Anton Bruckner: Sinfonie Nr 7 in E-dur - die Einzige

  • Zitat

    teleton: Ich schätze die Wand-Bruckner-Aufnahmen mit den Kölner (RCA) wirklich sehr, aber bei der Siebten fehlt er mir dort ganz deutlich. (Ist auch die einzige ( :D inkonsequente) Aufnahme, die ich ohne kenne.)

    Lieber Wolfgang,
    ich kam erneut auf die Beckenfrage zu sprechen, weil mich ein Abschnitt im DVD-Booklet darauf stieß, der eher drauf hindeutet, dass die Dirigenten, die die Siebte nach der Haas-Edition dirigieren und dennoch den Beckenschlag bringen, an dieser Stelle inkonsequent sind, Günter Wand dagegen konsequent:

    Zitat

    Wolfgang Seifert: Schon als Günter Wand 1947 in Köln als seine erste Bruckner-Symphonie die Siebte dirigierte, hatte er diese Hass-Ausgabe auf dem Pult. Deshalb warteten diejenigen seiner Zuhörer, die das Werk in anderen Interpretationen kannten, vergeblich auf den berühmten Beckenschlag als Höhepunkt des Adagio-Satzes.
    Der war bis dahin so etwas wie ein Markenzeichen deutscher Bruckner-Tradition, weil der junge, auf Erfolg bedachte NIkisch Bruckner dazu überredet hatte, den ursprünglich ohne jede Schlagwerk-Mitwirkung konzipierten langsamen Satz an dieser Stelle durch nachträglich hinzugefügte Pauke, Becken und Triangel effektvoller zu machen. Bruckner hatte zu diesem Zweck am rechten Rand der entsprechenden Partiturseite einen Streifen mit den entsprechenden Schlagwerkstimmen engeklebt.
    Doch plagten den Komponisten von Anfang an Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns, denn er setzte mit eigener Hand gleich mehrere Fragezeichen dahinter. Später strich er die Fragezechen aus und schrieb stattdessen über das Ganze "gilt nicht". Die Sachlage ist also eindeutig. So wenig wie für Robert Haas hat es für Günter Wand jemals Zweifel daran gegeben. Dass andere Dirigenten trotzdem am effektvollen Beckenschlag festhielten. konnte ihn schon in jungen Jahren nicht irritieren.


    Natürlich höre ich auch gerne den Beckenschlag, akzeptiere aber die Konsequenz Günter Wands und höre seine Interpretation mittlerweile so, als wenn es den Beckenschlag nie gegeben hätte. Anfangs hatte ich ihn auch vermisst. Aber nachdem ich letztens sein Erinnerungen zum zweiten Male gelesen hatte, blieben mir auch die Passagen besonders im Gedächtnis, die von seiner konsequenten Haltung in Fragen der Partiturtreue handelten und von den Schwierigkeiten, die er sich manchmal dadurch einhandelte, z. B. als er einmal, wenn ich mich recht entsinne, lange vor seinem Engagement als Chefdirigent in Hamburg beim NDR ein Gastspiel gab und u. a. auch Beethovens Fünfte dirigierte. Da hatte er wohl sinngemäß zu den noch von der alten Beethoven-Tradition geprägten Musikern gesagt: "Vergessen Sie, wie Sie bisher Beethoven gespielt haben und spielen Sie ihn nun, wie es in der Partitur steht". Das ist wohl damals beim Orchester nicht gut angekommen. Als er aber viele Jahre später dessen Chefdirigent wurde, saßen schon durchweg neue Musiker in seinen Reihen, und so führte er es durch seine konsequente Arbeit in die erste Reihe der kontinentalen Orchester.


    Liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Der Beckenschlag ist ein triviales Detail; eine Diskussion des Stückes oder von Aufnahmen, die sich auf diese Nebensächlichkeit zentral bezieht, kann ich nur schwer ernst nehmen. Aber die Entscheidung kann einem Dirigenten nicht von der Musikphilologie abgenommen werden. Bruckner hat auch bei anderen Werken hin- und herrevidiert (und fast immer WEITAUS tiefgreifendere Änderungen als der Beckenschlag). Man kann nicht ohne weiteres sagen, irgendwas gilt definitiv, nur weil es später oder früher so hingeschrieben wurde.


    Und die Wand-Hagiographie, er mache alles genauso wie es in der Partitur stünde, kann ich schon gar nicht mehr hören, da dieser Dirigent durchaus gewisse traditionelle Instrumentationsretuschen bei Beethoven anwendet, wie die Hörner in der Reprise der 5. (und oft auch recht deutlich von den "Beethovenschen" Tempi entfernt ist, zB Kopfsatz Eroica deutlich zu breit, auch das Finale der 2. (von der die ersten beiden Sätze bei Wand hervorragend sind) zu langsam und ohne Feuer).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ob der Beckenschlag von Bruckner nun letztlich gewollt war oder nicht, ist das überhaupt so wichtig? Eindeutig wird man das scheinbar ohnehin nicht mehr klären können. Der Beckenschlag stellt m. E. eine Bereicherung dar, wieso sollte man den also in puritanischer Manier unbedingt weglassen müssen und sich dann noch als besonders partiturgetreu inszenieren? Verglichen mit der Schalk'schen Fassung der 5. Symphonie ist das doch wirklich eine Marginalität, über die sich die Diskussion kaum lohnt.


    Diese ganzen spätromantischen Umorchestrierungen sind heutzutage ja geradezu geächtet. Mahlers Retuschen bei Beethoven und Schumann, Szells Eingriffe bei Schumann, Stokowskis Bearbeitungen bei Beethoven und Tschaikowskij, all das gilt oft als unseriös und werkverfremdend. Nur klingt es im Ergebnis eben doch oft sehr interessant. Und dasselbe gilt eben auch für diesen Beckenschlag, den ich wirklich in die untere Skala der Eingriffe einordnen würde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Joseph II: Der Beckenschlag stellt m. E. eine Bereicherung dar, wieso sollte man den also in puritanischer Manier unbedingt weglassen müssen und sich dann noch als besonders partiturgetreu inszenieren?

    Falls der Frageteil dieses deines Zitates, lieber Joseph, auf Günter Wand gemünzt sein sollte, muss ich doch widersprechen.
    Dass er den Beckenschlag von Anfang an (1947) wegließ, hatte nichts mit "puritanisch" oder "puristisch" oder sonstwas zu tun, sondern war Ausdruck seiner tiefen Überzeugung, dass Bruckner den Beckenschlag nicht wirklich gewollt hat, sondern sich zwischenzeitlich dazu überreden ließ (siehe oben) und das später aber selbst revidiert hat. Und sich selbst als "partiturtreu" inszeniert hat Günter Wand schon dreimal nicht. Was Günter Wand allerdings über die Eingriffe des von dir zitierten Herrn Schalk gedacht und gar gesagt hat, mag ich hier gar nicht zitieren. Da konnte der alte Herr schon ganz schön rabiat sein. Ich mag ja selbst den Beckenschlag, aber wirklich vermisst habe ich ihn im Ergebnis in der Aufführung Wands 1999 in Lübeck überhaupt nicht. Das war organisch von A bis Z, da fehlte nichts.


    liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Also ich empfinde den Beckenschlag immer als eine Art Erlösung. Die Spannung entlädt sich erst mit ihm. Fehlt er, fehlt mir etwas. Ich kann nicht beurteilen, ob ihn Bruckner nun gewollte hat oder sich nur vorübergehend dazu überreden ließ. Schließlich hat er ihn aber eingefügt. Das zählt. Ein "triviales Detail", wie Johannes meint, kann ich darin nicht erkennen, allenfalls einen kühnen, fast theatralischen Effekt. So, als sei Bruckner plötzlich aus sich herausgegangen. Eine Bereicherung auf jeden Fall, wie das Joseph II. sieht. Interessant finde ich auch, dass sich die Stimmung des Adagios nach dem Beckenschlag verändert als sei etwas geschehen. Celibidache, den ich auch für eine Bruckner-Instanz halte, lässt ihn spielen. Er wird seine Gründe gehabt haben, wenngleich ich die nicht kenne. Es gibt ja gefilmte Proben, ich kann mich aber nicht erinnern, ob er dabei etwas dazu sagt. Ich müsste das nachschauen. Andererseits ist auch Willis Hinweis auf Wand in Lübeck sehr nachdrücklich und verständlich.


    Immerhin ist das ja nicht der einzige Beckenschlag bei Bruckner.


    LG Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Zitat

    Rheingold1876: Immerhin ist er ja nicht der einzige Beckenschlag bei Bruckner.

    Das stimmt, lieber Rüdiger, aber in der Achten ist er m. E. nie diskutiert worden.
    Celi dirigierte auch nach der Haas-Edition, und zwar sowohl in Stuttgart, als auch in München, ich weiß allerdings nicht, ob er den Beckenschlag in Konkurrenz zu Wand spielen ließ oder einfach, weil er ihn gut fand.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Das stimmt, lieber Rüdiger, aber in der Achten ist er m. E. nie diskutiert worden.


    Lieber Willi,


    bei der 8. Sinfonie muss der Beckenschlag auch nicht diskutiert werden, denn er ist sowohl in der Originalversion von 1887 als auch in der Haas- und in der Nowak-Fassung verzeichnet.


    Ab und an (z.B. bei Karajan, bei Jochum und bei Tennstedt) findet sich im Finale der 4. Sinfonie auch ein Beckenschlag. Er ist quasi ein Überbleibsel aus der heute nicht mehr gespielten Fassung von 1888, denn in der heutzutage gängigen gespielten Version von 1878/80 kommt er nicht vor.


    Meine Meinung zum Beckenschlag ist ganz simpel: man braucht ihn natürlich nicht, um irgend etwas zu symbolisieren. Die in diesem Thread öfter erwähnten Aufnahmen von Hans Rosbaud oder Bruno Walter, auch die Einspielungen von Günter Wand u.a. belegen ganz deutlich, daß es nicht des deutlichen Effekts des Beckenschlags (und des Schlagzeugs) bedarf, um Bruckners Trauer über den Tod Wagners zu verdeutlichen.


    Aber wenn er gespielt wird, dann ist es eben so. Der Wert einer Interpretation hängt für mich nicht davon ab, ob der Beckenschlag zu hören ist oder nicht. Ärgerlich, weil inkonsequent, empfinde ich ihn höchstens, wenn Dirigenten den zweiten Satz wunderbar dynamisch differenziert spielen lassen, wenn sie subtil Stimmungen aufbauen und dann abrupt (auf dem "Höhepunkt der Trauer") mit dem Becken dreinschlagen lassen.


    Bei Karajan, der neuen Aufnahme von Barenboim, bei Karl Böhm, Celibidache oder Giulini, die allesamt eher auf "strahlende Klangpracht" setzen, macht der Beckenschlag Sinn. Bei Haitink insbesondere (mit dem CSO; in diesem Thread von mir näher besprochen), oder bei Gerd Schaller (Philharmonie Festiva, erschienen bei Hänssler Classics) z.B. wirkt er für mich deplatziert.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    So sehe ich die Sache auch, und im übrigen halte ich deinen einleuchtenden Beitrag für sehr geeignet, diese leidige Diskussion zusammenzufassen und abzuschließen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Für mich sind die Bruckner-Karajan-Aufnahmen aller 9 Sinfonien ein absolutes MUSS!
    Deshalb habe ich mir vor ein paar Wochen die in meiner Sammlung noch fehlende Karajan-Aufnahme der Sinfonie Nr.7 mit den Wiener PH (DG) zugelegt. Die Aufnahme der Sinfonie Nr.8 mit den Wiener PH auf DVD hatte mich bereits voll überzeugt. Nur die Sinfonien Nr.7 - 9 liegen mit Karajan und den Wiener PH vor!


    Es handelt sich bekanntlich um Karajan´s letzte Aufnahme vom April 1989 - ein Vermächtnis!
    Im Vergleich zu dieser muss ich der Aufnahme Karajan / Berliner PH (DG, 1977) aber neben der deutlicheren Durchhörbarkeit der Orchesterstimmen auch mehr Emotion und packenden Zugriff bescheinigen. Bei vollen Orchesterpassagen wirkt die wiener Aufnahme leider etwas dick. Deutliche Beispiele sind - der Höhepunkt mit Beckenschlag im 2.Satz mit anschliessendem Paukengewitter und im Finale des 4.Satzes höre ich bei den WPO einen dicken Orchesterbrei. Das Scherzo wirkt ebenfalls in Berlin packender. Damit man mich nicht falsch versteht! --> Dies ist ebenfalls ganz grosser Bruckner - keine Frage! Bei allem Wohlwollen und den überragenden Kritiken für diese Karajan-Referenz; aber mir gefällt die Berliner Aufnahme einfach noch besser.



    DG, 4/1989, DDD



    DG, 1977, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Bei vollen Orchesterpassagen wirkt die wiener Aufnahme leider etwas dick. Deutliche Beispiele sind - der Höhepunkt mit Beckenschlag im 2.Satz mit anschliessendem Paukengewitter und im Finale des 4.Satzes höre ich bei den WPO einen dicken Orchesterbrei.


    Ich habe diese Aufnahme auch gerade gehört (zum ersten Mal, da heute second hand erstanden) und muß Wolfgang recht geben. Da haben die Tontechniker an einigen Stellen keinen guten Tag gehabt. Schade, denn ansonsten ist das eine sehr schöne Aufnahme mit dem besten, zweitbesten oder drittbesten Orchester der Welt :D .


    P.S. Inzwischen habe ich den Finalsatz der beiden anderen 7ten von Karajan gehört und die sind gegen Ende ähnlich "vernuschelt", er hat es wohl so hören wollen. Wenn man alles hören will, was Bruckner hier geschrieben hat, muss man sich die immer noch gültige Rosbaud-Aufnahme anhören. Kein Orchester der Top 10, aber eine Bruckner 7te der Top 3.

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  • Nach der Infragestellung zu Soltis heutiger Präsens kann man ihn nicht oft genug in Erinnerung bringen.
    :!: Solti auch als exzellenter Bruckner - Dirigent.


    Hier auch eine ganz ausgezeichnete Sinfonie Nr.7 in der auf DVD erhältlichen LIVE-Aufnahme mit dem Chicago SO in der Royal Albert Hall 1978, die keine Wünsche an Durchhörbarkeit (auch im letzten erhebenden Satz) offen lässt.
    :hail: Eine ganz grosse und packende Auffführung der Siebten, die ich noch über die sehr gute Studio-Aufnahme in der Bruckner-Sinfonien -GA mit Solti stellen würde.


    In dieser 4DVD-Solti-Box enthalten, die weitere absolute Solti-Leckerbissen enthält:



    DECCA - DVD, DTS 5.1, 1978 (Bruckner Sinf.Nr.7)

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Und ich finde: Bruckner braucht Länge. Dieses zügige Runtergedudel finde ich bei Bruckner ...... unangebracht.


    Hier möchte ich einhaken und das unbedingt bestätigen. Schade, dass der Tamino-Kollege nicht mehr dabei ist, übrigens.


    Ich las vorsichtshalber den ganzen Thread durch, um mich nicht ggf. zu wiederholen und stellte fest, dass ich meinen über alles - für mich- weit überragenden Favoriten erstaunlicherweise noch nicht genannt habe.
    Hier ist der Mitschnitt:



    Ich empfinde es so, dass hier sehr früh der Punkt erreicht ist, an dem diese Musik nicht mehr gespielt oder gemacht wird, sondern bei dem sie geschieht. Celibidache kann mich hier über den Weg der Schönheit an den Atom-Kern, an die künstlerische Wahrheit heranführen.
    Natürlich bin ich Einiges gewohnt, nicht nur, weil ich ja auch auf der Seite der "Macher" stehe. Aber hier gab es schon im ersten Satz vor zwei Tagen für mich Stellen, bei denen ich für kurze Zeit den Kern verspüren konnte. Es hat mich selbst gewundert, dass ich auf einmal reichlich tränenüberströmt war. Mit Melancholie oder Sentimentalität hat das aber nichts zu tun. Ich habe in diesen Momenten einfach etwas verstanden und erkannt, ja ich war damit in Berührung. Was es sagen will, ist mir unmöglich , in Worte zu fassen, aber ich habe in diesem Moment so plastisch die Schönheit der "Verpackung" im Zusammenhang mit dem, was es im "Wesenskern" sagen will verstanden. Aus diesem Grund musste meine Reaktion wohl emotional sein. Dass ist auch einmalig und nicht einfach ein wiederholbares Phänomen. Aber vergessen werde ich es nicht.
    Wäre ich nicht selbst in den letzten Jahren ungefähr so katholisch geworden, wie auch Bruckner gewesen sein soll, sondern ein Atheist, dann würde ich aufgrund dieser Streichertakte wenigstens im Moment des Hörens trotzdem vollkommen überzeugt sein, dass es einen Himmel geben muss.
    Ich kann und will da nicht mehr zu sagen, aber diese Musik will auf jeden Fall wirklich etwas mitteilen; sie will den ganzen Menschen in jene Höhen und Tiefen führen, die für die Sprache eigentlich nicht erreichbar sind. So wie sich die Sahara klimatisch von der Antarktis unterscheidet, so wenig will Bruckner eine irgendwie unterhaltende oder sentimentale Effektmusik, oder nur eine nüchterne Darstellung von Form und Struktur/Textur sein. Es geht um einen reichen Ausdruck, dessen Tiefe es gilt, sowohl als Musiker wie als Hörer auch aushalten zu können.


    Celis Konzept und Bruckner-Einsicht finde ich gerade hier bei der 7. vollkommen überzeugend, und bei jeder seiner fachlichen Aussagen aus den Proben muss ich ihm einfach zustimmen. Ob er jemand war, den ich privat wegen seines Rechthabens gemocht hätte, weiß ich nicht. Das "Schlimme" dabei ist ja, dass er eben auch oft recht hatte, jedenfalls, wenn es um Bruckner geht.


    Meine letzte intensive Bruckner-Phase vor der jetzigen ist nun zwei Jahre her, und ich staune, wieviel mehr ich nun wieder hören kann, gerade auch, was den Satz und die Instrumentierung angeht. Wenn man gezwungen ist, Musik selbst zu schreiben und zu arrangieren, dann denkt man mit den Jahren immer zum Glück selbstverständlicher "in Musik". Bestimmte Stimmführungen, Harmonisierungen oder Intervalle werden einem durch das Nachdenken und Nachvollziehen in der Musik irgendwann immer wichtiger ..... ja, lebenswichtig.
    Wenn man die Brucknerwelt betritt und im Laufe der Jahre immer tiefer dort eindringen darf, dann wird man auch für so manche Klassiksendung im DAB-Radio Norwegens verdorben. Da läuft nämlich viel, was ich dagegen als geradezu unerträglich geschmackloses Gedudel, als Effektmusik abtue, die nicht wirklich etwas zu sagen hat, eben im Gegensatz zu Bruckners oder auch Bachs großen Werken. Je mehr ich Bruckner höre, desto eher kann dieses wenig schmeichelhafte Urteil bei mir aufkommen, über eine manchmal sogar ganz gut durchgeführte Musik und eine dazugehörige Haltung schon nahezu vernichtend zu empfinden. Zu diesen Überlegungen kommt dann bei mir der philosophische Ansatz Celis hinzu. Ich finde einfach, dass er dem "Atomkern" dieser Musik oft sehr gefährlich nahe kommt. Es ist so eine unglaubliche Menschlichkeit spürbar, aber auch eine geistliche Transzendenz.
    Dabei widerspricht es allen meinen Vorurteilen, dass ausgerechnet der Zen-Buddhist beim Bruckner - meiner Meinung nach- so dicht dran war.
    Aber ich muss nun einmal diesen Tatbestand zugeben.


    Hier kann man etwas davon hören, ohne durch das Bild abgelenkt zu werden:



    Diese Aufnahme ist eine meiner liebsten Tonträger überhaupt.


    Vielleicht schreibe ich morgen noch etwas mehr darüber, vielleicht auch nicht. Jetzt werde ich auf jeden Fall zu müde....



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    Deinen eingebungvollen begeisterten Hörbericht habe ich mit grossem Interesse gelesen. :S Dein Beitrag ist so berührend geschrieben, dass dieser fast meine Vorurteile über Celibidache hinwegfegen könnte, denn ich schätze dieses bei ihm übliche lange Auszelebrieren in den meisten Fällen eindeutig weniger.
    Die Aufnahme der Sinfonie Nr.7 mit den Berliner PH 1978 scheint eine Sternstunde gewesen zu sein.


    Vor einigen Tagen habe ich mir auch eine weitere Bruckner 7 - Aufnahme bestellt über die ich berichten werde, wenn sie da ist:
    George Szell schätze ich bei seinen Bruckner-Aufnahmen aufs Höchste. Soweit Vorhanden sind bei Szell offenbar nur die Sinfonien Nr.3 und 8, sowie die Siebte, die mir noch fehlte. Sein straffer geradliniger Zugang ohne die Emotionalität zu vernachlässigen ist eben das, was mir voll liegt.



    Die Sinfonie Nr.7 ist hier eine Live-Aufnahme von den Salzburger Festspielen mit den Wiener PH.


    SONY, 1968, ADD


    Langsam komme ich zu der Auffassung, dass es zwar schön und interessant ist, sich immer wieder mit neuen Komponisten und Werken zu beschäftigen und diese auch auf CD anzuschaffen.
    Aber stelle mir auch oft die Frage, ob die wertvolle Musikhörzeit nicht manchmal mit diesen grossen Werken besser, sinnvoller und wertvoller verbracht ist, als sich so manchen langweilen "NoName-Schrott" aus der Klassik anzuhören ...


    :angel: Dies sind die Werke, die mich auch leicht zu Tränen rühren können, lieber Glockenton!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Aber stelle mir auch oft die Frage, ob die wertvolle Musikhörzeit nicht manchmal mit diesen grossen Werken besser, sinnvoller und wertvoller verbracht ist, als sich so manchen langweilen "NoName-Schrott" aus der Klassik anzuhören ...


    Das, lieber Wolfgang, ist zweifellos richtig. Das Problem ist nur, dass man das langweilige Zeug erst dann identifizieren kann, wenn man es schon gehört hat.

  • Lieber teleton,


    ich muss zugeben, dass ich fast schon damit gerechnet habe. dass eine Antwort von Dir kommt ;)


    Was den Geschmack bei klassisch-romantischer Orchesterliteratur anbelangt, sind wir ja bekanntermaßen - wahrscheinlich- hinsichtlich der Interpretation so weit auseinander, dass man fast von "wie Feuer und Wasser" sprechen könnte. Umso mehr wird es für Bruckner gelten, bei dem für mich - bei aller Wertschätzung und Faszination für Wand - eben doch der späte Celibidache mein Nonplusultra ist. Es ist diese nicht sentimentale, aber nach Wahrheit strebende Expressivität, die mich ergreift. Schon am Anfang kommt es einem so vor, als ob die Celli über der heißen Flimmerluft der Streicher (das Bruckner-Tremolo der Anfänge darf kein brrrrrrr-Geräusch wie ein laufender Dieselmotor sein) einen unendlichen Gesang anstimmen. Würdest Du die Blue-ray kennen, dann wüsstest Du, dass ich schon anfange, in den Termini des Maestros zu reden und seine philosophischen Ansichten über das, was eigentlich Bruckner ist, empirisch überzeugt mir zu eigen mache.
    Es scheint einerseits eine zutiefst ausgelotete, empfundene und staunend-ehrliche Menschlichkeit zu sein, die bei dieser Interpretation so sehr erkennbar wird. Andererseits spüre ich aber auch, wie Bruckner das Transzendente, das dem lieben Gott Zugewandte so sehr suchte und auch fand, wie ich meine.


    Nun kann ich in diese Szell-Aufnahme nicht hineinhören, aber nach allem, was ich über diesen Dirigenten so an Charakterisierungen las und auch nach dem, was ich an einigen Aufnahmen hörte, ist ausgerechnet er genau diesen Dingen wohl weniger zugetan. Meine Vorurteile in Bezug auf ihn sind: straff, zackig, schnell, streng und auch von seiner Art her diktatorisch im Sinne von militärisch.
    Wie gesagt, es sind Vorurteile. Ich habe mich mit ihm bei weitem nicht so sehr auseinandergesetzt wie mit den Klangwelten Harnoncourts, Karajans, Böhms oder eben auch Celibidaches (Furtwängler müsste man auch noch nennen, aber ich höre ihn nur hin und wieder aufgrund der Tonqualität). Ich vermute jetzt aber auch, dass an den Vorurteilen auch etwas dran ist.


    Trotzdem: Wenn auch Du bei solchen Ansätzen Deine Haltepunkte findest, die dazu führen, dass Du innerlich von der Musik getroffen wirst, dann kann man Dir dafür nur gratulieren, denn damit unterscheidest Du Dich ja von ach so vielen, die noch nie im Leben Musik gehört haben, selbst wenn sie ständig mit Kopfhörern durch die Gegend laufen.


    Nebenbei erwähnt: Gerade fand ich ein Video, indem Celibidache über seine musik-philosophischen Ansatz in für meine Ohren beeindruckend gutem Französisch spricht. Der Film hat englische Untertitel, so dass man gut folgen kann. Gerade für Philosophen wie Dir, lieber Holger (falls Du das zufällig liest) gibt es hier in der Tat sehr fundamentale und hörenswerte Gedanken zu hören.
    Ich meine, empirisch irgendwie verstanden zu haben, wovon er eigentlich redet. Man sollte nicht aufgeben, sondern das Video sich bis zum Ende ansehen.
    Mich ist schon bei seinen Probenausschnitten seine unglaubliche geistige Wachheit, sein wirklich erstaunlicher Scharfsinn (der dann manchmal auch zu oberflächlich betrachteter Scharfzüngigkeit führen kann) und sein - jedenfalls bei Bruckner- sicheres Beurteilungsvermögen aufgefallen.
    Das bestätigt sich für mich nun beim Betrachten dieses Videos.



    Der Dirigent und Philosoph beginnt hier taktisch klug, mit der französischen Dame über Debussy oder Ravel zu sprechen, kommt dann aber doch recht schnell zu seinem eigentlich Thema, wenn es um Komponisten geht (natürlich: Bruckner).



    Aber stelle mir auch oft die Frage, ob die wertvolle Musikhörzeit nicht manchmal mit diesen grossen Werken besser, sinnvoller und wertvoller verbracht ist, als sich so manchen langweilen "NoName-Schrott" aus der Klassik anzuhören ...

    Das ist nicht gerade diplomatisch ausgedrückt, aber es stimmt ja doch. Man muss in solchen Fragen m.E. auch gar nicht diplomatisch sein, sondern eindeutig und moralisch, also zwischen "gut" und "nicht gut" unterscheiden, auch in der Klassik. Wenn etwas mit Streichern und Bläsern und mit gefälligen Melodien oder Harmonien gesetzt ist, kann es zwar Klassik sein, aber es muss keineswegs gut sein. Gut und schlecht ist weniger relativ, als es der heutige Zeitgeist gerne diktieren will. Solche Dinge haben nichts mit demokratischer Gesinnung, dem "Bekenntnis zur Pluralität" usw. zu tun. Wenn man das musikalisch und programmatisch konsequent durchführt, kommt am Ende vor lauter Respekt und Toleranz heraus, dass eben alles gleich gut ist, Hauptsache es vertreibt uns irgendwie angenehm die Zeit. Aber diese musikalischen Grundfragen sind fundamental ganz Anderes als solche wichtigen Dinge wie Menschenrechte oder Menschenwert. Die sind in der Tat für jeden gleich und universal, auch unabhängig von allen anderen Parametern wie Herkunft usw.
    In der Musik-Kunst ist es m.E aber nicht so. Da gibt es Schlechtes und Gutes, auch bei den Interpretationen, selbst wenn sie handwerklich hervorragend durchgeführt wurden.


    Gerade nach dem Hören der Siebten wird mir immer klarer, dass ich NRK-Klassik im Auto mit diesen nett-bunten Klassik-Sträußen meistens nur für Sekunden ertragen kann. Es ist zu oft eine seichte Unterhaltungs-Klassik, die sich einen Dreck um die Suche nach der Wahrheit ( das Zentrum der kosmischen Vibration, wie es Celi nennt) schert. Wenn dann noch der sonore und irgendwie nie männliche Plauderton der Ansager hinzukommt, dann reicht es mir meistens, und die können froh sein, dass sie nicht hören, was ich ihnen dann beim Autofahren so an den Kopf werfe.... ^^
    Selbst wenn einmal etwas Gutes kommt, dann ist die Zusammenstellung bisher jedenfalls immer katastrophal und unmusikalisch gewesen.


    Bei wirklicher Musik, wie eben dieser Bruckner 7, werde ich dahingegen in eine eigene Welt geführt, eine "bessere" wie es bei Schubert heißt. Und Celi hat recht: Wenn man am Ende sagt: "Ach, war das doch schön", dann hat man im Grunde genommen kaum etwas von dem wahrgenommen, was es eigentlich ist. Es geht um viel mehr, als nur um pittoreske Schönheit. Sie ist bei wahrer Kunst nur ein sehr notwendiges Mittel zum Zweck.


    Was Celis Ablehnung von Aufnahmen anbelangt, bin ich ebenfalls aus eigener Erfahrung eigentlich einig. Das, was in einem Konzert in der Luft liegt, kann eine Aufnahme niemals wiedergeben. Wenn man es selbst gehört hat oder selbst sogar gespielt hat, ist man über die Aufnahme anschließend irgendwie befremdet, selbst wenn diese technisch nach heutigem Stand perfekt sein mag. Aus Platzgründen will ich es hier nicht weiter ausführen.


    Dennoch bin ich sehr froh, dass es eben diese Celi-Bruckner-Aufnahmen gibt, denn so können sie einem eben doch noch einen Abglanz von dem vermitteln, was sich beim Live-Spielen ereignete. Da es mir nie vergönnt war, Celibidache im Konzert zu hören, wäre ich ohne seine Aufnahmen musikalisch gesehen doch um vieles ärmer.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Hallo zusammen,



    Anton Bruckner (1824-1896)
    Symphonie Nr.7


    London Philharmonic Orchestra, Klaus Tennstedt
    LPO, ADD, 1984


    Tennstedt lässt die Haas-Fassung spielen. Was ich hier über die LPO-Live-Produktion der 4. schrieb, lässt sich in abgemilderter Form IMHO auch auf diese im Mai 1984 (noch ADD) in der Royal Festival Hall entstandene Konzertaufnahme übertragen. Sie nimmt mich zwar mehr gefangen, als seinerzeit die 4., dennoch bleibt insgesamt (klanglich wie vom musikalischen Ansatz her) der Eindruck einer tendenziell gut durchschnittlichen Einspielung, deren Rechtfertigung vor allem im Auffüllen einer diskographischen Lücke Tennstedts liegt, als in der Veröffentlichung einer herausragenden Bruckner 7 (allerdings gibt es noch eine DVD-Alternative aus Boston). Falls ich ihm Unrecht tue oder jemand ganz andere Eindrücke aus dieser Aufnahme mitnehmen sollte, freue ich mich natürlich über entsprechende Hinweise.


    Viele Grüße
    Frank

  • Ich hatte ja im Thread über die Achte gestern schon angedeutet, dass ich mich hier auch mit einer Aufnahme von Karl Böhm melden wollte, was ich somit tue.
    Er nahm diese Symphonie, die ich in einer anderen Ausgabe schon in meiner Sammlung hatte, im September 1976 auf, als er das 82. Lebensjahr schon hinter sich gebracht hatte:



    Wiener Philharmoniker,
    Karl Böhm,
    AD: 9/1976
    Spielzeiten: 19:38 - 24:04 - 10:22 - 12:04 --- 66:10 min.;


    Diese Aufnahme hat ähnliche Vorzüge wie die im Parallelthread schon kurz besprochene Achte. Der wunderbare Anfang erfährt auch hier eine großartige Steigerung, und, was schon hier auffällt, dass auch in der Siebten von einem langsamen Böhm keine Rede sein kann. Ich werde weiter unten die o. a. Satzzeiten vergleichen, diesmal mit zwei anderen Dirigenten.


    Ein Unterschied zu mein er letzten Hörsitzung bestand darin, dass ich inzwischen ein neues "Hörgerät" habe:


    81zggHtrqML._SY450_.jpg


    Der Sennheiser HD 650 ließ mich noch mehr Einzelheiten wahrnehmen, vermittelte mir ein äußerst luftiges Klangbild, und ich sah das Orchester förmlich vor mir sitzen. Man glaubt gar nicht, was das für ein Gefühl ist, wenn man plötzlich in Pianopassagen die Kontrabässe genau unterscheiden kann.
    Die Pauken kommen naturgemäß in dieser Symphonie nicht so zum Zuge wie in er Achten, jedenfalls nicht in den Tutti.
    In dieser Symphonie kann man wunderbar die Orgelpunkte studieren. Sie waren ja zu Beginn meiner Beschäftigung mit den Bruckner-Symphonie vor mehr als drei Jahrzehnten ein Buch mit sieben Siegeln.
    In ihnen kann man auch hier, nicht nur im Kopfsatz, nein eigentlich durchgängig erfahren, dass Böhm keineswegs ein Dirigent ist, der nur auf "Schönspielen" aus ist, nein, wo immer es in der Partitur steht, treibt er die Schärfungen und Dissonanzen auf die Spitze, und die Wiener Philharmoniker folgen ihm in jeder Sekunde.
    Ein Prachtstück ist auch in dieser Einspielung die grandiose Coda des Kopfsatzes, in der, wie es so schön heißt, in den Bläsern "so richtig die Post abgeht" und Böhm seine Musiker so richtig antreibt- welch ein tolles Orchester!
    Interessant ist es, dass auch hier Böhm den langsamen Satz etwas langsamer nimmt als seine beiden Kollegen, und wie diese fängt er auch die traurige Stimmung dieses Satzes sehr anrührend ein. Kein Wunder, dass der dritte Dirigent in diesem Bunde mal sinngemäß in einem Fernsehgespräch sagte, dass er es als größtes Glück ansähe, wenn er das Adagio der Siebten dirigiere.
    Im Scherzo sind dann Böhms Kollegen um wenige Sekunden schneller als er, während er im Finale, dass er m. E. auf gleich hohem Niveau dirigiert wie die ersten drei Sätze.
    Diese drei Aufnahmen gehören m. E. zum Besten, was es von der Siebten Bruckner zu hören gibt:



    Böhm... 1976: 19:38 - 24:04 - 10:22 - 12:04 --- 66:08 min;
    Wand ...1980: 19:54 - 22:38 - 09:45 - 12:03 --- 64:20 min;
    Karajan 1989: 19:47 - 23:12 - 10:10 - 12:42 --- 65:51 min;


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vor einigen Tagen habe ich mir auch eine weitere Bruckner 7 - Aufnahme bestellt über die ich berichten werde, wenn sie da ist:
    George Szell schätze ich bei seinen Bruckner-Aufnahmen aufs Höchste. Soweit Vorhanden sind bei Szell offenbar nur die Sinfonien Nr.3 und 8, sowie die Siebte, die mir noch fehlte. Sein straffer geradliniger Zugang ohne die Emotionalität zu vernachlässigen ist eben das, was mir voll liegt.


    Der Nachtrag, dass ich über diese Szell-Aufnahme der Sinfonie NR.7 von den Salzburger Festspielen (Beitrag 193) berichten werde, wenn sie da ist, stand noch aus.


    Ich kann mich kurz fassen:
    :( Schwer überrascht hat mich die Tatsache, dass eine Aufnahme von 1968 in MONO ist und dann auch noch so flau klingt ... die CD weilt inzwischen nicht mehr unter den Meinen und wurde quasi "Frisch entsorgt".

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Willi,


    erst einmal vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag zum Thema Bruckners Siebte unter Böhm.
    Mein Vorhaben, mir zum Sommer diese Box zu bestellen, wurde dadurch nur bestärkt, unter anderem auch deshalb, weil man damit jene unfassbar gut gelungene "Unvollendete" von Schubert (live) in CD-Qualität erhält.


    Zu Deinem Kopfhörer, dem HD 650, kann man Dir gratulieren! In Kombination mit einem guten Kopfhörerverstärker bekommst Du da schon ein sehr hochwertiges und - wie ich finde- auch für die Klassik gut geeignetes Teil. Wenn man ein volles Bruckner-Orchester durchhören kann, aber dennoch die Violinen auch im lautesten ff sich nicht wie eine Flex in die Ohren schneiden, dann ist man schon in einer gewissen Klasse angekommen.
    Fast komme ich in Versuchung, ihn mir auch zu holen, aber da mein Audeze LCD-X ja wohl auch in diese genießerisch- "musikalische" und dennoch hochauflösende und natürliche Richtung geht, wird es wohl nicht so viel Sinn machen.
    Allein die Tatsache, dass dieser Hörer nach all den Jahren und all den teureren Spitzenmodellen immer noch im Rennen ist, zeigt ja, dass man bei seiner Konstruktion nicht alles falsch gemacht hat.


    LG
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Wolfgang Seifert: ... Bruckner hatte zu diesem Zweck am rechten Rand der entsprechenden Partiturseite einen Streifen mit den entsprechenden Schlagwerkstimmen engeklebt. Doch plagten den Komponisten von Anfang an Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns, denn er setzte mit eigener Hand gleich mehrere Fragezeichen dahinter. Später strich er die Fragezechen aus und schrieb stattdessen über das Ganze "gilt nicht". Die Sachlage ist also eindeutig.


    Das stimmt so nicht. Aus dem Kopf bin ich nicht sicher, ob das in Gramophone stand oder in einer der letzten 12 Ausgaben von FonoForum: der eingeklebte Streifen ist mitten in den Partitur geklebt, nicht an der Seite. Eine Kleinigkeit, sicherlich. Was allerdings glatt widerlegt wurde, ist die Urheberschaft Bruckners an den Worten "gilt nicht". Man kann es sogar als Laie sehen, dass diese Schrift nicht mit der von Bruckner übereinstimmt. Die Forschung dazu ist jedenfalls eindeutig.
    Ob der auf die Schnelle gefundene Link so funktioniert, weiß ich nicht, schaut halt mal:
    Bruckner Autograph
    Alles ist frei zugänglich...
    Beste Grüße
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

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  • Guten Morgen alle Zusammen!

    Kann mir jemand helfen wie ich bei einem Macbook die Bilder als Link einfügen kann? https://www.amazon.co.jp/-/en/…arp_d_product_top?ie=UTF8


    Vor ein paar tagen habe die 7. Sinfonie unter der Leitung von Asahina angehört und hier ist meine Meinung dazu:

    Die Interpretation ist ganz gelungen. Der Erste Satz mit seinem melodischen Fluss zeichnet Bildner von edler Schönheit. Aber auch die Umsetzung der monumentalen Steigerungstechnik Bruckners mit breitflächiger Dynamik (Orgelpunkt) wird äußerst beeindruckend vollzogen. Mittelpunktist das Adagio des zweiten Satzes, in dem die Bratschen und insbesondere die Tuben eine wichtige Rolle spielen, sowohl beim Anfag des Satzes als auch beim Abgesang mit feierlichen Tubenklängen. Das Scherzo dritter Satz erscheint wie ein wirbelnder Tanz im typischen Still. Der Vierte Satz bildet ein ebenso zielstrebiges mit langsamen Tempi ein einfallsreiches Finale. Der Dirigent Takashi Asahina spielte die Originalfassung (Hass ) und lässt wie Günter Wand den dämlichen Beckenschlag, Triangel und sowie die Pauke weg.

    Grüße der Klassikfan

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Lieber Klassikfan,


    das Einfügen eines Bildlinks funktioniert nur noch über JPC, da Amazon kein Werbepartner mehr ist.


    Bei JPC suchst Du Dir die Bestellnr., fügst diese zwischen "[jpc]" und "[/jpc]" (ohne Klammern) ein und das war es fast. Wahrscheinlich wird es bei copy and paste notwendig sein, die Schriftgröße der Bestellnr. anzupassen.


    Bei JPC habe ich die Exton-Aufnahme nicht gefunden, aber eine andere, die identisch sein könnte:


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Der Dirigent Takashi Asahina spielte die Originalfassung (Hass ) und lässt wie Günter Wand den dämlichen Beckenschlag, Triangel und sowie die Pauke weg.

    Warum dämlich? Im Programmheft des Gewandhauskonzertes vom 16./17.10. 2014 in Leipzig unter Chailly steht, daß sich Artur Nikisch bei der Leipziger Uraufführung von Bruckners 7. (womit Bruckners künstlerischer Durchbruch erfolgte, was auch Bruckner selbst so sah) dem Notentext vollständig verpflichtet sah. Mit einer Ausnahme - dem einzigen (aber wirkungsvollen) Einsatz von Pauke, Triangel und Becken am dynamischen Höhepunkt des Adagio. Dieser Einsatz wurde höchstwahrscheinlich von Nikisch aufgeschrieben und an die Partitur geheftet. Bruckner habe diesen Vermerk mit sechs Fragezeichen versehen, diese Fragezeichen dann selbst wieder durchgestrichen und vermerkt "Gilt nicht". Es wird so interpretiert, als habe Bruckner diese Ergänzung nachträglich sanktioniert. Ich finde, der Effekt wertet dieses Adagio aller Adagios noch auf und ist keinesfalls "dämlich".


    Herzlichst La Roche


    PS - ich habe die 7. sicher 10x live gehört und noch öfter über TV oder Tonträger. Dabei finde ich, daß die Großartigkeit dieser Sinfonie und besonders des 2. Satzes ohne und mit Beckenschlag bestehen bleibt, der glänzende Klang des Beckens am Kulminationspunkt aber einen Höhepunkt darstellt.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • RE: Beckenschlag bei der Sinfonie Nr.7

    Dabei finde ich, daß die Großartigkeit dieser Sinfonie und besonders des 2. Satzes ohne und mit Beckenschlag bestehen bleibt, der glänzende Klang des Beckens am Kulminationspunkt aber einen Höhepunkt darstellt.

    Dem Zitat möchte ich mich anschliessen, lieber La Roche.

    Und ich gehe sogar noch weiter. Ich höre die Bruckner - Sinfonien in der Regel in den Aufnahmen mit Karajan (DG) und Solti (Decca, in allen Aufnahmen auf CD mit den CSO und auf DVD mit den Wiener PH) ... dort wird der Beckenschlag bei der Siebten natürlich gespielt.

    8) Auf diesen Höhepunkt möchte ich nicht verzichten !

    Auch die Wand_GA mit dem Kölner RSO (RCA) schätze ich sehr, aber das Wand den Beckenschlag be der Siebten ignoriert, ist mir unverständlich und das kreide ich ihm an.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die siebte Sinfonie gehört zu einer meiner liebsten Sinfonien. Warum? Weil die Sinfonie war mein Einstieg in die Bruckner-Welt. Ich denke, sie eignet sich als Einstig so gut, weil Bruckner es hier erstmals so richtig schafft, sein Formprinzip (für nähere Info bemühe man Ulms Bruckner-Buch), das ja bisweilen einen recht schroffen Klang bietet und den Bruckner-Neuling eher ratlos oder/weil überfordert zurücklassen kann, mit einer bei ihm bis dahin kaum zu findenden Melodik zu verbinden. Das betrifft im Grunde alle Sätze. Man kann nicht nur das Scherzo mitpfeifen, sondern auch viele der anderen Themen, sei es im Kopfsatz oder im Adagio. Und das ist eben das Neue. Bis dato hatten nur manche seiner Sätze diese melodische Qualität. Darüber hinaus stellt seine Siebte für mich so etwas wie das Tor zu seinem "Spätwerk" da. Die Siebte eröffnet den Blick auf die Achte, die - aus meiner Sicht - den Gipfel der Brucknerschen Sinfonik ist. Mit der Achten präsentiert Bruckner seine "ultimative Sinfonie", der Schlusssatz macht diese Intention des Komponisten deutlich. Doch ist hier nicht der Ort, um über die Achte zu reden. Die Siebte leistet aber auf jeden Fall die strukturelle und melodische Vorarbeit.

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

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  • Ergänzend dazu vielleicht noch die Nachteile dieser Aufnahme:
    - Es ist nur noch bedingt reiner Bruckner
    - Kamioka ist es m. E. nicht gelungen, einen Bogen um das gesamte Werk zu spannen. Scherzo und Finale wirken "nicht nötig".
    - Sehr extravaganter Interpretationsansatz, sicherlich keine Einspielung "für jeden Tag". ;-)


    Interessant vielleicht noch, dass Kamioka eine eigene Version dieser Sinfonie spielt. Er hat "Teile von Bruckners Autographen sowie der anlässlich der Uraufführung von Schalk und Nikisch bearbeiteten Partitur verwendet".
    Dies aber bitte nicht überbewerten: Ich höre davon nämlich ehrlich gesagt nichts raus (möglicherweise die Instrumentation zu Beginn und einige Tempoangaben?!).

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    Vor etlichen Jahren stand die Einspielung des Sinfonieorchesters Wuppertal unter Toshiyuki Kamioka mal zeitweise ziemlich im Fokus der Brucknerianer (TDK, später auch Denon; Großer Saal der Historischen Stadthalle, Wuppertal, 8. & 9. September 2007). Es handelt sich nämlich um die definitiv langsamste Aufnahme der Siebenten. Gut 91 Minuten benötigt der Japaner, die sich wie folgt auf die vier Sätze aufteilen: 28:43 - 33:33 - 12:07 - 16:37. Zum Vergleich: Selbst Celibidache kam in seinem berühmten späten Auftritt mit den Berliner Philharmonikern "lediglich" auf 86 Minuten.


    So ganz hat mich das Ergebnis nicht überzeugen können, obwohl ich bekanntlich keine grundsätzlichen Probleme mit sehr langsamen Interpretationen habe. Der Kopfsatz ist schlicht und ergreifend zerdehnt. Im Adagio klappt das Konzept mehr oder weniger, auch wenn mir das Orchester zu wenig zupackend und selbst beim Beckenschlag-Höhepunkt zu zurückhaltend agiert. Das Scherzo ist kurioserweise völlig im Rahmen. Den oft als zu kurz kritisierten Finalsatz versucht Kamioka quasi dieses Mankos zu berauben, was nur halbwegs klappt. Obwohl die Wuppertaler bekanntlich ein gutes Bruckner-Orchester sind, geraten sie stellenweise hörbar an ihre Grenzen. Die Siebte ist für solch eine Herangehensweise m. E. aber auch generell weniger geeignet als die Fünfte, Achte oder Neunte. Horst Stein hat übrigens einige Jahre davor mit demselben Orchester ein ähnliches Experiment mit der Fünften gewagt und für meine Begriffe ein tolles Ergebnis erzielt.

    Fazit: Eher etwas für Hardcore-Brucknerianer, nichts für den Alltagsgebrauch.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Anton Bruckner

    Sinfonie Nr.7 E-Dur WAB 107

    Originalfassung

    1.23:38

    2.27:12

    3. 9:42

    4.13:58

    Takashi Asahina

    Tokyo Symphony Orchestra

    Live: St. Mary's Kathedrale, Tokyo, 26.09.1980

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    Die Siebte gehört neben der Vierten zu den beliebtesten Sinfonien Anton Bruckners. Diese Sinfonie verschaffte Bruckner zu seinen Lebzeiten den größten Erfolg. Daher ist auch die Angebotsbreite mit hervorragenden Aufnahmen besonders groß. Glücklicherweise haben sich bei dieser Sinfonie keine Fassungsprobleme ergeben, sieht man von der Frage des Beckenschlags ab. Bruckner hatte noch einige Änderungen vorgenommen. Dabei ließ er sich von dem jungen Dirigenten Arthur Nikisch dazu überreden, auf dem Kulminationspunkt der gesamten Sinfonie, im Adagio (zweiter Satz), einen Beckenschlag einzufügen, und zwar mittels eines Streifens mit ergänzenden Stimmen von Pauke, Triangel und Beckenschlag. Der Streifen wurde an der betreffenden Stelle an den Rand des Partitur-Autographs geklebt, nicht ohne dahinter 6 Fragezeichen anzubringen. Später soll er die Fragezeichen dick durchgestrichen und über den Einfügungskomplex "gilt nicht" geschrieben haben. Inzwischen haben sich Zweifel ergeben, dass die Worte "gilt nicht" mit der Handschrift Bruckners identisch sind. Andererseits bestehen aber aus einer Reihe von Gründen berechtigte Zweifel am Sinn der Einfügung. Das Adagio ist von erhabener Würde geprägt, die durch den Beckenschlag eher gestört als sinnvoll bereichert erscheint. Die Interpretation ist ganz überragend gelungen. Der erste Satz mit seinem melodischen Fluss zeichnet Bildner von edler Schönheit. Aber auch die Umsetzung der monumentalen Steigerungstechnik Bruckners mit breitflächiger Dynamik (Orgelpunkt) wird äußerst beeindruckend vollzogen. Mittelpunkt ist das Adagio des zweiten Satzes, in dem die Bratschen und insbesondere die Tuben eine wichtige Rolle spielen, sowohl beim Anfang des Satzes als auch beim Abgesang mit feierlichen Tubenklängen. Diesen Abgesang wollte Bruckner als Klage auf den Tod von Richard Wagner verstanden wissen ("und dann erst schrieb ich dem Meister die eigentliche Trauermusik"). Das Scherzo dritter Satz erscheint wie ein wirbelnder Tanz ganz im typischen Stil von Bruckner. Der vierte Satz bildet ein ebenso zielstrebiges wie einfallsreiches Finale. Eine interessante Variante zu Wand und anderen Dirigenten.:)

    Liebe
    Grüße

    Patrik

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)