau bei Bayrisch-Zell geboren und erhielt ihre musikalische Ausbildung am Trappschen Konservatorium in München, einer privaten Musikschule, die der Musikpädagoge Jakob Trapp gegründet hatte.


    1937 debütierte die Sängerin als Martha in d´Alberts Oper »Tiefland« am Stadttheater Koblenz. Danach folgte nach zwei Spielzeiten ein Wechsel ins westfälische Münster, wo sie in den Jahren 1939 bis 1942 auf der Bühne stand. Dann gelang der Sprung an das Opernhaus in Düsseldorf, wo sie blieb, bis dort kein Spielbetrieb mehr möglich war.


    Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie wieder in ihrer Heimat gelandet und hatte ab 1946 ein Engagement an der Bayerischen Staatsoper München, wo sie bis 1970 sang. Bereits 1955 wurde Marianne Schech Bayerische Kammersängerin.
    Das sieht nach Bodenständigkeit aus, aber Marianne Schech gab neben ihrer Tätigkeit in München Gastspiele an deutschen Opernhäusern und auf der ganzen Welt. So hörte man sie zum Beispiel 1955 als Venus in »Tannhäuser« an der Covent Garden Oper in London; etwas später dann auch in Wien, Paris, Brüssel, Barcelona ...
    Auch Amerika blieb ihr nicht verschlossen; 1956 trat sie an der Metropolitan Oper New York auf und sang 1959 die amerikanische Erstaufführung der »Frau ohne Schatten« in San Francisco.


    Die Sängerin wurde besonders als Strauss-Interpretin geschätzt und überzeugte in Wagner-Rollen.
    Schon bei der Trauerfeier für Richard Strauss wirkte sie1949 im Schlussterzett aus dem »Rosenkavalier« mit; an der Wiener Staatsoper sang sie an der Seite von Christa Ludwig die Marschallin und in den Wagner-Opern »Die Walküre« und »Tannhäuser«.


    1962 erhielt die Künstlerin den Bayerischer Verdienstorden und 1983 kam noch das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse hinzu.
    1968 wurde Marianne Schech Professorin für Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik in München.



    Praktischer Hinweis:
    Der Friedhof von Bayrischzell ist hier noch rund um die Kirche zu finden; der Kirchturm ist nicht zu übersehen. Das Grab von Marianne Schech befindet sich gleich rechts am Eingang.


  • Orientierungspunkt Friedhofskirche - ganz in der Nähe ist die Ruhestätte von Franz Liszt


    Liszt selbst war es außerordentlich peinlich, dass er als kranker Mann in Bayreuth angekommen war. Die Waggonfenster konnten während der Anreise mit dem Zug nicht geschlossen werden, weshalb der berühmte Virtuose am 21. Juli schwer hustend in Bayreuth eintraf, wo er recht bescheiden, gegenüber der Villa Wahnfried, beim Oberförster Ludwig Fröhlich wohnte.
    Trotz seines Zustandes nahm er noch am 23. an der Vorstellung des »Parsifal« und am 25. an der Premiere des »Tristan« teil. Danach entwickelte sich sein Gesundheitszustand so, dass er bettlägerig wurde, weil sich die Krankheit zur Lungenentzündung entwickelte.
    Als Franz Liszt in der letzten Stunde des 31. Juli starb, war seine Tochter Cosima und der Diener Mischka anwesend, die Schüler Göllerich und Stavenhagen hielten sich im Nebenzimmer auf.
    Der Tochter Cosima kam das alles höchst ungelegen, denn sie war im Festspielstress und hatte alle Hände voll zu tun, zudem trat sie als Regisseurin des »Tristan« hervor, der nun erstmals bei diesen Festspielen 1886 auch in Bayreuth aufgeführt wurde.
    Wer alle Fakten der letzten Tage des Franz Liszt kennt, gewinnt den Eindruck, dass für Cosima das Überleben der Festspiele weit mehr Bedeutung hatte, als das Überleben des 75-jährigen Vaters.


    Die Trauerfeier fand am 4. August in der katholischen Kirche statt, wo Anton Bruckner an der Orgel über Themen aus Wagners „Parsifal“ improvisierte, von Liszts Kompositionen war keine einzige Note zu hören.
    Liszt hatte verfügt, an jenem Ort beigesetzt zu werden, wo er sterben würde. So wurde ihm auf dem Stadtfriedhof Bayreuth ein Erbbegräbnis geschaffen. Der romanisierende Gruftbau, ein Werk der Firma Wölfel, wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und fiel dem Abriss anheim. Erst 1978 konnte das Mausoleum anhand historischer Aufnahmen rekonstruiert werden.



    »Mein Sohn, du bist vom Schicksal bestimmt! Du wirst jenes Künstlerideal verwirklichen, das vergeblich meine Jugend bezaubert hat!«
    So soll es der stolze Vater, Adam Liszt, am 22. Oktober 1811 in sein Tagebuch eingetragen haben, als ihm das einzige Kind »Franciscus List« - so der Eintrag im Geburtsregister - geboren wurde.
    Adam Liszt hatte neben einer guten Schulbildung auch Unterweisungen in verschiedene Musikinstrumente erhalten, aber zum großen Musiker reichte es dann doch nicht. Zum Broterwerb verdingte sich Liszts Vater beim Fürsten Esterházy in Eisenstadt, wo er in der Administration rasch aufstieg, aber dann zwar einen gehobenen Posten bekam, sich jedoch in der Provinz wiederfand; das Dorf hieß Raiding. Eisenstadt, wo die Musik spielte, war knapp 50 Kilometer entfernt.
    Trotz der ländlichen Gepflogenheiten, dass Feldarbeit wichtiger als die Anwesenheit in der Schule gesehen wurde, hatte Vater Liszt ein Spinett, an dem er leidenschaftlich musizierte, und schaffte sich sein eigenes kulturelles Umfeld, das mitunter sogar Musiker aus dem fernen Eisenstadt anzog. Der kleine Franz registrierte das alles mit großem Interesse und wollte auch selbst an dem Instrument tätig werden. Sein erster Lehrer war der Vater; und der stieg gleich groß ein: Etüden, Fugen von Bach ...


    Dem Vater war bald klar, dass sein offensichtlich begabter Sohn einer besseren musikalischen Ausbildung bedurfte, als er sie geben konnte. Vater Liszt hatte von einem gewissen Czerny in Wien gehört, was die Eltern veranlasste mit dem oft kränklichen 8-jährigen Knaben in das hundert Kilometer entfernte Wien zu fahren, um Czerny vorzuspielen.
    Dieser hörte auch aus dem unvollkommenen Spiel heraus, dass hier eine förderungswürdige Begabung war und riet zum Umzug nach Wien. Diese Modalitäten zogen sich in die Länge, weil der Fürst nicht gewillt war, seinem Untertan einen längeren Urlaub zu gewähren.


    Anfang des Jahres 1822 war dann endlich der Weg nach Wien frei. Man verkaufte in Raiding das gesamte Hab und Gut, um in der Metropole ein Startkapital zur Verfügung zu haben; der Vater glaubte ohne Zweifel, dass aus seinem Sohn ein großer Musiker werden wird, ein Status, den Adam Liszt nicht erreichen konnte.


    Wien und Paris waren die Musikmetropolen der damaligen Zeit, und »Wunderkinder« gab es in rauen Mengen, der Kritiker Hanslick sprach gar von einem »Stapelplatz von Wunderkindern«


    Carl Czerny war ein berühmter Klavierpädagoge, der von Beethoven selbst noch unterrichtet wurde, das war ein Nimbus, der nicht zu toppen war. Da Czerny die prekäre finanzielle Situation der Familie Liszt bekannt war, unterrichtete er den Knaben sogar unentgeltlich. Und Franzi, sein Lehrer nannte ihn »Puzzi« lernte begierig und schnell.
    In die Kunst des Komponierens wurde der junge Liszt von dem in die Jahre gekommenen Salieri eingewiesen, der schon Schubert unterrichtet hatte. Und Salieri beschränkte sich nicht nur auf musikalische Aspekte, sondern zog im Hintergrund die Fäden, dass Familie Liszt ganz in der Nähe von Czerny eine Wohnung beziehen konnte.


    Czerny ist von den ungewöhnlichen Leistungen seines Schülers beeindruckt und sagt: »Nie hatte ich einen so eifrigen, genievollen und fleißigen Schüler gehabt ...«
    Am 1. Dezember 1822 hört man den nun elfjährigen Franz Liszt zum ersten Mal in einem öffentlichen Konzert in Wien, wo er der renommierten Sängerin Caroline Unger die Show stiehlt; er trug das A-moll-Klavierkonzert von Johann Nepomuk Hummel auswendig vor. Die Begeisterung kannte kaum Grenzen und viele Privathäuser des Adels und öffentliche Säle standen nun dem jungen Klaviervirtuosen offen.
    Inzwischen war Fürst Esterhátzy ungeduldig geworden und hatte seinem ehemaligen Rechnungsprüfer den Stuhl vor die Tür gestellt; Vater Liszt hatte nun keinen Arbeitsplatz mehr, aber einen Sohn, der in Wien schon über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügte.
    Czerny warb vergeblich um weitergehende Studien, aber Adam Liszt strebte mit der Familie nach Paris, wobei die Strecke über einen Zeitraum von drei Wochen als Konzertreise geplant war.


    Als Familie Liszt am 11. Dezember 1823 in Paris eintraf, stand der tüchtige Adam Liszt nicht mit leeren Händen da; er hatte beeindruckende Empfehlungsschreiben im Gepäck.
    Zur großen Enttäuschung Adam Liszts reichte all dies nicht, damit der Junge ins »Conservatoire« aufgenommen werden konnte, die Aufnahme in dieses Institut sei Ausländern nicht möglich.


    Aber es gelang mit dem Klavierbauer Sébastian Èrard in Kontakt zu kommen, der gerade im Begriff war Verbesserungen seiner Klaviermechanik zu entwickeln. Hieraus entwickelte sich eine ersprießliche Zusammenarbeit.
    Der zwölfjährige Liszt hatte in seinen Pariser Anfängen ein gewaltiges Programm zu bewältigen:
    In Privatstunden lernte er besondere Kompositionsstile kennen, übte am Klavier und lernte die Sprachen Italienisch, Latein, Englisch - und natürlich Französisch, denn es zeichnete sich ab, dass die Familie hier leben wollte.


    Der Geldadel hatte den exotisch anmutenden Wunderknaben entdeckt, nun standen ihm auch die wichtigen Türen in Paris offen. Sein erstes öffentliches Konzert in Paris gab er als »Elfjähriger«, der geschäftstüchtige Vater hatte das so gedeichselt, damit der Auftritt noch sensationeller rüberkommen sollte. Diese Veranstaltung war PR vom Allerfeinsten - man ließ Blumen auf das Wunderkind herniederregnen und ein berühmter Schauspieler wurde dafür bezahlt, dass er den Knaben auf der Bühne umarmt und küsst; Kunst und Kitsch hatten sich vereint, Paris hatte einen neuen Star, was auch in den Pariser Schaufenstern zur Geltung kam, das Porträt des jungen Künstlers schaffte es sogar in den Louvre.


    Der rührige Papa führte sein Wunderkind nach England und in die Schweiz, man musste die Zeit nutzen, denn der Wunderkindstatus hat ein Verfalldatum. Der Wunderkind-Mutter war das alles zu viel geworden, sie setzte sich nach Graz zu ihrer Schwester ab.


    Vater und Sohn eilen mit der Kutsche von Konzert zu Konzert, von Erfolg zu Erfolg - ein strapaziöses und ermüdendes Geschäft. Der Vater hat den Eindruck, dass er seinen Sohn überstrapaziert hat, im August 1827 soll ein Erholungsurlaub am Meer gemacht werden; man quartiert sich in einem Hotel in Boulogne-sur-mer ein. Der Vater erkrankt an Typhus und stirbt am 28. August 1827 im Alter von fünfzig Jahren.
    Dass dies eine Zäsur war, liegt klar auf der Hand, denn in den letzten 17 Jahren hatte der Vater alles geregelt. Nun eilte die Mutter nach Paris, eine Mutter, der es nicht an Herzensbildung fehlte, die aber keinerlei Schulbildung genossen hatte; als Managerin war sie nicht zu gebrauchen und der Wunderknabe war im Begriff erwachsen zu werden, was ganz allgemein als schwierige Zeit gilt.
    Weil keine großen Auftritte, wie sie früher Adam Liszt plante, organisiert werden konnten, aber der Lebensunterhalt zu finanzieren war, begab sich Liszt in die Rolle des Klavierlehrers. Das wird für ihn zur tagesfüllenden Tätigkeit, denn er gibt pro Tag etwa acht Klavierstunden.
    So unterrichtet er auch die gleichaltrige Tochter des Handelsministers. Das Mädchen, Caroline mit Namen, ist hochgebildet und bringt dem jungen Mann neben ihrer Liebe auch die zeitgenössische Literatur näher; Carolines Mutter begleitet das wohlwollend, aber das junge Glück ist nicht von Dauer, denn die Mutter des Mädchens stirbt und der Vater weist dem unbegüterten Musikus die Tür. Für den jungen Mann ist das natürlich eine Katastrophe; wie auch schon vorher, stürzt er sich auf religiöse Literatur und spielt sogar mit dem Gedanken Priester zu werden


    Im Juli 1830 erlebt Liszt den Aufstand in Paris und danach das Aufblühen der Künste, wobei die Musik den höchsten Rang einnimmt, weil man sagt, dass nur sie befähigt sei das Unaussprechliche darzustellen und die Musik sollte zu Gott führen. Liszt selbst sieht sich als Künstler selbstbewusst und äußert sich in einer Schrift, die1835 erscheint dahingehend, dass er für die Musiker einen Ehrenplatz in der Gesellschaft reklamiert.
    Paris war en vogue, viele strömten dorthin, Liszt traf Rossini, lernt Berlioz kennen, war von dessen Musik begeistert und schloss Freundschaft. Im Spätsommer 1831 trifft Frédéric Chopin, aus Wien kommend, in Paris ein. Zwischen Chopin und Liszt entsteht keine Konkurrenzsituation, denn Chopin ist ein Vertreter der leiseren Töne und konzertiert vorzugsweise im kleineren Rahmen. In dieser Zeit kommt Paganini nach Paris; sein Auftritt ist sensationell, das Publikum rast, der Mann ist nicht nur ein hervorragender Geiger, sondern auch ein begnadeter Selbstdarsteller. Der zwanzigjährige Liszt beobachtet dies alles sehr interessiert und erkannte, dass bei Paganini nicht das gespielte Werk im Vordergrund steht, sondern die Virtuosität des Künstlers. Es ist zu vermuten, dass Liszt überlegte, inwieweit sich so etwas auf das Klavier übertragen lässt.


    Als Liszt sich nach einiger Abstinenz wieder den Salons zuwandte, lernte er die verheiratete Gräfin Marie d´Ágoult, eine zur Dominanz neigende Persönlichkeit und sechs Jahre älter als Liszt, kennen. Als Liebling der Damenwelt eilte dem nun 22-jährigen Klaviervirtuosen ein gewisser Ruf voraus.


    Bei einer flüchtigen Begegnung blieb es nicht, aus der jahrelangen Verbindung gingen drei Kinder hervor; eines der Kinder trug den Namen Cosima, es ist die spätere Frau Wagner.


    Zunächst verlässt das verliebte Paar Paris in Richtung Schweiz, wo man sich nach einer Rundreise durch das Land, in Genf niederlässt. Die Dame ist vermögend; Geldsorgen sind nicht zu erwarten. In Genf wird ihm am neu gegründeten Konservatorium sogar eine Ehrenprofessur verliehen. Wenn Liszt Aufsätze und Artikel verfasst, betätigt sich seine Gemahlin als Ghostwriter, denn sie war ihm an Bildung überlegen.


    Zu Beginn des Jahres 1836 erfährt Liszt von einem gewissen Thalberg, der in Paris einige Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das veranlasst Liszt alleine nach Paris zu reisen, um zu sehen, welchen Stellenwert sein Name hier noch hat. Im Mai gibt der hier altbekannte Liszt ein Konzert, wobei er alle Register seines virtuosen Könnens zieht und damit sein Publikum in den Bann schlägt. In einer Veröffentlichung bezichtigt Liszt seinen Konkurrenten der Schaumschlägerei.


    Im Dezember des gleichen Jahres spielt Liszt in Paris einige öffentliche Konzerte, die seinen guten Ruf weiter festigen. Im Februar 1837 trifft Sigismund Thalberg in der französischen Metropole ein, aber ein direkter Vergleich der beiden zieht sich dann doch bis Ende März hin, das »Duell« findet in einem Salon statt, ein eindeutiger Sieger ist nicht zu ermitteln, so dass die Gastgeberin diplomatisch erklärt: »Thalberg ist der erste Pianist der Welt, Liszt aber ist der einzige.«


    Noch ist das Paar glücklich und unternimmt ausgedehnte Reisen in Italien. Während Liszt in Mailand musiziert, bereitet sich Marie in Como darauf vor Liszts zweite Tochter zur Welt zu bringen, es ist ein echtes Christkind mit dem Namen Francesca Gaetana Cosima Liszt.
    Marie ist gleich darauf wieder reisefähig, das Kind wird einer Amme anvertraut.


    Er gibt Konzerte in Venedig und reist anschließend nach Wien, um dort Wohltätigkeitskonzerte für Hochwassergeschädigte zu geben; dass sich sein Ruhm dabei erheblich steigert ist nicht zu vermeiden. Während der Virtuose von einer Welle der Begeisterung getragen wird, fühlt sich die Gattin ins zweite Glied geschoben und ist zunehmend frustriert.
    Als im Mai 1839 in Rom das dritte Kind, der Sohn Daniel Liszt, geboren wird, beginnt sich die Verbindung aufzulösen, aber es besteht die Option auf eine weitere gemeinsame Zukunft, bis 1844 wechseln noch häufig Briefe hin und her und es sind gemeinsame Urlaubsreisen bekannt.


    Aber nun zieht Franz Liszt alleine los, ist mit seinem begeisterten Publikum verheiratet und steigert seine Technik ins Unbegreifliche. Das alles fällt ihm nicht in den Schoß, der Mann verfügte über eine außerordentliche Selbstdisziplin und übte, übte und übte ...
    Die benutzten Flügel hatten dabei einiges auszuhalten, viele herkömmliche Instrumente hielten Liszts Spielweise nicht stand, es war Usus geworden, einen Ersatzflügel bereit zu halten, wenn der Meister ein Konzert gab. Clara Wieck schrieb 1840 an ihren Robert:


    »Liszt hat im vorletzten Konzert mit einem Akkord drei Hämmer aus den Kapseln geschlagen und außerdem 4 Saiten gesprengt ...«


    Ob Spieltechnik, Reisetätigkeit oder Wirkung auf das Publikum, insbesondere der Damenwelt - Liszts Aktivitäten lassen sich nur mit Superlativen beschreiben. Natürlich brach der Meister auch mit den herkömmlichen Konzerttraditionen, ihm alleine gehörte die Bühne, das war vordem eigentlich nicht üblich. Geschickt verzauberte er auch sein Publikum mit Bearbeitungen, Transkriptionen, Paraphrasen und Fantasien über bekannte Opernmelodien.
    Seine einzigartige Erscheinung, die große schlanke Gestalt mit dem langen Haar in Kombination mit dem besonderen Kleidungsstil taten das Übrige; es entwickelte sich ein Personenkult ohnegleichen.


    Als Heinrich Heine vermutete, dass Liszt mit Claqueuren zusammenarbeite, lag er völlig daneben, die frenetische Begeisterung war echt. Zwischen 1839 und 1847 bereiste er zwanzig europäische Länder; die meisten Strecken mit der Kutsche; findige Leute haben ausgerechnet, dass an die fünfzigtausend Kilometer zurückgelegt wurden.


    Auf Tonträgern konnte noch nichts festgehalten werden und dem Virtuosen Liszt war klar, dass sein Ruhm recht bald verblassen könnte, wenn eines Tages die ständige Präsenz in den Konzertsälen nicht mehr möglich sein würde.


    Im Februar 1847 sitzt während eines Konzerts in Kiew eine Dame im Publikum, die durch eine Spende von 200 Rubel bei einem Benefizkonzert Aufmerksamkeit erregt; es war Carolyne von Sayn-Wittgenstein, die von ihrem Vater einst zur Ehe geprügelt wurde (um die Sache so kurz wie möglich darzustellen).
    Da war Reichtum ohne Ende, aber ringsum, geografisch gemeint, kulturelles Ödland.
    Wie schon bei seiner ersten Frau, konnte Liszt neben dem Geld auch geistige Potenz bewundern, auch diese Frau war ihm an Rang und Bildung überlegen.
    Im Herbst 1847 hatte Liszt eine Konzertreise in Russland beendet und wurde von Sayn-Wittgenstein eingeladen. Dieses riesengroße Gut war zum Ausspannen der richtige Ort und Liszt blieb bis zum Januar 1848; seine musikalische Aktivität galt in dieser Zeit dem Komponieren.
    Liszt war nun 36 Jahre alt und des Treibens müde. Carolyne wollte ihm gerne nach Deutschland folgen und Liszt war bereit nochmal eine Ehe einzugehen, denn ein Aspekt war, dass der Lebensunterhalt nicht mehr erspielt werden musste.


    Im Sommer 1848 trafen Carolyn mit der Tochter aus ihrer ersten Ehe und Liszt in Weimar ein, wo man zunächst getrennt wohnte, weil sich Sayn-Wittgenstein bei der katholischen Kirche um die Annullierung ihrer Ehe bemühte. Als sich dann abzeichnete, dass sich dieses Procedere in die Länge ziehen würde, zog Liszt kurzentschlossen auch in die »Altenburg«, die sich als eine Art Bohéme-Treffpunkt entwickelte. Das Haus, das die Weimarer Großherzogin unentgeltlich zur Verfügung stellte, weil sie den Ehrgeiz hatte, in Weimar wieder kulturelles Leben entstehen zu lassen, denn die Herren Schiller und Goethe waren längst dahin gegangen.
    Das Haus war teilweise museal bestückt, ein Spinett aus Mozarts Besitz und ein Flügel, der Beethoven gehört hatte ... und namhafte Besucher gingen ein und aus: Richard Wagner, Hans von Bülow, Anton Rubinstein, Clara Schumann ...


    Der Meister selbst musste in die Rolle eines Kapellmeisters schlüpfen, ein Aufgabenfeld, das von seiner bisherigen Tätigkeit um einiges entfernt war. Innerhalb von zehn Jahren dirigierte Liszt in Weimar mehr als vierzig Opern. Ein denkwürdiger Tag war der 28. August 1850, als am Großherzoglichen Hoftheater »Lohengrin« uraufgeführt wurde. Liszt brachte durch seine guten Kontakte etwas Schwung nach Weimar, aber ein großer Teil der Bevölkerung störte sich auch am Treiben in der »Altenburg«, vor allem an dieser wilden Ehe.


    Trotz seiner Theaterarbeit fand Liszt noch ausreichend Zeit für eigene Kompositionen; in Weimar begann er mit dem Schaffen groß angelegter Werke. Dass er dafür ausreichend Zeit fand, ist ein Verdienst von Fürstin Carolyne, die ihm nur selten von der Seite wich und einen gewissen Druck ausübte, damit etwas entsteht.


    Besucher der »Altenburg« bemerkten rasch, dass die Fürstin sich gerne reden hörte und gewohnt war, dass ihre Wünsche erfüllt werden, dass sie auf ihrem Gut Herrin über dreißigtausend Leibeigene war, schlug auch in Weimar durch. Wie einst Gräfin Marie d´Ágoult, redigierte auch Carolyne Sayn-Wittgenstein die Schriften von Liszt, wobei sie ungeniert eigene Gedanken einfließen ließ.
    In Weimar war Liszt auch ein gefragter Klavierlehrer, zumal er seinen Unterricht unentgeltlich erteilte. Sein begabtester Schüler war Hans von Bülow, die interessanteste Schülerin war wohl Agnes Street-Klindworth ...


    Liszts Kompositionen fanden nicht überall Beifall, Clara Schumann bezeichnete die »H-moll-Klaviersonate« als »blinder Lärm« und man erzählte sich, dass Brahms dabei eingeschlafen sei. Auch der damals berühmte Geiger Joachim konnte mit dieser Art Musik wenig anfangen; es gab eine schriftliche Erklärung gegen die Musik der »Neudeutschen«, gemeint waren neben Liszt, Leute wie Wagner oder Berlioz.
    Am 15. Dezember 1858 wurde in Weimar die Oper »Der Barbier von Bagdad« von Peter Cornelius uraufgeführt, die Vorstellung endete im Tumult. Liszt bat daraufhin den Großherzog um seine Entlassung.


    Die Dinge nehmen ihren Lauf - 1857 heiratet Tochter Cosima Hans von Bülow, obwohl Vater und Mutter abraten. Im Dezember 1859 stirbt der erst zwanzigjährige Sohn Daniel.
    Die Fürstin Sayn-Wittgenstein fuhr im Mai 1860 nach Rom, um dort die Möglichkeiten für eine erneute Heirat zu schaffen, alles schien dort gut zu laufen, am 22. Oktober 1861 sollte endlich geheiratet werden. Am 20. Oktober 1861 trifft Franz Liszt in Rom ein. Am späten Abend des 21. Oktober kommt ein Bote des Papstes und überbringt die Nachricht, dass alle russischen Prozessakten nochmals geprüft werden müssten - die Fürstin ist mit ihren Nerven am Ende und gibt auf.


    Franz Liszt bleibt in Rom und wendet sich der Kirchenmusik zu. 1862 stirbt seine Tochter Blandine im Alter von 27 Jahren. Für zwei Jahre lebt er dann in einem Kloster, auch im Vatikan hatte er einige Monate bei theologische Studien verbracht; ab 1865 erscheint Liszt in der Soutane, er hat die niederen Weihen erhalten und ist nun Abbé Liszt. Aber auch in der Soutane lässt sich dirigieren - so führt er seine »Legende von der heiligen Elisabeth« in Ungarn mit großem Erfolg auf und einige Monate später, ebenso erfolgreich, in München.


    1869 kehrt Liszt wieder nach Weimar zurück, wo ihm der Großherzog eine Wohnung in der Hofgärtnerei zur Verfügung stellt. Hier erteilt er seinen Schülern, die ihm überall hin folgen, jährlich einige Monate Unterricht. Carolyne ist wegen seines Aufenthalts in Weimar wütend, aber er kommt ja auch immer wieder nach Rom; auch in Budapest lässt sich Liszt öfter sehen, aber im Laufe der Zeit wurden seine Besuche dort immer kürzer.


    Im privaten Bereich war die Hochzeit seiner Tochter Cosima mit Richard Wagner zu verkraften, denn Liszt war entsetzt, als er davon erfuhr und hatte sich deswegen von Wagner zunächst abgewendet, aber die beiden versöhnten sich auch wieder, bei der Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth 1872 war Liszt wieder vor Ort.
    Die späten Kompositionen des Franz Liszt konnten in ihrer Entstehungszeit keine Begeisterung hervorrufen; sie weisen weit voraus.


    Beim Ableben von Franz Liszt ist Richard Wagner der Musiker der Zeit; zwar starb er drei Jahre vor Liszt, aber Liszts Tochter Cosima betrieb mit großem Aufwand Denkmalpflege bezüglich der Wagner-Präsentation; bei ihrem Richard hatte sie die Vaterfigur gefunden, die Liszt nicht bieten konnte. Die Trauerfeier für Liszt fand im Stillen statt, damit der Festspielbetrieb nicht gestört wurde ...



    Hinweisschild zu Liszts Gruft




    Blick in die Gruft-Kapelle


    Praktische Hinweise:
    Den Eingang zum Friedhof Bayreuth findet man an der Ecke: Carl-Burger-Straße / Erlanger Straße. Dort steht eine kleine Kirche und etwa 50 Meter weiter die kapellenartige Grabanlage von Franz Liszt.


  • Der Grabstein weist keine Lebensdaten auf; heute ist der Todestag von Kammersänger Otto Wiener


    Ganz besonders wird Otto Wiener als Sänger in den Opern von Richard Wagner und Richard Strauss im Gedächtnis bleiben. Erst relativ spät, mit 43 Jahren, startete er seine Opernkarriere. In etwas mehr als 1000 Vorstellungen im Genre Oper hat Wiener 50 verschiedene Rollen gestaltet und ist an 46 Spielstätten in elf verschiedenen Ländern aufgetreten. In Richard Wagners »Die Meistersinger von Nürnberg« stand Wiener allein 283 Mal auf der Bühne; den Sprecher in »Die Zauberflöte« gab er 178 Mal und den Faninal in »Der Rosenkavalier« sang er 123 Mal.
    Das gibt zunächst mal einen groben Überblick zum Opernsänger Otto Wiener, der sich vor diesen Aktivitäten erst als Oratorien- und Konzertsänger einen Namen gemacht hatte.


    Er war eigentlich als Otto Wieninger zur Welt gekommen. Seine väterlichen Vorfahren stammten aus dem kleinen Ort Wiening an der Iller in Oberbayern und waren später in das Weinviertel nach Österreich gekommen. Auch aktuell ist Wieninger Wein in der Gegend noch ein Begriff, aber damit hat Otto Wiener eigentlich nichts zu tun.


    Ottos Vater, Julius Wieninger, wurde in einem kleinen Ort in Niederösterreich geboren und kam schon mit zehn Jahren nach Wien. Julius Wieningers zweite Frau (er heiratete in zweiter Ehe die jüngere Schwester seiner ersten Frau, die früh verstorben war) war Lehrerin und soll über eine reine Sopranstimme verfügt haben. Bei Messen sang sie die Soli und leitete auch den Knabenchor in der Pfarrgemeinde.
    Aus dieser zweiten Ehe des Julius Wieninger gingen die Kinder Helene und Otto hervor. Otto Wieninger kam am 13. Februar 1911 in Wien zur Welt, Wagner-Freunden wird das Datum bekannt vorkommen, der 13. Februar ist der Todestag von Richard Wagner.
    Als Otto das dritte Lebensjahr erreicht hatte, brach der Erste Weltkrieg aus; in den Folgejahren verlor Julius Wieninger fast sein gesamtes Vermögen und es begann eine Hungersnot, die weit über das Kriegsende noch nicht überwunden war.
    Als Otto fünf Jahre alt war, kam er zu den Peterlini-Sängerknaben; erst viele Jahre später gingen hieraus die Wiener-Sängerknaben hervor. Die Peterlini-Sängerknaben waren für bestimmte Aufführungen sehr begehrt; so lernte der kleine Sänger schon recht früh Dirigentenpersönlichkeiten wie Wilhelm Furtwängler und Bruno Walter kennen. Mit fünfzehn war es dann mit der Karriere des Sängerknaben vorbei, aber der junge Mann blieb der Musik treu. Gerne wäre er Kapellmeister geworden, aber der praktisch veranlagte Vater konnte sich mit einem Musikstudium seines Sohnes nicht anfreunden. Nach Beendigung der Schule sollte ein Veterinärstudium begonnen werden.
    Interessant ist übrigens das Thema des Matura-Aufsatzes des Otto Weininger: »Hans Sachs als Gestalt der deutschen Dichtung«. Für eine Eins hat es allerdings nicht gereicht, weil seine Arbeit fast ausschließlich auf Richard Wagners Werk Bezug nahm.
    So begann Otto W. mit einiger Unlust ein Studium an der Tierärztlichen Hochschule; Lehrkörper und Student erkannten recht bald, dass das nichts Rechtes werden wird. Otto W. hatte immer noch Kontakt zu Peterlini, der an der Musikhochschule tätig war, und Otto half dann hier schon mal als Korrepetitor aus.
    In einer Probe, in der er den Sängern, die er begleitete etwas vorsang, hörte ihn zufällig der Gesangspädagoge Corneille de Kuyper und gab ihm den Tipp Sänger zu werden. Bei dem ehemaligen Chorsänger fiel das auf fruchtbaren Boden; de Kuyper erteilte ihm Gesangsunterricht und dessen Frau, eine Schauspielerin, unterrichtete ihn im professionellen Sprechen.
    In dieser Zeit verdiente sich der junge Mann schon mal ein paar Schillinge in Jazzkapellen oder auch als Friedhofssänger.


    Zwischendurch heiratete er seine Sandkastenliebe Rudolfine, die dem Sänger auch im Umfeld seiner Auftritte immer eine Stütze war.
    Bei dem renommierten Kammersänger Hans Duhan bekam Otto W. noch eine operndramatische Ausbildung. Erste ernstzunehmende Auftritte blieben dem Konzertbereich vorbehalten; so wirkte er beispielsweise 1939 in Joseph Haydns »Die Schöpfung« im Wiener Konzerthaus mit. Die musikalische Weiterentwicklung wurde zunächst durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen; der junge Sänger leistete Kriegsdienst in Frankreich und Griechenland. In Griechenland wurde Otto W. schwer verwundet, ein Schuss ins Rückgrat hatte zufolge, dass sich eine Lähmung über Monate hinzog, bis ein Chirurg in Wien das Projektil entfernen konnte.


    Nach seiner Genesung und den Kriegswirren wollte Otto W. seine jäh unterbrochene Karriere fortsetzen, trat aber nun, auf Anraten seines Managers, unter dem Künstlernamen Otto Wiener auf; dieser Name wurde dann schließlich auch 1960 so amtlich eingetragen. In dieser Zeit war Wiener oft für den österreichischen Rundfunk tätig. Am 29. März 1947 sang er für einen großen Konzertveranstalter im Wiener Konzerthaus in Bachs »Matthäus-Passion« die Bass-Arien. Im November des gleichen Jahres sang Wiener erstmals das Bass-Solo in W. A. Mozarts »Requiem« gemeinsam mit der Hofmusikkapelle in Wien. Immer öfter wurde Wiener nun für die Basspartien in Messen und Oratorien, vor allem in Veranstaltungen der Wiener Konzerthausgesellschaft verpflichtet: In Mozarts »Krönungsmesse«, Händels »Der Messias«, Haydns »Die Schöpfung«, Bachs »Weihnachtsoratorium« ... Im März 1950 sang Wiener Ernst Tochs »Poems to Martha« in englischer Sprache in Wien.


    Daraus ist zu ersehen, dass Otto Wiener bis dahin einiges als Konzert- und Oratoriensänger geleistet hatte, aber von 1949 ist auch eine konzertante Aufnahme bekannt, wo er den Dr. Schön in Alban Bergs »Lulu« singt.
    Nun nahm der erprobte Konzertbassist 1949 an einem Sänger-Wettbewerb teil, bei dem Herbert von Karajan in der Jury saß. Karajan engagierte Otto Wiener sogleich für die Partie des Pilatus in der »Matthäus-Passion«. Die Auflistung solcherart von Auftritten ließe sich noch um viele Zeilen fortsetzen, Wiener war in diesem Genre ein angesehener Sänger.
    Erste Gehversuche in kleineren Opernrollen fanden ausgerechnet an der Mailänder Scala unter den Dirigenten Furtwängler und Karajan statt.
    Nachdem jetzt Wiener Theaterluft geschnuppert hatte, stellte er Überlegungen an, ob nicht auch eine Karriere als Opernsänger in Erwägung zu ziehen sei. Einen gewaltigen Schups gab ihm Clemens Krauss, mit dem er konzertierte, der zu ihm sagte:
    »Wiener, Sie sind dumm. Mit Ihrer Stimme und ihrem Aussehen gehören Sie längst auf die Bühne!«
    Naheliegend war da natürlich die Wiener Staatsoper, die damals noch am Theater an der Wien untergebracht war. Sein Vorsingen dort endete mit dem in Theaterkreisen bekannten Satz: »Sie werden von uns hören«.


    So begann seine Opernsänger-Karriere eigentlich am 19. April 1953 an der Oper in Graz, der neben Wien bedeutendsten Opernstadt Österreichs. Es war nicht die erste große Karriere, die dort begann. Wieners erster Auftritt war in dem Stück »Don Pedros Heimkehr« von Hans Erismann / Mozart; der Debütant gab den Don Pedro, die Hauptrolle. Danach hörte man ihn in kleineren Rollen wie beispielsweise als Timor in »Turandot«, aber auch in der Titelrolle von Verdis »Simon Boccanegra«, Amonasro in »Aida« ...
    Und dann kam sie, »seine« Rolle, die ihn ein ganzen Sängerleben lang begleiten sollte, der Hans Sachs in Wagners Oper »Die Meistersinger von Nürnberg« - fast 300 Mal sang er ihn auf den bedeutendsten Bühnen der Welt. Bevor jedoch Otto Wiener im Grazer Opernhaus am 25. April 1954 in dieser Rolle auf der Bühne stand, bedurfte es einiger Überredungskünste vom Regisseur und Dirigenten, denn Wiener wusste nur zu gut, dass er da eine gewaltige Aufgabe vor sich hatte. Das Lampenfieber war dann auch gewaltig, aber der Premierenabend war für Wiener ein glanzvolles Rollendebüt, das im Haus entsprechend bejubelt wurde. Auch die Presse war des Lobes voll. Im Blatt »Neue Zeit« war dazu zu lesen:


    »Otto Wiener debütiert als Hans Sachs. Er ist ein prachtvoller Künstler, nicht nur mit Gold in der Kehle begnadet, sondern auch mit Klugheit. Wie er, immer Schönsänger bleibend, mit seinen Mitteln anfangs zuwartet und von der Schusterstube an ein gewaltiges Crescendo einsetzt, das ihn mit dem Mahnruf an die Kunst der Meister den Gipfel seiner Leistung erreichen läßt - das ist Bühnenstrategie ersten Formats. Wiener kann, gewinnt er zu seinen Vorzügen noch das überlegene, breite Schmunzeln des Schuhmacherpoeten, einmal ein großer Sachs werden.«


    Im weiteren Verlauf seines Grazer Engagements hört man ihn als Don Fernando in »Fidelio«, in der Titelrolle von »Don Giovanni«, als Tonio in »Der Bajazzo« ...
    Es folgten noch viele wichtige Rollen, aber im Februar 1956 stand Wieners zweite Wagner-Oper auf dem Programm, »Der fliegende Holländer«, in »Parsifal« sang er den Amfortas.
    Seine letzte in Graz erarbeitete Rolle war der Archidiakon in Franz Schmidts »Notre Dame«


    Als Hans Sachs gibt Otto Wiener am 23. Juni 1956 seine Abschiedsvorstellung am Grazer Opernhaus, wo er bis dahin 139 Auftritte in 17 verschiedenen Rollen absolvierte.


    Als Gast war Wiener schon im November 1954 als Archidiakon in »Notre Dame« an der Wiener Volksoper zu hören. Im Theater an der Wien debütierte Wiener als Don Giovanni. Endlich, am 18. März 1956 stand Otto Wiener in der Rolle des Hans Sachs auf der Bühne der wieder aufgebauten Wiener Staatsoper - allerdings als Gast. Sein Auftritt war durchaus gelungen und die Presse schrieb unter anderem:
    »Schon beim Erscheinen auf der Festwiese lebhaft akklamiert, entfaltete der Künstler in der mächtig und mühelos gesungenen Schlußansprache des Schusterpoeten eine Fülle von Kraft und Wohllaut, wie man sie in dieser Szene selbst von Paul Schöffler nicht mehr zu hören bekommt.«
    Das war ein großes Lob, denn Schöffler war schon jemand in Wien und gab dort erst im April 1972 seine Abschiedsvorstellung. Bei allem Lob für Otto Wiener war es der Presse jedoch unverständlich, dass Wiener hier nur als Gast agierte und man machte Karl Böhm schwere Vorwürfe, dass dieser Künstler, vom Theater in Graz kommend, nun im fernen Düsseldorf sang.


    Die Zeitung »Welt am Montag« brachte ihre Kritik so zum Ausdruck:
    »Wenn ein Sänger aus Wien stammt und dazu auch noch Wiener heißt, kann er kaum an der Wiener Staatsoper Beachtung finden. Das ist wohl der Grund, warum man es an der Wiener Oper versäumt hat, den großartigen Bariton Otto Wiener rechtzeitig von Graz hierher zu holen und ihn kampflos Düsseldorf zu überlassen. Wie wenig Herr Dr. Böhm auch auf dem Gebiet der Sängerentdeckung entsprochen hat, erkannte man an dem Eingangsgastspiel, das nun Otto Wiener als Sachs an der Wiener Oper gab. Da war alles da. Stimmenglanz, dezentes kluges Spiel, Ausdruck, Würde, Musikalität. Grund genug, den Mann weiterziehen zu lassen.«


    So sieht und hört man nun Otto Wiener ab Herbst 1956 an der Deutschen Oper am Rhein, einer Theatergemeinschaft der Städte Düsseldorf und Duisburg. Zu Wieners Debüt gab es dann am 30. September 1956 in Duisburg Verdis »Fallstaff«. Als Amfortas war er in Düsseldorf zu hören, Kurwenal folgte ... Als Wiener dann am Rhein auch den Sachs gab, war er bereits bayreutherprobt.
    Am 24. Juli 1957 feierte Wiener als Hans Sachs sein Debüt auf dem grünen Hügel; mit auf der Bühne standen: Josef Traxel als Walther von Stolzing und Elisabeth Grümmer als Eva.
    Seinen Sachs sang er in Bayreuth dann auch 58, 59 und nochmals 1963; aber auch in anderen Rollen war Wiener dort zu noch hören.


    Am 4. März 1961 verließ Otto Wiener das Ensemble der Rheinoper, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden. Seine Abschiedsvorstellung - man ahnt es schon - als Schusterpoet ...


    Als Lied-Sänger ist Otto Wiener, wenn man das auf seine Gesamtkarriere bezieht, nicht groß hervorgetreten. Spärliche drei Mal sang er die »Winterreise« und ein Liederabend, in dem Lieder von verschiedenen Komponisten zu Gehör gebracht wurden, fand dann erst am 30. Januar 1962 im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins statt. Auf dem Programm standen Lieder von Brahms und Wolf, Balladen und Lieder von Loewe, sowie »Sechs Monologe« aus Hofmannsthals »Jedermann« von Frank Martin. Das Studium der Kritiken ist höchst interessant, denn der Vortrag der Brahmslieder konnte allgemein nicht begeistern, während die Stücke von Frank Martin überwältigend große Begeisterung hervorriefen. Auch Wieners Vortrag der Loewe-Stücke wurde lobend begutachtet und des Sängers Mut, solche Stücke aufs Programm zu setzen ...


    Seit 1957 war Wiener festes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, der er bis zu seinem Rückzug von der Bühne im Jahre 1976 dauerhaft angehörte, war aber gleichzeitig auch Mitglied der Bayerischen Staatsoper von 1960 bis 1970. Sein Debüt in München war im Juni 1959, als er im Prinzregententheater als Wanderer in »Siegfried« gastierte.
    Eine Stütze der Bayerischen Staatsoper, der Heldenbariton Ferdinand Frantz, war Ende Mai 1959 gestorben, eine kultivierte Baritonstimme war in München willkommen. Zu Beginn seiner Münchner Zeit sang Wiener hier den Kurwenal und eine seiner Glanzrollen, die Titelrolle in »Mathis der Maler«. Besonders in der Zeit, als Wiener in Wien und München sang, war er auch an anderen Häusern im In- und Ausland sehr gefragt - bei den Salzburger Festspielen, Mailänder Scala, Covent Garden und Metropolitan Opera New York.
    Natürlich hatte ihn sein Sachs an die »Met« geführt, das war am 18. Oktober 1962. Einen Tag darauf schrieb man in den »Daily News« bezüglich seines Auftritts:
    »The large cast was headed by Otto Wiener, Viennese baritone making his debut here as Hans Sachs. His is not a big voice , but is a commandingly expressive one and he is a first-rate actor in the role.«


    Als aktiver Darsteller verabschiedete sich Otto Wiener 1976 von der Staatsoper, aber sein allerletzter Auftritt war erst am 13. Februar 1986, er gab den Sprecher in der Oper »Die Zauberflöte«, das war an diesem Hause das 112. Mal - es war am 75. Geburtstag von Otto Wiener.


    Nach seinem offiziellen Ausscheiden 1976 übernahm Kammersänger Otto Wiener zusammen mit Hilde Güden und Hilde Konetzni die Leitung des Opernstudios der Wiener Staatsoper.
    Seine letzte Ruhe fand Otto Wiener auf dem Friedhof Neustift. Neustift am Walde war bis Ende 1891 eine eigenständige Gemeinde und ist heute ein Stadtteil Wiens im 19. Wiener Gemeindebezirk Döbling.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Neustift am Walde
    Pötzleinsdorfer Höhe 2
    1180 Wien
    Wenn man das Tor 5 in unmittelbarer Nähe des Parkplatzes benutzt, liegen rechts des Weges die Grabfelder B / D / E / F / H ... im Feld H befindet sich das Grab von Otto Wiener.

  • Lieber hart,
    auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, danke ich Dir sehr dafür, dass Du diesen thread so unermüdlich und liebevoll mit vielfältigem Inhalt füllst. Über den Hinweis auf das Grab von Franz Liszt habe ich mich natürlich besonders gefreut.
    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)


  • Ein Gedenken zum heutigen Geburtstag von Margarete Klose


    Die Altistin Margarete Klose verfügte über eine warmtimbrierte Stimme mit viel Ausdrucksvermögen. Sie war um die 1940er Jahre eine gefragte Sängerin, die vor allem an der Berliner Staatsoper eine der hervorragenden Positionen hatte, aber auch international von sich reden machte, soweit die politischen Verhältnisse in den Kriegsjahren dies zuließen.
    So wirkte sie bereits 1929 bei den Wagner-Festspielen im Théâtre des Champs- Élysés in Paris mit; 1931sang sie im Haag die Waltraute in der »Götterdämmerung«. An der Covent Garden Oper London hörte man sie 1935 und 1937 als Ortrud, als Fricka, als Waltraute und als Brangäne. 1941 sang sie an der Oper von Rom als Orpheus von Christoph Willibald Gluck.
    In den Jahren 1941-1944 gastierte sie regelmäßig an der Wiener Staatsoper, deren Mitglied sie dann nach dem Krieg für einige Jahre wurde.
    Nach dem großen Weltkrieg dann an der Mailänder Scala und am Teatro Colón Buenos Aires, wo sie die Küsterin in der Premiere von Janáceks »Jenufa« darstellte. Relativ spät sang sie in den USA, nämlich 1953 an der Oper von San Francisco die Ulrica in Verdis »Ballo in maschera«.


    Bei den Bayreuther Festspielen der Jahre 1936-42 trat sie in den großen Wagner-Partien ihres Stimmfachs (Brangäne im »Tristan«, Ortrud im »Lohengrin«, Fricka und Waltraute im Nibelungenring) auf.


    Ganz besonders Kloses Ortrud hat es dem Stimmenkenner Jens Malte Fischer angetan, der auf einen Brief Wagners an Franz Liszt Bezug nimmt, in dem alle negativen Eigenschaften dieses Weibes Ortrud dargestellt sind. Dazu schreibt der Autor:


    »Es gibt für mich überhaupt nur eine Sängerin, die dies alles, noch heute nachprüfbar, wirklich zum Ausdruck gebracht hat, und das war Margarete Klose (1902-1968), die nicht umsonst die Ortrud der dreißiger Jahre war. Am besten ist ihre Ortrud zu hören in einer Live-Aufnahme aus der Berliner Staatsoper, die Robert Heger 1943 leitete. Klose als Ortrud war deshalb so einzigartig, weil sie von der Klangfarbe her eine ausgesprochene Altistin war, allerdings mit Volumen, Durchschlagskraft und Höhe eines dramatischen Soprans, eine wahrlich seltene Kombination. Man höre in die genannte Aufnahme hinein, wie sie zu Beginn des zweiten Aktes sämtliche Anweisungen Wagners wie "leise, doch grimmig", "trotzig", "mit fürchterlichem Hohne"und so weiter realisiert, wie sie dem Wort "Gott" ein dämonisches Crescendo mitgibt und wie sie die "entweihten Götter" geradezu entfesselt herausschleudert, und man wird nicht daran zweifeln, dass dies eine im Wagner-Gesang singuläre Leistung ist, eine Jahrhundertaufnahme, oder wie immer das man nennen mag.«



    Wer aufmerksam gelesen hat wird bemerkt haben, dass bisher zwei unterschiedliche Geburtsjahre der Sängerin genannt wurden, da gibt es eben unterschiedliche Quellen, auch die Grabsteininschrift gibt diesbezüglich keine Auskunft. Sie selbst schreibt in einem persönlichen Beitrag, dass sie 1902 geboren wurde.


    Als Kind nannte man sie Grete. Sie stammt aus einer bürgerlichen Familie; ihr Vater war Fleischermeister und starb früh, als das Mädchen erst elf Jahre alt war. Grete musste das Lyzeum verlassen und die Handelsschule besuchen, um später ihre Mutter unterstützen zu können. Zuerst arbeitete das junge Fräulein Klose als Sekretärin im Büro; hier wurde sie von den Arbeitskolleginnen zum Vorsingen am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium überredet. Dort sang sie dem Direktor Robitschek vor, der ihr sagte, dass sie eine schöne Stimme habe und verwies die angehende Sängerin an den Gesangslehrer und Komponisten Max Marschalk, der fragte: »Was wollen Sie singen? « Fräulein Klose schlug das Schubert-Lied »Auf dem Wasser zu singen« vor, fragte aber vorsichtig nach ob der Lehrer das Lied kenne. Natürlich musste Marschalk, der auch Musikkritiker der »Vossischen Zeitung« war, herzlich lachen ...
    Sechs Jahre hat sie dann bei Marschalk studiert. Das war kein Studieren im heutigen Sinne, der Unterricht wurde in die Mittagspause gelegt, die zwei Stunden dauerte.


    Nach ihrem Studienabschluss vermittelte ein Agent ihr erstes Engagement am Stadttheater in Ulm, wo «Gräfin Mariza« gegeben wurde und sie als Manja debütierte.
    Eine Operette? Sie versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen. 24 Jahre alt und Anfängerin, was will man machen. Die Fahrt von Berlin nach Ulm war ihre erste größere Reise. In Ulm gab es 200 Mark Monatsgage, 50 Mark wurden nach Hause geschickt, 50 Mark Zimmermiete - nach Adam Riese blieben einhundert Mark zum Leben. Beruflich lief es recht ordentlich, die Kritiken waren gut, es kamen bessere Rollen und die Theater in Augsburg und Basel zeigten Interesse. Aber ihr Regisseur - Bültemann, sein Name - riet ihr von diesen Engagements ab und meinte, dass das Nationaltheater in Mannheim eine bessere Adresse sei. Dort sang sie zur Probe eine Wagner-Szene. Offenbar war das recht gut gelungen, denn man schlug ihr ein Gastspiel als Azucena in Verdis »Troubadour« vor.
    Ihre Azucena wurde in Mannheim für gut befunden, sie wurde gleich engagiert, für sagenhafte 700 Mark, eine tolle Steigerung zu den Ulmer Einkünften. Zu dieser Zeit war in Mannheim schon etwas los, da sangen die Damen Gertrud Bindernagel und Erna Schlüter. Nun kam auch Walter Bültemann nach Mannheim.
    Mit ihrer Leistung war man am Theater sehr zufrieden, aber sie bekam von der Theaterleitung wegen des Versäumnisses einer Probe einen Strafzettel - sie hatte so zwischendurch ihren Regisseur geheiratet und das Zeremoniell hatte sich etwas in die Länge gezogen; als der Grund bekannt wurde, hat man ihr die Strafe erlassen.
    Vier Jahre blieb sie in Mannheim, dann kamen Angebote aus Wien, Hamburg und Berlin. Sie fuhr zu einem Probegastspiel nach Berlin und wurde sofort engagiert - Leo Blech sagte zu ihr: »Im letzten Akt habe ich noch keine Azucena gehört wie Sie!« So etwas hat Gewicht, denn Blech hatte bis dahin schon einiges gehört


    Außer mit Blech arbeitete Klose auch mit Furtwängler und Kleiber viel zusammen - auch mit Klemperer, wenn es um den Konzertgesang ging, also die »h-moll-Messe« und »Matthäuspassion« von Bach und Beethovens »Missa solemnis«, was für Margarete Klose ein ganz neues Gebiet war.


    Privat lebte Margarete Klose in Ferch am Schwielowsee, auch der Kollege Jaro Prohaska wohnte da draußen, wo sie die Kriegszeit unbeschadet überstand.
    Ihr Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Heerstraße in Berlin.


    Praktischer Hinweis:
    Waldfriedhof Heerstraße
    Trakehner Allee 1
    14053 Berlin


    Hier findet man das Grab, der Friedhof liegt im Berliner Ortsteil Westend des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf (Orientierungspunkt Olympiastadion).
    Vom Eingang (Verwaltung) aus geht man zur Kapelle und an dieser vorbei und wendet sich dann nach rechts in die Richtung zum See. Das Grab befindet sich in I UR-8

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  • Offensichtlich waren ihr die Dirigenten und Theaterleiter sehr wichtig - dazu zwei Zitate von Margarete Klose:


    »Aber als Heinz Tietjen 1948 die Städtische Oper in Charlottenburg übernahm, war es selbstverständlich, daß ich zu ihm, meinem alten Generalintendanten ging.«


    »Kleiber war es, der mich später, viel später - es war 1955 - von der Städtischen Oper an die Staatsoper zurückholte. Sonst wäre ich nie dorthin, nach Ostberlin, gegangen, aber gerade Kleibers wegen hab´ ich´s getan, der uns ja leider nachher im Stich ließ.«

  • »Kleiber war es, der mich später, viel später - es war 1955 - von der Städtischen Oper an die Staatsoper zurückholte. Sonst wäre ich nie dorthin, nach Ostberlin, gegangen, aber gerade Kleibers wegen hab´ ich´s getan, der uns ja leider nachher im Stich ließ.«

    Dazu ein damaliges Berliner "Volkslied":


    "Ganz ohne Kleiber geht die Chose nicht!
    Ganz ohne Kleiber kommt die Klose nicht!"

    8-)


    Und die Chose ging doch, auch ohne Kleiber, der eh ein paar Monate später starb, und die Klose kam auch ohne Kleiber.
    Bei Felsenstein übernahm sie auch ein paar Gastrollen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • An deutschsingenden Tenorstimmen interessierte Leute hatten in den 1950er Jahren die Namen Peter Anders und Rudolf Schock im Kopf, aber auch die Österreicher Karl Friedrich und Karl Terkal . Gemeinsam war allen, dass diese Sänger neben der Oper auch die damals noch recht beliebte Operette bedienten.


    Heute ist der 20. Todestag von Karl Terkal; ein Anlass, ihn nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen. Wie viele Sänger seiner Zeit, hatte auch Terkal zunächst einen bürgerlichen Beruf ausgeübt, in seinem Falle war der Beruf des Tischlers, beziehungsweise Kunsttischlers.


    Noch im Kindesalter versuchte er sein Glück als Straßensänger, dann kam die Handwerkerausbildung und bald folgte auch schon die soldatische Ausbildung, die zur Folge hatte, dass er in Griechenland verwundet wurde; auch den Status eines Kriegsgefangenen konnte er seiner Biografie noch hinzufügen.


    Als sich die Lebensumstände wieder so langsam normalisierten und er durch sporadischen Gesang hier und da Beachtung fand, nahm er privaten Gesangsunterricht
    Schließlich wurde er Haustischler in der Wiener Musikakademie (heute Musikuniversität), und war damit seinem Ziel eventuell professionell zu singen, schon etwas näher gekommen, denn beim Aufbau der Kulissen konnte er hören, auf welchem Niveau man singen können muss. Aber er bemerkte auch, dass, wenn er sich verglich, weit weniger Begabte ihre ersten Bühnenschritte unternahmen.


    Der Sängernachwuchs wurde dort von Kammersänger Hans Duhan unterrichtet und Theaterschreiner Terkal hatte die Chuzpe diesen darauf anzusprechen, dass das zu Gehör gebrachte einige Mängel aufweist. Von Duhan wurde er umgehend zum Vorsingen aufgefordert; woraus sich ergab, dass er vom Tischler zum Gesangseleven avancierte.


    Wie einige vor ihm auch, holte er sich an der Grazer Oper Bühnenerfahrung und erarbeitete sich ein vielfältiges Repertoire. Schon 1951 erschien er dann an der Wiener Staatsoper wo er den Don Ottavio in »Don Giovanni« und den Kalaf in »Turandot« sang, was ja keine Nebenrollen sind. Der plötzliche Tod von Clemens Krauss, der ihn förderte, bedeutete für Karl Terkal eine Zäsur.


    Herbert von Karajan tauchte an der Wiener Staatsoper auf und verrückte einige bisher geltende Maßstäbe und brachte den Duft der großen weiten Welt an das Haus. Etwa Mitte der 1960er Jahre wurde an der Wiener Staatsoper obligatorisch, dass in Originalsprache gesungen wurde, und diese Umstellung war Terkals Sache nicht.
    In der Folgezeit war er vor allem in Comprimario-Partien zu hören, übrigens auch in Bayreuth.


    Besonderen Erfolg hatte er als Operetten-Bonvivant, wo er sich wohlfühlte; an der Volksoper war er ein erstrangiger Publikumsliebling, aber er sang auch noch mit 72 an der Staatsoper den Wirt im »Rosenkavalier«. Als er anlässlich seines 70. Geburtstages ein Interview gab, sagte er:
    »Ich habe das hohe C noch, nur brauche ich es nicht mehr!« Auch Jahre später soll diese Stimme noch völlig in Takt gewesen sein.


    Seine letzte Ruhe fand Karl Terkal auf dem schön gelegenen Friedhof Baumgarten in Wien; von einigen Punkten aus ist die prächtige Kuppel der Kirche am Steinhof zu sehen.


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab befindet sich in der Gruppe E, Nr. 5
    Friedhof Baumgarten
    Waidhausenstraße 52
    1140 Wien


  • Zum heutigen Geburtstag des Komponisten


    Stockhausen gilt als einer der überragenden Komponisten und Musikdenker des 20. Jahrhunderts. Für die Weltausstellung in Osaka im Jahr 1970 baute Deutschland nach künstlerischen Vorstellungen von Karlheinz Stockhausen und einem audiotechnischen Konzept des Elektronischen Studios der TU Berlin den weltweit ersten und bislang einzigartigen kugelförmigen Konzertsaal.
    Insgesamt hat Stockhausen 362 Werke geschaffen, aber diese Zahl sagt wenig aus, wenn man bedenkt, dass so ein Werk eine Aufführungsdauer von 29 Stunden haben kann ...
    Man muss aber feststellen, dass es offensichtlich Pop- und Techno-Musiker waren, die um Stockhausens Bedeutung wussten. Ein John Lennon, eine Björk oder die Musiker der deutschen Gruppe »Kraftwerk« haben mit Stockhausen immer weitaus mehr anzufangen gewusst als der etablierte Kulturbetrieb.
    In der musikalischen Fachwelt traf er oft auf totale Ablehnung und stellte einmal fest:
    »Die haben mich sofort als akustischen Wissenschaftler aus der Musik herausdiskutiert. Es hieß, ich sei kein Musiker, sondern ein Akustiker, ein Ingenieur oder Techniker.«
    In der Tat stellte er mitunter an Musiker ungewöhnliche Forderungen, wenn Stockhausen zum Beispiel meinte:
    »Ich brauche einen Trompeter, der auch tanzen und springen kann während er spielt!«




    Detail aus der großen Scheibe


    Trotz weltweiter Aktivitäten war er immer eng mit seiner Heimat verbunden; 42 Jahre lang lebte er in Kürten und wurde 1988 zum bisher einzigen Ehrenbürger Kürtens, einer Gemeinde des Rheinisch-Bergischen Kreises in Nordrhein-Westfalen, ernannt.
    Auch heute noch ist im Ort ein Nachwirken zu beobachten. Die Stockhausen-Stiftung für Musik veranstaltet seit 1997 die international besetzten »Stockhausen-Konzerte und -Kurse Kürten«.


    Geboren war Stockhausen in Mödrath, das heute zu Kerpen gehört. Er wächst in verschiedenen rheinischen Orten auf, unter anderem auch von 1935 bis 1941 in Altenberg, wo er im Dom auch Messdiener ist.
    Sein Vater war Volksschullehrer, meldete sich 1939 freiwillig zur Wehrmacht und ist zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Ungarn gefallen; als er in den Krieg zog, sagte er zu seinem Sohn: »Ich komme nicht wieder. Mach alles gut.«
    Zum Jahreswechsel 1941/42 wird Karlheinz in die Lehrerbildungsanstalt nach Xanten geschickt, wo er als »Jungmann« in Uniform wohnte und unter dem kasernenartigen Betrieb erheblich litt.
    Aber er kann sich musikalisch weiterbilden, denn er lernte in Xanten Violine und Oboe hinzu; in Altenberg hatte er ab dem sechsten Lebensjahr Klavierunterricht erhalten.
    Als in Xanten dann aus seinen älteren Mitschülern rasch Soldaten wurden, teilte man Karlheinz unweit der Westfront als Krankenträger für Soldaten ein, wo er grauenhafte Erlebnisse zu verarbeiten hatte.
    Die Mutter soll musisch begabt gewesen sein, starb aber früh in einer Nervenheilanstalt; im April 1945 hatte Karlheinz Stockhausen keine Eltern mehr.


    Nach seinem Abitur in Bergisch Gladbach studierte er an der Staatlichen Hochschule in Köln Klavier und Schulmusik sowie an der Universität Köln Musikwissenschaft, Philosophie und Germanistik. In diese Zeit fällt auch seine Korrespondenz mit Hermann Hesse, den er salopp mit »Lieber Herr Hesse« anspricht. An eine Karriere als Komponist denkt Stockhausen da noch nicht und liebäugelt mit einem Leben als Dichter; aber Hesse rät zur Musik.
    Im Anschluss an das Staatsexamen besuchte Stockhausen die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt. Darmstadt war für ihn über viele Jahre ein großes Thema, weil in diesen Tagen Komponisten und Instrumentalisten in Seminaren und Konzerten die aktuellen Strömungen der neuen Musik erkundeten beziehungsweise vermittelten. Es war nur eine Frage der Zeit, da tauchte Stockhausen dort als Dozent auf, das war 1953 und wurde bis 1974 aufrecht erhalten.


    Anfangs der 1950er Jahre Studierte Stockhausen bei Olivier Messiaen in Paris, wo er auch Pierre Boulez kennenlernte. Luigi Nono kam noch hinzu und das vielbeachtet »Dreigestirn« war entstanden.


    1953 wurde Stockhausen Mitarbeiter, später Leiter des Studios für elektronische Musik des Nordwestdeutschen Rundfunks, des heutigen Westdeutschen Rundfunks (WDR). Zwischen 1953 und 1956 entstanden seine ersten bahnbrechenden Kompositionen elektronischer Musik.


    Immer wieder kam es zu Irritationen, wenn Stockhausen avantgardistisch tätig wurde. So kam es 1969 bei einem Stockhausen-Festival, wo in sieben Sälen, Fluren und Foyers der Bonner Beethovenhalle gespielt wurde, zu einem Eklat. Der Erste Konzertmeister stopfte sich während der Proben Oropax in die Ohren und die Orchestermusiker packten ihre Sachen zusammen und sangen im Foyer »Warum ist es am Rhein so schön?«


    Seine Hinwendung zu »intuitiver« und »kosmischer« Musik brachte Stockhausen in den späten sechziger Jahren einige Kritik von Verfechtern der politisch bewegten Avantgarde ein. Wesentlich für Stockhausens Übergang zu einer meditativ-mystischen Kompositionsweise war seine Begegnung mit Ostasien, mit Japan und dem Zen-Buddhismus. Wegweisend sollte hier die musikalisch-theatralische Aktion »Inori« oder seine Mammut-Komposition »LICHT« werden, an der er von 1977 bis 2003 gearbeitet hat. Die Vertonung aller sieben Tage der Woche, die auch auf die Schöpfungsgeschichte verweist, ist ein modernes Gesamtkunstwerk, das alle Elemente seines musikalisch-theatralischen Werkes miteinander verbinden soll. Die Gesamtaufführungsdauer dieses Werkes liegt bei etwa 29 Stunden, eine gewaltige Sache; Stockhausen hat die Gesamtaufführung nicht erlebt, vielleicht bleibt das künftigen Generationen vorbehalten ...


    Ab Mitte der 1970er Jahre entwickelte Stockhausen die Idee, dass er auf dem Stern Sirius ausgebildet worden sei.


    Der Dirigent und Komponist Pèter Eötvös erklärte das in einem Gespräch einmal so:
    »Als Stockhausen "Kontrapunkte", "Den Gesang der Jünglinge" oder "Gruppen" komponierte, war er kaum30 Jahre alt. Diese Stücke wurden sofort als Meisterstücke anerkannt, das führte zu einem starken Selbstbewusstsein, zu einem Gefühl "Ich bin nicht von dieser Erde"«


    Stockhausen selbst sah sich nicht nur als Klangerfinder und Schöpfer kühner musikalischer Prozesse, sondern auch als »akustischen Forscher«, der die »kosmischen Gesetze« erkennt und immer wieder »anders neu« zu formulieren sucht.
    Er war berühmt als kreatives Musikgenie und berüchtigt als energischer Selbstdarsteller, der nur wenige Kollegen gelten ließ. Besucher seiner Veranstaltungen betonten immer wieder, dass man Stockhausen live erleben müsse. Stockhausen hat den Musikbegriff ähnlich erweitert wie seinerzeit Joseph Beuys im Bereich der bildenden Kunst. Stockhausen war auf Töne fixiert und es ist zu lesen, dass er auch bei knallenden Erbsen in der Pfanne neue Töne entdeckte ...
    Es ist in diesem Rahmen unmöglich auch nur annähernd auf all die Aktivitäten des sehr umtriebigen Karlheinz Stockhausen einzugehen. Da wird Privat-Metaphysik mit Religiösem vermischt. In einem Interview sagte er einmal:
    »Der Inhalt meiner Stücke war immer religiös, nicht nur bei Werken mit religiösen Texten. Der transzendentale war und ist immer da.«


    Aber es gibt für Karlheinz Stockhausen auch ein Leben neben der Musik, eine Szene anlässlich seines 50. Geburtstages, der auf Schloss Georghausen in ganz großem Rahmen gefeiert wurde, mag das deutlich machen; Stockhausen hielt eine Dankrede an alle Mitwirkenden seines Werks:
    »Liebe Frauen, liebe Schwiegermütter, liebe Kinder, liebe Enkel, liebe Geliebte ...« - er blickte in die Runde, und seine Schwiegermutter ergänzte laut:»Liebe Verflossene, liebe Zukünftige«


    In erster Ehe war Stockhausen seit 1957 mit Doris, der Tochter einer Hamburger Reederdynastie, verheiratet. Dem Paar waren drei Kinder geboren, als Stockhausen Mary Bauermeister, eine angesagte Künstlerin, kennen und lieben lernte, sie war zehn Jahre jünger als Doris.
    Stockhausen war zu diesem Zeitpunkt noch ein streng praktizierender Katholik, der sonntägliche Kirchgang war obligatorisch, kein Tag ohne Gebet.
    Dennoch machte es der Meister möglich, dass alle mehr oder auch mal weniger zufrieden unter einem Dach wohnten.


    Die sogenannten »68er« gab es noch nicht, die Zeiten waren recht konservativ geprägt und so erregte diese »ménage à trois« im katholischen Köln doch einiges Aufsehen. Mary, von Stockhausen zärtlich »Mariechen« genannt, war dann mit Stockhausen von 1967 bis 1973 offiziell verheiratet, aber dieser Ritus wurde eigentlich nur ausgeführt, um keine Schwierigkeiten mit dem Jugendamt zu bekommen, denn Mariechen bekam auch Kinder: Ansonsten gestaltete man das Zusammenleben recht locker; Mary berichtet, dass mal drum gewürfelt wurde, wer abends den Hausherrn ins Schlafgemach begleiten durfte. Es waren verzwickte Familienverhältnisse, aber Stockhausen war allen sechs Kindern ein liebevoller Vater.


    Von der reinen katholischen Lehre hatte sich Stockhausen mit der Zeit entfernt und sah das Religiöse in einem viel größeren Rahmen und entwickelte eine Art Privatphilosophie und Privatreligion.
    Der 43-Jährige wird zum Professor für Komposition an die Kölner Musikhochschule berufen. Stockhausen beschäftigt sich nun mehr und mehr mit kosmischen und spirituellen Fragen. Er komponiert das Stück »Sirius« und erklärt, auf diesem Stern Gast gewesen zu sein.
    »Ich bin auf Sirius ausgebildet worden und will dort auch wieder hin, obwohl ich derzeit noch in Kürten bei Köln wohne. Auf Sirius ist es sehr geistig. Was man hier als Publikum kennt, passive Beisitzer, gibt es dort gar nicht. Da ist jeder kreativ«.


    Etwas ernsterer Natur war dann die Aussage des damals immerhin 73-Jährigen; wörtlich hatte Stockhausen über den Terroranschlag am 11. September 2001 in den USA gesagt:
    »Das ist das größte Kunstwerk, das es überhaupt gibt für den ganzen Kosmos. Stellen Sie sich das doch vor, was da passiert ist. Da sind also Leute, die sind so konzentriert auf eine Aufführung, und dann werden 5000 Leute in die Auferstehung gejagt, in einem Moment. Das könnte ich nicht. Dagegen sind wir gar nichts, als Komponisten.«


    Da kam dann nicht nur harsche Kritik von der politischen Seite, auch Kollege György Ligeti meldete sich mit drastischen Formulierungen zu Wort.
    Natürlich ruderte Stockhausen sofort zurück. relativierte und entschuldigte sich für das Gesagte und brachte das so zum Ausdruck:
    »Wenn sich irgendjemand verletzt fühlt durch meine Äußerungen bei der Pressekonferenz, dann bitte ich um Verzeihung, denn ich habe nie gefühlt oder gedacht, was in meine Worte hineingelegt worden ist.«


    Nun hat der unruhige Geist seinen Ruheplatz auf dem Waldfriedhof in Kürten gefunden. Eine Edelstahlplatte von zwei Metern Durchmesser bildet das Haupt des Grabes - sie zeigt eine Notation aus der LICHT-Formel, einen Text aus MICHAELION vom MITTWOCH aus »LICHT«, versehen mit der Signatur des Komponisten.
    Dieses blaue Michaelskreuz, ein Zeichen, das blaue Ringe zeigt, und Pfeile, die in alle Richtungen weisen und auch als die vier Elemente des Lebens zu deuten sind, hat Stockhausens zweite Frau, Mary Bauermeister, für die Figur des Michael in der Oper »LICHT« entworfen; Stockhausen hatte sie um ein prägnantes Zeichen gebeten - die Künstlerin meditierte und entwarf danach kein Leidenskreuz, sondern ein kosmisches Kreuz, dessen Pfeilspitzen wie Blütenknospen geformt sind.


    Der Tod von Stockhausen kam für alle, die ihm sehr nahe standen unvorhergesehen und löste in der Großfamilie Turbulenzen und Bestürzung aus.
    Am Abend vor seinem Tod korrigierte er noch mit seiner Vertrauten, Kathinka Pasveer, das Auftragswerk zu seinem bevorstehenden 80. Geburtstag im August 2008 und machte es versandfertig.
    Schon zwei Wochen vorher hatte er Probleme mit der Lunge. Nun wollte er in der Nacht überall Düfte verbreiten. Es wird berichtet, dass er die Arme ausgebreitet habe und sagte: »Jetzt habe ich eine ganz andere Art zu atmen« und dabei wie entrückt in einen entfernten Raum blickte; mit ausgebreiteten Armen und den Worten: »Eine ganz neue Welt fängt an«, sei er zusammengebrochen.


    Das geschah am 5. Dezember 2007; der 5. Dezember ist sowohl der Todestag Mozarts als auch der von Sri Aurobindos. Zu diesen beiden Männern hatte Stockhausen eine ganz besondere Beziehung. Ja, er konnte Mozart ... in Connecticut traf er ganz privat mit Leonard Bernstein zusammen und die beiden gaben ein ausgedehntes Mozartkonzert in familiärer Atmosphäre. Karlheinz Stockhausen kannte Gott und die Welt; noch viele Dinge ähnlicher Art könnten aus diesem reichen Leben berichtet werden, das man hier in Kürten am 13. Dezember 2007 zu Grabe trug.





    Praktischer Hinweis:
    Friedhofsanschrift > 51515 Kürten, Am Lindchen 39
    Das Grab ist vom Friedhofseingang etwa 100 Meter entfernt. Man geht bis zum Kreuz und biegt dort links ab. Der Weg ist leicht ansteigend; oben angekommen geht man rechts ab und findet das von zwei Sitzbänken flankierte Grab von Karlheinz Stockhausen.

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  • Um den Gesamteindruck dieser doch etwas aus dem üblichen Rahmen fallenden Grabstätte zu erweitern, wird hier die Rückseite der Scheibe noch nachgereicht.

  • Zum 40. Todestag der Ausnahmesängerin


    Charlotte Lehmann, stand im Taufregister, aber als Lotte Lehmann ist die Sopranistin in die Musikgeschichte eingegangen.
    Bei Sängerinnen mit dem Namen Lehmann kann man schon einmal den Überblick verlieren, denn es gab auch die weltbekannte Lilli Lehmann (*1848) und gibt eine Konzertsängerin mit dem Namen Charlotte Lehmann, genau genommen Prof. Charlotte Lehmann, die fünfzig Jahre nach der Kollegin aus Perleberg geboren wurde, und unter anderem auch die maßgebliche Gesangslehrerin von Thomas Quasthoff war.


    Perleberg, wo Lotte Lehmann am 27. Februar 1888 als zweites Kind ihrer Eltern geboren wurde, ist heute eine Kleinstadt von etwa 12000 Einwohnern, und dort gibt es seit einigen Jahren eine »Lotte-Lehmann-Akademie« und »Lotte-Lehmann-Wochen«, Aktivitäten, die sich dem Sängernachwuchs widmen. Seit 2006 hat man dort sogar den Originalflügel der großen Sängerin, der aus Santa Barbara herangeschafft wurde, zur Verfügung.


    Das Elternhaus der kleinen Lotte kann man zur Mittelschicht zählen und in der Familie wurde Hausmusik gemacht; der Vater ließ seinen Tenor im örtlichen Gesangverein hören und eine früh verstorbene Tante soll, wie man sich in der Familie erzählte, die Stimme eines Engels gehabt haben.
    Lotte besuchte die Höhere Mädchenschule in Perleberg, an der auch die Fremdsprachen Englisch und Französisch unterrichtet wurden. Als das Mädchen 14 war, zog die Familie nach Berlin, wo sich Lotte mit dem Schreiben von Gedichten beschäftigte, die sogar gegen Honorar in der Zeitung veröffentlicht wurden.


    Schon längst war in ihrem Umfeld bemerkt worden, dass dieses Mädchen eine gute Stimme hat, denn sie trat immerhin in der Aula ihrer Schule an die Öffentlichkeit. Ein Musikstudent der Berliner königlichen akademischen Hochschule für Musik gab ihr dann die notwendigen Instruktionen, so dass sie die Hochschulprüfung auf Anhieb bestand, da war sie gerade mal 16 Jahre alt. Unterrichtet wurde sie von Helene Jordan, Adolph Schulze und Felix Schmidt, machte jedoch an diesem Institut keinen Abschluss, weil Frau Jordan krankheitsbedingt für längere Zeit ausfiel und das Fräulein Lehmann bei den anderen Lehrern keine optimalen Bedingungen sah. Sie wechselte an eine private Berliner Musikschule, die von der berühmten Etelka Gerster betrieben wurde, aber Lotte wurde dort von einer anderen Lehrerin betreut, und da passte dann wenig zusammen; eine Fortsetzung auf diesem Niveau wäre nicht zielführend gewesen; bereits nach einem Jahr verabschiedete sich Lotte Lehmann von diesem Institut. Das wirkt auf den ersten Blick zwar etwas unstet, aber ein Studienwechsel zu der erfahrenen Hofopernsängerin Mathilde Mallinger war für die nun stark verunsicherte Jungsängerin ein besonderer Glücksfall, denn hier war neben Erfahrung und Können auch Verständnis.


    Ihre Bühnenlaufbahn begann 1910 am Hamburger Stadttheater, wo sie als zweiter Knabe in der »Zauberflöte« ihr Debüt gab und zunächst folgten ähnliche Nebenrollen. Auch in ihrer Anfängerzeit mochte sie auf das Korrektiv erfahrener Kolleginnen nicht verzichten und konnte sich weiter entwickeln. Dennoch war der Start dort etwas holprig verlaufen, denn ihre Freia im »Rheingold« kam bei der Presse nicht gut an; man attestierte ihr Unbeholfenheit und erhebliche stimmliche Defizite. Wie die Faust aufs Auge passte dazu das Lob des großen Caruso, der sie allerdings als Eurydike in Glucks »Orpheus« hörte.
    Ihre Rollen in Hamburg wurden interessanter, denn Otto Klemperer betraute sie mit größeren Aufgaben, was zwar auch nicht immer ganz reibungslos verlief, aber mit der Elsa im »Lohengrin«, konnte sie einen persönlichen Erfolg an der Hamburger Oper verbuchen.


    Im November 1914 stand sie in Wien auf der Bühne, als Debüt sang sie die Agathe im »Freischütz«. Eine Preußin, aus Hamburg kommend, das hatte schon was, in Wien ...
    Hier war sie von bedeutenden Namen umgeben. Als sie dann auf Augenhöhe mit der berühmten Maria Jeritza war, entstand eine spannungsgeladene Atmosphäre, für Außenstehende nur schwer zu begreifen, dass man unter solchen Umständen noch künstlerisch tätig sein kann. Aber ganz neu dürfte das für Lotte Lehmann nicht gewesen sein, denn sicher wusste sie um den Berliner Zwist ihrer Lehrerin Mallinger mit deren Rivalin Pauline Lucca.


    In Wien und in Salzburg gehörte die »Fidelio«-Leonore zu ihren berühmtesten Rollen, der empfindliche Toscanini hatte ihretwegen die Rolle sogar transponiert. Die Wagner-Isolde blieb für sie ein unerfüllter Traum, der fast in Erfüllung gegangen wäre, aber erfahrene Kollegen des Wagner-Fachs hatten ihr abgeraten diesen Schritt zu tun und sie war so klug diesem Rat zu folgen.
    Ein bedeutender Schritt zum internationalen Ruhm gelang Lotte Lehmann 1924, als sie inmitten einer Riege prachtvoller Stimmen an die Londoner Covent Garden Oper kam. Hier sang sie unter anderem auch die Marschallin, eine Paraderolle, die sie bis an ihr Karriereende begleiten sollte. Bis 1936 war sie ständiger Gast in London, wo sie meist unter der Stabführung von Bruno Walter oder Thomas Beecham sang


    In Wien hatte sie sich in den 1930er Jahren gut etabliert, es war ihr zur zweiten Heimat geworden. Berlin, wohin sie Verbindung durch die dort verbrachte Jugendzeit hatte, sah sie nur im Rahmen von Gastspielen, Bruno Walter und Heinz Tietjen mühten sich vergeblich um ein festes Engagement der Lehmann an die neu eröffnete Städtische Oper in Berlin.
    Als nunmehr berühmte und etablierte Sängerin der Wiener Oper standen ihr die Opernhäuser Europas und der Welt offen und es ist müßig, all diese Orte ihrer Gastspiele aufzulisten ...


    Aber dass sie bereits 1930 in der Civic Opera in Chicago ihren ersten Auftritt in Amerika hatte, ist eine Erwähnung wert. Auch in den Folgejahren war sie in der neuen Welt erfolgreich, so dass es im Januar 1934 zu einem Debüt an der Metropolitan Opera kam, sie war damals 46 Jahre alt und musste sich dort mit nachgewachsenen Kräften messen, was nicht ganz einfach war.


    Ihre ersten Aufenthalte in Amerika hatten noch nichts mit Politik zu tun, das änderte sich mit den neuen Machthabern in Deutschland. Im März 1934, also wenige Wochen nach ihrem Debüt an der »Met«, reiste Lotte Lehmann zu Göring, dem Chef Tietjens, nach Berlin, um zu sondieren, was die neue Regierung ihr anzubieten hatte und stand der Sache zunächst nicht ablehnend gegenüber; als die Konditionen dann nicht den Erwartungen des Opernstars entsprachen, resultierte hieraus eine beiderseitige Unzufriedenheit; es kam zum offenen Bruch. Lehmanns Konzertagentur wurde von der Behörde nachdrücklich informiert, dass Auftritte von Lotte Lehmann in Deutschland unerwünscht sind - und in dieser Zeit war der Wunsch ein Befehl. Mit dem sogenannten »Anschluss« Österreichs war dann auch der Boden in Wien zu heiß geworden; 1938 entschloss sie sich zu einem dauerhaften Aufenthalt in den USA. Anfang August 1938 gab sie in Paris einem Journalisten einer Exilantenzeitung, der nachfragte, warum sie Deutschland verlasse, die Antwort:


    »Weil ich mich in meinem Vaterland nicht mehr frei fühle, weil ich weiterhin frei leben und das Recht haben will, Stücke von Mendelssohn, Hugo Wolf oder Marx aufzunehmen, wie es mir gefällt. Deshalb habe ich meine Heimat verlassen … Jawohl, nichts in der Welt wiegt die Freiheit auf. Ich werde deshalb in den Vereinigten Staaten die amerikanische Staatsbürgerschaft erwerben.«


    Bis 1941 überwies die Wiener Oper brav eine Pension in die USA. Die Ausbürgerung der Sängerin erfolgte 1942; für drei Jahre war Lotte Lehmann staatenlos, erst 1945 wurde sie Amerikanerin.
    Ganz leicht war dieser Anfang in Amerika nicht, denn ihr Ehemann Otto Krause hatte aus erster Ehe vier »halbjüdische« Kinder zu versorgen. Otto Krause verstarb 1939 in New York. Im gleichen Jahr kam Lottes älterer Bruder mit Lebensgefährtin auch noch in die Staaten; somit hatte sie eine siebenköpfige Familie zu versorgen: vier Stiefkinder, den Bruder mit Anhang und sich selbst.


    Am 23. Februar 1945 sang Lotte Lehmann ihre letzte Opernpartie an der »Met«, sinnigerweise die Marschallin. 1951 gab sie ihr letztes Konzert in New York. Durch sie wurde das Kunstlied in Amerika zu einem Begriff; alleine in New York hatte Lotte Lehmann im Verlauf von 19 Jahren 55 Liederabende gegeben.


    Es sei noch erwähnt, dass Frau Lehmann auch mehrere Bücher geschrieben und gemalt hat, aber ihre herausragende Leistung nach dem Bühnenabschied auf dem pädagogischen Feld stattfand. Bis zu ihrem Tod unterrichtete sie an der Music Academy of the West in Santa Barbara; aus ihrer Schule gingen so bekannte Namen wie zum Beispiel Marilyn Horne und Grace Bumbry hervor.


    Blickt man über dieses Sängerinnen-Leben, ohne sich in Details zu verlieren, so ist festzustellen, dass Lotte Lehman stets mit vollem Einsatz sang; man ist heute auf die Berichterstattung vergangener Zeiten angewiesen - ihre Bühnenpräsenz muss phänomenal gewesen sein.


    Sie selbst sagte einmal 1936 zu dem italienischen Publizisten Lanfranco Rasponi:


    »Ich bin keine exakte Künstlerin. Wenn ich auf die Bühne gehe, lebe ich die Musik, und nur das zählt für mich. Technik hat mich nie beschäftigt, denn ich bin ein Instinktwesen. Wenn ich eine falsche Note singe, was soll´s? Für gewisse Perfektionisten ist dies nicht akzeptabel, aber nach meiner Ansicht zählt bei einem Künstler die Expression ... Ich habe stimmlich, ohne Zurückhaltung, immer aus dem vollen gesungen, und ich weiß genau, dass ich teuer dafür bezahlen muss.«


    Lotte Lehmann starb am 26. August 1976 in Santa Barbara. Ihrem letzten Willen gemäß wurde die Urne mit ihrer Asche nach Wien überführt, wo sie am 24. Februar 1977 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt wurde.




    Lotte Lehmann sang sehr viele Rollen in Opern von Richard Strauss, der sie gerne besetzte, aber in späterer Zeit war eine gewisse Entfremdung eingetreten, dennoch hat dieser in Stein gemeißelte Satz nichts von seiner Bedeutung verloren.


    Praktischer Hinweis:
    Man findet das Grab in der Gruppe 32 C, Nummer 49


  • Das im Siebenbürgischen Kronstadt (heute Brașov) geborene Mädchen Julie Sophie Gmeiner hatte noch fünf Geschwister. Es war eine bürgerliche Familie, die ihren Kindern eine ordentliche musikalische Ausbildung angedeihen ließ, aber die Eltern hatten keineswegs daran gedacht, dass aus ihren Kindern einmal Berufsmusiker werden sollten.
    Eine Quelle sagt übrigens, dass Lulas Großmutter auch Sängerin gewesen sei, und von einem Freund Franz Schuberts ausgebildet wurde ... leider wird sein Name nicht genannt ...
    Obwohl nicht beabsichtigt, wurden fünf der sechs Gmeiner-Kinder professionelle Musiker: Ella Gmeiner wurde Opernsängerin, Rudolf Gmeiner Konzertsänger und Gesangspädagoge, Julius Gmeiner Cellist und Luise Gmeiner war eine recht bekannte Pianistin.
    Die Gepflogenheiten in der damaligen Gesellschaft waren so, dass für Mädchen in aller Regel die Heirat, aber keine Berufsausbildung vorgesehen war. War eine Musikerin dennoch professionell ausgebildet, endete ihre Karriere meist mit der Heirat oder spätestens nach der Geburt des ersten Kindes, auch bei Lula Mysz-Gmeiners Tochter Susanne war das so.


    Lula Gmeiner besuchte bis zum 16. Lebensjahr die evangelische Mädchenschule in Kronstadt, das damals etwa 30.000 Einwohner hatte.
    Bei Olga Grigorowicz erhielt sie Violinunterricht und der Kronstädter Organist und Komponist Rudolf Lassel erteilte ihr Gesangsunterricht und widmete der jungen Sängerin sein »Bußlied für Solo-Alt, Chor und Orchester oder Orgel«, das die beiden dann in der großen gotischen Kirche der Stadt aufführten. Fast ein Viertel ihres Lebens verbrachte die Sängerin in Kronstadt und kehrte auch immer wieder besuchsweise in ihre Heimat zurück. Aber zunächst musste sie hinaus in die Welt, um sich voll entfalten zu können; in ihrer Heimatstadt war das nicht möglich.


    Lula Gmeiner hatte aber noch einen zweiten großen Auftritt in dieser bedeutenden »Schwarzen Kirche« ihrer Geburtsstadt, sie heiratete im Jahr 1900 ihren Vetter Ernst Mysz, was den Namen der Sängerin erklärt. Dem Paar wurde 1907 die erste Tochter Dora geboren, 1909 kam Tochter Susanne zur Welt. Insgesamt hatten die Eheleute drei Töchter, von denen aber nur Susanne das Erwachsenenalter erreichte und später den Tenor Peter Anders heiratete.
    Berlin wurde zum Lebensmittelpunkt, wo auch die unverheirateten Schwestern und später dann auch die Mutter lebten. Das ausgedehnte Konzertleben von Lula Mysz-Gmeiner - das mit vielen Reisen verbunden war - wurde, als die Kinder zur Welt kamen, nur möglich, weil entsprechende Dienstboten zur Verfügung standen und auch die inzwischen in Berlin wohnende Großmutter ihre Enkelkinder betreute.


    Die Ausbildung von Lula Mysz-Gmeiner war Grundsolide. Mit 18 Jahren konnte sie, trotz der anfänglichen Widerstände ihrer Eltern, bei dem renommierten Wiener Gesangspädagogen Gustav Walter (lyrischer Tenor und Lied-Spezialist) ihre Stimme professionell ausbilden lassen. Walter zählte zum Freundeskreis von Johannes Brahms, und so ist es nachvollziehbar, dass von diesem der Ratschlag kam, dass sie ihre Studien in Berlin fortsetzen sollte.
    Dort erhielt sie dann Unterricht bei den Sopranistinnen Emilie Herzog, Etelka Gerster und Lilli Lehmann, und im Alter von 35 Jahren war sie in London nochmals Schülerin von Raimund von zur Mühlen.


    Bereits während ihrer Ausbildungszeit begann Lula Mysz-Gmeiner mit ihrer professionellen Konzerttätigkeit als Lied- und Konzertsängerin. Jemand hat allein in Deutschland 420 Konzerte gezählt, dazu kamen noch Auftritte in Belgien, Holland, der Schweiz, Österreich, Slowenien, Ungarn, Jugoslawien, Frankreich, England, Dänemark, Schweden, Russland, Spanien ... und sogar in den USA.


    Die Opernbühne war nicht das Metier von Mysz-Gmeiner; sie sang Oratorien und widmete sich intensiv dem Kunstlied, das in dieser Zeit auch vom Publikum im besonderen Maße geschätzt wurde. Sie arbeitete mit renommierten Konzertagenturen wie zum Beispiel Gutmann in Wien und Wolff in Berlin zusammen.
    Auf den Programmen standen Franz Schubert, Carl Loewe, Robert Schumann, Johannes Brahms und Hugo Wolf.
    Aber auch zeitgenössische Komponisten wie Eduard Behm, Arthur Bliss, Wolfgang Jacobi, Joseph Marx, Max Reger, Richard Strauss, Franz Schreker ...
    Mit Eduard Behm, Emil Mattiesen und Max Reger arbeitete die Sängerin häufig zusammen, wobei neben bekannten Lied-Stücken auch aktuelle Kompositionen zu Gehör gebracht wurden.
    Es mag vielleicht etwas verwundern, dass Mysz-Gmeiner auch Balladen von Loewe sang, aber in einem Brief von 1926 an den großen Loewe-Kenner Dr. Max Runze, der einem ihrer Konzerte beiwohnte, bedauerte sie, dass die »Walpurgisnacht« in der Originallage zu hoch liegt.


    Im privaten Bereich stellten sich erste Schülerinnen und Schüler ein, die Mysz-Gmeiner in ihrer Wohnung unterrichtete, aber 1920 wurde sie von Franz Schreker an die Staatlich akademische Hochschule für Musik zu Berlin berufen, der sie als Professorin bis 1944 angehörte.
    In den 1920er Jahren wurden mehrere Lied-Aufnahmen mit ihr produziert und 1938 gab sie auch einen Band von Schubert-Liedern heraus.
    Zu ihren bekanntesten Schülerinnen und Schülern zählten Maria Müller, Carls Spletter und Peter Anders. Auch Elisabeth Schwarzkopf wurde - als 17-Jährige - an der Hochschule zunächst von Lula Mysz-Gmeiner unterrichtet, die aus der jungen Schwarzkopf partout eine Altistin machen wollte, was absolut nicht funktionierte; der Berliner Pädagoge Egenoff korrigierte den Fehlgriff und Karl Schmitt-Walter verwies Fräulein Schwarzkopf an Maria Ivogün.


    Als Lula Mysz-Gmeiner in Berlin ausgebombt war, zog sie nach Schwerin und wirkte bis zu ihrem Tode1948 am Konservatorium in Schwerin.


    Eine langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit entstand zwischen Lula Mysz-Gmeiner und Peter Anders. 1932 stand Peter Anders im Rahmen einer Aufführung von »Cosi fan tutte« an der Musikhochschule mit der Professorentochter Susi Gmeiner auf der Bühne ...
    Ende Juli 1935 wurde in Keitum auf Sylt geheiratet.


    Peter Anders, der an der Hochschule zunächst bei Professor Grenzebach studierte, wechselte zu Lula Mysz-Gmeiner. In späteren Jahren arbeitete Anders mit seiner alten Lehrerin auch noch eng im Rahmen seiner Möglichkeiten zusammen. Während seines Engagements in Hannover unternahm er zahlreiche Reisen nach Berlin, um hier bei seiner Schwiegermutter Lula Mysz-Gmeiner Lieder zu studieren. Er beantragte dazu, auch noch später, als er in München engagiert war, jedes Mal Sonderurlaub zu »Studienzwecken«.


    Lula Mysz-Gmeiner war eine der bedeutendsten Liedersängerinnen ihrer Zeit. Im November 1896 trat sie in Berlin erstmalig als Oratoriensängerin auf; 1899 erregte ihr erster Liederabend in Berlin großes Aufsehen. Seit 1905 führte sie den Titel einer österreichisch-ungarischen Kammersängerin.




    Anmerkung: Über das Grab von Peter Anders wurde bereits im Beitrag Nr. 64 etwas geschrieben.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Ohlsdorf
    Fuhlsbüttler Straße 756
    22337 Hamburg
    Das Grab ist nur etwa 200 Meter vom Verwaltungsgebäude bei der Haupteinfahrt zum Friedhof entfernt. Wenn man sich am Friedhofsplan orientiert, findet man die Grabstätte in P 7.


  • Anknüpfend an den letzten Beitrag soll hier auch noch die künstlerische Leistung der Sängerin Susanne Anders gewürdigt werden, die 1979 in Salzburg starb und bei ihrem Mann und ihrer Mutter die letzte Ruhe gefunden hat. Ein Zitat aus dem oben Geschriebenen sei hier eingefügt:


    »War eine Musikerin dennoch professionell ausgebildet, endete ihre Karriere meist mit der Heirat oder spätestens nach der Geburt des ersten Kindes, auch bei Lula Mysz-Gmeiners Tochter Susanne war das so.«


    Spontan fallen mir dazu auch als Beispiele Liselotte Losch (Frau Metternich) und Margarete Bayen (Frau Frick) ein.


    Um Prof. Susanne Anders im Zusammenhang mit dem vorigen Beitrag auch entsprechend zu ehren, seien hier Auszüge aus einer Rede von Professor Meinhard von Zallinger-Thurn, die anlässlich ihres Todes gehalten wurde, wiedergegeben.


    »Susanne Anders absolvierte ein Gesangs- und Klavierstudium an der Berliner Musikhochschule von 1928 bis 1933.


    Bereits 1930 wurde sie Assistentin bei ihrer berühmten Mutter Lula Mysz-Gmeiner, hochangesehene Konzertsängerin und erste weibliche Gesangsprofessorin an der Berliner Musikhochschule. Aus ihrem Schülerkreis sind sowohl ihre Tochter als auch ihr berühmter Schwiegersohn, der bedeutende deutsche Tenor Peter Anders, hervorgegangen. So war es natürlich, dass sich Susanne Anders zunächst dem Sängerberuf gewidmet hat.


    Unter ihrem Mädchennamen Susi Gmeiner debütierte sie 1933/34 am Darmstädter Theater als Koloratursoubrette und traf dort wieder auf ihren Studienkollegen Peter Anders. In Partien wie Lisa (Gräfin Mariza), Pepi (Wiener Blut), Baronin von Weilenberg (Sein Schatten), bescheinigte ihr die Presse: "Echtes Bühnenblut, eine hübsche Stimme, freies, klug beherrschtes Spiel, Humor, graziöse Beweglichkeit lassen keine Anfängerin vermuten und wecken große Hoffnungen".


    Das zweite Engagement war das Theater in Stettin 1934/35. Nun sang sie bereits Fachrollen, wie das Ännchen (Freischütz) und Gilda (Rigoletto). Aber nach ihrer Heirat 1935 erschien ihr der "Beruf" einer Gattin und Mutter verpflichtender.
    Doch wissen wir, dass sie schon als junge Frau ihrem Mann beim Studium seiner Partien entscheidend behilflich war. Schon damals machte sich ihre pädagogische Ader unverkennbar geltend. Und diese künstlerische Partnerschaft begleitete den schier märchenhaften Aufstieg des jungen Sängers, der innerhalb von sechs Jahren von Darmstadt über Köln und München nach Berlin führte.


    Die pädagogische Begabung half ihr auch über die schweren Jahre, da sie nach dem tragischen Tod ihres Mannes 1954 mit den drei noch in den Schuljahren stehenden Kindern zurückblieb.
    In Hamburg versammelte sie einen großen Schülerkreis um sich und hatte bald einen hervorragenden Ruf als Gesangspädagogin.
    So kam es, dass schon Ende der 50er Jahre der Präsident des Salzburger Mozarteums ihr eine Lehrstelle anbot, doch die Schwierigkeiten einer Umschulung der Kinder ließen sie darauf verzichten. Erst 1968, als die Kinder selbst musikalisch tätig waren, folgte sie einem erneuten Ruf nach Salzburg.


    Susanne Anders war eine selten originelle Persönlichkeit, eine Künstlerin im echten, nicht nur beruflichen Sinn. Sie war Pädagogin mit Leib und Seele. Ihr fehlte allerdings völlig jene magistrale Attitüde, mit der so oft Gesangslehrer ihre mangelnde Beziehung zur Jugend zu tarnen verstehen. Ihre humorvolle und immer kameradschaftliche Art hat auf ihre Schüler stets besonders stimulierend gewirkt.
    Darüber hinaus aber muss man Susanne Anders den Ehrentitel einer echten Musikerin zuerkennen. Sie war sich bewusst, dass eine noch so gut technisch durchgebildete Stimme an sich nichts besagt. Schöne Töne, weitgespannte Phrasierungen, virtuose Koloraturen müssen in den Dienst jenes Arcanum gestellt werden, das wir im gewöhnlichen Sprachgebrauch mit Musik, Musizieren bezeichnen, ebenso wenig fassbar wie der Geist, zu dem es allein spricht.
    Den Zugang zu ihm zu vermitteln war für Susanne Anders das ideale Ziel ihres Unterrichts. So hat sie alle Forderungen und Möglichkeiten ihres Berufskreises in vorbildlicher Art ausgeschritten.
    Noch mehr aber: sie war Mensch, ein fröhlicher Mensch, eine kluge Frau von bezwingendem Charme und in ihrer temperamentvollen Ausstrahlung stets das Image der vollendeten Dame wahrend.«


  • In diesen Büchern finden sich schöne Fotos von Susanne Anders. Im Moment habe ich aber weder Zeit noch Lust, sie einzuscannen und hier einzustellen. Es ist auch fraglich, ob dies aus Urhebergründen statthaft ist. Auch auf alten Fotos liegen Rechte, und ich möchte mich nicht in die Nesseln setzen. Bei Electrola gab es zudem in der Reihe "Die goldene Stimme" eine LP, auf der sie sich an ihren Mann erinnert. Das Cover zeigt die beiden auch. Zu hören ist sie noch als Susi Gmeiner in einem Querschnitt durch "Mignon" von Ambroise Thomas gemeinsam mit Anders. Die Aufnahme, die sich noch heute sehr gut anhört, entstand 1936 für Telefunken und ist meines Wissens nach nie wieder aufgelegt worden. Es ist mehr als schade, dass diese Sängerin ihre vielversprechende Karriere nicht fortsetzte bzw. wieder aufgenommen hat.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Zum heutigen Todestag von Max Lohfing


    Wenn man schon einmal auf dem Ohlsdorfer Friedhof ist und das Grab der Familien Anders und Mysz-Gmeiner besucht, findet man wenige Schritte weiter auch die Ruhestätte des Bassisten Max Lohfing, der in seiner langen Hamburger Zeit ein Publikumsliebling war. Das Grab befindet sich noch in P 8, ein Schildchen weist aber bereits darauf hin, dass das Nutzungsrecht dieser Ruhestätte Ende dieses Jahres abläuft ...


    Der Bassist Max Lohfing wurde in Blankenhain bei Weimar geboren und war vor seiner Tätigkeit als Opernsänger Volksschullehrer. Bei Bodo Borchers in Leipzig studierte er Gesang und debütierte 1894 als Eremit im »Freischütz« am Stadttheater in Metz, wo er dann auch für zwei Jahre blieb. 1896-1998 hörte man ihn am Stadttheater in Stettin.


    1898 kam Lohfing als erster Bassist an das damalige Stadttheater Hamburg, wo er als Falstaff in Nicolais Oper »Die lustigen Weiber von Windsor« seinen Einstand gab. An diesem Haus sang er mehr als drei Jahrzehnte und wirkte in dieser Zeit auch in vielen Uraufführungen mit, aber diesen Opern war kein nachhaltig großer Erfolg beschieden.
    Der Sänger trat auch als Gast an der Berliner Hofoper, in Dresden und auch an der Wiener Volksoper auf; ebenso hörte man ihn gastweise an der Covent Garden Oper London.
    Auch Bayreuth wurde auf den Sänger aufmerksam und Max Lohfing sang 1902 dort als Daland im »Fliegenden Holländer« und als Hunding in der »Walküre«
    Einen großen Erfolg konnte Max Lohfing am 26. Januar 1911 in der Rolle des Ochs bei der Hamburger Premiere des »Rosenkavalier« verbuchen, was seinen Bekanntheitsgrad nochmals vergrößerte.
    Seine weiteste Konzertreise dürfte 1904 zur Weltausstellung nach St. Louis gewesen sein, wo er in Opernkonzerten mit seiner berühmten Kollegin Katharina Fleischer-Edel auftrat.
    Folgerichtig wurde er zum Ehrenmitglied der Hamburger Oper ernannt. Es wird berichtet, dass er dort noch als 70-Jähriger auf der Bühne stand.
    Und Courage hatte er wohl auch, denn er stand in schlimmer Zeit an der Seite seines Tenorkollegen Paul Schwarz und tat in aller Öffentlichkeit kund: »Wenn der Paul Schwarz den Judenstern tragen muss, dann singe ich nicht mehr in Deutschland«.


    Die Informationen zu diesem Sänger sind relativ spärlich und auch uneinheitlich; eine Quelle sagt, dass Max Lohfing über 170 Partien beherrschte, während andere Literatur ein Bühnenrepertoire von 144 Rollen nennt. Sei´s drum, er war ein großer Sänger, von dem noch Tonaufnahmen existieren. Einer breiten Öffentlichkeit ist sein Wirken heute nicht mehr bekannt; Grund genug, diesen Beitrag zu schreiben.

  • Vielen Dank für den interessanten Beitrag.


    Bei ZVAB kann man (noch) antiquarisch günstig eine Buch über Max Lohfing erstehen:


    Paul Möhring
    Es war eine köstliche Zeit - Max Lohfing und die Hamburger Oper

  • Sei´s drum, er war ein großer Sänger, von dem noch Tonaufnahmen existieren.


    Es gibt sogar etliche Tonaufnahmen von Max Lohfing, die nach meinen Beobachtungen bisher in drei Fällen den Weg auf CD gefunden haben. Preiser hatte eine interessante 4-CD-Box mit dem Titel "Vom Hamburger Stadtheater zur Hamburgischen Staatsoper" im Katalog. Darin ist Lohfing mit der Einleitungsszene des Leporello "Keine Ruh' bei Tag und Nacht" aus Mozarts "Don Giovanni" (Odeon) vertreten. Aufgenommen wurde sie 1914. Als Daland im "Fliegenden Holländer", den er 1902 - wie bereits von hart erwähnt - in Bayreuth sang, ist er in dieser Box präsent:


    Gemeinsam mit Cornelis Bronsgeest als Holländer singt er in der Szene "Wie? Hört ich recht?" (Parlophon 1911). "O gib junges Blut": Diesen Ausschnitt mit Klavierbegeitung von 1904 (Grammophon) aus Gounods "Faust" gibt es mit Josef Tyssen in der Titelrolle. Lohfing ist der Mephisto.


    Als Schelllack-Überspielungen kenne ich "O Isis und Osiris" sowie "In diesen heil'gen Hallen", für Odeon eingespielt, "Als Büblein klein" aus den "Lustigen Weibern" für Parlophon. Aus dem "Waffenschmid" gibt es "Auch ich war ein Jüngling" (Parlophon) und "Wenn ich sie von ferne sehe" (Grammophon)". Diese Titel dürften der Akustik und dem Klange nach etwa aus der selben Zeit stammen wie der Leporello. Die Stimme finde ich sehr prägnant und auch elegant. Sie hat durchaus Wiedererkennungswert. Für einen Bass ist sie auffällig vibratoreich. Tiefe erzeugt mehr mittels Technik als dass sie ihm von der Natur gegeben wäre. Letztlich wirkt Lohfing aber sehr statisch und etwas zwanghaft, als fühle er sich im Plattenstudio nicht sonderlich wohl. Kurz um: Die Aufnahmen klingen sehr historisch und in heutigen Ohren etwas verstörend. Aber so ist das nun mal.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Letztlich wirkt Lohfing aber sehr statisch und etwas zwanghaft, als fühle er sich im Plattenstudio nicht sonderlich wohl


    Die Trennung vom Publikum, das durch ein Mikrofon ersetzt wurde, erschien manchen Musikern als »kunstfremder Eingriff«. Da gab es zum Beispiel die Reaktion der berühmten Sängerin Rosette Anday nach ihrem Auftritt anlässlich des Sendestarts am 1. Oktober 1924 im österreichischen Rundfunk. Als die Anday gesungen hatte, traten ihr die Tränen in die Augen und man fragte sie, warum sie denn weine, wo sie doch so schön gesungen hatte. Und sie antwortete: »Weil mir keiner zugehört hat, nur das Mikrofon.«


    Lieber Rheingold,
    man hört eben in eine längst vergangene Zeit hinein; da sind inzwischen mehr als hundert Jahre ins Land gezogen ... man muss sich das einmal vorstellen! Es wäre ja völliger Blödsinn, wenn man einen Sänger aus dieser fernen Zeit mit heutigen Maßstäben messen wollte.

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  • Das, lieber hart, versuche ich mir ja zu verkneifen. Nur kann ich die hundert Jahre, die zwischen Lohfings Aufnahmen und meiner Gegenwart liegen, nicht ausblenden. Ich höre sie quasi mit. Deshalb ist es ja so schwieirg, Stimmen aus der Vergangenheit gerecht zu beurteilen. Ich höre diese Aufnmahmen sehr gern und habe in meinem Leben solche Dokumente in sehr großer Zahl zusammengetragen. Deshalb konnte ich mir jetzt auch wieder diesen Sänger anhören, zu dessen Grab Du uns führtest. Es ist ja ein Glücksfall, dass es diese Platten gibt, sonst wäre unsere Erinnerung sehr abstrakt und theoretisch. In der Tat wäre es völlig daneben, wollte man "einen Sänger aus dieser fernen Zeit mit heutigen Maßstäben messen". Da stimmen wir überein. Und ginge es in der umgekehrten Richtung? Wohl auch nicht. Das sind einige Fragen, die mich bei der Beschäftigung mit histortischen Stimmen interessieren. Ich tue es nicht himmelnd. ;) Weil früher nichts besser war. Auch die meisten Stimmen nicht. Schließlich können wir nur jene beurteilen, die durch Tonaufnahmen überliefert sind. In der Regel waren das schon prominete Vertreter ihre Fachs. Oft fühle ich mich aber von der Ästhetik der Vergangenheit sehr angesprochen, so, wie mich eine antike Säulenwand in Griechenland auch mehr beeindruckt als eine orinärer Wohnungsplattenbau in Berlin. Der Vergleich ist zwar hart, aber er ist nach meinem Dafürhalten möglich. Nur ist hier nicht der Ort, um über solche Dinge weiter zu diskutieren.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • so, wie mich eine antike Säulenwand in Griechenland auch mehr beeindruckt


    Dem Vorwurf, dass Maria Callas gelegentlich hässliche Töne produziere, begegnete ein amerikanischer Musikkritiker mit dem Argument, dass man sich bei der Venus von Milo auch nicht beschwere, dass ihr die Arme fehlen ...


  • Das Grab von Fritz Busch - heute ist sein Todestag


    Ein Zitat von Fritz Busch:
    »Natürlich liegt eine Welt zwischen Bachs "Matthäuspassion" und einem Walzer von Johann Strauß. Wenn man die Passion zu interpretieren vermag, schließt dies jedoch keineswegs aus, dass man einen Walzer gut spielen kann. Die Ehrfurcht vor Johann Sebastian sollte den Musiker auch nicht taub dafür machen, dass die Walzer von Johann Strauß Kabinettstücke vollendeter Miniaturkunst sind«


    Der kleine Fritz wurde im März 1890 als erstes Kind seiner Eltern geboren, acht weitere Kinder sollten noch folgen. Gleich nach ihm, bereits im August 1891, kam sein Brüderchen Adolf, und damit hatten die beiden der Familie die Welt betreten, die in der Folge ihres Wirkens große Berühmtheit erlangten und die besten Musiker der vielköpfigen Familie waren.


    Fritz Buschs Vater war ein ruheloser Geist, der mit seiner Violine durch die Lande zog und sich auch als Tischler betätigte. Dieser Mann heiratete eine wesentlich ältere Frau und wurde dann im Alter von 23 Jahren schon Witwer.
    Als er bei einer Hochzeit aufspielte, lernte er Fritz Buschs Mutter kennen; das Paar heiratete, dann kamen die Kinder wie die Orgelpfeifen.
    Die jungen Eheleute spielten sonntags zum Tanz auf, der Vater hatte darauf gedrungen, dass seine Frau Klavierspielen lernt, damit sie ihn begleiten konnte. Es wurde nicht nur zum reinen Vergnügen musiziert, die Einnahmen aus dieser Tätigkeit waren notwendig, um die Finanzen etwas aufzubessern.


    Der Vater hatte sich neben der Tischlerei dem Geigenbau zugewandt. Bei den heranwachsenden älteren Knaben wurde entdeckt, dass sie über das absolute Gehör verfügten, woraus sich für sie die Verpflichtung ergab, die Qualität von Vaters Geigenproduktion zu bestimmen; dieser glaubte nämlich dem Geheimnis von Stradivari nahe auf der Spur zu sein, und war in seine Tätigkeit so vernarrt, dass er seine Söhne zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett holte, damit sie ihre Prüffunktion des gerade neu entstandenen Instruments ausübten. Die beiden machten das eine Zeitlang mit, waren dessen aber bald überdrüssig und beschlossen, dem Vater den »Idealklang« in jedem Falle zu bestätigen, um wieder recht schnell ins Bett zu kommen. Zur Ehrenrettung des Vaters sei aber noch festgehalten, dass der später so berühmte Geiger Adolf Busch eine gute Geige seines Vaters spielte, ehe er zu einer Stradivari kam.
    Die Brüder konnten leichtere Sachen schon nach Noten spielen, bevor sie Lesen und Schreiben erlernt hatten.
    Als Fritz vier Jahre alt war, kam eine ältere Dame ins Haus, die ihm Klavierunterricht erteilte.
    Der Vater hatte inzwischen die Tischlerei aufgegeben und ein Musikgeschäft verbunden mit einer Reparaturwerkstätte eröffnet. In diesem Laden gab es eine Fülle von Musikinstrumenten, die das Kind praktisch irgendwie spielen lernte.
    Mit der anwachsenden Kinderschar musste sich die Mutter von der Tanzmusik zurückziehen, als Siebenjähriger trat Fritz an deren Stelle und begleitete seinen geigenden Vater am Klavier.
    Irgendwann war er ein so routinierter Klavierspieler, dass er, während er Walzer, Polkas und Rheinländer spielte, ein Buch von Karl May aufs Klavier legte und las.


    Als die Familie Busch 1902 nach Siegburg übersiedelte, trat Fritz ins Gymnasium ein, das er gerade so bis zum Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis absolvierte; sein einziges Ziel war das Konservatorium in Köln.


    Die Kölner Jahre am Konservatorium waren für Busch eine schöne Zeit, er studierte dort von 1906-1909 und war im Rückblick der Meinung, dass der Besuch eines Konservatoriums jedem Einzelunterricht vorzuziehen sei, weil man hier mit den unterschiedlichsten Musikertypen in Berührung kommt.
    Fritz Busch war heiß aufs Dirigieren, aber es wurde ihm immer wieder gesagt, dass er mit 16 Jahren noch zu jung sei, um in die Dirigierklasse aufgenommen zu werden.
    Mit einem seiner Lehrer, Karl Boettcher, besuchte er fast jeden Abend Vorstellungen in Oper oder Schauspiel.
    Und er geriet auch zwischen die Fronten unterschiedlicher Lehrmeinungen, was sein Klavierspiel teilweise negativ beeinflusste. Als Busch dann von Lazzaro Uzielli, einem ehemaligen Schüler von Clara Schumann, betreut wurde, drillte dieser Fritz Busch wochenlang mit Fingerübungen und dem Erfolg, dass sich der junge Busch zu einem hervorragenden Pianisten entwickelte.
    Busch entwickelte sich aber auch zum gefragten und beliebten Allrounder; wo auch immer auf die Schnelle ein Orchestermusiker zu ersetzen war, Busch stand für alle möglichen Instrumente bereit. Die dort erworbenen Erkenntnisse waren ihm dann später, als er vor dem Orchester stand, sehr nützlich. Wie er meinte, sollten die Leiden und Freuden, sowie die Schwächen und Vorzüge eines Musikers dem Dirigenten bekannt sein.
    Natürlich war er auch längst in die Dirigierklasse von Fritz Steinbach aufgenommen worden und lobt in der Nachbetrachtung seinen Lehrer über den grünen Klee, auch wenn es mitunter mal Unstimmigkeiten gab.
    Die Musikbesessenheit Buschs zeigt eine Begebenheit im Rahmen der Kölner Erstaufführung von Strauss` »Salome«, wo Fritz unter dem Jubel seiner Kommilitonen bei der Generalprobe an der Regenrinne des Theaters empor kletterte, um etwas von der Szene zu erhaschen.


    Nach Studienabschluss trat Fritz Busch erstmals als selbständiger Kapellmeister des Kurorchesters Bad Pyrmont in Erscheinung. Das war eine abenteuerliche Unternehmung; bevor der erste Ton erklang, musste Busch Musiker rekrutieren, die nicht wussten ob ihre Aktivitäten honoriert werden. Der Neu-Maestro kümmerte sich höchstselbst um den Kartenverkauf, sorgte für Aufmerksamkeit in der Presse und zog nachts mit dem Leimtopf durch die Straßen, um Plakate zu kleben, auf denen der Name Fritz Busch überproportional groß zu lesen war - Busch war damals 19 Jahre alt.


    In dieser Zeit lernte er auch die Tochter des damals bekannten Schriftstellers und Reichstagsabgeordneten Dr. Friedrich Boettcher kennen, eine Violinistin, die an der Berliner Hochschule für Musik studiert hatte.


    Buschs erste Dirigentenstelle an einem Theater war in Riga, das 1909 noch zum alten Russland gehörte. Der Direktor war ein Psychopath und das ganze Theater eine künstlerische Bruchbude, an der überwiegend Operetten gespielt wurden, und diese auch noch schlecht.


    Auch in Bad Pyrmont wurde wieder musiziert, Bruder Adolf war ebenfalls eingebunden und sie entwickelten in dieser Zeit eine besondere Liebe zu Dvořák. Die Kurverwaltung reklamierte, dass zu viel Dvořák gespielt werde und verlangte mehr »gefällige Musik«, zum Beispiel die von Paul Lincke, der in dieser Zeit recht populär war, auf´s Programm zu setzen. Nun hatte der Dirigent tatsächlich die Chuzpe, über die Dvořák-Noten einfach den Namen Paul Lincke zu schreiben. Als dann Paul Lincke für vierzehn Tage in Bad Pyrmont weilte, verbat sich dieser solche Mätzchen.


    Nachdem eine heimliche Verlobung vorausgegangen war (das war damals noch ein tolles Ding), - Busch war 19 - wurde an Goethes Geburtstag, 28. August, in der Meringhäuser Kirche geheiratet. Der frisch gebackene Ehemann trat im Alter von 21 Jahren eine Stelle als Leiter des Musikvereins Gotha an, wo er unter fast zweihundert Bewerbern ausgewählt wurde; wie sich herausstellte, war seine Handschrift im Bewerbungsschreiben das entscheidende Kriterium.
    Bald darauf bot sich ihm die Gelegenheit als Musikdirektor beim Sinfonieorchester Aachen in Erscheinung zu treten, was auch finanziell für die junge Familie interessant war, denn Buschs Bezüge entsprachen nun denen eines höheren Staatsbeamten. Etwas problematisch gestaltete sich damals die Wohnungssuche des protestantischen Paares im katholischen Aachen. Schließlich fanden sie ein Haus, das sonst keiner wollte, aber für die Buschs ideal war, weil es einen elf Meter langen Konzertsaal hatte, in den die Buschs zwei Flügel stellen konnten.


    Als die Buschs Eltern wurden, weilte gerade Donald Francis Tovey bei ihnen, der große englische Musiker wurde Pate des Kindes.
    Bisher war Busch mit der Singstimme nicht groß in Berührung gekommen, konnte mit Frauenstimmen nichts anfangen und hatte bisher hauptsächlich instrumental gedacht, wenn man mal davon absieht, dass er in Gotha einmal Julia Culp begleitete, die erstaunt war, dass Busch so gut Klavier spielt.
    Der Aachener Chor war von außerordentlich hoher Qualität - als nun dieser Chor Mozarts »Ave verum« vortrug, war Busch tief berührt.


    Kaum war Buschs zweite Spielzeit in Aachen beendet, brach der Erste Weltkrieg aus. Busch meldete sich sofort freiwillig zu den Soldaten, holte sich in den nassen Schützengräben eine Krankheit und musste im April 1915 vom Dienst an der Front freigestellt werden. Im Folgenden dirigierte er für das Rote Kreuz und andere Kriegszwecke.
    Im April 1916 spielte er noch mit dem befreundeten Max Reger in einem Kammermusikabend ; vier Wochen später las er im Offizierscasino vom plötzlichen Tod Regers. Bei Regers Einäscherung spielten Adolf und Fritz Busch das Largo aus der letzten Sonate für Klavier und Violine in c-Moll.


    Im Frühjahr 1918 erfuhr Leutnant Fritz Busch vom Rücktritt Max von Schillings von der Stuttgarter Hofoper und wandte sich mit einer Bewerbung an den dortigen Generalintendanten von Putlitz. Die Randbedingungen waren auch in Stuttgart zeitbedingt nicht gerade ideal, aber Busch war nun dort Königlich Württembergischer Hofkapellmeister. Das Orchester war im allgemeinen von durchschnittlicher Qualität und als Gesangssolisten wirkten so hervorragende Künstler wie Helene Wildbrunn, Sigrid-Hoffmann-Onegin, Georg Meader, Karl Oestvig ...
    Zunächst dirigierte Busch in Stuttgart ein Sinfoniekonzert, sein erstes Dirigat an der Oper war im Juli »Tristan und Isolde«
    Die Familie Busch fühlte sich in Stuttgart ausgesprochen wohl, aber im Laufe der Zeit war man auch in Dresden auf den Stuttgarter Dirigenten aufmerksam geworden und hatte Busch im Winter 1920/21, neben anderen Dirigenten, als Gastdirigenten nach Dresden eingeladen. Beide Seiten fanden die Zusammenarbeit ersprießlich und Busch fuhr wie ein Trunkener nach Stuttgart zurück, den Klang der 127 Musiker im Ohr. Da waren die Tradition, die berühmten Namen der Vorgänger, das prächtige Opernhaus und das im Vergleich zu Stuttgart prunkvolle Dresden.
    Dennoch fiel der Abschied von Stuttgart nicht leicht, aber Busch verabschiedete sich heiter mit einer neueinstudierten »Fledermaus«, was die Presse kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm.


    Als Busch1922 sein Engagement in Dresden antrat, hatte er in der Stadt bisher nur zwei Gastspiele als Konzertdirigent gehabt, der Opernbetrieb war im weitgehend fremd, aber er wusste natürlich um den Weltruf dieser Institution, die Mehrzahl der dort tätigen Sängerinnen und Sänger war ihm jedoch kein Begriff.
    Buschs Bezüge übertrafen in Dresden alles bisher Dagewesene; waren es anfänglich zweihunderttausend Mark im Jahr, ging die Summe sprunghaft nach oben, es wurde in Millionen und Billionen gerechnet.


    Anfang des Jahres 1924 kam Post aus Bayreuth, hochachtungsvoll von Dr. Karl Muck unterzeichnet. Busch dirigierte dort dann die »Meistersinger«, mochte aber kein zweites Mal in Bayreuth antreten, weil Siegfried Wagner im Bezug auf Neuerungen beratungsresistent war; Busch dachte vor allem an bessere Gesangssolisten.
    In Dresden bemängelte Busch eine gewisse Unbeweglichkeit des Apparates, dem er vorstand und hätte gerne alteingefahrene Gleise verlassen. Die Begegnung mit Carl Ebert, erst aus der Ferne, dann real, brachte für Busch Lichtblicke, beide hatten sich gesucht und gefunden. Bei den Salzburger Festspielen 1932 stellten sie dort zusammen Mozarts »Entführung aus dem Serail« auf die Bühne.
    Schon in Salzburg wurden Ideen entwickelt, an der Berliner Oper einen »Maskenball« herauszubringen und der wurde schließlich dann auch an der Städtischen Oper verwirklicht; diese Aufführung kann als legendär bezeichnet werden; der Kritiker der Frankfurter Zeitung schrieb: »Das Publikum klatschte in Raserei«.


    Ganz anders verhielt sich das Publikum am 7. März 1933 in der Dresdner Oper, wo »Rigoletto« auf dem Programm stand. Dieses Publikum war gut organisiert und bestand aus Leuten einer erfolgreichen Partei, die an Verdis Musik nicht interessiert, aber auf Krawall eingestellt waren und Busch niederbrüllten. Busch bewahrte Contenance und verhielt sich korrekt vom Scheitel bis zur Sohle, aber nach elfjährigem Wirken an dieser Stätte, war die Sache für ihn verloren, er verließ auf immer den Orchesterraum.


    Dennoch wurde er von der neuen »Theaterleitung« aufgefordert seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Busch begehrte Auskunft, was gegen ihn vorliege. Folgende Punkte wurden vorgetragen


    Zuviel privater Verkehr mit Juden
    Bevorzugte Beschäftigung jüdischer und ausländischer Sänger an der Dresdner Staatsoper
    Zu häufige Abwesenheit
    Ein zu hohes Gehalt


    Busch hatte einen guten Draht zu Göring und in einem mehr als einstündigen Gespräch stand dieser scheinbar voll an Buschs Seite. Auch Hitler hatte zwei Telegramme nach Dresden geschickt und Buschs Wiedereinsetzung verlangt. Bei weiteren Begegnungen mit Göring bemerkte Busch, dass sich dieser Mann in der letzten Zeit gründlich verändert hatte und ahnte die weitere Entwicklung in Deutschland voraus und ihm war klar, dass er seine Tätigkeit ins Ausland verlegen würde, schließlich lag ihm schon lange ein Angebot des Teatro Cólon vor.
    Er folgte noch einer Einladung Toscaninis, wo beide sich einig waren, auch ein Dirigierangebot nach Bayreuth abzulehnen. Am 15. Juni 1933 verließ Busch als Schiffspassagier den Hafen von Genua.


    Busch war ja kein Anfänger mehr und hatte schon einiges gesehen, aber das Opernhaus in Buenos Aires mit seinen sieben Rängen und 3500 Plätzen beeindruckte ihn stark, weil es trotz dieser Größe einen intimen Charakter entfaltet und eine ausgezeichnete Akustik hat. Gleichermaßen beeindruckend waren Orchester und Chor. Buenos Aires war eine Stadt, in der sich Fritz Busch auf Anhieb wohl fühlte. Schlecht war es dagegen um die Bühnenbilder bestellt, da war viel Schund und Geschmacklosigkeit; für Carl Ebert, der mit von der Partie war, nur schwer zu ertragen. Insgesamt war Busch mit seiner ersten Saison hier sehr zufrieden.
    1934 wurde von Busch zum ersten Male die Matthäus-Passion ungekürzt in Buenos Aires mit einem Riesenerfolg aufgeführt - die Solisten sangen in der Originalsprache, die Chöre spanisch; auch die h-Moll-Messe war unter Busch zu hören. Im Bereich der Oper gab es »Ring der Nibelungen«. Als Fritz Busch 1935 seine Saison in Buenos Aires beendete, stand er auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit. Ein Jahr später ergaben sich einige organisatorische Schwierigkeiten, aber es gab wieder Wagner: »Lohengrin«, »Holländer« und »Parsifal«. Bedingt durch politische Imponderabilien, ließ Busch erst einmal für längere Zeit seine Arbeit in Südamerika ruhen. Schon seit Jahren bestanden neben dem Südamerikdaengagement intensive Kontakte nach Kopenhagen und Glyndebourne.


    Als Busch im Mai 1934 zu seiner ersten Glyndebourne-Saison nach England fuhr, glaubte er nicht unbedingt, dass eine zweite folgen werde, denn aus damaliger Sicht war das ein waghalsiges Privatunternehmen. Dieses kleine Theater mit seinen 310 Plätzen war ein echter Kontrast zum Teatro Cólon. Der Start in Glyndebourne war jedoch ausgezeichnet; zwei Wochen lang wurden abwechselnd »Le Nozze die Figaro« und »Cosi fan tutte« gegeben; auch die internationale Presse sparte nicht mit Lob für Fritz Busch und Carl Ebert. In der folgenden Saison gab es dann als Erweiterung »Die Zauberflöte« und »Die Entführung«.
    Das Ganze war eine Erfolgsgeschichte - George Bernard Shaw und sogar die Königin war unter den Festspielgästen und das Publikum bemerkte, dass die Herren Furtwängler und Toscanini einer Aufführung beiwohnten ohne sich zu begrüßen.
    1939 wohnten die Chamberlains noch einer »Macbeth«-Aufführung in Glyndebourne bei, dann wurde es in Europa weniger festlich ...


    Auch zu Kopenhagen hatte Busch über viele Jahre eine innige musikalische Verbindung. 1923 kam er erstmals dorthin und fand das Orchester in ungutem Zustand. Als er nicht mehr in Dresden sein mochte, hatte er auch die Möglichkeit in Kopenhagen zu musizieren; dort hatte sich inzwischen der Rundfunk prächtig entwickelt und die dänische Statsradiofonie bot einige Möglichkeiten.
    Um Ostern 1934 herum führte Busch zum ersten Mal die Neunte Sinfonie in Kopenhagen auf. In den Folgejahren entwickelte sich eine beglückende Zusammenarbeit und Fritz Busch fühlte sich dort so rundum wohl, dass er ein Angebot Toscaninis ausschlug, der ihn zur Übernahme des New Yorker Philharmonischen Orchesters vorgeschlagen hatte.
    Die politischen Verhältnisse entwickelten sich so, dass die Buschs ihre zweite Heimat dennoch verlassen mussten. Sie flogen nach Moskau, reisten von dort mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok und kamen über Yokohama nach San Francisco; das war zwar keine Direttissima, aber in jenen Zeiten nicht unüblich. Ende August 1940 verließ Busch San Francisco in Richtung Buenos Aires, wo inzwischen Erich Kleiber den Taktstock schwang.


    Busch hielt sich einige Zeit auch in New York auf, von 1945 bis 1950 war Fritz Busch künstlerischer Leiter der Metropolitan Opera New York; von 1942 bis 1945 lebte man in Südamerika, an der uruguayischen Küste. Das Musizieren fand nicht immer im idealen Rahmen statt, auch in Südamerika hatte der Krieg seine Auswirkungen.


    Aber der große Krieg ging 1945 endlich zu Ende und so tastete sich auch die Kultur wieder langsam in die Normalität zurück. Aber was heißt hier Normalität - wie ein Donnerschlag traf Fritz Busch ein Brief aus Glyndebourne mit der Mitteilung, dass das Festival 1946 unter der Leitung von Sir Thomas Beecham stattfinden wird; John Christie, der Geld- und Ideengeber, stattete seinen Dank an Busch ab, wünschte alles Gute ... und das war´s dann auch ...
    Busch war noch einige Zeit in Amerika tätig, aber nach mehr als sechsjähriger Abwesenheit von Europa kehrten die Buschs wieder in das altvertraute Kopenhagen zurück. Deutschland war wieder offen, es lagen Einladungen vor, auch von seinem alten Dresdner Orchester, aber Busch mochte nicht in sein unglückliches Vaterland der unmittelbaren Nachkriegszeit zurückkehren.
    Aber 1950 ging es für Busch in Glyndebourne - trotz der zeitweiligen Irritationen - weiter, erstmals dirigierte er das Royal Philharmonic Orchestra; die Festspiele wurden mit der »Entführung aus dem Serail« und »Cosi fan tutte« im Juli eröffnet.


    Anfang Februar 1951 ist Fritz Busch erstmals wieder in Deutschland, wo in Köln als Rundfunkproduktion Verdis »Maskenball« entsteht und ein Gürzenich-Konzert gegeben wird, sowie in Hamburg ein Konzert im NWDR. In Köln war Busch von dem jungen Dietrich Fischer-Dieskau so begeistert, dass er sagte: »das Größte an Talent, was mir in diesem Fach vielleicht im Leben überhaupt vorgekommen ist.«
    Auch mit Wien wurden Kontakte gepflegt; das vor Busch liegende Tätigkeitsfeld in Europa war groß und es begann sich wieder Wohlstand einzustellen, von dem auch die Musikwelt Vorteile hatte.


    Seit vielen Jahren war das Ehepaar Busch wieder in der Heimat; sie waren beträchtlich älter geworden; Grete Busch hatte das Bedürfnis, nach all den Jahren der Abwesenheit, das Familiengrab in Mengeringshausen zu besuchen. Beim ersten Glas Wein in Deutschland machten sich die beiden darüber Gedanken, wo einmal ihr Grab sein sollte. Einigermaßen erstaunt stellte Grete Busch fest, dass es der ausdrückliche Wunsch ihres Mannes war, dort begraben zu werden wo sie sich einmal kennen lernten, geheiratet hatten und ihre Kinder getauft wurden. Auf der Rückseite eines Streifens der Speisekarte notierte er was musikalisch auf dem Grabstein stehen sollte, und sagte: »Das ist hübsch«.



    Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt


    Fritz Busch war herzleidend, mochte aber dem ärztlichen Rat der Schonung nicht folgen. Am 8. September schrieb er in sein Tagebuch: »Edinburgh Festivals ends«. Sein letztes Dirigat war »Don Giovanni«. Am 14. September erliegt Fritz Busch im Savoy Hotel in London einem Herzleiden. Die Urne wird auf den Waldfriedhof von Mengeringhausen gebracht, heute ein Stadtteil von Bad Arolsen, am 24. September fand die Trauerfeier statt.




    Einen Orientierungspunkt bietet der schiefe Kirchturm in Mengeringhausen, unweit des Friedhofs.



    Praktischer Hinweis:
    Der Friedhof liegt am Berger Weg / Landstraße.
    Vom Eingang aus sind es etwa hundert Meter zum Grab. Man geht zunächst 40 Meter geradeaus und biegt an der Wasserstelle nach rechts ab.
    Man kann dann Fritz Buschs Grab nicht verfehlen, ein rustikales Schild bezeichnet die Stelle.

  • Dank für deinen wie immer großartigen artikel, lieber hart!


    Dann weiß ich ja, dass ich in meiner heutigen Erinnerung mit dieser Empfehlung nichts falsch gemacht habe:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • In unmittelbarer Nähe zu dieser Kapelle ist das Grab



    Gedenken zum heutigen Todestag


    Als »DIE WELT« einen Beitrag zum 90. Geburtstag von Lisa Otto brachte, war der Zeitungsartikel mit »Die letzte Soubrette« überschrieben. Man war der Ansicht, dass die Sängerin heute den Rang der letzten Soubrette - sie legte Wert darauf, dass es »Lyrische Koloratur-Soubrette« heißt - der Weltgeschichte beanspruchen kann.


    Frau Otto meinte, dass man sich an seinen Fähigkeiten orientieren sollte und in der Beschränkung das Glück liege. Sie bedauerte, dass es neuerdings immer mehr praktiziert wird über sein Fach hinauszugehen; für sich selbst sagte sie:
    »Ich war bis zum Schluss Ännchen, und die Grümmer war meine Agathe. Ich bin für mein Fach geboren: das leibhaftige Ännchen.«


    Als Witwe Browe, Ännchen, Blonde oder Gretel steht man natürlich nicht so im Rampenlicht wie eine Isolde, Leonore oder Floria Tosca; aber Lisa Otto hatte für sich entschieden nicht um jeden Preis nach den Sternen zu greifen.
    Sie hatte im Laufe ihrer Karriere mit großen Dirigenten gearbeitet: Leo Blech, Karl Böhm, George Szell, Herbert von Karajan, Lorin Maazel ...
    Lisa Otto war eine Mozart-Sängerin von Rang und wurde in Salzburg oder Glyndebourne ebenso geschätzt wie in Berlin. Karajan wählte sie sich für seine legendäre englische »Così fan tutte«- Einspielung von 1954.


    Wahrscheinlich war sie von Kindesbeinen an mit Gesang verbunden, denn ihr Vater war gezwungenermaßen zum Konzertsänger geworden, weil er im Krieg beide Augen verlor und somit nicht auf der Opernbühne agieren konnte. *Wenn sie ihren Vater zu Konzerten begleitete stand sie Ängste aus. Das ging an der Tochter nicht spurlos vorüber, sondern prägte sich tief ein.


    Sie studierte Klavier und Gesang am legendären Dresdner Konservatorium. 1941 gab Lisa Otto im Alter von 22 Jahren ihr Bühnendebüt als Sophie im »Rosenkavalier« am Oberschlesischen Landestheater in Beuthen (heute Bytom, Polen), wo sie bis 1944 blieb. Von 1945-1946 sang sie am Stadttheater in Nürnberg und wechselte danach bis 1951 an die Staatsoper Dresden. Schon ab 1950 ist Lisa Otto einige Male gastweise an der Berliner Oper aufgetreten. Seit 1952 war sie Ensemblemitglied der Städtischen Oper Berlin, die1961 in Deutsche Oper Berlin umbenannt wurde.
    Als Gretel in »Hänsel und Gretel« kam sie nach Berlin; zum Abschied nach 44 Jahren Bühnenleben war sie 1985 die Witwe Browe in der Premiere von »Zar und Zimmermann«.


    Lisa Otto sang auch mal in Wien, Mailand oder Paris, aber Berlin wurde ihr im Laufe der Jahre zur zweiten Heimat.
    Höhepunkte an ihrem Stammhaus waren zum Beispiel: 1961 ihre Cleanthis in »Alkmene« von Giselher Klebe, zur Eröffnung des wieder entstandenen Hauses und ihre Marzelline im »Fidelio« zum 50-jährigen Jubiläum 1962/63.


    Auf ihre alten Tage bedauerte sie, dass es an den großen Häusern nicht mehr das klassische Ensemble wie früher gibt und stellte fest:
    »Heute kommen die Sänger, singen, nehmen die Gage und hauen ab« Auch in die Oper wollte sie nicht mehr gehen, weil sie noch wusste, wie es schön und richtig sein müsste - »In allem bin ich modern eingestellt, aber nicht bei den Operninszenierungen. Ich lehn’s vollkommen ab und werde so böse, dass ich meistens in der Pause gehe. Ich ärgere mich, dass ich mich feierlich angezogen habe und in die Stadt reingefahren bin. Ich fahr ja noch Auto. Aber in die Oper fahr ich nicht.«


    Sie war noch im hohen Alter eine quicklebendige Person, was auch im Nachruf der Deutschen Oper Berlin zum Ausdruck kommt:


    »Als wir vor Jahresfrist die FIDELIO-DVD im Foyer präsentierten erlebten wir eine vor Energie sprühende Rentnerin, die nur mit Mühe davon abzuhalten war, vor die Leinwand zu treten und ihre Partie aus voller Kehle mitzusingen. So werden wir sie in Erinnerung behalten, als eine wunderbare Kollegin und eine der ganz großen Sängerinnen, die ihre Heimat in Berlin, an der Deutschen Oper Berlin gefunden hatte, in Dankbarkeit und voller Bewunderung.«



    Der Violinschlüssel ist durch die Pflanzen nur noch im Ansatz zu erkennen


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab befindet sich auf dem Friedhof Heiligensse
    Sandhauser Straße 110
    13505 Berlin


    Vom Friedhofstor zur Kapelle sind es etwa 100 Meter, das Grab ist nur wenige Meter von der Kapelle entfernt


    Anmerkung:
    *Aus einem Interview des Magazins RONDO mit Lisa Otto:
    RONDO: Warum sind Sie nie als Konzertsängerin aufgetreten?


    »Dahinter steht eine ganze Lebensgeschichte. Mein Vater, der Sänger werden wollte, hatte sich freiwillig zum Krieg gemeldet, da war er 18 Jahre alt. Man hat ihm beide Augen ausgeschossen. Er bekam zwei Glasaugen, die nach meinen Augen gemacht waren. Er wollte unbedingt an die Bühne. Das konnte er nur so verwirklichen, dass er Konzerte gesungen hat. Ich habe danebengesessen. Und dabei eine Angst geerbt. Ich bin fast gestorben vor Angst.«


    Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Passus im Großen Sängerlexikon, wo es heißt:
    »... wurde aber auch in vielen anderen Aufgaben aus dem Stimmfach der Soubrette bewundert. Hervorragende Konzert- und Oratoriensängerin.«

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  • Zum heutigen Todestag von Alfred Piccaver

    In diesen Arkadengängen werden Urnen aufbewahrt. Das ist - vom Eingang aus gesehen - der linke Arkadenteil, wo Alfred Piccaver seine Bleibe fand.




    Einigermaßen sicher dürfte sein, dass der Sänger im Februar 1884 geboren wurde, aber in den einzelnen Quellen werden unterschiedliche Februar-Tage genannt. Als Geburtsort wird Long Sutton bei Spalding (Lincolnshire, England), angegeben. Die Familie verließ diesen Ort als Alfred noch ein kleines Kind war und wanderten die in die USA aus.


    Von Geburt aus hieß er eigentlich Peckover, seine spanischen Vorfahren trugen den Namen Piccaverdi, aber die Musikwelt kennt ihn als den britisch-amerikanischen Tenor Alfred Piccaver.


    Alfred Piccavers Vater war Chemiker und so war es nicht verwunderlich, dass auch Sohn Alfred einen technisch-wissenschaftlichen Beruf ausüben wollte. Alfred Piccaver studierte in New York Elektrotechnik und fand sogar eine Anstellung in den Laboratorien des berühmten Erfinders Edison. Er ging zwar mit Freunden in die »Met«, aber eine besondere Begeisterung scheint da zunächst noch nicht gewesen zu sein, denn es ist überliefert, dass er einmal während einer »Parsifal«-Aufführung eingeschlafen sein soll. Übrigens ist auch von Rudolf Bing überliefert. dass er Einschlafen bei Wagner tolerierte ...
    Es muss so eine Art Initialzündung gewesen sein, als der junge Alfred Piccaver einmal Enrico Caruso hörte - er wollte nun Sänger werden, daran bestand für ihn ab diesem Zeitpunkt kein Zweifel. Er beschaffte sich alle erreichbaren Platten des großen Vorbilds und übte so lange, bis seine Imitation dem Original sehr nahe kam. Edison gab seinem Angestellten Elektrotechniker den Rat, dass dieser seine Kenntnisse an der technischen Hochschule in Wien vertiefen sollte; an Gesangstechnik war dabei allerdings nicht gedacht.


    Kontaktscheu scheint der junge Elektrotechniker nicht gewesen zu sein, denn er fand recht schnell Zugang zur Gesellschaft, wo er dann auch einmal mit seinem stimmlichen Organ aufhorchen ließ. Seine Töne waren auch an die Ohren von Angelo Neumann gedrungen, der damals Leiter der Oper in Prag war und ihn sofort an die Moldau mitnehmen wollte. Aber das schlechte Gewissen gegenüber Edison und seinem Vater hielt ihn von einem spontanen Debüt als Opernsänger in Prag ab. Schließlich debütierte er 1907 am Deutschen Theater in Prag als Roméo in »Roméo et Juliette« von Gounod - erst nach diesem Auftritt folgte eine Ausbildung bei Frau Prochazková- Neumannová in Prag und bei Rosario in Mailand.


    Als der berühmte Bariton Mattia Battistini in Prag gastierte, erkannte er auf Anhieb das Potenzial des jungen Sängers und bestand darauf, dass er als sein Partner im »Rigoletto« und in Verdis »Ballo in maschera« eingesetzt wurde. Battistini nahm seinen neuen Tenorpartner mit nach Wien, wo er 1912 an die Hofoper verpflichtet wurde. Kritik und Publikum waren von seiner Leistung begeistert und Giacomo Puccini schloss sich diesem Jubel an, für seine Darbietung des Des Grieux bedankte sich der Komponist auf überschwängliche Art.
    1917 hatte man ihn zum Kammersänger ernannt und ab 1926 war er Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper; für mindestens 25 Jahre war er hier der ungekrönte König.


    Berüchtigt waren dagegen Piccavers Absagen, die oft sehr kurzfristig erfolgten, wenn der Künstler auch nur die leiseste Indisposition zu verspüren glaubte; sie waren offenbar so zahlreich, dass man sich noch heute daran erinnert. Er selbst äußerte sich zu diesem Problem einmal lächelnd sinngemäß so, dass es eine Klausel in seinem Vertrag gegeben hätte, die ihm zusicherte einen Auftritt abzusagen, wenn der Termin mit einem internationalen Fußballspiel oder einem wichtigen Boxkampf kollidierte.
    Dass er sportbegeistert war ist altbekannt, bei den Fußballspielen Staatsoper gegen Burgtheater war er mit Feuereifer dabei.
    Auch das künstlerische Verhältnis zwischen Maria Jeritza und ihrem Partner Piccaver war oft sehr gespannt und Marcel Prawy, der exzellente Kenner der Wiener Oper, meint, dass sich die Jeritza stets bemüht habe einen Nachfolger für Piccaver zu finden und die Launen des Tenorstars Piccaver dazu geführt haben, dass es 1926 zum Debüt von Jan Kiepura an der Wiener Staatsoper kam.


    Im Wesentlichen blieb Piccaver der Wiener Staatsoper über lange Jahre treu. 1912–1931 und 1933–1937 war er Mitglied des Ensembles und schlug sogar einen Vertrag mit der »Met« aus, sang aber als Gast in Chicago, London und anderen großen Bühnen, auch bei den Salzburger Festspielen.


    Als sich das politische Klima negativ veränderte, mochte er nicht mehr auf dem Kontinent bleiben und ging in seine ursprüngliche Heimat nach England. Der Spielplan der Wiener Staatsoper zeigt noch am 2. Juni 1937 eine »Tosca«-Aufführung mit Piccaver als Cavaradossi an, an seiner Seite Maria Nemeth als Floria Tosca.


    Er lebte im Londoner Stadtteil Putney und gab Unterricht in Musik und Gesang. Aber sein Name war dort kein großer Begriff, er war ein »Niemand«, die Leute konnten noch nicht einmal seinen Namen richtig aussprechen. Traurig dachte er an Wien zurück, wo er zu seiner Glanzzeit so populär war, dass ihm die Polizisten sofort Vorfahrt einräumten, wenn sie das Auto des Herrn Kammersängers erkannten.


    Aber als 1955 die Wiener Staatsoper wieder neu eröffnet wurde, war Alfred Piccaver unter den Ehrengästen. Und in seinem altvertrauten Wien fühlte er sich wieder so heimisch, dass er nicht mehr auf Dauer nach England zurückkehrte. Er blieb bis zu seinem Lebensende in Wien, wo er sich pädagogisch als Gesangslehrer betätigte.
    Als er starb, soll der Trauerzug ein großes Ereignis gewesen sein, das bei strömendem Regen stattfand; und es wird berichtet, dass die Wiener Philharmoniker den zweiten Satz von Beethovens »Eroica« gespielt haben, in einem englischen Buch wird sogar von einem Staatsbegräbnis berichtet, aber das war wohl eher eine Trauerfeier, die einem Staatsbegräbnis ähnlich war.
    In Wien-Penzing gibt es einige »Musikerwege«: Andayweg (Rosette Anday), Heschweg (Willy Hesch) und auch einen Piccaverweg ...


    Dass Piccaver in der Oper Begeisterungsstürme entfachte ist durch eine Menge Kritiken belegt. Piccaver hatte eine baritonal gefärbte Mittellage und ein vorzügliches Legato, aber heldische Momente waren seine Sache nicht; er war also kein idealer Manrico, aber ein Puccini-Sänger par excellence.


    Jürgen Kesting schätzt besonders die Aufnahmen des jungen Sängers und schreibt:


    »Die Odeon-Platten aus den Jahren zwischen1912 und 1914 sind teilweise überwältigend, es sei, man stößt sich an der deutlichen, teilweise überdeutlichen Nachahmung Carusos: "Questa a quella aus Rigoletto ist, bis hin zur Auszierungsnuance bei "se mi punge", eine glänzende Kopie des Neapolitaners - aber eben eine Kopie. Berückend schön ist sein Legato in "Parmi veder le lagrime", geradezu rauschhaft und ekstatisch "Ha, wie in meiner Seele" aus Hoffmanns Erzählungen. Auch Roméos "Ach gehe auf, mach´ erbleichen die Sterne" ("Ah! léve-toi, soleil"), Wilhelm Meisters Romanze aus Mignon und, vor allem, das "Ingemisco" aus Verdis Requiem sind glänzende Beispiele beherrschten, klangprächtigen lyrischen Singens und nobler Phrasierung.«



    Praktischer Hinweis:
    Alfred Piccaver wurde in einem ehrenhalber gewidmeten Grab in einer Urnennische in den Arkadengängen der Feuerhalle Simmering beigesetzt (Abteilung ALI, Nummer 27).
    Die Feuerhalle Simmering befindet sich nicht auf dem Gelände des Zentralfriedhofs, sondern jenseits der Simmeringer Hauptstraße, schräg gegenüber dem Hauptportal.


  • Ein Grabbesuch zum heutigen Geburtstag von Irmgard Seefried



    Irmgard Seefried stammt aus einer Lehrerfamilie und wurde zu einer Zeit geboren in der Autorität noch einen anderen Stellenwert hatte als heute. Die Eltern übten auf die Berufswahl ihrer Kinder, die damals erst mit 21 volljährig wurden, allgemein einen großen Einfluss auf. Den ersten Anstellungsvertrag musste die bereits ausgebildete Sängerin noch von ihrer Mutter unterschreiben lassen, der Schriftzug Irmgard Seefried wäre nicht bindend gewesen.


    Die Familienverhältnisse waren bei Seefrieds etwas kompliziert, denn als Irmgard geboren wurde, waren schon drei »Geschwister« da, die genau genommen keine Geschwister waren; es waren vom Vater angenommene Kinder, deren Eltern kurz hintereinander gestorben waren, die jüngeren Geschwister von Irmgards Mutter. Maria Seefried war bei ihrer Verheiratung mit Heinrich Seefried kaum 19 Jahre alt.


    Beide Eltern stammten aus dem Unterallgäu. Der Vater wurde als Oberlehrer in das etwa 15 Kilometer entfernte Bad Wörishofen versetzt; die Familie wohnte nun im Schulhaus. Oberlehrer Heinrich Seefried besaß eine wohlklingende Tenorstimme und wäre gerne Sänger geworden, aber dessen Eltern mochten in so etwas »unseriöses« kein Geld investieren, da war der Beruf eines Schulmeisters eine sichere Sache. Aber der Mann war an allen Fronten musikalisch aktiv. Er verbrachte seinen Urlaub mitunter in München, um dort nebenbei Gesang zu studieren, spielte verschiedene Instrumente und war außerhalb seiner Unterrichtszeit von Gesangverein zu Gesangverein unterwegs: Kinder-, Männer-, Frauen- und gemischten Chor. Mit dem Ergebnis der Übungsstunden trat Heinrich Seefried an die Öffentlichkeit und scheute auch von kompletten Opernaufführungen nicht zurück - in diesem Umfeld wuchs das Kind Irmgard heran.
    Als Irmgard sieben Jahre alt war, gründete der Papa in Bad Wörishofen eine Singschule, die übrigens seit dem letzten Jahr den Namen »Irmgard-Seefried-Sing- und Musikschule« trägt. Seltsamerweise macht die Vorsteherin der Kinderschule den umtriebigen Musikus auf die außergewöhnliche Begabung seiner Tochter aufmerksam und berichtet dem Vater, dass sein Töchterlein Lieder recht schnell fehlerfrei nachsingen kann.
    Ihren ersten Opernauftritt hat sie im Januar 1931 in Humperdincks Märchenoper »Hänsel und Gretel«, die Vater Seefried mit der Singschule einstudiert hat und mit dem Kurorchester aufführt.


    Die Zwölfjährige hat da nicht einfach drauflos gesungen, als sie fünf war lehrte sie der Vater Notenlesen; er ist streng, auch ungeduldig und stellt manchmal übertriebene Forderungen am Klavier. Der Kinderchor liegt Heinrich Seefried besonders am Herzen, weil er weiß, dass das ein Reservoir für seine Erwachsenen-Chöre ist. Der Kinderchor singt auf Festen in Kurhäusern und Sanatorien und Irmgard bekommt da schon mal kleine solistische Aufgaben zugewiesen, ist also von Kindesbeinen an Publikum gewöhnt. Zum ersten Mal stellt Heinrich Seefried seine achtjährige Tochter im Rahmen eines Chorkonzerts, das der Bayerische Rundfunk aufnimmt, heraus, das Mädchen singt Schuberts »Forelle«.


    Der Vater sah seine Tochter nicht unbedingt als zukünftige Opernsängerin, sondern eher als Lehrerin, sie selbst liebäugelte einige Zeit mit dem Studium der Medizin.


    Literarisch bildet sich die Gymnasiastin an der Bibliothek ihres Vaters weiter und beginnt sogar selbst zu schreiben. Mit fünfzehn fragt sie den Vater ob sie Musik studieren darf. Seine Reaktion ist so überliefert:

    »Wenn du Musik schtudierscht, verlang i von dir, daß du die höchschte Stufe erreichscht. Hascht die leiseste Bedenke, daß du du lieber das, daß du lieber Freunde hättscht, daß du lieber auf Gesellschaften gehe und tanze möchscht, dann, bitt´ schön, sag´ mir´s. I hab keinen Pfennig Geld für dich übrig, wenn du deine Freizeit nach eigenem Gutdünke einrichte und nur so nebenbei und zufällig Musik schtudiere willscht. Also bitt´ schön, i will keine Zwischenlösung. Ja oder nein. Du überlegscht dir bis morge: bischt du imstand, nach fünf Jahre in Bayreuth zu singe, dann ischt´s guet.«


    Die folgsame und selbstbewusste Tochter akzeptiert das; der Vater aktiviert einen Jugendfreund, das ist Professor Albert Mayer am Städtischen Konservatorium Augsburg, zudem findet er einen Kapellmeister, der seine Tochter auf die Aufnahmeprüfung vorbereitet - die 17-jährige Lehrerstochter besteht diese glanzvoll.
    Nun fährt sie jeden Tag die 60 Kilometer mit der Bahn von Bad Wörishofen nach Augsburg. Der Vater drückt ihr jeden Tag 60 Pfennige für Verpflegung in die Hand, die Mutter steckt ihr noch ein Butterbrot zu ...


    Der Vater hatte fünf Studienjahre eingeräumt, aber da sollte ja auch schon die Festspielbühne in Bayreuth erreicht sein. Irmgard Seefried studiert mit Feuereifer, Hauptfach Gesang, Nebenfach Klavier. Das Fach Harmonielehre war ihr Ding nicht, ein Zugpendler, auch Student in Augsburg, bringt Fräulein Seefrieds Harmonielehreaufgaben ins Reine. An der Wandtafel hat sie diesbezüglich nie einen beifallumrauschten Auftritt und ihr Professor sagt dann: »Geh, Seefriedle, und dank dem Hergott, dass du singen kannst!« Irmgard Seefried sieht das Ganze von der praktischen Seite und meint, dass es völlig ausreichend sei, wenn sie weiß was ein Septakkord ist. Die Bedürfnisse der jungen Frau und die Höhe des gewährten Taschengeldes klaffen weit auseinander, sie singt auf Hochzeiten und Beerdigungen, um etwas finanziellen Spielraum zu haben, die Gage beträgt fünf Mark pro Auftritt.


    Heinrich Seefried darf den Aufstieg seiner Tochter nicht mehr erleben; er stirbt am 13. Dezember 1933 bei einem nächtlichen Autounfall zusammen mit seinem Freund, der den Wagen auf regennasser Fahrbahn steuerte.
    Das war ein Schicksalsschlag, der aus heiterem Himmel kam. Maria Seefried war depressiv geworden, die Mutter war krank. Zu diesem Zeitpunkt besucht Irmgard Seefried etwa seit einem halben Jahr das Konservatorium; das familiäre Umfeld ist der Meinung, dass nun Irmgard für die Familie sorgen müsse. In dieser Situation erhält sie ein Stipendium und wird in die Meisterklasse aufgenommen. Nun singt sie immer häufiger zu privaten Feierlichkeiten, damit etwas Geld ins Haus kommt. Zu Hause warten hausfrauliche Pflichten, die von der gemütskranken Mutter nicht mehr geleistet werden können.


    Die 17-Jährige steht auch einige Male als Rossweise mit abgedunkelter Stimme auf der Augsburger Bühne und singt eine der Walküren. Auch bei einer Konzertveranstaltung des Konservatoriums hat Irmgard Seefried einen erfolgreichen Auftritt - für sie völlig überraschend war auch ihre Mutter erschienen.
    1939 absolviert sie mit Glanz und Auszeichnung das Staatsexamen für Gesang, das in der Akademie der Tonkunst in München abgenommen wurde, kein geringerer als Joseph Haas nimmt es ab.


    Zwischen Ostern und Pfingsten 1940 packt die nun Zwanzigjährige ihren Koffer und fährt von Bad Wörishofen nach Aachen; sie hat 25 Klavierauszüge im Koffer und zwanzig Partien im Kopf. Nun, Aachen ist zwar nicht Bayreuth, war aber schon immer ein gutes Sprungbrett für junge Talente. Eigentlich wollte sie nur mal am Theater vorsingen und dann weiterstudieren, aber es kam anders. Mit ihr waren noch zehn Mitkonkurrentinnen erschienen; die Intendanz entschied sich nach der ausgiebigen Darbietung der Dame vom Augsburger Konservatorium, für die jüngste Teilnehmerin. Den ihr vorgelegten Vertrag darf die erst Zwanzigjährige noch nicht unterschreiben, das muss zu Hause i. V. ihre Mutter tun.


    Im September 1940 beginnt Irmgard Seefrieds Theaterlaufbahn in Aachen, wo sie in »Aida« gleich in zwei Rollen auftritt. Als Gefangene hat man sie gesehen, aber nicht gehört; als Priesterin hat man sie zwar gehört, aber nicht gesehen. Ihre nächste Aufgabe ist schon größer, sie singt die Nuri in »Tiefland«. Wilhelm Schüchter geht die Rolle mit ihr durch, die Aufführung selbst dirigiert Herbert von Karajan, der damals Generalmusikdirektor in Aachen war.
    Sie singt in Aachen auch mit dem Domchor in Gottesdiensten und Konzerten. Karajan hatte ja schon Kontakte nach Berlin, ein Wechsel zur dortigen Staatsoper schien im Bereich des Möglichen, aber dieser Sprung ist der Anfängerin dann doch zu gewagt.
    Dennoch kommt es in Berlin zu einer Mikrophonprobe und auch zu Soloaufnahmen mit dem Chor in Aachen.


    Karl Böhm ist in Dresden von der neuen Stimme informiert und lädt Irmgard Seefried zu einem Gastspiel als Agathe im »Freischütz« nach Dresden ein; im gleichen Zeitraum bittet die Wiener Staatsoper zum Vorsingen - drei Jahre Bühnenerfahrung in Aachen liegen nun hinter der jungen Sängerin.


    Anfang Januar 1943 gastiert Seefried unter Karl Elmendorff mit großem Erfolg in Dresden und reist von dort gleich weiter nach Wien. Dort bietet ihr Böhm, der inzwischen von Dresden nach Wien gewechselt war, einen Vertrag an, den sie nur mit der festen Zusage akzeptiert, dass sie in der geplanten Meistersinger-Aufführung das Evchen singen wird. Im Mai 1943 steht sie dann neben Paul Schöffler und Max Lorenz auf der Bühne der Wiener Staatsoper.
    Mit einem Vertrag der Wiener Staatsoper kehrt sie nach Aachen zurück und verabschiedet sich dort mit einem Sonderkonzert von ihrem Publikum. Am 14. Juli zerstört ein Fliegerangriff ihre Wohnung; ihr ganzer persönlicher Besitz befindet sich in dem Koffer mit dem sie in Wien ankommt. In Wien wohnt sie weit draußen im XIX. Bezirk. Schon in der ersten Saison singt sie in Wien sieben Premieren; auch bei den Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag von Richard Strauss ist sie dabei, sie singt den Komponisten in »Ariadne auf Naxos«.


    Irmgard Seefried hatte sich in ihrer Aachner Zeit verlobt, aber dieses Verhältnis war schon am Erkalten als sie nach Wien ging. Dort entwickelte sich peu à peu eine Sympathie für den einstigen Wunderknaben Wolfgang Schneiderhan, der im Orchestergraben der Staatsoper an exponierter Stelle wirkte.


    Nun wird es auch in Wien ernst, der große Krieg neigt sich seinem Ende zu, im September 1944 werden auch in der Theaterstadt Wien die Spielstätten geschlossen. Am 12. März 1945, diesem ganz besonderen Jahrestag, wird die Innenstadt Wiens stark bombardiert, die Staatsoper brennt, sie brennt zwei Tage lang. Als die sowjetische Armee die Stadt erobert spielen sich schlimme Szenen ab, auch für die Musiker der Staatsoper real, nicht auf der Opernbühne. Die Künstler retten sich während des dramatischen Endkampfes in die Katakomben der Stadt, Irmgard Seefried war da in eine sehr prekäre Situation geraten, die sie mit viel Glück überstand.
    Am 14. April 1945 geht der Kampf um Wien zu Ende; am 27. April dirigiert Clemens Krauss die Philharmoniker, am 1. Mai wird auf Befehl des russischen Stadtkommandanten in der heilgebliebenen Volksoper »Figaros Hochzeit« gegeben - Irmgard Seefried singt die Susanne. Fast unglaublich, wenn man sich die Reihenfolge der Ereignisse und die Not und das Elend vorstellt.
    Von einem solchen Tiefpunkt kann es eigentlich nur noch aufwärts gehen. 1947 singt Irmgard Seefried unter Krips in Paris und Nizza, im gleichen Jahr ernennt man sie zur Kammersängerin. Am 12. Februar 1948 heiraten der Kammervirtuose Wolfgang Schneiderhan und die Kammersängerin Irmgard Seefried in Wien, sie hat dort ihre zweite Heimat gefunden. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor.
    Am 5. November 1955 steht Irmgard Seefried als Marzelline in »Fidelio« auf der Bühne der an diesem Tag neu eröffneten Wiener Staatsoper.


    Rolf Liebermann schrieb explizit für das Künstlerpaar Seefried / Schneiderhan das Konzertstück »Capriccio« für Sopran, Violine und Orchester, das am 1. März 1959 im Salle Pleyel in Paris uraufgeführt wurde. Hans-Werner Henze schrieb »Ariosi« und Frank Martin sein »Maria Tryptichon«.


    Man muss hier nicht all ihre bedeutenden Auftritte auflisten, sondern kann pauschal sagen: Seit 1946 sang sie regelmäßig an allen großen Bühnen und auf allen bedeutenden Festivals der Welt.
    Wenn man sich am Spielplanarchiv der Wiener Staatsoper orientiert, sang Irmgard Seefried wohl zum letzten Male dort am Mittwoch, 22. Oktober 1975 in Janáceks »Katja Kabanowa«.


    Sie war aber auch außerhalb der Oper eine bedeutende Lieder- und Konzertsängerin und dem Zeitgenössischen Musikschaffen gegenüber sehr aufgeschlossen. Immer wieder baute sie solche Stücke in ihre Konzertprogramme ein. Da gibt es zum Beispiel eine CD mit Liedern von Hugo Wolf mit Auszügen aus »Spanisches Liederbuch« und Mörike-Liedern - auf dieser Platte ist auch Werner Egks »Quattro Canzoni« drauf, atemberaubend, was Irmgard Seefried hier mit ihrem Atem macht ...


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab von Irmgard Seefried findet man auf dem Friedhof Neustift am Walde
    Pötzleinsdorfer Höhe 2
    1180 Wien


    Am günstigsten benutzt man das Tor 3; von hier aus ist es am nächsten zur Gruppe 22
    (Reihe 5), nur wenige Meter oberhalb ist die Grabstätte von Josef Greindl (Reihe 6)
    Wer den Haupteingang benutzt sollte etwas Kondition mitbringen, denn der Weg zieht sich und steigt.

  • Nachtrag zum praktischen Hinweis:


    Einige Meteroberhalb liegt auch das Grab von Boy Gobert. Und wenn man den längeren, ansteigenden Weg nimmt, kommt man an den Gräbern von Ewald Balser, Helene Wildbrunn und Egon Seefellner (unübersehbar!) vorbei.


    Auch das Grab von Esther Rethy liegt nicht weit entfernt.

  • Lieber Erich,
    die Herren Ewald Balser und Boy Gobert mögen vielleicht Hausmusik gemacht haben, aber als Musiker sind sie nicht groß in Erscheinung getreten und Egon Seefehlner hatte ich eher als Theatermanager wahrgenommen, was er musikalisch drauf hatte, weiß ich nicht ...


    Ganz anders verhält es sich mit der hervorragenden Sängerin Helene Wildbrunn, das war eine exzellente Musikerin, deren Grab jedoch nicht so arg weit vom Verwaltungsgebäude zu finden ist. Wer es sucht findet es in Gruppe J, Reihe 1
    Ich musste lächeln, als ich die untere letzte Zeile auf dem Grabstein der Sängerin las, schade, dass das manchmal zugewachsen ist, man muss die Röschen etwas zur Seite nehmen, um den Text lesen zu können.



    Teilansicht des Grabsteins von Helene Wildbrunn - in der unteren Zeile steht: DER REST IST SCHWEIGEN

  • Lieber Hart,


    da ich die Herren Balser und Gobert in meiner Jugend zu meinen Theaterlieblingen im Burgtheater gezählt habe, habe ich mir erlaubt, auf sie hinzuweisen. (Es wird nicht mehr vorkommen!)
    Der Theatermanager war i.m.A. ein ausgezeichneter Staatsoperndirektor.
    Das sollte unvergessen bleiben.

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