Charles-Valentin Alkan wurde am 30. November 1813 in Paris geboren (eigentlich Charles-Valentin Morhange).
Charles-Valentin Morhange war der Sohn eines aus Lothringen stammenden jüdischen Schulmeisters und Musiklehrers, dessen Vornamen Alkan er als Nachnamen annahm. Bereits im Alter von 6 Jahren wurde Alkan zum Studium von Klavier und Orgel am Pariser Konservatorium aufgenommen. Als begabtester Schüler seines wichtigsten Lehrers und Mentors Joseph Zimmermann gab er sein Konzertdebüt mit 12 Jahren. Es galt als selbstverständlich, dass Alkan Zimmermann als Professeur de Piano in seinem Amt nachfolgen würde. Dass es wegen einer politischen Intrige dazu jedoch nicht kam (Nachfolger wurde der weniger begabte Antoine Marmontel), war einer der Gründe, warum Alkan sich wohl 1848 mit wenigen Ausnahmen für sein ganzes Leben verbittert aus der Öffentlichkeit zurückzog.
Als junger Virtuose gehört er neben den Rivalen Liszt und Sigismund Thalberg zu den führenden Pianisten, die die Möglichkeiten moderner Klaviere voll ausschöpften und durch spieltechnische Übersteigerungen und Überforderungen neue Ausdrucksmöglichkeiten gewannen und sie künstlerisch umsetzten.
Mit seinem ersten großen Werk, den Trois Grandes Études, op. 76 überschreitet Alkan endgültig den Grad vom technischen Bravourstück zur Etüde als Kunstform. Die erste Etüde ist für die linke Hand allein geschrieben, die zweite für die rechte Hand allein, die dritte für beide Hände "wiedervereinigt". Letztere ist ein deutlicher Vorgriff auf den Unisono-Finalsatz aus Chopins b-Moll-Sonate.
Eine weitere Innovation stellt die programmatische Grande Sonate ('Quatres-ages'), op. 33 (1844) dar, mit welcher sich Alkans reifer Stil manifestiert. Jeder der vier Sätze steht für ein Lebensalter.
Extraordinär und mit dem hang zum skurrilen sind Alkans Douze Etudes dans les tons mineurs, op. 39 (12 Etüden in alle Molltonarten). Dieser Zyklus ist ein einzigartiger Metazyklus von 12 Konzertetüden, der wohl erstmalig den Rahmen einer geschlossenen Aufführung an einem Abend sprengt und daher teilweise eine Innengruppierung aufweist. Drei der Etüden sind zu einem Concert pour piano zusammengefasst. Vier weitere zur Symphonie pour piano. Die letzte Etüde (Le Festin d'Esope)ist ein eigenständiger Variationszyklus. Allein der Kopfsatz des Concerto hat eine Spieldauer von ca. 30 Minuten.
Alkan starb 1888 in fast völliger Vergessenheit. Es sind lediglich Obskuritäten wie das Gerücht, er sei von einem umstürzenden Bücherregal erschlagen worden, die sich in der musikalischen Legendenbildung erhalten haben. Ein Nachruf in der Zeitschrift Le Ménéstrel stellte makaber fest, durch die Todesnachricht wisse man überhaupt erst, dass es ihn noch gegeben habe.
Die enormen technischen Schwierigkeiten und der zum Teil gewaltige Umfang seiner Werke haben jedoch von Beginn an nicht für rasche Verbreitung gesorgt. Dennoch gibt es eine Linie pianistischer Tradition, die sein Werke nie ganz hat vergessen lassen: Anton Rubinstein, Ferruccio Busoni, dessen Schüler Egon Petri, John Ogdon haben sich immer wieder der Werke von Alkan angenommen. Olli Mustonen machte eine bemerkenswerte Platte mit den Preludes. Heutzutage ist zweifellos Marc-Andre Hamelin der wichtigste Alkan-Interpret unter den Weltklasse-Pianisten.
Hier nun ein skurriles Zitat bezgl. seines Ablebens:
"Eine musik-witzenschaftliche Abhandlung gegen die Musikakademie des Landes Velocistan"
von Wolfgang Weller
„Zu Ende gehen die Zeiten des thumben Spieles.”
(Wolfgang Weller, Die Feuerworte des Helios, II. Teil)
§ 1
Am 29. März des Jahres 1888 erklomm Monsieur Charles Valentin Morhange-Alkan in seiner Wohnung zu Paris die Bibliotheksleiter, um sich ein Buch herab zu holen. Eingeweihte munkeln insgeheim, es sei der Talmud oder womöglich die Kabbala gewesen. Aber es könnte auch der „Liber de Arte Poetica” des Aristoteles, das Handbuch über die Verskunst des Hephaistos oder L’Affilards „Principes trèsfaciles”, 5. Auflage von 1705 gewesen sein…
§ 2
Alkan liebte seine Bücher, und sie liebten ihn. Bei der in § 1 beschriebenen Gelegenheit schwankten sie in liebevoller Zuneigung ihrem Besitzer entgegen, das Bücherregal schwankte mit, und alle begruben und erdrückten sie den berüchtigten Komponisten vorgeblich unspielbarer Riesenetüden unter ihrer geistigen Last.
§ 3
Dreierlei läßt sich aus diesem Mißgeschick ableiten:
1. Bücherfreunde leben gefährlich.
2. Alkan genoß den denkbar schönsten Bibliophilentod.
3. Alkan hatte eminente literarische Interessen.
Zusätzliche witzenschaftliche Hypothese: Der Geist Robert Schumanns steckte hinter des Meisters Bücherschrank und spielte einen tödlichen Schabernack zur Genugtuung aller braven Musiker, denen die „wahre” Kunst (besonders wenn sie deutsch) heilig ist."
Hiermit rufe ich die Tamino-Klavierfreaks auf, ihre Erfahrungen mit der Musik dieses Komponisten mitzuteilen.
gruß, siamak