Der Musiker Gräber


  • Heute vor einem Jahr starb Pierre Boulez


    Als das Magazin DER SPIEGEL 1967 mit Pierre Boulez ein Interview führte und dabei den Inhalt eines Halbsatzes von Boulez - »Sprengt die Opernhäuser in die Luft« - als Headline verwendete, war das fortan so eine Art Markenzeichen für den Komponisten und Dirigenten geworden. Im Original las sich das so:


    »Die neuen deutschen Opernhäuser sehen zwar sehr modern aus -- von außen; innen sind sie äußerst altmodisch geblieben. In einem Theater, in dem vorwiegend Repertoire gespielt wird, da kann man doch nur mit größten Schwierigkeiten moderne Opern bringen -- das ist unglaubwürdig. Die teuerste Lösung wäre, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Aber glauben Sie nicht auch, dass dies die eleganteste wäre?«


    Groteskerweise hatte dieses Interview noch Jahrzehnte später Folgen. Morgens um halb sieben stürmten Schweizer Beamten in das 5-Sterne-Hotel, in dem der damals75-jährige Dirigent residierte. Anscheinend war Pierre Boulez' Ankündigung, man solle alle Opernhäuser sprengen, den Behörden Anlass genug, ihn in eine Liste von verdächtigen Personen aufzunehmen. Dass diese Äußerung schon ein paar Jahre alt und nur symbolisch gemeint war, nahm ihr offensichtlich nichts von ihrer Bedrohlichkeit. Nach ein paar Stunden bekam der Dirigent aber seinen Pass wieder zurück und die Behörden entschuldigten sich.


    Boulez wurde am 26. März 1925 in Montbrison, westlich von Lyon gelegen, als Sohn eines wohlhabenden und sehr katholischen Stahlindustriellen geboren. Er verbrachte seine Kindheit in der Jesuitenschule am Ort. Der peinlich genaue Zeitplan der Erziehungsanstalt gewöhnte den Jungen an eine eiserne Disziplin, die er auch in seiner musikalischen Arbeit ein Leben lang beibehielt. Bereits als Junge entwickelte er nicht nur eine Leidenschaft für die Musik, sondern auch für die Wissenschaften. Nach seinem Schulabschluss begann er zunächst ein Studium der Mathematik in Lyon, bevor er sich Mitte der 1940er Jahre schließlich doch am Pariser Konservatorium für Komposition einschrieb.


    1943 wurde er Schüler von Olivier Messiaen am Pariser Konservatorium, studierte dann bei der Pianistin Andrée Vaurabourg, Arthur Honeggers Frau, und dem Dirigenten René Leibowitz. Zunehmend stellte Boulez die bürgerliche Klassik mit ihren festgefahrenen Formen infrage und erklärte sogar Schönberg für »tot«.


    Boulez wollte einen radikalen Gegenentwurf entwickeln und brach das Studium schließlich ab. Anfang der fünfziger Jahre entdeckte der reformfreudige Komponist, dass sich in Deutschland ganz moderne Strömungen entwickelten. Die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt und die Donaueschinger Musiktage waren ganz nach Boulez´ Geschmack ausgerichtet. Boulez schloss sich seinen Kollegen Karlheinz Stockhausen, György Ligeti, Luigi Nono und dem Philosophen Theodor W. Adorno an und sog begierig neue Strömungen und Ideen auf. Ähnlich wie Stockhausen, wurde auch Berlioz in Darmstadt Dozent. 1955 gelang ihm mit der Kantate »Le marteau sans maître« (Der Hammer ohne Meister) ein anerkanntes Werk. Schwierigkeiten hatte er mit der Kulturpolitik seines Heimatlandes, was sogar dazu führte, dass er die Aufführung seiner Werke in Frankreich verbot und sich seine neue Heimat in Baden-Baden suchte.


    Mitte der 1950er Jahre vollzog sich für Boulez ein Wechsel, der ihn vom Komponieren zum Dirigieren führte. Da sich die Dirigenten dieser Zeit nicht gerade um das Dirigieren neuer Musik rissen, nahm er die Sache selbst in die Hand, auch seine Dirigentenausbildung. So dirigierte er auch ohne Dirigentenstab und mit sparsamen Bewegungen ohne große Geste.


    Das wohl spektakulärste Ereignis seiner Dirigententätigkeit dürfte der sogenannte »Jahrhundertring« in Bayreuth gewesen sein. Bereits 1966 dirigierte er dort »Parsifal« und in den folgenden Jahren auch andere Wagner-Werke; Boulez war also 1976 auf dem Hügel kein Unbekannter Neuankömmling.
    Patrice Chéreau inszenierte das Werk 1976 zum hundertjährigen Jubiläum der Uraufführung in Bayreuth. Das war ein Affront gegen die gewachsenen Traditionen in Bayreuth, die Figuren in einen theatralischen, handlungsreichen Kontext zu stellen, der noch dazu durch Bühnenbild und Kostüme sich dem zeithistorischen Hintergrund Richard Wagners näherte. Da außerdem Pierre Boulez detailversessen an der Transparenz des Orchesterklangs arbeitete und den Pomp früherer Aufführungen nicht übernehmen wollte, gingen die Emotionen hoch.
    Boulez reduzierte den Klang stellenweise auf kammermusikalische Zartheit. Das störte die Musiker des Bayreuther Orchesters, die zunächst mit einer Initiative an den Festspielleiter Wolfgang Wagner herantraten, der es ihnen erlauben sollte, laut zu spielen. Im Laufe der fortschreitenden Arbeit mit Boulez, zeigten sich auch die zunächst negativ eingestellten Musiker versöhnlich und wurden sukzessive von Boulez´ ernsthafter und minutiöser Arbeit überzeugt.
    Schließlich war auch das Publikum von diesem Konzept voll begeistert, denn nur so lässt sich ein Applaus von 90 Minuten Dauer bei der letzten Aufführung erklären.


    Heute steht fest, dass Pierre Boulez einer der wichtigsten Dirigenten seiner Generation war. Zahlreiche Orchester von Weltrang, wie das BBC Symphony Orchestra in London oder die New Yorker Philharmoniker, machten ihn zu ihrem Leiter. Bei anderen Orchestern, in Wien und Berlin, gastierte er regelmäßig.


    Längst hatte er sich mit Frankreich wieder versöhnt und gründete Ende der siebziger Jahre in Paris das »Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique«, kurz IRCAM, das sich der Erforschung der musikalischen Elektronik und Elektroakustik widmet; es gilt heute als kreatives Zentrum der Neuen Musik. 1976 gründete Boulez in Paris mit Ensemble Intercontemporain eines der wichtigsten Ensembles für zeitgenössische Musik.


    Anlässlich des 90. Geburtstags des Komponisten - er verstand sich in erster Linie als Komponist -wurde ihm bei einem seiner Konzerte im Festspielhaus Baden-Baden die Urkunde der Ehrenbürgerschaft überreicht.
    Bei der für die Öffentlichkeit zugänglichen Trauerfeier in der Stiftskirche, sagte Baden-Badens Oberbürgermeisterin Margret Mergen in ihrem Nachruf unter anderem:»Er nahm kein Blatt vor den Mund, er vermied jegliche Routine, er hat die Musikwelt aufgemischt und neue Maßstäbe gesetzt. Er zeigte uns allen immer wieder: Musik kann auch anders sein.«


    Die offizielle Trauerfeier fand in Paris in Saint Sulpice statt. Saint-Sulpice ist eine katholische Kirche im 6. Arrondissement im Pariser Saint-Germain-des-Prés.




    Praktischer Hinweis:
    Friedhofstraße 46
    76530 Baden-Baden
    Die Grablage ist auf dem Friedhofsplan mit der Nr. 7 gekennzeichnet, man geht vom Verwaltungsgebäude aus - sich etwas links am Feld 15 orientierend - nach oben zu einem querlaufenden breiten Weg.


    Anmerkung: Bei YouTube sind zurzeit zwei Filme von Trauerfeier und Begräbnis eingestellt, der Filmautor ist Volker Hoffmann.


  • Zum heutigen Todestag von Emmi Leisner




    In Nachschlagewerken und anderen Publikationen wird als Sterbetag mitunter der 12.1. 1958 und als Sterbeort Kampen angegeben, was nicht zutreffend ist.


    Hoch im Norden, dort wo Deutschland fast zu Ende ist, findet man das Grab von Emmi Leisner, einer einst weltweit gefragten Altistin. Dass man dieses Grab noch findet, ist der Initiative einiger geschichtsbewusster Flensburger zu danken, die sich für den Erhalt des damals verwahrlosten Grabes einsetzten. 2009 stand im FLENSBURGER TAGEBLATT: »Verliert Emmi Leisner ihre letzte Ruhestätte?«
    Als nach mehreren Verlängerungen die Nutzungserlaubnis abgelaufen war, sollte das Stück eingeebnet werden. Nach dem aktuellen Stand soll das Grab der Sängerin nun so lange erhalten und gepflegt werden, wie der Friedhof existiert.


    Über biografische Fakten der Sängerin Emmi Leisner ist wenig bekannt. Sie soll einer hochmusikalischen Familie entstammt haben. Ihr Vater war Schiffbauingenieur, hatte also beruflich nichts mit Musik zu tun, war aber Mitglied von verschiedenen Gesangsgruppen im Amateurbereich. Emmi Leisners musikalisches Talent kam vermutlich mehr von der mütterlichen Seite her, über Emmi Leisners Mutter ist zu lesen, dass sie eine Sängerin und Pianistin war, die Bach, Schumann und Brahms durchaus hörenswert interpretieren konnte. Die drei Töchter wurden also mit der Musik groß und neben Emmi gedieh da auch noch die Stimme ihrer jüngeren Schwester, die 1920 als Thyra Hagen-Leisner bei der Händel-Renaissance in Göttingen einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde - auch eine interessante Geschichte, die aber zu weit vom eigentlichen Thema wegführt ...


    Als die damals 16-jährige Emmi Leisner bei einem öffentlichen Konzert in Flensburg für eine indisponierte Sängerin einsprang, hatte sie ihren ersten großen Auftritt. Die örtliche Presse war ob ihrer Darbietung voll des Lobes; der Rezensent stellte fest: »Von diesem Kind unserer Stadt wird man noch des Öfteren hören.«
    Zunächst studierte sie am Stern´schen Konservatorium in Berlin. Der renommierte, in Berlin und Bayreuth wirkende Chorleiter Hugo Rüdel, wurde auf die Stimme der jungen Altistin aufmerksam. Ab 1911 gab sie in Berlin ihre ersten Konzert- und Liederabende, die eine positive Resonanz fanden. Ob sie im gleichen Jahr bereits ihr Operndebüt am Hoftheater von Weimar als Erda im »Siegfried« gab, ist wohl nicht ganz sicher, weil die Fachliteratur von »wahrscheinlich« spricht. Sicher ist, dass Emmi Leisner 1925 in Bayreuth sang.


    Unter Karl Straube sang Emmi Leisner mit dem Thomanerchor und man konnte zunächst vermuten, dass die Sängerin eine Karriere als Konzertsängerin anstreben werde. Da entwickelte sich in der Nähe von Dresden eine ganz neue Kunstrichtung und es entstand das Festspielhaus Hellerau, wo im Juni 1913 die Aufführung der Oper »Orpheus und Eurydike« im Rahmen eines Sommerfestes über die Bühne ging, die weit über Dresden hinaus für Aufsehen sorgte. Unter Leitung von Jaques-Dalcroze musizierte die Hofkapelle, und die Rolle des Orpheus wurde von Emmi Leisner gesungen. Da sollen 5000 Zuschauer die Gesamtaufführung von »Orpheus und Eurydike« gesehen haben – unter ihnen G.B. Shaw, Oskar Kokoschka, Stefan Zweig, Max Reinhardt; auch Franz Werfel, Rainer Maria Rilke, Paul Claudel, Gerhart Hauptmann. Da kann man sich leicht vorstellen, welche Ausstrahlung so ein Auftritt hatte.


    Sicher haben da auch einige Intendanten die Ohren gespitzt, sie war in aller Munde und zur Opernsängerin geworden. An der Berliner Hofoper sang sie 1913 als Antrittsrolle die Dalila in »Samson et Dalila« von Saint-Saëns; danach folgten Amneris in »Aida«, die Titelrolle in »Carmen«, die Azucena im »Troubadour«, die Nancy in Flotows »Martha« .... Auch im Wagnerfach war sie gerne gehört, auch noch als aus der Hofoper die Staatsoper wurde. 1923 bis 1925 war sie am Deutschen Opernhaus Berlin engagiert.


    Danach wandte sie sich wieder verstärkt dem Konzertgesang zu; neben dem Kunstlied pflegte sie den Oratoriengesang und galt als Spezialistin für die Werke von Bach und Händel. Natürlich war sie auch in den Konzertsälen bedeutender europäischer Städte zu Gast.
    Der Kunst- & Kulturpfad in Sylt formuliert das so: »Es begann ein Siegeszug, der sie durch Europa, Amerika und auch den Orient führen sollte« In Sylt müsste man über Emmi Leisner bestens Bescheid wissen, denn sie lebte viele Jahre auf der Insel. Erstmals kam sie offiziell 1926 auf die Insel. Damals gab es noch eine »Sylter-Fremden-Liste«, die öffentlich bekannt gemacht und in der jeder ankommende Gast vermerkt wurde. So findet man auch unter dem Datum des 13. Juni 1926 folgenden Eintrag: »Ankunft Emmi Leisner, Kammersängerin aus Berlin, Unterkunft im Haus "Kliffende" in Kampen« Das Haus "Kliffende" war über lange Jahre eine Prominentenherberge, wo auch Erich Kleiber, Bruno Walter, Thomas Mann ... aber auch Hermann Göring nächtigten.
    Schon zwei Jahre später besaß die Frau Kammersängerin ihr eigenes Urlaubsdomizil; seit 1939 lebte sie in Kampen in einem etwas außergewöhnlichen Rundhaus.


    Emmi Leisner zelebrierte ihre Kunst in den 1950er Jahren auch mal vor Ort im Rahmen der »Sylter Festwoche« und gab auch ein Konzert im Westerländer Kursaal. Heute erinnert noch eine Stele mit einer Bronzeguss-Platte auf dem seit 2008 bestehenden Kunst- und Kulturpfad an die Sängerin Emmi Leisner.




    Anlässlich des 125. Geburtstags von Emmi Leisner versammelte sich ein Freundeskreis in der Kapelle zum Friedenshügel auf dem Flensburger Friedhof. Bei dieser Veranstaltung drückte der Festredner seine Verwunderung darüber aus, dass man dieser herausragenden Künstlerin nicht die Ehrenbürgerschaft verliehen hat, obwohl sie in Flensburg aufgetreten ist und dabei auch soziales Engagement gezeigt hat.


    Praktischer Hinweis:
    Die Friedhofsadresse lautet: Flensburg, Am Friedenshügel 45
    Die Ruhestätte der Sängerin befindet sich im nördlichen Bereich der Friedhofs-Anlage. Man orientiert sich vom Haupteingang kommend in Richtung Kapelle. Man geht ein kleines Stück weiter und kommt hinter der Kapelle zu einem Teich in dessen unmittelbarer Nähe sich das Grab befindet. Es handelt sich um ein so genanntes Nischengrab mit einem großen Findling, in den eine stilisierte Harfe eingearbeitet ist.



  • Zum heutigen Geburtstag von Heinrich Vogl


    Ein Konzertflügel stand nicht in Heinrich Vogls Elternhaus, sein Vater war städtischer Arbeiter, Pflasterleger und dann Schulhausverwalter im Münchner Stadtteil Au. Seine Knabenstimme befähigte ihn, schon mit zehn Jahren im Chor der Mariahilfkirche zu singen. Offenbar zur Freude des Chorregenten Johann Mailinger, der den Jungen mitunter neben sich auf der Orgelbank sitzen ließ und ihn die Grundzüge des Orgelspiels lehrte, später gab er ihm auch den ersten Klavierunterricht. Mailinger war zum väterlichen Freund des Jungen geworden, der Heinrichs Vater davon abriet, seinen Sohn nach Beendigung seiner Schulpflicht zu einem Anstreicher in die Lehre zu geben. Mailinger konnte Heinrichs Vater dazu überreden, den Jungen auf das Freisinger Lehrerseminar zu schicken und übernahm auch die dafür unerlässliche musikalische Vorbildung. Als Heinrich Vogl als 15-Jähriger die Auer Volksschule verließ, konnte er neben Klavier- und Orgelspiel, Flöte, Trompete, Violine und war in die Anfangsgrundlagen der Harmonielehre eingeführt. Zwei Jahre lang bereitete sich der Jugendliche erfolgreich auf den Schuldienst vor.


    Nach dem unvermeidlichen Stimmwechsel war da eine dunkel gefärbte Tenorstimme entstanden, die der Seminarpräfekt Kirnberger kaum überhören konnte. So war dem jungen Mann erneut ein Förderer zugetan. Kirnberger schrieb für ihn sogar kleine Soloeinlagen, die im Rahmen der Gottesdienste von dem jungen Talent vorgetragen wurden. Heinrich Vogl soll sehr selbstkritisch gewesen sein, und dank seiner Musikalität bildete er sich als Sänger primär autodidaktisch aus.


    Seine erste Stelle als Pädagoge trat er im Alter von 17 Jahren als Schulgehilfe in Ebersberg an, wo es noch heute eine Heinrich-Vogl-Straße gibt. Die mündliche Überlieferung berichtet, dass in den Jahren 1863 bis 1865 aus dem Eckzimmer des Obergeschosses, wo Vogl wohnte und übte, seine mächtige Tenorstimme über den Marienplatz schallte. Kurz vor seinem 20. Geburtstag wurde Vogl als Schulverweser nach Lorenzberg bei Dorfen versetzt, eine Stellung, die mit jährlich 300 Gulden dotiert war. Dessen ungeachtet reifte in dem Junglehrer der Gedanke, dass man seinen Lebensunterhalt vielleicht auch singenderweise verdienen könnte.
    Als Lehrer konnte er sich gut artikulieren und so schrieb er an den Intendanzrat Wilhelm Schmitt, der die Verwaltung der Münchner Hofoper leitete, mit der Bitte, seine Stimme prüfen zu lassen; dies begründete er mit seinem Ziel in den Opernchor aufgenommen zu werden. Daraufhin forderte man ihn zum Vorsingen auf. Im August 1865 reiste er zum Vorsingen nach München, wo Generalmusikdirektor Franz Lachner dem jungen Mann Gehör schenkte und von dem Gehörten so angetan war, dass er dem Intendanzrat empfahl, Vogl nicht als Chorsänger, sondern als Solisten zu engagieren.
    Die Münchner Oper besaß zu dieser Zeit keinen herausragenden Tenor. So konnte der neue Opernsänger schon vierzehn Tage nach seinem Vorsingen einen Solistenvertrag unterschreiben. Am 5. November 1865 debütierte Heinrich Vogl als Max in Webers »Freischütz«. Die Opernleitung hatte Vogls Auftritt im Programm vorsichtig als Versuch angekündigt - dieser Versuch gelang. Da Vogls Vorgänger ein knappes Jahr zuvor bei einem Konzert »Schiffbruch« erlitt und entnervt München verließ, war das Publikum auf den Neuen neugierig und das Haus war voll besetzt; die Bewohner der Au bevölkerten die Galerie und boten Beifallsbezeugungen der Extraklasse, die Intendanz spendierte dem neuen Tenor eine Sondergratifikation von 100 Gulden, das war ein Drittel seines Jahresgehalts als Lehrer. Die »Augsburger Abendzeitung« schrieb über diese Aufführung:


    »Herr Vogl, dessen jugendlich hübsche Erscheinung sogleich Sympathie erweckte, zeigte bereits im ersten Terzett seine mächtige, klangvolle Stimme, die dann in der großen Arie sich in ihrem vollen Umfang und ihrem edlen Klang entfaltete, durch Kraft und Frische lebhaft überraschte und das allgemeine Entzücken erregte, das sich durch enthusiastische Beifallskundgebungen und Hervorrufe, die sich im Laufe des Abends wiederholten, äußerte.«


    Zunächst konnte Vogl Erfolg an Erfolg reihen, geriet aber geradewegs in die Querelen, die sich aus Wagners Erscheinen in München ergaben. König Ludwig II. selbst schrieb an Wagner, dass er von einem jungen Sänger namens Vogl gehört habe und riet seinem Komponisten diesen jungen Sänger zu »retten« Wagners »Rettungsversuch« misslang, denn Vogl wollte nicht nach Wagners Pfeife tanzen, weil er sich dem Vertreter der alten Musik, Lachner, näher fühlte und sich diesem gegenüber dankbar erweisen wollte. Der alte Lachner war an der Pensionsgrenze und dass Intendanzrat Schmitt auf der Abschussliste stand, pfiffen die Spatzen von den Dächern. Aber immer noch sang Vogl mit rauschendem Erfolg den Vasco da Gama in Meyerbeers »Die Afrikanerin«, für die Wagnerfraktion ein Gipfelwerk undeutscher Musik.


    Als der König 1867 unter Hans von Bülows Dirigat unbedingt eine Neuinszenierung des »Lohengrin« verlangte, erschien vor dem schöngeistigen König ein 60-jähriger Gralsritter, es war Josef Tichatschek, ein alter Freund Wagners aus Dresdner Zeiten. Für Ludwig II. war das eine darstellerische Katastrophe und er teilte Wagner mit, dass dieser Lohengrin »ein Ritter von der traurigen Gestalt« sei. In dieser Zeit gab es in München eine Menge Turbulenzen; die Vorgänge um Wagner, Cosima und Bülow waren durchaus auch außerhalb des Theaters ein Gesprächsthema von allgemeinem Interesse. Der König verlangte kategorisch eine Umbesetzung der Rollen, denn auch die Nürnberger Sängerin Mayer-Bertram konnte königlichen Ansprüchen nicht genügen - in dieser Phase der Ereignisse stand der 22-jährige Tenor Vogl nun vor der Aufgabe binnen fünf Tagen mit Bülow den Lohengrin einzustudieren, neben ihm eine Ortrud namens Therese Thoma, die ebenfalls eine Entdeckung Lachners war. Die der Aufführung folgenden Kritiken bilden keinen Jubelchor für den Lohengrin-Darsteller, auch weil noch einige Hintergrundgefechte ausgetragen wurden, aber einen gewissen Respekt, und sei es auch nur zwischen den Zeilen, versagte man dem Sänger nicht.
    Am 6. November 1867 heiratet Heinrich Vogl, aus Therese Thoma war Therese Vogl geworden, die einen Tag nach der Hochzeit das gleiche Alter erreichte als ihr Ehemann.


    Trotz des Erfolges des jungen Sängerpaares stand Wagner vor allem Heinrich Vogel ablehnend gegenüber. Indessen sang Vogl unter Bülow den Erik in »Der fliegende Holländer«, aber auch in Meyerbeers »Der Prophet« und Beethovens »Fidelio«; gerade sein Florestan wurde rundum mit sehr positiven Kritiken bedacht.
    Als Bülow 1868 die »Meistersinger von Nürnberg« vorbereitete und den Walther von Stolzing mit Vogl besetzen wollte, stänkerte Wagner beim König weiterhin gegen den Sänger und schrieb:


    »Da es Ihrer Theaterintendanz bisher nicht gelungen ist, auf dem ihr einzig zustehenden Wege für die - mir wie Ihnen, mein erlauchter, hoher Freund! gleich wichtige - Hauptparthie des Walther einen geeigneten Repräsentanten herbeizuziehen, andererseits es mir aber ganz unmöglich ist, die adelige, gluth- und poesievolle Gestalt einem so durchaus unbefähigten Sänger, wie der hiesige Tenorist Vogl es ist, zur Darstellung zu überlassen, so muß ich nun, da die Zeit der letzten Entscheidung eingetreten ist, die Erklärung abgeben, daß ich die Aufführung meines Werkes in diesem Frühjahr für unmöglich halte, und dagegen der Intendanz rathen muß, Ihre gnädige Erlaubnis zur Verschiebung derselben auf den nächsten Herbst nachzusuchen ...«


    Schließlich kam die Aufführung dann doch noch vor dem Herbst zustande. Aus Darmstadt holte man den etwas italienisch klingenden Tenor Franz Nachbaur für die Partie des Walther von Stolzing. Die Uraufführung der »Meistersinger« wurde am 21. Juni 1868 ein durchschlagender Erfolg und der König überhäufte den neuen Tenor, der auch schön von Gestalt war, mit Geschenken und Nachbaur bekam sofort ein Engagement an der Münchner Oper.


    Aber die nächsten Unstimmigkeiten ließen nicht lange auf sich warten, Ludwig II. hatte Sehnsucht nach einer Wiederaufführung von »Tristan und Isolde«; das Ehepaar Ludwig und Malwina Schnorr von Carolsfeld hatten die Titelrollen 1865 in München gesungen. Dieser Tristan-Darsteller stand aber nicht mehr zur Verfügung, er war überraschen 28-jährig gestorben. Der König wollte die Aufführung unbedingt, aber Wagner hielt das Ehepaar Vogl nicht für würdig diese Rollen zu singen. Da zeigte Ludwig II. wer hier der König ist und befahl einfach die Aufführung des Werkes. Wagner war stinksauer und grollte auch dem Dirigenten Bülow, der dem König zu Diensten war und die »Tristan«-Aufführung dirigierte. Dass Wagner dem Herrn von Bülow gerade die Frau gestohlen hatte, machte die Sache nicht einfacher. In diesem vertrackten Umfeld sollten die Vogls nun singen, und sie taten es mit Bravour. Jahrelang waren sie die einzigen Hauptdarsteller dieser Rollen unter den deutschen Sängern und unternahmen damit viele Gastspielreisen.


    Bei der von Ludwig II. angeordneten Aufführung von »Rheingold« wiederholte sich das ganze Theater wieder. Wagner eilte nach München, wurde vom König nicht empfangen und Wagners Besetzungswünsche wurden nicht berücksichtigt. Heinrich Vogl sang den Loge, Therese Vogl eine der drei Rheintöchter, die Wellgunde. Bei weiteren Wagner-Opern ging das schon übliche Gezerre weiter bis hin zum Bayreuther »Parsifal«, wo Heinrich Vogl nicht auftrat, weil Wagner Frau Vogl als Kundry ablehnte.


    Angelo Neumanns obsessive Wagner-Begeisterung führte dazu, dass er den »Ring des Nibelungen« auch in Berlin bekanntmachen wollte. Es war im Jahr 1881, als das Ehepaar Vogl ebenfalls in Berlin Triumphe feiern konnte, später dann auch in England. Nach dem Londoner Erfolg gründete der unermüdliche Neumann eine Richard Wagner-Wanderbühne, die vom 1, September 1882 bis zum 31 März 1883, einem Zirkus vergleichbar, durch verschiedene Städte ziehen sollte, um das Werk Wagners zu verbreiten. Der Bayerische Arbeitgeber der Vogls wies Angelo Neumann an, dass folgendes auf dem Theaterzettel stehen müsse:
    »Heinrich und Therese Vogl von Seiner Majestät König Ludwig II. von Bayern für das Richard Wagner-Theater beurlaubt.« Und dann reiste man durch viele Städte und erreichte im Oktober 1882 Berlin.
    Inzwischen war die Stimme Therese Vogls diesen hohen Anforderungen nicht mehr gewachsen, was sich auch in Kritiken niederschlug. Heinrich Vogl wollte seine Frau nicht ständig dieser Kritik aussetzen und bat Neumann um die Entlassung aus dem Vertrag - die Vogls kehrten vorzeitig nach Bayern zurück.


    In München hatte das Sängerpaar ab 1866 nacheinander drei verschiedene Wohnungen in unmittelbarer Nähe zur Hofoper. In München wurden ihre beiden Töchter geboren, andere Nachkommen starben im Kindesalter, Sohn Heinrich lebte bis 1961 in Tutzing.
    Therese Vogl war in Tutzing am Starnberger See geboren. Dorthin zog es sie zurück. Schon wenige Jahre nach ihrer Heirat hatten sie sich neben dem Dampfersteg einen Sommersitz eingerichtet und einen Pavillon erbaut. Da schauten nicht nur mal die Münchner Dirigenten herein, sondern auch Johannes Brahms, dessen neu entstandene Lieder op. 59 hier gesungen wurden.
    Heinrich Vogl suchte da draußen aber vor allem auch eine Alternative zum typischen Stadtleben und entdeckte dabei seine Liebe zur Landwirtschaft. (auch in unserer Zeit gibt es so etwas, der Bariton Christian Boesch ist so ein Beispiel) Bei einem Ritt durch die Landschaft wurde er auf Deixlfurt aufmerksam, ein Stück Land, das er 1875 erwarb. Der Herr Kammersänger ging systematisch zu Werke: Er vergrößerte den Grundbesitz, baute ein neues Wohnhaus mit entsprechendem Wirtschaftsgebäude. Die Zahl der Milchkühe steigerte er von acht auf über Einhundertzwanzig, dazu kamen 18 Ochsen und 12 Pferde. Er baute die vorhandenen Fischteiche aus und setzte einige klug durchdachte Pläne um; das Ganze wurde zu einem mustergültigen Betrieb. Man sah ihn auf Viehmärkten und erlebte ihn in Bauernversammlungen und in politischen Gruppierungen. Von einer solchen Versammlung ist überliefert, dass einer der Funktionäre gesagt haben soll: »Jetzt hat der Herr Kammersänger gred. Der tut si natürlich leichter wia mir. Wenn dem a Kuah verreckt, na fährt er nach München eini und tuat a paar Plärrer und na hat er sei Kuah wieda.«
    Ab einem gewissen Zeitpunkt war der Sänger vom Landwirt nicht mehr zu trennen. Bei seinen auswärtigen Gastspielen interessierten ihn die Bodennutzung und die Tierhaltung in anderen Landstrichen ebenso sehr, wie seine Bühnenauftritte. Als er einmal in Hamburg den Lohengrin gesungen hatte, brachte er von dort 100 Aale mit, die er unterwegs auf jeder Station im Gepäckwagen mit Wasser versorgte.


    Die Vogls führten da draußen ein gastliches Haus. Für den Dirigenten Hermann Levi war im Haus immer ein Zimmer frei, wann immer er Lust auf Landluft hatte und Vogls Tenorkollege Albert Niemann, der berühmteste »Tannhäuser« seiner Epoche, der mit Vogl Geburtstag hat, aber ein paar Jahre früher geboren war, saß oft beim Angeln in Deixlfurt; als Ruheständler kam er über Jahre für eine Woche zu den Vogls.
    Vogls Münchner Generalintendant von Perfall missfiel diese Kombination von Kammersänger und Bauer, aber als Perfall Therese Vogl darum bat ihren Mann von der Bauernwirtschaft abzubringen, sah sie sich dazu außerstande.


    Am Münchner Opernhaus war das Paar Vogl einerseits bestimmend, aber natürlich gab es auch Kritiker, die bemerkten, dass durch die ständigen auswärtigen Gastspiele der beiden, zu Hause nur wenige Neuinszenierungen über die Bühne gingen und die Wagnerlastigkeit verhinderte, dass auch italienische Opern gespielt werden. 1884 gab Heinrich Vogl Gastspiele in Stuttgart, daran schloss sich ein 14-tägiges Gastspiel an der Wiener Hofoper an, das soll ein einziger Triumphzug für den Sänger gewesen sein, aber das brachte dem Münchner Publikum nichts.


    Der Dirigent Felix Weingartner, ein exzellenter Bayreuth-Kenner, lobte bei Vogl, dass dieser trotz seiner zahlreichen Wagner-Auftritte immer auch ein vorzüglicher Mozartsänger gewesen sei und forderte dazu auf Vogl mal als Octavio oder Tamino zu hören.
    Auch in Bayreuth war die Stimmung umgeschlagen; als Vogl mal auf einer Klavierprobe im Straßenanzug den »Tristan« so erschütternd dargestellt hatte, dass er sich damit die Anerkennung des Hauses Wahnfried geradezu erzwang. So sang er also 1886 bei den Bayreuther Festspielen den »Tristan«. Es folgten »Parsifal«, die Siegfried-Rollen und noch 1896 und 1897 sang er in Bayreuth den Siegmund in der »Walküre«. Am häufigsten trat er in als Loge auf, einer Rolle, in der er nach dem Urteil von Zeitgenossen unschlagbar war.
    Auch als Oratoriumssänger soll er ganz Vorzügliches geboten haben, die vorliegenden Kritiken kommen ja nicht aus dem Nichts, da muss schon etwas gewesen sein ...


    Der Vielgelobte hatte in seiner bisherigen Karriere fast immer nur Erfolg, war vom Beifall verwöhnt und griff nun nach den Sternen, er versuchte sich als Komponist, er war nun 55 Jahre alt und setzte wohl auf seine gewiss reichhaltige Erfahrung in musikalischen Dingen. Das Werk hieß »Der Fremdling« und war eine Oper in drei Akten nach einer Dichtung von Felix Dahn. Mit der Uraufführung des Werkes waren hochgespannte Erwartungen verbunden, der Sänger hatte in all den Jahren in München eine gute Figur gemacht, es musste ein Meisterwerk sein, das Haus war berstend voll und die Spannung auf dem Siedepunkt. Schon nach dem ersten Akt brach ein Beifallssturm ohnegleichen los, sechs Mal musste Heinrich Vogl an der Rampe erscheinen. Nach dem zweiten Akt steigerte sich der Jubel noch mehr, und am Schluss wollte niemand das Haus verlassen; die Menge war hysterisch und verfolgte ihn bis zu seiner Wohnung, Vogl musste sich auf dem Balkon zeigen. Heinrich Vogel konnte sich an diesem Abend absolut sicher sein, ein bedeutendes Kunstwerk geschaffen zu haben. Als dann die Zeitungen über das Ereignis berichteten, muss das für den Komponisten wie ein Keulenschlag gewesen sein. Die Kritiken waren durchgehend schlecht. Nach der zweiten Wiederholung wurde die Oper abgesetzt.


    Als Sänger hatte Heinrich Vogl die Anerkennung so großer Dirigenten und Musiker wie Franz Lachner, Hans von Bülow, Hermann Levi und Richard Strauss, der an Cosima schrieb: »Ich habe gestern erste Klavierproben zu "Rienzi" gehalten und mich über Vogl sehr gefreut.«
    Die »Acht Lieder op. 10« von Richard Strauss sind dem Sänger Heinrich Vogl gewidmet.


    Am 17. April 1900 sang Vogl den Canio in Leoncavallos »Bajazzo«; seine letzten öffentlich gesungenen Worte lauteten - das klingt fast kitschig - »Das Spiel ist aus.«
    Vier Tage später erlag er einem Schlaganfall; um zehn Uhr morgens wollte er zur Probe ins nahe gelegene Theater, um viertel vor neun fand ihn seine Frau tot im Bett.


    Als Heinrich Vogl 55-jährig starb hatte er eine solide Arbeitsbilanz. Er soll 105 Rollen beherrscht haben. 2095 Mal ist er in München aufgetreten, dazu kommen Gastspiele an fast allen großen deutschen Bühnen, die Bayreuther Festspiele und Auftritte in Wien, London, St. Petersburg und New York. Dazu hat er achtzig Konzerte gesungen.


    Praktischer Hinweis:
    Man findet das aufwendig gestaltete Grab von Heinrich Vogl und seiner Gattin auf dem Alten Friedhof in Tutzing, ein kleiner Friedhof, nur wenige Meter vom Starnberger See entfernt, an der Graf-Vieregg-Straße. Am besten orientiert man sich an den Hinweisschildern zum Ortsmuseum.
    Der Beitrag Nr. 299 befasst sich mit Therese Vogl.


    Anmerkung:
    Auf dem Alten Friedhof in Tutzing ist auch die berühmte Sängerin Zdenka Faßbender begraben; siehe Beiträge 266 und 268.


  • Zum heutigen Todestag von Amalia Materna



    Bezüglich des Geburtsjahres werden in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht, häufig findet man 1844, aber auch 1847 wird genannt. Auf ihrem Grabstein stehen keine Geburts- und Sterbedaten, aber es ist der Name Amalia Friedrich-Materna eingemeißelt, denn sie war mit dem Sänger Karl Friedrich verheiratet.


    Das Ehepaar war eigentlich mehr in der Operette zuhause. Amalie, wie sie von Geburt an hieß, wuchs in wenig begüterten Verhältnissen auf, erhielt aber dennoch im etwa 30 Kilometer entfernten Graz Gesangsunterricht und debütierte schließlich 1865 am Grazer Thaliatheater als Soubrette in der Operette »Leichte Kavallerie« von Franz von Suppé. Dort ergab sich dann auch die Ehe mit dem Volksschauspieler und Operettensänger Karl Friedrich.


    Das nächste Engagement fand das Sängerpaar am Wiener Carltheater, das heute nicht mehr existiert. Man entdeckte, dass in Maternas Stimme Entwicklungsmöglichkeiten zum dramatischen Sopranfach steckten; ein kurzes Studium beim Hofkapellmeister Proch genügte, ab 1869 sang sie an der Wiener Hofoper, wo sie als Selica in Meyerbeers »L´Africaine« debütierte. Am 10. März 1875 hatte sie an diesem Haus mit großem Erfolg die Titelheldin in der Uraufführung der »Königin von Saba« von Goldmark gesungen, eine Oper, die in den Folgejahren vom Publikum sehr geschätzt wurde und populär war. Amalie Materna wurde in Wien die Nachfolgerin der legendären Louise Dustmann, die hier von 1857 bis 1875 fast alle ihrer Stimme gemäßen Rollen gesungen hatte.


    1876 war die Materna Wagners erste Brünnhilde in Bayreuth. Die Vorgeschichte erzählt Walter Hansen in seiner Wagner Biographie so:


    »Wagner begrüßte sie überschwänglich, entzückt von ihrer Schönheit, und lud sie für den Abend zu einem Künstlerfest ein. Als sich Amalie Materna ins Gedränge illustrer Gäste mischte, eilte Wagner auf sie zu. Er überreichte ihr einige Blätter und sagte: "Liebe Frau Materna, nicht wahr, Sie erfreuen uns damit." Sie blickte auf die Blätter: die Eintrittsarie der Elisabeth aus "Tannhäuser"! "mir wurde bang und bänger", wird sie später in der "Neuen freien Presse" schreiben. Wagner führt sie zum Klavier, wo Josef Rubinstein saß und sogleich zu spielen begann. Und Amalie Materna sang "Dich, teure Halle, grüß ich wieder", zunächst aufgeregt, irritiert von Wagners überfallartiger Bitte, doch dann entfaltete sich ihre Stimme wunderbar in der Halle von Wahnfried. Wagner stutzte, warf die Arme empor, und als sie zum Schluss das hohe H schmetterte - da sprang er auf. Er umarmte und küsste sie und rief: "Ich habe meine Brünnhilde gefunden! Ja, ich habe sie endlich gefunden. Ach, wie bin ich glücklich." Und sogleich engagierte er Amalie Materna vor der jubelnden Gesellschaft offiziell als "seine Brünnhilde" - ohne dass sie einen Ton dieser extrem schweren Rolle hätte singen müssen.«


    Amalie Materna wurde eine große Stütze für die Aufführungen in Bayreuth. Nach ihrem Bayreuth-Debüt mit Brünnhilde 1876 nahm Wagner sie im Jahr darauf mit auf seine zweite England-Tournee und 1882 war sie die Kundry der »Parsifal«-Uraufführung und trat in Wagnerkonzerten erstmals auch in Amerika auf. Engagements an der New Yorker »Met« und bei der Damrosch Opera Company folgten.


    Amalie Materna war zu ihrer Zeit eine ganz große Wagner-Sängerin, was durch ihre Auftritte belegt ist. Da keine Tonaufnahmen zur Verfügung stehen, muss man sich an die gedruckten Verlautbarungen der damaligen Fachleute halten, die von einer voluminösen und nahezu unerschöpflichen Stimme sprechen. Darstellerisch hätte sich Wagner zu dieser aus seiner Sicht idealen Stimme für die Kundry eine noch interessantere Figur gewünscht, denn als Wagner einmal in Bayreuth eine im Gras hüpfende Amsel beobachtete, soll er etwas uncharmant gesagt haben: »Wie die Materna; Vögel. die eine gute Stimme haben, sind nicht besonders schön.«
    Aber noch am 14. Januar 1883, also kurz vor seinem Tod, schrieb er an Amalie Materna aus Venedig: »... und bitte Sie, mich in diesem Jahr wieder zu bekundryen ...«


    Dreißig Jahre nach Richard Wagners Tod trat die nun fast siebzigjährige Sängerin in einem Wiener Konzert, anlässlich des 100. Geburtstags von Richard Wagner auf und sang den Monolog der Kundry.


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab von Amalia Friedrich-Materna befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 32 A - Der Grabstein ist relativ klein, als Orientierungspunkt kann das größere Grabmal von Franz Schubert dienen, das Grab Materna-Friedrich ist nur zehn Meter davon entfernt.


  • Die russisch-orthodoxe Grabkapelle mit den weit sichtbaren Zwiebeltürmen schließt sich nahtlos an die Rückfront der Fürstengruft an und kann als Orientierungspunkt dienen.





    Um das Geburtsjahr musikgeschichtlich einzuordnen, sei darauf hingewiesen, dass es das Sterbejahr Richard Wagners war und als Johannes Brahms starb, hatte der Junge das vierzehnte Lebensjahr erreicht.
    Hermann Paul Maximilian Abendroth, so sein voller Name von Geburt, stammte aus einem kulturbeflissenen Elternhaus; der Vater war Buchhändler und die Mutter die Tochter eines Spielkartenfabrikanten. Das Paar hatte zwei Töchter und einen Sohn, der das jüngste Kind war. Der Junge besuchte das Realgymnasium und die Handelsschule in Frankfurt. Zu seinen Schulfreunden gehörte der um ein Jahr ältere Walter Braunfels, der sich schon damals als »Musiker« gab und mit Noten hantierte. Im Hause Abendroth nahm man Hermanns Interesse an musikalischen Dingen nicht wahr. Dem Wunsch seines Vaters entsprechend, absolvierte der Sohn in München, wo auch seine Schwester Else wohnte, die mit einem Fabrikanten verheiratet war, eine Lehre als Buchhändler, die allerdings nur ein Jahr dauerte. Daran, 1901-1905, schloss sich eine Musik- und Universitätsausbildung an. Abendroths Lehrer waren in München Felix Mottl und Ludwig Thuille, und Richard Strauss war in diesen Jahren Hofkapellmeister in München. Schon in seiner Münchner Zeit war er Mitglied des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, wo sich wichtige Kontakte zu wichtigen Leuten ergaben. Liszt hatte diese Vereinigung 1861 als den ersten Verein für zeitgenössische Musik gegründet, der sich zum Netzwerk der europäischen Musik-Elite entwickelte.


    Als 1905 in der Hansestadt Lübeck eine Dirigentenstelle zu besetzen war, bewarb sich Abendroth und setzte sich gegen mehr als achtzig Mitbewerber durch. Neben dieser Tätigkeit war er aber auch Assistent Mottls in München und Bayreuth. In Lübeck war er Chefdirigent und sowohl für Oper als auch Konzert zuständig. Der noch recht junge Dirigent wurde von vielen Musikfreunden gefördert und die einflussreiche Schriftstellerin Ida Boy-Ed nahm auch hier eine besondere Position ein. In Lübeck lernte Abendroth die Schauspielerin Elisabeth Walter kennen, die er dann auch in Essen, seinem neuen Wirkungskreis ab 1911, heiratete. Abendroths Nachfolger in Lübeck wurde der um drei Jahre jüngere Wilhelm Furtwängler.
    Von 1911 bis 1915 war Abendroth dann Städtischer Musikdirektor in Essen. Für diese Position war Abendroth von seinem Essener Kollegen Witte vorgeschlagen worden, der sich erhoffte, dass seine Arbeit durch den jungen Mann fortgesetzt werden könnte. Eine wichtige Neuerung war die klare Strukturierung der Programme, man ging weg von Programmen, die Musikstücke eher zufällig aneinanderreihten. Als das 49. Tonkünstlerfest in Essen durchgeführt wurde, muss die maßgebliche Mitwirkung Abendroths so erfolgreich gewesen sein, dass hieraus letztendlich die Berufung als Städtischer Musikdirektor, Dirigent der Gürzenich-Konzerte und des Konservatoriums Köln resultierte. Eine ADMV-Tonkünstlerversammlung war auch so eine Art Musikbörse für Kompositionen und Interpreten.


    Als Abendroth die Kölner Stelle antrat herrschte bereits Krieg. 1917 wurde Konrad Adenauer in Köln Oberbürgermeister und es bestand in dieser Zeit ein recht guter Kontakt zu dem etwas jüngeren, aufstrebenden Dirigenten. 1918 wird Abendroth zum Generalmusikdirektor der Stadt Köln, 1919 zum Professor und 1925, gemeinsam mit seinem Schulfreund, dem Komponisten Walter Braunfels, zum Direktor der Staatlichen Hochschule für Musik ernannt.
    Als Gastdirigent war Abendroth schon damals europaweit unterwegs. Etwas erstaunt ist man darüber, dass der Dirigent, der mit Vorliebe Bach, Beethoven, Brahms und Bruckner dirigiert hat, bei eigenen Kompositionen sich gerne den leichteren Dingen hingab.


    Die politischen Verhältnisse änderten sich entscheidend; erst setzte man 1933 Adenauer als Oberbürgermeister ab, dann wurde 1934 Abendroth aus allen seinen Ämtern entlassen. Man warf ihm freundschaftliche Beziehungen zu jüdischen Gesellschaftskreisen vor, jüdische Komponisten und ihre Werke zu begünstigen, besonders häufig jüdische Solisten heranzuziehen ... und so weiter, die damals übliche Klaviatur. Am 30. März 1934 dirigierte Hermann Abendroth in Köln sein letztes Konzert. In der folgenden Zeit sah man Abendroth als reisenden Dirigenten, sein Bekanntheitsgrad war schon so hoch, dass er nicht etwa arbeitslos herumsitzen musste. Aber bereits im Oktober 1934 wurde Abendroth in Leipzig Nachfolger Bruno Walters, den man zur Emigration zwang. Schon 1933 hatte sich der Leipziger Oberbürgermeister Dr. Goerdeler nach Köln gewandt, um Abendroth für das Amt des Gewandhauskapellmeisters zu gewinnen. So ganz neu war Abendroth in Leipzig nicht, hatte er doch einst mit Furtwängler in der Sache konkurriert, als es um die Nachfolge von Arthur Nikisch ging, das war im März 1922 gewesen. Auch danach gastierte er noch 1932 und 1933 im Gewandhaus.


    Als in einer Nacht- und Nebelaktion das Mendelssohn-Denkmal in Leipzig - ohne Goerdelers Wissen - abgerissen wurde, trat der Oberbürgermeister zurück. Der neue NS-Oberbürgermeister stellte Abendroth vor die Wahl - entweder sein Amt zu verlieren oder Parteimitglied zu werden, das war zum 1. Mai 1937, Abendroth verlor sein Amt nicht ...


    Als Fachschaftsleiter der »Reichsmusikkammer« schrieb er einerseits systemkonforme Artikel mit der entsprechenden Terminologie, andererseits konnte er auch helfen, wenn jemand in Bedrängnis geriet.
    1945 war der Krieg zu Ende; Abendroth fand sich in Weimar wieder und hatte insofern Glück, dass er für einen Gardegeneral Iwan Kolesnitschenko kein Unbekannter war, dieser schätzte Abendroth, der bereits 1925, 1927 und 1928 in der Sowjetunion gastierte und Schostakowitschs 1. Sinfonie in Deutschland erstaufgeführt hatte. Das Weimarer Nationaltheater war im Krieg zerstört worden, aber in der Weimarhalle wurde schon im Juli ein Konzert gegeben.
    In Leipzig hatte es erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit Günther Ramin gegeben; Abendroth konzentrierte sich auf Weimar, hatte aber noch ein Bein in Leipzig, wo er Chefdirigent des Radiosinfonieorchesters wurde. In Weimar war Abendroth Musikalischer Leiter des Deutschen Nationaltheaters Weimar und der Weimarischen Staatskapelle und Professor an der Hochschule für Musik in Weimar. Ab 1953 übernahm er auch noch das Berliner Rundfunksinfonieorchester
    Natürlich war der Dirigent nicht an das kleine Weimar gebunden und unternahm auch von dort aus zahlreiche Gastspielreisen, die ihn allerdings meist in die Länder des Ostblocks führten; die großen Kunstmetropolen waren im Prinzip verschlossen. Sogar an seiner alten Wirkungsstätte in Köln wollte man ihn letztendlich nicht mehr haben. Im Mai 1950 hatte ihn sein alter Freund Braunfels zum 25-jährigen Bestehen der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln eingeladen, nach 1945 wurde Braunfels ihr Präsident. Abendroth leitete drei Konzerte. Nach 16 Jahren dirigierte er wieder das Gürzenich-Orchester, dessen Leiter inzwischen Günter Wand war.
    Alles was Rang und Namen hatte war da, auch Dr. Konrad Adenauer, der vom ehemaligen Oberbürgermeister zum Bundeskanzler aufgestiegen war.
    Wieder zurückgekehrt, schrieb Abendroth aus Weimar an seine Kölner Musiker, dass es schön war und er sich auf ein Wiedersehen freut. Da hatte er sich aber zu früh gefreut ...


    Kaum war das dritte Brandenburgische Konzert in G-Dur von Bach verklungen, nämlich schon am nächsten Tag, schrieb Konrad Adenauer an den Kölner Oberbürgermeister:


    »... Unsere deutschen Brüder in der Ostzone haben nicht das geringste Verständnis dafür, dass ein hervorragender Vertreter der Partei, die sie unterdrückt und in Konzentrationslager wirft, hier im Westen derartig öffentlich ausgestellt wird...«


    Und am 28. August 1950 schrieb der Bundeskanzler aus Rhöndorf an den Kölner Oberbürgermeister:


    »... Wie ich höre, ist für diesen Winter wiederum ein Auftreten Abendroths in Köln geplant. Ich bitte Sie aufs dringendste, unter allen Umständen das zu verhindern ...«


    »Abendroth erhielt Auftrittsverbot für das gesamte Rheinland«, wie es Irina Lucke-Kaminiarz In ihrem Buch »Hermann Abendroth - Ein Musiker im Wechselspiel der Zeitgeschichte« beschreibt, was man etwas verwundert liest. In der Bundesrepublik hatte Abendroth einige Gastdirigate, wie zum Beispiel in Göttingen, Stuttgart, Nürnberg und in München.


    Der Historiker Michael H. Kater, der erst als 16-Jähriger aus Deutschland auswanderte und später in Deutschland studierte, verglich Abendroths politische Gesinnung mit dem Opportunismus von Hans Pfitzner und Siegmund von Hausegger. Auch der Musikhistoriker Fred K. Prieberg äußert sich in dieser Richtung.


    Eine weise Aussage findet man in dem Buch »Auftakte-Nachspiele« von Peter Gülke, einem gebürtigen Weimarer, der in diesem Buch mehr als ein Dutzend Seiten dem Dirigenten Hermann Abendroth widmet - da steht auf Seite 155:


    »Vom sicheren Ufer der Nachwelt können wir jeden Schiffbruch wohl historisch besser einordnen, sind aber weitab von der Unmittelbarkeit damaliger Situationen, Nöte, Bedrängnisse; an jeder unserer Wertungen haftet die Arroganz der Unbetroffenen.«


    Am 21. April 1956 gastierte Abendroth noch in Nürnberg und am 27. April leitete er das Gedächtniskonzert zum 100. Todestag Robert Schumanns. Am 29. Mai starb Hermann Abendroth in der Universitätsklink Jena. Die Trauerfeier fand im Deutschen Nationaltheater Weimar statt; die kirchliche Einsegnung war am 2. Juni in der Friedhofskapelle zu Weimar. Er erhielt ein Staatsbegräbnis. Am 7. Juni fand die Trauerfeier der Musikhochschule Weimar statt - auf dem Klavier wurde der Klagegesang von Franz Liszt gespielt: Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen.
    Die Staatliche Hochschule für Musik Köln richtete am 3. Juli 1956 eine Gedenkstunde mit Werken von Brahms und Bruckner für ihren früheren Direktor und Lehrer unter Leitung und Mitwirkung seiner ehemaligen Schüler ein. Gürzenichchor und -orchester musizierten unter der Leitung von Günter Wand die »Sinfonia funebre« von Giovanni Paisiello.
    Es gab kein Orchester in Deutschland, das unter Abendroths Leitung einmal musiziert hatte, welches seiner nicht gedacht hätte.



    Praktischer Hinweis:
    Historischer Friedhof - Berkaer Straße 43, 99425 Weimar
    Der Findling am Grab von Hermann Abendroth befindet sich auf der kurzen Strecke zwischen der Fürstengruft (wo auch J. W. Goethes Ruhestätte ist) und dem Grab der Familie Goethe - mit einem Metallgitter eingefasst - wo fünf Angehörige von Johann Wolfgang von Goethe begraben sind.

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  • Das war mal wieder ein Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe, lieber hart. Hermann Abendroth war nämlich der Lehrer eines Kapellmeisters am Hagener Theater, den ich in jungen Jahren kennengelernt habe. Von ihm sind mir auch die unwürdigen Spiele der Politik um die Kölner Gürzenich-Position berichtet worden. In Musikerkreisen soll damals (ich gebe das mit Vorsicht wieder, weil es sicher subjektiv gefärbt ist) über diesen Punkt viel diskutiert worden sein, bis hin zu der Behauptung, Wand habe da seine unrühmliche Hand im Spiel gehabt und es über die politischen Kanäle verstanden, Abendroth von Köln fernzuhalten. Aber das ist Geschichte...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Abendroth fand sich in Weimar

    In Weimar war Abendroth Musikalischer Leiter des Deutschen Nationaltheaters Weimar und der Weimarischen Staatskapelle und Professor an der Hochschule für Musik in Weimar.

    Hier spricht eine Zeitzeugin über den alten Hermann Abendroth in seiner Weimarer Zeit:



    Die Aussagen zu Hermann Abendroth kommen ab: 01:01

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Respekt, lieber Stimmenliebhaber, da hast Du, wie so oft, mal wieder was Passendes in petto gehabt ...


    Die über Hermann Abendroth sprechende, beziehungsweise seine Art schildernde Dame sagt in dem Einspieler, dass Abendroth »in Weimar stets mit dem Fahrrad fuhr, er hatte kein Auto, er lief oder fuhr mit dem Fahrrad«


    Nun, die Dame mag den Dirigenten so wahrgenommen haben, mein Informationsstand weicht von dieser Aussage jedoch erheblich ab; ich beziehe mich auf eine Passage in dem Buch »Hermann Abendroth - Ein Musiker im Wechselspiel der Zeitgeschichte«. Auf Seite 90 steht unter einem Foto, das Hermann und Elisabeth Abendroth 1936 in einem Cabriolet zeigt:


    »Abendroth war begeisterter Autofahrer und legte - den vorhandenen Fotos und Briefwechsel zufolge - Wert auf neue, schnelle und sportliche Modelle.«

  • Nachtrag:


    Eva Wunderlich 05.12.1934 – 20.11.2016


    Wenige Wochen nach der 50. Wiederkehr des Todestages von Kammersänger Fritz Wunderlich ist ihm seine Frau Eva, geb. Jungnitsch gefolgt. Zu der Zeit, als sie Fritz kennenlernte, war Eva Jungnitsch Harfenistin im Stuttgarter Staatsopernorcheser. Nach der Heirat 1956 widmete sie sich der Karriere ihres Mannes und zog die 3 gemeinsamen Kinder groß.


    Ihre Urne ist auch auf dem Münchener Hauptfriedhof in der Fürstenrieder Str. 288 beigesetzt.


    Lieber hart, vielleicht gelingt es dir, zu gegebener Zeit ein ergänzendes Foto einzustellen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Nun, die Dame mag den Dirigenten so wahrgenommen haben, mein Informationsstand weicht von dieser Aussage jedoch erheblich ab; ich beziehe mich auf eine Passage in dem Buch »Hermann Abendroth - Ein Musiker im Wechselspiel der Zeitgeschichte«. Auf Seite 90 steht unter einem Foto, das Hermann und Elisabeth Abendroth 1936 in einem Cabriolet zeigt:

    Lieber hart,


    Frau Vulpius spricht über den alten Abendroth in den spätem 1940er/frühen 1950er Jahren in Weimar. Ich glaube ihr, wenn sie sagt, dass erdamals immer mit dem Fahrrad fuhr, weil er kein Auto hatte.
    Deshalb kann er ja vor dem Krieg trotzdem Autofahrer gewesen sein, das schließt sich ja überhaupt nicht aus. Oder er hatte doch eines für lange Strecken und fuhr trotzdem immer mit dem Fahrrad durchs kleine Weimar. :yes: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Lieber Siegfried,
    mein letzter Besuch am Grab von Fritz Wunderlich war vor neun Monaten; auch in diesem Frühjahr beabsichtige ich dort zu sein, dann werde ich das in Deinem Sinne fotografisch dokumentieren. Vorerst stelle ich mal die Traueranzeige ein, auf die Du Dich beziehst.

  • Zu seinem 100. Geburtstag




    Von der Statur her hätte er Boxer sein können, und das war er ja auch in seiner Jugendzeit mit voller Begeisterung in einem Boxclub. Noch als angehender Sänger war er dort am Boxen, um sich Kondition zu holen. Das fiel in späteren Jahren sogar Furtwängler auf, der Edelmann mal bei einer Probe fragte: »Sind Sie Sportler, Edelmann?« - dem Dirigenten war aufgefallen, dass der Sänger eine besonders lange Fermate in einem Atem gesungen hatte.


    Mutter Edelmann sah das gar nicht gerne, wenn ihr Sohn mit zerbeultem Gesicht und gebrochenem Nasenbein nach Hause kam; sie hätte ihn viel lieber als Sänger gesehen, denn der Sohn war auch in dieser Richtung begeisterungsfähig, zumindest seit er als Elfjähriger mal den damals 55-jährigen Leo Slezak als »Bajazzo« erlebt hatte.


    Otto Edelmanns Vater war Ingenieur, die Mutter vertrat in der Familie die musische Seite; ein Bösendorferflügel stand zur Verfügung, so dass die Kinder schon früh mit guter Musik in Berührung kamen. Das Familienglück endete jäh, als Ottos um zwei Jahre älterer Bruder, der seine achtzehn Jahre noch nicht ganz erreicht hatte, überraschend starb und der Vater seinem Sohn nur wenig später folgte.


    Nach dieser harten Zäsur war er mit seiner Mutter alleine. Die Mutter, in kulturellen Dingen erfahren, suchte nicht nach irgendeinem, sondern nach dem besten Gesangslehrer für ihren Sohn. So kam es zu einem Vorsingen bei Professor Theo Lierhammer - der auch der Lehrer von Ljuba Welitsch, Erich Kunze, Georg Hann, Boris Christoff ... war.
    Der Herr Professor bekam »In diesen heil´gen Hallen« zu hören, eben mit den Tiefen, die der 17-jährige angehende Sänger bieten konnte. Die Gesangsstunde, die allerdings nur dreißig Minuten lang war, kostete dann nach einigem Hin und Her schließlich 70 Schillinge, die in einem Preisumfeld zu sehen sind, wo ein Schnitzel 50 Groschen kostete ...


    Diese Gesangsübungen bei Professor Lierhammer währten zwei Monate und dienten der Vorbereitung zur Aufnahmeprüfung an der Musikakademie in Wien. Die Jury war dort prominent besetzt: Hans Duhan, Josef von Manowarda und Helene Wildbrunn - auch Professor Lierhammer war anwesend. Der Prüfling hatte »Meeresleuchten« von Carl Loewe vorbereitet und konnte damit gefallen.
    In seiner Studienzeit war er oft auf den Stehplätzen der Wiener Oper anzutreffen, wo zu dieser Zeit noch Gesangsstars wie Piccaver, Ivogün, Jeritza, Nemeth ... auf der Bühne standen. Kurz vor dem Ende des Studiums bedeutete der Tod seines Lehrers einen tiefen Einschnitt, Lierhammer hatte ihn dreieinhalb Jahre unterrichtet.


    Der Erbprinz von Thüringen war nach Wien gekommen, um sich an der Akademie beim Sängernachwuchs umzuhören; auch 1919 hatte das Fürstenhaus noch Einfluss auf das kulturelle Leben. Seine Durchlaucht arrangierte ein Vorsingen beim Intendanten vom Theater in Gera, der sich Edelmanns Serastro-Arie anhörte und den Jungsänger von Fleck weg engagierte. Der nunmehr Einundzwanzigjährige fuhr also im Herbst 1938 nach Gera, wo er als Figaro in »Figaros Hochzeit« sein erfolgreiches Debüt gab; auch die stolze Sängermutter war zur Premiere nach Gera gekommen.
    Die Presse war des Lobes voll, und diese positive Beurteilung hielt auch an, als Edelmann in Gera den Osmin und Kezal gab und in anderen Stücken mitwirkte; ein besonderer Höhepunkt war die Darstellung des Stadinger in Lortzings »Waffenschmied«. In den zehn Monaten der ersten Spielzeit in Gera stand Otto Edelmann in 145 Vorstellungen auf den Brettern.


    Das war so recht eine Zeit zum Üben, da konnte man eine Rolle zur Perfektion ausbauen, denn es kam dann schon einmal vor, dass der »Jüngling mit lockigem Haar« in der Nachmittagsvorstellung sang, und die gleiche Stimme dann in der Abendvorstellung nochmal erklang. Zu dem künstlerischen Erfolg gesellte sich privates Glück, in Gera lernte er seine Frau kennen, die in Wien am gleichen Institut studiert hatte und mit ihm nach Gera verpflichtet wurde; ein Kennenlernen erfolgte aber erst in Gera. Wie damals allgemein üblich, ließ auch Friederike ihre Karriere sausen, als 1939 geheiratet wurde.


    Edelmanns Erfolge waren bis Nürnberg zu hören und es wurde dort, an dem größeren Opernhaus, ein Vorsingen vereinbart. »Sie hat mich nie geliebt«, die Arie aus Verdis »Don Carlos« wurde im Vortrag so beurteilt, dass es unverzüglich zur Vertragsunterzeichnung kam. So kam das junge Sängerpaar 1940 in die Stadt von Hans Sachs - Edelmann konnte damals nicht ahnen, dass seine Verkörperung des Schusterpoeten einmal eine zentrale Rolle in seinem Künstlerleben einnehmen wird; 104 Mal hat er diesen weltweit auf die Bühne gestellt. An der Nürnberger Oper wirkte er in der Neueinstudierung von »Der Barbier von Bagdad mit, Edelmann in der Rolle des Barbiers Abul Hassan Ali Ebn Bekar. Erstmals traf er da auch mit Richard Strauss zusammen, der dort seine »Arabella« dirigierte, Edelmann war in der Rolle des Grafen Waldner zu hören und auch Meister Strauss drückte dem Sänger seine Anerkennung aus. Zum Librettisten der Oper hat Otto Edelmann noch heute eine enge Beziehung, ihre Gräber liegen nur wenige Schritte voneinander entfernt.
    Aufgrund seiner Nürnberger Erfolge waren auch Berlin und Hamburg auf den aufstrebenden Sänger aufmerksam geworden; in Berlin trat er als Gast auf, aber Nürnberg wollte Edelmann nicht auf Dauer abgeben.


    Dennoch war das Ende des Engagements in Nürnberg nahe, es kam die Einberufung zum Militär; der mildernde Umstand, sein Dienstort war Linz an der Donau, wo man ihn der Schwerartellerie zuteilte. Immerhin gelang ihm beim Hauptfeldwebel zu erreichen, dass er beim winterlichen Ausmarsch von Gesangsleistungen befreit war.
    Nach der Grundausbildung ging es zunächst nach Schleswig-Holstein und von dort weiter nach Südfrankreich und wieder zurück in die Lüneburger Heide. Bis daher war der Militärdienst erträglich, weil der Opernsänger das Privileg hatte, auf der Schreibstube tätig zu sein. Nun ging es nach Russland, wo es jedoch 1943 im Mittelabschnitt noch relativ ruhig zuging. Als für Edelmann der Krieg zu Ende war, fand er sich in einem sowjetischen Gefangenenlager in Litauen wieder. Auch in dieser Situation genoss er durch seinen Gesang einige Sonderrechte, die den Aufenthalt etwas erträglicher gestalteten.
    Nach fünfjähriger Militärzeit und zwei Jahren Kriegsgefangenschaft kam Otto Edelmann 1947 wieder in seine österreichische Heimat zurück. Im gleichen Jahr stand er dann erstmals auf einer Wiener Opernbühne, nicht der Staatsoper, wie er es erträumt hatte - die war noch am 12. März 1945 durch Bomben zerstört worden - , sondern im unzerstörten Gebäude der Volksoper; ihm war die Rolle des Eremiten im »Freischütz« zugeteilt worden, Knappertsbusch dirigierte. Der Heimkehrer Edelmann wurde zwar wegen seiner Leistung gelobt, war auch bei einem Gastspiel in Brüssel als Komtur dabei, aber das Angebot größerer Rollen blieb in Wien dürftig. Etwas überraschend kam dann eine Anfrage der Salzburger Festspielleitung ob Edelmann die Rolle des Ministers Don Fernando in »Fidelio« übernehmen könne; er konnte und wollte und das Engagement in den Sommermonaten hatte für ein Dutzend Jahre Bestand.
    Sein Engagement hatte er inzwischen nach Graz verlegt, wo ihm große Rollen anvertraut waren, aber nun wollte ihn auch Wien wieder haben; ab 1950 hatte er wieder so richtig in Wien Fuß gefasst.


    Ein weiterer Höhepunkt in Edelmanns Karriere war sein Verdi-Falstaff. Clemens Krauss zerstreute die Bedenken des Sängers, der meinte, dass die Partie für ihn zu hoch sei. Nun kamen gerade in diesem Stimmfach für ihn noch so großartige Rollen wie der Ochs im »Rosenkavalier« und der Sachs in den »Meistersingern« dazu. Furtwängler hörte Edelmanns Falstaff und bot ihm an der Mailänder Scala den Amfortas in »Parsifal« zu singen; im März 1951 stand Edelmann auf den Brettern der Scala.
    Weitere Höhepunkte waren bereits am Werden; kaum war der Sänger aus Mailand zurück, fragte Karajan an, der Edelmann als Hans Sachs im wiedererstehenden Bayreuth haben wollte. Schließlich sang Otto Edelmann 1951 in Bayreuth sowohl unter Furtwängler die »Neunte« als auch unter Karajan den Hans Sachs. Das eigentlich Sensationelle war, dass Edelmann diese »Monsterpartie«, wie er es nannte, überhaupt zum ersten Mal sang, und dass dieses Rollendebüt ausgerechnet in Bayreuth stattfand.


    Wenn ein Sänger an so exponierter Stelle mit einer so exzellenten Leistung aufwartet, spricht sich so etwas natürlich in entsprechenden Fachkreisen recht schnell herum. Nicht zu vergessen, dass auch noch seine Präsens in Salzburg hinzukam.
    Noch kurz bevor das Jahr 1951 zu Ende ging bereitete Karajan an der Mailänder Scala den »Rosenkavalier« vor, den er auch inszenierte - ein Riesenerfolg, den man sich leicht vorstellen kann, wenn man sieht, wer neben Edelmanns Ochs von Lerchenau noch auf der Bühne war: Elisabeth Schwarzkopf, Sena Jurinac, Lisa della Casa und Erich Kunz. Etwa fünfzig Mal stand Edelmann auf der Bühne der Mailänder Scala.
    Den Namen Otto Edelmann kannte man nun auf der ganzen Welt, natürlich auch in Amerika.


    Rudolf Bing, der Generalintendant der »Met«, hatte schon gleich nach dem ersten Sachs in Bayreuth wegen eines Vertrags sondiert, aber Edelmann wusste um seinen Marktwert und mochte für die aus seiner Sicht zu geringe Gage nicht unterschreiben. Die Sache zog sich bis 1954 hin, aber Bing hatte nachgebessert und so betrat Otto Edelmann mit seiner Gattin im Herbst 1954 erstmals amerikanischen Boden.
    Auch an diesem renommierten Haus kam sein Sachs bei Publikum und Fachkritik gleichermaßen sehr gut an. Neben ihm agierten: Hans Hopf (Stolzing), Kurt Böhme (Pogner), Lisa della Casa (Evchen).
    In San Francisco erlebten die Edelmanns ein für sie ganz anderes Amerika. Unter Leinsdorf sang er hier den Ochs. Auch als König Heinrich im »Lohengrin« war er da zu hören, ein Jahr darauf an der »Met« auch. Bing soll ja kein Wagnerfreund gewesen sein ...
    Auch 1956 tourte Edelmann mit dem Ensemble der Metropolitan Opera durch verschiedene amerikanische Städte.


    Als am 5. November 1955 die Wiener Staatsoper mit »Fidelio« wiedereröffnet wurde, blieb Otto Edelmann außen vor; Paul Schöffler hörte man als Pizarro, Ludwig Weber sang den Rocco. Karl Böhm demissionierte 1956 als Opernchef und Herbert von Karajan trat an die Spitze der Wiener Staatsoper, was für Edelmann nicht ungünstig war, weil er hier nun in seinen international bewährten Rollen öfter gefordert war. Auch in New York war sein Repertoire im Laufe der Jahre um einige Rollen gewachsen. Für Otto Edelmann waren bis dahin praktisch alle Sängerträume in Erfüllung gegangen, er war überall begehrt.
    In dieser für ihn wunderbaren Zeit schlug das Schicksal plötzlich brutal zu; nach zwanzigjähriger Ehe starb Friederike Edelmann an einem Blinddarmdurchbruch. Der Sänger war fassungslos und sagte sofort alle seine Verpflichtungen ab - konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals wieder spielen, singen und lachen könnte.
    Für viele Veranstalter war das ein Schlag ins Kontor, wenn ein Hauptdarsteller dieses Formats urplötzlich ausscheidet. Karajan verhielt sich hier als Künstler, konnte sich vorstellen, dass man in der Situation nicht tanzen mag; da kein gleichwertiger Ochs zu haben war, ließ er den geplanten »Rosenkavalier« sausen und gab stattdessen »Die Hochzeit des Figaro«
    Ganz anders, schäbig bis zum geht nicht mehr ... verhielt sich Rudolf Bing, der schrieb:


    »Ich finde Ihre Ablehnung unverantwortlich, unvertretbar, egoistisch und unfair. Ich behalte mir alle Schritte vor. Sie haben kein Recht, jede Betätigung in USA für 59/60 abzusagen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie sich dadurch vertragsbrüchig zeigen und alle Konsequenzen zu tragen haben. Ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber den Schwierigkeiten anderer. Ihr unverantwortliches Im-Stich-Lassen Ihrer Verpflichtungen wird mich zwingen, die Situation mit San Francisco und Houston zu beraten. Amerikanische Verträge sind nicht ganz so Einbahnstraßen, wie Sie anzunehmen glauben. Ihr ergebener Rudolf Bing.«


    Bing ging sogar so weit, dass er Otto Edelmann in den USA durch die Gewerkschaft sperren ließ. Das erinnert doch sehr an die Aussage von Astrid Varnay, die Bing einmal als »aalglatten Gentleman« bezeichnet hatte, der ihre Kollegen »oft mehr als Handelsware denn als menschliche Wesen behandelt hatte.«


    Allmählich kam Otto Edelmann aus seinem Trauertief heraus und es entwickelte sich neuer Lebensmut aus der sich eine zweite Ehe ergab. Ilse-Maria war keine Sängerin und auch keine Musikerin, sondern Philologin und übte ihren Beruf als Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin aus. In der Folge wurden drei Kinder geboren, die beiden Buben wurden auch Sänger - vom Vater ausgebildet. Der Ältere ist Universitätsprofessor Peter Edelmann, sein jüngerer Bruder Paul Armin Edelmann; beide singen in der Stimmlage Bariton.
    Eine so große Familie brauchte ein adäquates Heim und so entstand die »Villa Lerchenau« in Kalksburg, einem Ort am Rand des südlichen Wienerwalds, der heute zu Wien gehört.


    Am Heiligen Abend 1960 gab es für Otto Edelmann eine Bescherung der besonderen Art; zusammen mit Elisabeth Schwarzkopf wurde ihm im Teesalon der Wiener Staatsoper der Titel Kammersänger verliehen. In den nun folgenden Jahren entwickelte Edelmann eine emsige Reisetätigkeit und war an allen großen Bühnen vor allem in seinen Paraderollen dem Ochs und dem Sachs gefragt. Als Sänger hatte er alles erreicht, das war nicht mehr steigerungsfähig, der Vielgereiste wollte zur Ruhe kommen, was jedoch nichts mit absolutem Ruhestand zu tun hatte. Ab dem Herbst 1975 widmete sich Edelmann als Professor für Stimmbildung dem Sängernachwuchs an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Vorbild zu sein, ist für einen Lehrenden immer wichtig. Herbert von Karajan erteilte dem Sänger so eine Art »Gütesiegel«, als er einmal sagte: »Sein "Ochs" ist und bleibt das Modell für die künftigen Generationen.«
    Sehr jung, schon 1951, sang er diese Rolle, an der er bis zu seinem Karriereende 1976 arbeitete - rekordverdächtige 256 Mal gab er den Baron von Lerchenau.
    Anlässlich seines 85. Geburtstages konnte Otto Edelmann noch einige Anerkennungen erfahren und sich auch an einer neu aufgelegten CD erfreuen. Viele Aufnahmen konservieren seine künstlerischen Leistungen, die noch in einem gänzlich anderen Umfeld erbracht wurden. Er bekam noch ausreichende Einblicke in die neue Welt des Regietheaters mit all seinen Auswüchsen und konnte sich nicht vorstellen unter den heutigen Bedingungen noch zu arbeiten, aber er bewunderte alle, die sich so einfügen und die vielen eigenartigen Dinge mitmachen, die die Regisseure verlangen, und die sich so offensichtlich gegen das Werk, die Musik, richten.



    Vom Friedhofseingang aus läuft man geradeaus auf dieses Grab zu



    Praktischer Hinweis:
    Der Friedhof Kalksburg liegt im südwestlichen Teil des Bezirkes Liesing im Bezirksteil Kalksburg an der Zemlinskygasse 26. Der Friedhof hat eine dreieckige Form, einem Kuchenstück mit abgebrochener Spitze vergleichbar; da ist der Eingang. Von hier aus benutzt man den ansteigenden Mittelweg und geht diesen gute einhundert Meter, bis man auf das große Grab der Familie Hofmannsthal stößt - wie oft hatte Edelmann die Texte des Hugo von Hofmannthal gesungen ... - von dort aus geht man noch etwa dreißig Meter nach rechts und steht dann vor dem Grab von Kammersänger Otto Edelmann.



  • Zum heutigen Geburtstag



    Ursprünglich war Mathilde Wildauer Schauspielerin, die bereits 1834, also im zarten Alter von 14 Jahren ans Wiener Burgtheater kam, wo sie vor allem als »Nanderl«, in dem Stück »Das Versprechen hinterm Herd«, einem Werk des Mundartdichters Alexander Baumann, reüssieren konnte. Baumann wurde durch dieses Stück sehr bekannt, was ein Verdienst von Mathilde Wildauer war, die sich mit dieser Rolle die Gunst des Wiener Publikums eroberte. Baumann war insofern ein interessanter Mann, dass er ein Komponist war, der keine Noten schreiben konnte. Der gestrenge Kritiker Hanslick schreibt über Baumann:


    »B. ist als Componist eine seltsame Erscheinung; er kennt nicht eine Note. Unvermögend seine Melodien zu lesen oder zu schreiben, beschränkt er sich darauf, sie sehr hübsch zu erfinden und ebenso zu singen.«


    Wenn Baumann so volksnah war, ist es nicht verwunderlich, wenn sich von ihm aus eine Spur zu Johannes Brahms findet, eines der bekanntesten Brahms-Lieder, nämlich »Guten Abend, gut´ Nacht« hat zumindest feine Würzelchen bei diesem notenunkundigen Dichter-Komponisten.


    Mathilde Wildbrunn hatte auch Auftritte am Theater an der Wien, am Theater in der Josefstadt und am Kärntnertortheater. Sie war sowohl auf der Sprechbühne als auch als Soubrette unterwegs und bewegte sich so langsam auf den Gesang zu. 1850 war der Entschluss gereift, die Opernbühne zu betreten. Das waren an der Wiener Hofoper Rollen wie die Susanna in »Figaros Hochzeit« oder die Zerline in »Don Giovanni«. Aber sie scheute auch vor schwierigeren Gesangsstücken, wie zum Beispiel der Titelheldin in Donizettis »Linda di Chamounix«, nicht zurück.
    Ausgedehnte Gastspiele durch ganz Europa waren ihre Sache nicht, sie ist in Wien wohl sehr prominent gewesen, aber kein Weltstar, wie etwa etwas später dann Marcella Sembrich. Dennoch verzeichnet das »Deutsche Theater-Lexikon« Auftritte in Breslau, Graz, Dresden, Mainz, Mannheim, München, Prag und Hamburg. Einer ihrer Hamburger Gastauftritte ist mit Mittwoch, 10. Juli 1850 dokumentiert. Da heißt es: »Dritte Gastvorstellung der k. k. Hofschauspielerin und Hofopernsängerin Dem. Mathilde Wildauer. Auf dem Spielplan stand Aubers Oper »Die Krondiamanten« (Les diamants de la couronne). Als Freiherr von Flotows heute ziemlich unbekannte Oper »Indra« 1852 am Kärntnertortheater uraufgeführt wurde, sang Dem. Wildauer die Rolle der Gastwirtsfrau Zigaretta, die der Komponist für ihre Stimme geschrieben haben soll. 1861 ging die Sängerin in Pension.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Hietzing, Maxingstraße 15
    1130 Wien


    Man benutzt an der Maxingstraße das Tor 3, wo sich gleich links des Weges das Feld 12 befindet, ein Gräberfeld weiter - im Feld 11 - findet man das Grab von Mathilde Wildauer.


  • Zum heutigen Geburtstag von Alban Berg



    Alban Berg kam als drittes von vier Kindern in der Nähe des Stephansdoms zur Welt, aber sein Geburtshaus hatte nur bis 1898 Bestand - eine Inschrift weist noch heute darauf hin. 81 Jahre nach seinem Tod ehrte man ihn im Schatten der Wiener Staatsoper mit einem Denkmal.


    Das Kind wurde in einer gutsituierten Kaufmannsfamilie zur Welt gebracht. Aber als Alban fünfzehn Jahre alt war starb sein Vater und die Mutter führte das Geschäft, ein Handel mit Devotionalien, weiter. Finanziell wird die Situation für die Familie schwierig. Alban besteht die Matura nicht gleich, verfällt in Depression, aber beim zweiten Anlauf klappt es dann. Seine besondere Liebe galt vor allem der Literatur und Musik. Die um ein Jahr jüngere Schwester und Alban bekamen Klavierunterricht. Schon mit 16 Jahren begann er mit der Komposition von Liedern, die sowohl vom älteren Bruder Charly als auch Schwester Smaragda zu Gehör gebracht wurden.
    Das im Haushalt der Familie Berg tätige Küchenmädchen gebar am 4. Dezember 1902 eine Tochter, der Kindesvater war Alban Berg, der sich als 17-Jähriger in das Mädchen verliebt hatte; ein Jahr später erkannte er die Vaterschaft an.


    Unmittelbar nach Erledigung seiner schulischen Pflichten beginnt der junge Berg ein Praktikum im Rechnungswesen der Niederösterreichischen Statthalterei. Charly legt Arnold Schönberg, der einen Kompositionskurs gibt, Lieder seines Bruders vor und der unterrichtet diesen privat sogar kostenlos, weil zu dieser Zeit das Geld im Hause Berg knapp war. Ab 1906 kann sich Alban Berg infolge einer Erbschaft von seinem Brotberuf verabschieden und sich fortan nur der Musik widmen.


    Ende des Jahres 1906 lernte der junge Komponist die gleichaltrige Helene Nahowski kennen, aber es dauerte eine Weile bis geheiratet werden konnte, denn Helenes Vater stellte sich jahrelang gegen diese Verbindung, wobei umstritten ist, ob er überhaupt der Vater war, es wird kolportiert, dass sie eine illegitime Tochter von Kaiser Franz Joseph I. gewesen sein könnte. Endlich kam es dann 1911 doch zur Heirat und das junge Paar verbrachte einige Sommerfrischen im Anwesen der Nahowskis in Trahütten, einem hochgelegenen Dorf in der Weststeiermark.


    Ab 1907 beginnt für Alban Berg der eigentliche Kompositionsunterricht bei Arnold Schönberg. Am Anfang seiner Kompositionsarbeit entstehen auffallend viele Lieder, immerhin 88 Liedkompositionen, die Berg jedoch nicht veröffentlicht sehen mochte; erst 1928, als er zum prominenten Opernkomponisten geworden war, fasste er »Sieben frühe Lieder«, die er zwischen 1905 und 1908 komponiert hatte, zusammen.
    Ein einschneidendes Erlebnis war für Berg die Aufführung zweier seiner Lieder am 31. März 1913 im Großen Musikvereinssaal in Wien; Bergs Lieder wurden zwar erst nach Stücken von Webern, Zemlinsky und Schönberg gespielt, wobei schon erhebliche Unruhe aufkam, aber bei Bergs zwei »Altenberg-Liedern« eskalierte die Aufführung, als einer der Konzertveranstalter vom Podium sprang und einen Zwischenrufer ohrfeigte - deshalb ging diese Veranstaltung als sogenanntes »Watschenkonzert« in die Musikgeschichte ein.


    Wenn der Name Alban Berg fällt, denkt man normalerweise nicht an seine Lieder, sondern doch eher an den Komponisten der Oper »Wozzeck«, die Berg nach dem Dramenfragment »Woyzeck« von Georg Büchner komponierte und schon 1921 fertigstellte, der Klavierauszug erschien im Selbstverlag. Die Drucklegung der Oper wurde von Alma Mahler finanziell unterstützt und Berg widmete seiner Gönnerin das Werk. Ein wichtiger »Gönner« war auch Erich Kleiber, der, als er die Partitur dieses Schlüsselwerks der Moderne studiert hatte, sagte:
    »Die Oper mach´ ich in Berlin, und wenn´s mich die Stellung kostet.«


    Aber schon vor der Uraufführung in Berlin, wurden im Mai 1925 in Prag »Drei Bruchstücke« aus »Wozzeck« aufgeführt. Alban Berg war zu dieser Zeit Gast im Hause von Hanna und Herbert Fuchs-Robettin und Berg verliebte sich in die Dame des Hauses, die eine Schwester Franz Werfels war. In dem Stück »Lyrischen Suite« sind Hinweise auf diese heimliche Liebe zu finden, die im Wesentlichen per Post ohne Briefmarken stattfand; einer der »postillons d'amour« war Adorno. Heute weiß man von dreizehn solcher Briefe Bergs an »die ferne Geliebte«, von Briefen Hannas ist dagegen nichts bekannt. Der einseitige Briefverkehr währte fast zehn Jahre, aber den beiden war stets bewusst, dass sie nicht aus ihren bestehenden Ehen ausbrechen werden.


    Die Presse ist bezüglich der Uraufführung von »Wozzeck« in ihrer Meinung ebenso geteilt wie das Publikum im Saal. Aber schon bald nach dem Abflauen des ersten Aufsehens stellt sich heraus, dass Alban Berg ein Wurf gelungen ist, der das ganze 20. Jahrhundert überstrahlt.
    Nach der Uraufführung am 14. Dezember 1925 erlebt das Stück an der Deutschen Staatsoper noch weitere 20 Aufführungen. Es folgen in Deutschland Essen 1929, dann Aachen, Düsseldorf, Königsberg, Lübeck, Köln, Gera und bis zum Verbot durch die Nazis acht weitere Bühnen. Die tschechische Erstaufführung findet 1926 in Prag statt, die erste russische 1927 in Leningrad. Wien, Alban Bergs Heimatstadt, folgt erst 1930.
    Neben dem künstlerischen Erfolg, brachten diese Aufführungen dem Komponisten auch wirtschaftliche Vorteile, gleich von den ersten »Wozzeck«-Tantiemen kaufte er sich ein Auto der Marke Ford; in Presseberichten der 1960er Jahre kann man noch lesen, dass Frau Helene an diesem Fahrzeug stets jährlich die Reifen aufpumpen ließ ...


    Seine Oper »Lulu« musste Berg als Fragment zurück lassen. Alban Berg erarbeitete aus Frank Wedekinds Tragödien »Der Erdgeist« und »Die Büchse der Pandora« das Libretto zu seiner dreiaktigen Oper »Lulu«, der er eine Zwölftonreihe zugrunde legte. Die Uraufführung des von Berg zurückgelassenen »Operntorsos« war 1937 in Zürich. Erst 1979 folgte an der Pariser Oper die von Friedrich Cerha komplettierte Fassung des dritten Aktes unter der Leitung von Pierre Boulez, für den die beiden Berg-Opern zu den einzigen modernen Opern zählten, die er akzeptierte.


    Alban Bergs letztes bedeutendes Werk, ein Violinkonzert, hatte der aus der Ukraine stammende und in Amerika lebende Geiger Louis Krasner Anfang 1935 beim Komponisten bestellt, der dafür 1.500 Dollar bekommen sollte. Für Berg war Geld wieder ein Thema geworden, nachdem ihm die Nationalsozialisten eine wesentliche Geldquelle durch das Aufführungsverbot seiner Werke genommen hatten. Dennoch ließ er diesen Auftrag zunächst liegen.
    Als Manon Gropius am 22. April 1935 im Alter von nur 18 Jahren starb, wurde Berg in eine Stimmung versetzt, die ihm ermöglichte das Werk in dieser Form zu schreiben. Alban und Helene Berg waren mit Alma Werfel, geborene Schindler, verwitwete Mahler, geschiedene Gropius befreundet und besuchten sie häufig. Das Ehepaar Berg war kinderlos gebliebenen und hatte zu Manon über Jahre eine so enge Beziehung als sei es die eigene Tochter. Helene hatte sogar ein Bild von Manon auf ihrem Nachttisch stehen. So bekam das Konzert für Violine und Orchester im Gedenken an Manon die Widmung »Dem Andenken eines Engels«
    Der Entwurf stand im Juni, die Partitur war am 11. August 1935 vollendet, und die Uraufführung fand am 19. April 1936 mit dem Solisten Louis Krasner und unter dem Dirigat von Hermann Scherchen in Barcelona auf dem Musikfest im Palau de la Música Catalana statt.


    Alban Berg hatte mit diesem Werk sein eigenes Requiem geschrieben und die Uraufführung nicht mehr erlebt; Er starb am 24. Dezember 1935. Vorausgegangen war ein Insektenstich vom Sommer, der sich dann im Folgenden immer schlimmer entwickelte, so dass man Berg mit einer schweren Furunkulose ins Krankenhaus bringen musste.


    Über achthundert Briefe haben sich Arnold Schönberg und Alban Berg von 1906 bis zu seinem Tod geschrieben. In einem Brief zu seinem 50. Geburtstag hatte ihm sein Lehrer Schönberg - der als Jude längst ins kalifornische Exil geflohen war - noch das größte Lob seines Lebens gemacht:
    »Du, der als einziger unserer Sache allgemeine Anerkennung zu gewinnen imstande warst.«


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Hietzing
    Maxingstraße 15
    1130 Wien


    Wenn man das Tor 2 zwischen Verwaltung und Aufbahrungshalle benutzt, geht man geradeaus, fast bis zum Friedhofsende, und wendet sich dort nach links, man findet das Grab in der Nähe der Einzäunung, im Plan: Gruppe 49, Nummer 24 F


  • Zum heutigen Geburtstag von Maria Cebotari




    Maria Cebotari wurde in Bessarabien geboren, das zur Zeit ihrer Geburt noch zum Russischen Kaiserreich gehörte. Sie war Rumänin und hieß eigentlich von Geburt Cebotaru. Auch bezüglich ihres Geburtsortes stößt man auf die unterschiedlichsten Schreibweisen:
    Chișinău (sprich/dt. Kischinau) russ: Кишинёв (Kischinjow) ist die Hauptstadt von Moldawien.


    Maria Cebotari wurde durch ihren frühen Tod zur Legende und tragischen Figur; entsprechend vielfältig sind die Berichte über ihr Leben. Mal stammt sie aus einer Arbeiterfamilie mit einem Dutzend Kindern, mal ist Marias Vater Lehrer und sie hat nur drei Geschwister. Während eine Quelle darstellt, dass sie im Alter von 16 Jahren mit dem um Jahrzehnte älteren Grafen durchgebrannt sei, wird an anderer Stelle berichtet, dass besagter Graf von den Eltern die Erlaubnis erhalten habe, Maria mit auf eine Tournee durch die Hauptstädte Europas zu nehmen.


    Ziemlich sicher scheint zu sein, dass es ein Gastspiel des Moskauer Künstlertheaters in Kischinjow mit Tolstois »Lebendem Leichnam« gab. Der Regisseur und Hauptdarsteller Alexander Wiruboff wollte seine Inszenierung mit russischen Liedern umrahmen und engagierte dazu die junge Maria Cebotaru, die das Gewünschte mit Bravour über die Bühne brachte.
    Graf Wiruboff erkannte die Talente des Mädchens sofort und der um fast dreißig Jahre ältere Graf umwarb und beeindruckte die junge Dame - und wie auch immer - irgendwann waren die beiden in Paris, und heirateten dann auch.
    Inzwischen war bei der jungen Künstlerin dann 1929 der Wunsch gereift Sängerin zu werden. Man war auf dem Weg nach Berlin, wo neben dem Erlernen einer für sie neuen Sprache, ein relativ kurzes Studium bei dem ungarischen Tenor und gesuchten Gesangspädagogen Oscar Daniel zu absolvieren war. Das genügte der Anfängerin, um vor Fritz Busch bestehen zu können, der sie an die Staatsoper von Dresden verpflichtete. Ihr Debüt gab sie dort am 15. April 1931als Mimi in »La Bohéme«, ihr Partner war immerhin Tino Pattiera, einer der besten Tenöre seiner Zeit - ein besserer Einstieg ist an einem so renommierten Haus wohl kaum denkbar, auch wenn es nur eine Repertoirevorstellung war.
    Im gleichen Jahr verpflichtet Bruno Walter die Cebotari für die Salzburger Festspiele, wo sie in den Folgejahren und auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg auftrat; hier war sie die gefeierte Figaro- Gräfin, Konstanze, Zerlina und Eurydike. Eines dieser Folgejahre war 1946, wo sie von den Grazer Festwochen kommend, mit einem englischen Militärauto auf einer abenteuerlichen und strapaziösen Fahrt zu den Salzburger Festspielen gelangte.


    In Dresden hatte sie eine wunderbare Karriere. Aber ihre Auftritte blieben nicht auf Dresden beschränkt, ab 1935 war sie auch oft in Berlin zu hören. In Dresden sang sie in vielen Uraufführungen, so auch die Aminta in der UA »Die schweigsame Frau«, die einigen politischen Staub aufgewirbelt hatte, und unter Karl Böhm aus der Taufe gehoben wurde; Kurt Böhme und Erna Sack standen damals neben Maria Cebotari mit auf der Bühne.


    Maria Cebotaris größter Vorteil war wohl die große Bandbreite, in der sie ihre Stimme einsetzte, was nicht mit dem Begriff »große Stimme« gleichgesetzt werden sollte; Jens Malte Fischer spricht von der »staunenerregenden Vielfalt ihres Repertoires«.
    Hinzu kam ihre Popularität, die sie durch die Mitwirkung in verschiedenen Filmen erlangte, wie zum Beispiel:


    Starke Herzen (1937) / Mutterlied (mit Gigli 1937) / Melodie der Liebe (mit Gigli 1939) / Premiere der Butterfly (1939) / Drei Frauen um Verdi (1941) / Maria Malibran (1942) / Flammen über Odessa (1942)


    Trotz ihrer Filmarbeit sang sie immer noch an der Oper mit vollem Einsatz. Während der Dreharbeiten zu dem Film »Starke Herzen«, der in Berlin-Babelsberg gedreht wurde, lernt sie Gustav Diessl kennen, der den Rittmeister von Harbin spielt, seine Filmpartnerin ist die Opernsängerin Marina Marta, gespielt von Maria Cebotari. Diessl hatte sich gerade von seiner langjährigen Partnerin Camille Horn getrennt. Der noch nicht einmal vierzigjährige Schauspieler war so attraktiv, dass sich die Sängerin von ihrem Grafen verabschiedete und Diessl am 18. August 1938 auf dem Standesamt in Berlin-Charlottenburg heiratete. Aus dieser Ehe gingen zwei Jungs hervor. Am 1. Juli 1941 kommt Sohn Peter zur Welt, am 13. Oktober 1946 sein Bruder Fritz. Weil das erste Kind in die Kriegswirren hineingeboren wurde, bringt man den Kleinen erst auf einem Gut bei Magdeburg unter, später in einem Nobelhotel in Kitzbühel. Zur Betreuung des Knaben wird eine Kinderfrau in Dienst genommen - Hedwig Cattarius. Die »Ersatzmutter« ist sechs Jahre älter als Maria Cebotari. Es bildet sich ein enges Vertrauensverhältnis zwischen der Betreuerin und den Kindern. Während Maria Cebotari zunächst noch weiter von Erfolg zu Erfolg eilen kann, bekommt Gustav Diessl gesundheitliche Probleme; er erleidet mehrere Schlaganfälle, es kommt zu Depressionen. Einen Tag nach der Premiere seines letzten Films, am 20. März 1948, stirbt Gustav Diessl. Maria Cebotari ist mit nur 38 Jahren zur Witwe geworden. Sie möchte den Kindern eine Heimat geben. Wien ist inzwischen zu ihrer neuen Heimat geworden, sie erwirbt im Bezirk Wäring ein Ruinengrundstück und lässt ein Haus errichten, damit die Kinder eine ordentliche Heimstatt haben. Kaum ist das Haus bezogen, erkrankt Maria Cebotari. Die Eurydike in Glucks Oper »Orpheus und Eurydike«, die sie im Sommer 1948 in Salzburg singt, war die letzte Opernrolle, die sie einstudierte. Ihr letzter Auftritt ist am 31. März 1949; sie singt die Laura in Millöckers »Bettelstudent«.


    Die Ärzte operieren am 4. April. Anton Dermota steht mit Direktor Salmhofer am Krankenbett und sagt zu seiner Sängerin: »Na, da hast Du deinen Alfred. Jetzt werdet ihr bald wieder miteinander auf der Bühne stehen!« Beide Besucher wussten, dass sie Theater spielen und ihre Cebotari nicht mehr zu retten war - am 9. Juni 1949 starb Maria Cebotari. Noch auf dem Sterbebett verfügte sie, dass ihre beiden Kinder nicht getrennt werden dürfen, wenn eine Adoption erfolgen sollte, müsste Frau Cattarius mit übernommen werden. Fürs Erste zog sich die Kinderfrau mit den Kindern in die Mansardenwohnung zurück und vermietete die anderen Räume, um den Lebensunterhalt zu sichern. Die Finanzlage war nicht so, dass da Geld ohne Ende gewesen wäre, es stellte sich auch heraus, dass das Grundstück noch nicht in den Besitz von Frau Cebotari übergegangen war und einiges mehr.


    Der Vormund der Kinder muss sich um Adoptiveltern bemühen; Frau Cattarius bekommt Angst, die Kinder zu verlieren, beeinflusst sie entsprechend und wendet alle möglichen Tricks an, um eine Adaption zu verhindern. Nun zeichnet sich immer mehr ab, dass der englische Konzertpianist Clifford Curzon und dessen Gattin, eine Cembalistin, die sich um die Adoption bemühten - das Paar hatte 1931 geheiratet - die besten Chancen haben, dass ihnen die Kinder zugesprochen werden. Neben ihrem luxuriösen Hauptwohnsitz in London, hatten sich die Curzons in Litzlberg am Attersee 1927/28 eine Villa im englischen Landhausstil errichten lassen;
    Geldnöte sind hier nicht zu erwarten. Materiell sind die Kinder gut versorgt, aber irritiert fragen sie immer wieder nach ihrer »Teta«, so nannten sie Hedwig Cattarius.


    An einem Samstag, es ist der 20. Juli 1953, ist Frau Cattarius mit dem Jüngsten zu Besuch bei einem befreundeten Bildhauer, der ältere Peter ist zuhause geblieben. Am frühen Abend bittet Frau Cattarius ihre Gastgeber man möge sie mal für eine Weile entschuldigen, sie habe noch eine dringende Angelegenheit zu erledigen, in einer Stunde wollte sie den Kleinen wieder abholen. Sie kommt nicht mehr zurück; am nächsten Morgen birgt ein Suchtrupp ihre Leiche aus dem Wasser.


    Zur Adoption sagte der jüngere Sohn im Alter von 66 Jahren: »Es war das Beste, das uns passieren konnte«, er war Fotograf geworden. Sein älterer Bruder Peter lebt als Arzt in Neuseeland und bestätigt: »Die Curzons waren vorbildliche Adoptiveltern für uns.«


    Die Trauerfeier für Maria Cebotari war überwältigend, wie die heute noch im Internet zugänglichen Schwarz-Weiß-Bilder eindrucksvoll zeigen.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Döbling - Hartäckerstraße 65, 1190 Wien
    Man geht vom Haupteingang aus geradeaus auf ein großes Kreuz zu und wendet sich dort nach rechts. In der Gruppe 28 befindet sich die letzte Ruhestätte von Maria Cebotari.

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  • Zum heutigen Todestag von Franz Schmidt



    Franz Schmidt konnte in einer gut bürgerlichen Familie zusammen mit zwei Schwestern aufwachsen. Sein Geburtsort Pressburg - heute Bratislava - war damals Grenzland des ungarischen Teils der habsburgischen Doppelmonarchie.
    Schmidts Vater war halb deutscher, halb ungarischer, die Mutter ungarischer Abstammung.
    In der Familie wurde ungarisch gesprochen und in der Literatur wird bezüglich der Familie von einer »hochmusikalischen Atmosphäre« berichtet. Ersten Klavierunterricht erhielt er von seiner Mutter, die Schülerin bei Liszt war.
    Der Junge hatte auch enge Beziehungen zu dem Franziskanerpater Felician Môcic, der ihm erste Erkenntnisse in Harmonielehre und Orgelspiel näher brachte. Auch in der Gesellschaft hatte das Thema Musik damals einen ganz besonderen Stellenwert. In Schmidts Jugendzeit fanden in Pressburg viele Konzerte zugunsten eines zu errichtenden Denkmals für den Pianisten und Komponisten Johann Nepomuk Hummel statt, als es im Herbst 1887 enthüllt wurde, war Franz knappe 13 Jahre alt.


    Franz´ Vater, ein Speditionsunternehmer, war in eine Betrugsaffäre verwickelt, was der Grund war, dass Familie Schmidt 1888 in das etwa eine gute Autostunde entfernte Wien übersiedelte. Das war natürlich auch für den 14-jährigen Franz eine schwere Zeit. Aber schon damals kam er raus nach Perchtoldsdorf, wo er bei einer wohlhabenden und musikbeflissenen Familie eine Stelle als Musik- und Hauslehrer fand und den für ihn damals furchterregenden (»menschenscheue, düstere Erscheinung«), Hugo Wolf in einigem Abstand wahrnahm, der dort seine »Mörike-Lieder« zur Welt brachte.
    Dank seiner außergewöhnlichen musikalischen Begabung war es möglich, dass er am damaligen »Conservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde« studieren konnte. In Wien wurde Franz Schmidt dann Schüler beim vielgerühmten Theodor Leschetizky , aber die beiden konnten keinen Gefallen aneinander finden.


    Franz Schmidt studierte Komposition bei Robert Fuchs und Violoncello bei Ferdinand Hellmesberger. 1896 schloss er seine Ausbildung mit Auszeichnung ab. Von 1896 bis1911 war Schmidt Mitglied der Wiener Philharmoniker und bis 1914 Solocellist im Hofopernorchester.
    1897 wurde Gustav Mahler Kapellmeister und Direktor der Wiener Oper. Alles hätte nun schön laufen können, aber es gab Reibereien zwischen Schmidt und dem Konzertmeister Arnold Rosé. Mahler schaute diesem Treiben eine Weile zu, dann verlor Schmidt das Wohlwollen Mahlers und konnte seinen Plan offiziell Erster Cellist zu werden beiseitelegen und in den hinteren Reihen Platz nehmen.
    Schon in den Jahren 1902 bis 1904 entstand seine berühmteste Oper »Notre Dame«, aus der sich das bekannteste Stück der Oper, das Intermezzo zwischen der zweiten und dritten Szene des ersten Aktes, bis heute als bekanntes Musikstück gehalten hat.
    Operndirektor Gustav Mahler verhinderte die Aufführung in Wien zunächst einmal, weil er »die großen Gedanken« vermisste. Erst am 1. April 1914 gelangte das Werk in Wien zur Uraufführung. Franz Schmidt hatte zusammen mit Leopold Wilk, der eigentlich gelernter Chemiker war, aus Victor Hugos Roman »Der Glöckner von Notre Dame« einen Text herausdestilliert, der allgemein als nicht besonders gelungen gilt.


    Die Wiener Kritik unterschied allgemein zwischen der musikalischen Qualität und dem Libretto. So las man zum Beispiel im »Fremdenblatt«:


    »In der Hofoper fand heute die Uraufführung der *dreiaktigen Oper "Notre Dame" von Professor Franz Schmidt mit rauschendem Erfolg statt, wie es bei der Achtung, die dem Komponisten hier mit recht gebührt, zu erwarten war. Leider ist das Buch, das er sich im Verein mit Leopold Wilk aus Victor Hugos gleichnamigem Roman gezimmert hat, so dilettantisch und bühnenwidrig, daß eine Wirkung nur von der prächtigen Dekoration ausgeht, die den berühmten Dom von außen und innen, von oben und unten im romantischen Lichte zeigen. Die Musik an sich verrät in jedem Takt den Meister seiner Kunst, wie den Neuling im dramatischen Genre.« *(gilt heute als Oper in zwei Akten)


    Während die opulente Musik kaum kritisiert wurde und Hugo von Hofmannsthal die gute Textverständlichkeit des Gesanges in einem Brief an Richard Strauss als modellhaft lobte, bezeichnete er das Libretto als »absurd«


    Franz Schmidts geselliges Wesen ließ ihn auch zum geschätzten Mitglied der Wiener Gesellschaft werden. Franz Schmidt hat sich schon mit 20 in eine Ella Zwieback verliebt, und die junge Dame war nicht irgendwer, sondern die Tochter schwerreicher Eltern, die so einen unbetuchten Musikus - der damals noch nicht der berühmte Mann war - nicht als Schwiegersohn haben wollten. Sie suchten für ihre Tochter einen erheblich älteren Gatten aus, Zirner hieß der Mann, der dann amtlich Vater dreier Kinder wurde, aber die Wiener Gesellschaft wusste, dass Frau Ella Zirner weiter das Klavierspiel bei Franz Schmidt pflegte und der Virtuose Vater geworden war; man sagt, dass damals ganz Wien von dieser Liaison wusste.


    Seine erste Eher endete unglücklich, ab 1919 war die Frau in einer Wiener Heilanstalt und wurde nach Schmidts Tod Opfer der »Euthanasie«. Schmidts Tochter verstarb 1932 unerwartet nach der Geburt ihres ersten Kindes - der verzweifelte Vater schuf danach seine 4. Symphonie als »Requiem für meine Tochter«. Eine zweite, 1925 geschlossene Ehe mit einer früheren Klavierschülerin brachte etwas privaten Sonnenschein, aber zu Beginn der 1930er Jahre stellten sich beim Komponisten auch bereits gesundheitliche Probleme ein.


    Nachdem man einige Zeit keine neue Komposition von Schmidt gehört hatte, erklang im Februar 1924 eine Orgelkomposition, die Fachleute dieses Genres in Staunen versetzte, denen bis dato die Orgelwerke Max Regers als Nonplusultra galten; der Spezialist Walter Pach war von dieser Aufführung überrascht und begeistert.


    Als Pädagoge für Klavier, Violoncello, Kontrapunkt und Komposition bildete Schmidt an der Akademie für Musik und darstellende Kunst zahlreiche bedeutende Musiker, Dirigenten und Komponisten aus. 1927 bis 1931 war Franz Schmidt Rektor dieser traditionsreichen Ausbildungsstätte.


    Einen musikalisch höheren Stellenwert als die Oper »Notre Dame«, die Puristen in der Nähe des Kitschs sehen, genießt das viel später entstandene Oratorium »Das Buch mit sieben Siegeln«, nach Motiven der biblischen Offenbarung des Johannes, das am 15. Juni 1938 seine Uraufführung in Wien hatte.


    Sein letztes Auftragswerk für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein »Toccata d-Moll für Klavier linke Hand alleine« entstand ebenfalls in diesem Schaffensjahr, wurde Wittgenstein noch in die Schweiz nachgeschickt und erst 1940 in den USA uraufgeführt.


    Franz Schmidt wurde von den Nationalsozialisten als der bedeutendste lebende Komponist Österreichs hofiert. Der Organist und Hochschullehrer Franz Schütz war der Vermittler des Auftrags der neuen Regierung, die 1938 anlässlich der Aufnahme Österreichs in das Deutsche Reich eine Festkomposition haben wollte: Die »Deutsche Auferstehung«, ein »festliches Lied« für Soli, Chor, Orchester und Orgel. Ab dem Herbst 1938 arbeitete der bereits schwerkranke Schmidt an dem Werk, konnte es aber nicht mehr ganz zu Ende bringen; zwar hatte er das Particell noch niedergeschrieben, die Orchesterpartitur konnte Schmidt nicht mehr ganz vollenden, damit beauftragte er seinen vertrauten Schüler Robert Wagner.
    So konnte das Werk ein gutes Jahr nach Schmidts Tod, am 24. April 1940 im Wiener Musikverein uraufgeführt werden. Die Presse war des Lobes voll, wie sich so etwas damals las, soll dieses Beispiel aus den »Wiener Neuesten Nachrichten« zeigen:

    »Die große Schmidt-Uraufführung ist vorüber. Sie war im Musikleben Wiens ein Ereignis. Daß aber überdies in dem Werke des Wiener Meisters die großen Jahre deutscher Geschichte, der Aufstieg des Reiches, die Heimkehr der Ostmark gestaltet sind, das gibt ihm einen ganz besonderen Rang, zumal die Kunst des Meisters der Größe des Erlebten würdig ist. Wir können auf dieses Werk Schmidts besonders stolz sein, es gilt uns wirklich als künstlerischer "Dank der Ostmark an den Führer".«


    Wie bereits erwähnt, kam Schmidt schon in jungen Jahren nach Perchtoldsdorf. Ab 1926 bis zu seinem Tod lebte Dr. Franz Schmidt - die Universität Wien hatte ihm anlässlich seines 60. Geburtstages die Ehrendoktorwürde verliehen (Dr. phil. h. c.) - in Perchtoldsdorf, das 1938 zu Wien eingemeindet wurde und heute wieder eine selbständige Gemeinde ist; die Marktgemeine hat dem Komponisten im Knappenhof, Wiener Gasse 17, eine Gedenkstätte eingerichtet.


    Praktischer Hinweis:
    Man findet das Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof - Lageplan Gruppe 32 C



    Eine neue Aufnahme


  • Erinnerung zum heutigen Todestag des großen Musikers


    Das Richard-Wagner-Museum in Graupa verwahrt eine Gedenktafel an Hans von Bülow, die aus den Trümmern seines Geburtshauses geborgen wurde.






    Hans von Bülows Grabmal entwarf Adolf von Hildebrand, der auch das Brahmsdenkmal in Meiningen gestaltet hat.


    Mit vollem Namen Hans Guido Freiherr von Bülow; er entstammte einer Familie mit Jahrhunderte zurückreichender Familientradition. So richtig Kind zu sein, wie man sich das heute vorstellt, dufte Hans Guido nicht. Er war der Erstgeborene, drei Jahre später kam noch ein Schwesterchen nach, aber dass die Kinder miteinander spielten war nicht vorgesehen, die Eltern forderten stets, dass etwas Ernsthaftes getan werden musste. In der Literatur findet man eine vielsagende Beschreibung von Hans Bülows Eltern:
    »Die hohe literarisch-musikalische Kultur prägte die Ehe von Eduard und Franziska von Bülow.«
    Mit der Liebeskultur der Eltern scheint es nicht so gut bestellt gewesen zu sein, denn im Hause Bülow herrschte meist eine angespannte Atmosphäre; schließlich ließen sich die Eltern 1849 scheiden, da hatte ihr Sohn gerade in Stuttgart sein Abitur gemacht, denn dorthin waren die Bülows inzwischen übersiedelt.


    Schon im Alter von vier Jahren war der Junge angehalten Gedichte und Fabeln auswendig zu lernen, mit der Auflage, dass das Neuerlernte den Eltern jeweils zum Ende der Woche vorgetragen werden musste. Dabei war das Kind alles andere als gesundheitlich stabil, schwere Erkrankungen, unter anderen auch fünf Hirnhautentzündungen, waren für das Kind große Belastungen. Schon im frühen Alter begann für den Knaben das Erlernen der französischen Sprache, Reiten und Tanzen kamen noch hinzu. Von Kindesbeinen an war Hans von Bülow an ein rastloses Studieren gewöhnt.


    Für den Knaben war das Erlernen des Klavierspiels nur eine von vielen Tätigkeiten, eine künstlerische Betätigung als Beruf war nicht vorgesehen. Den ersten Klavierunterricht bekam der Junge im Alter von sieben Jahren. Bereits zwei Jahre später konnte dieser Lehrer dem hochbegabten Schüler nichts mehr beibringen und er wechselte zu Cäcilie Schmiedel, die ihn fünf Jahre lang am Klavier unterwies, und derer er stets dankbar gedachte. Als seine Klavierlehrerin 1848 starb, wechselte der nun 14-Jährige zu Friedrich Wieck; allerdings nur in den Sommermonaten, wenn Hans bei Verwandten in Leipzig wohnte, wo es etwas lockerer zuging als im Elternhaus. In dieser Zeit arbeitete er auch bei Louis Plaidy an einer besseren Anschlagtechnik.
    Als die Bülows nach Stuttgart übersiedeln, findet der junge Bülow dort keinen adäquaten Klavierlehrer, wird aber die letzten zwei Jahre am Gymnasium von so bedeutenden Lehrern wie Gustav Schwab und Wilhelm Hauff unterrichtet und es ergaben sich Kontakte zu dem Musikdirektor Bernhard Molique und dem Komponisten Joachim Raff, mit dem ihn dann eine lebenslange Freundschaft verbindet.


    Nach dem Abitur beginnt Hans Bülow - auf Wunsch der Eltern - ein Jurastudium in Leipzig, das 26 Vorlesungsstunden pro Woche erfordert, was den jungen Mann in die Lage versetzt noch Klavier zu üben und Kompositionsunterricht zu nehmen. Und weil er nun schon mal da ist, spielt er auch der berühmten Clara Schumann vor; ihr Tagebuch vermittelt folgenden Eindruck:


    »Dieser Tage besuchte mich auch der junge Herr von Bülow und spielte mir Mendelssohns d-moll Variationen vor; er hat bedeutende Fortschritte gemacht und spielte ganz vortrefflich, musikalisch, nur schien mir sein Anschlag zuweilen etwas hart und fehlt seinem Spiele noch der poetische Hauch ...«
    Einige Tage später, nachdem er eine Sonate von Beethoven gespielt hatte, meinte sie, dass ihm hierfür noch das rechte Verständnis fehle: »Etwas, denke ich, wird sich das noch finden, wenn er erst zum Manne heranreift«


    Und wie Hans von Bülow heranreift - durch die Scheidung der Eltern bedingt, zog die Mutter mit Sohn Hans und dessen Schwester nach Berlin, wo der fast unermüdliche Hans von Bülow fortan an vielen musikalischen Fronten arbeitete. Er studierte zwar zunächst in Berlin weiter, aber die Musik ließ ihn auch da nicht los. Er schrieb Rezensionen für die »Berliner Abendpost« und spielte Giacomo Meyerbeer vor, der ihn für ein Konzert am königlichen Hof empfahl, das dann allerdings nicht zustande kam.
    Bereits als Schüler in Dresden begann für Hans Bülow die Bewunderung, ja Vergötterung Richard Wagners, wo er von einer »Rienzi«-Aufführung ganz hingerissen war und er Meister Wagner auch als Dirigent von Beethovens »Neunter« bewundern konnte. Schon 1846 gelang es dem jungen Mann im nahen Pillnitz an Richard Wagner heranzukommen. Als ihm dann vier Jahre später Wagner anbot als dirigierender Assistent zu ihm nach Zürich zu kommen, war es um den angehenden Juristen geschehen, seine Eltern waren entsetzt; Bülow bat seinen Vater kniefällig, Musiker werden zu dürfen, was ihm dann auch gestattet wurde; 1853 stirbt der Vater, noch bevor der Sohn seine ganz großen Erfolge als Musiker hatte, was den Sohn sehr betrübte.


    Unter der Aufsicht Wagners widmete sich Bülow intensiv dem Dirigieren und vernachlässigte in dieser Zeit sein Klavierspiel, wenn man mal davon absieht, dass er in einem gemeinsamen Konzert mit Wagner die Tannhäuser-Ouvertüre in der Klavierfassung von Franz Liszt vortrug. An dieser Stelle kann man gleich anfügen, dass Bülow neben Wagner noch einen zweiten »Hausgott« hatte, das war Franz Liszt, dem Bülow in Dresden schon als Zwölfjähriger vorgespielt hatte und dann 1849, auf Anstoß der Mutter, bei einem Besuch in Weimar wieder Kontakt suchte, der dann später auch sehr intensiv zustande kam. Im Sommer 1851 war Bülows Lehrzeit bei Richard Wagner beendet und nun wandte er sich wieder dem Klavierspiel zu; er reiste zu Liszt nach Weimar, der sich dort mit seiner Fürstin niedergelassen hatte, wurde aber von seinem alten Freund Raff betreut, weil Meister Liszt mal wieder auf Reisen war und erst in einigen Wochen zurückerwartet wurde, konkret waren das dann vier Monate Wartezeit, die natürlich ein Hans von Bülow nicht verplemperte, sondern fleißig jeden Tag am Klavier übte, aber auch die spanischen Sprache studierte und Artikel für die »Neue Zeitschrift für Musik« schrieb, und - man ahnt es - sich schreibend für Richard Wagner einsetzte.


    Als dann Liszt endlich im Oktober erschien und Bülow in dieser Phase seiner Entwicklung spielen hörte, prognostizierte Liszt, dass sich Bülow schon in acht Monaten in allen Musikzentren Europas als Liszt-Nachfolger präsentieren könne. Als Dreiundzwanzigjähriger gab Hans Guido von Bülow, Pianist aus Weimar - so die Ankündigung - am 15. März 1853 sein erstes Solokonzert im Saale der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Die Veranstaltung war für Bülow ein künstlerischer und finanzieller Misserfolg, in allen Wiener Zeitungen waren die Kritiken schlecht.
    Liszt spendete Trost und ermunterte den jungen Künstler zur Weiterreise nach Ungarn, wo sich dann das Publikum zum Teil enthusiastisch gebärdete; die Presse nannte den Pianisten groß und genial und es war sogar etwas von einem »zweiten Liszt« zu lesen.
    Es folgen Auftritte beim Musikfest in Karlsruhe, sein erstes Konzert in Berlin und ein längerer Aufenthalt in Hamburg. Schließlich wird er Klavierlehrer der Töchter eines Grafen; das war ein hartes Brot, wenn man bedenkt, dass Bülow zu diesem Zeitpunkt schon mit vielen Musikgrößen seiner Zeit musiziert hatte, die Grafentöchter waren völlig unbegabt. Aber höhere pädagogische Aufgaben warteten auf ihn in Berlin; am Stern´schen Konservatorium fand er eine materielle Basis, die zwar kein Leben auf hohem finanziellen Niveau erlaubte, aber ihm eine stete Grundsicherung bot; in den reich bemessenen Ferien konnte er auf eigene Faust konzertieren.


    Kaum hatte er die unbegabten Grafentöchter in der Provinz hinter sich gelassen, wurde er mit dem Musikunterricht zweier junger Damen betraut, bei denen man etwas besseres Genmaterial vermuten durfte, es waren die beiden Töchter von Franz Liszt, Blandine und Cosima. Der Rabenvater - damit tut man Liszt kein Unrecht an - hatte Frau von Bülow gebeten, die Mädels in ihren Haushalt in Berlin aufzunehmen. Es wurde ein extra Klavierzimmer eingerichtet. Der in dieser Sache zu naive Klaviervirtuose war davon überzeugt, dass Mutter Bülow das alles fest im Blick hatte und schrieb an Frau von Bülow:


    »Was Ihren Herrn Sohn betrifft, so wissen Sie, verehrte Frau, mit welcher Aufrichtigkeit und Lebhaftigkeit ich ihm zugetan und ergeben bin ... aber soweit ich ihn kenne, dürfte eine Ehe weder nach seinem Geschmack noch auch im Interesse seiner Laufbahn sein und wenn er sich wirklich später dazu entschließt, so wird es ihm nicht schwer fallen, weit vorteilhaftere Partien zu finden, als meine Töchter sind.«


    Wer etwas Lebenserfahrung mitbringt weiß, dass auch der eifrigste Pianist von einer knapp 18-jährigen Schülerin von seiner rein künstlerischen Aufgabe abgelenkt werden kann, der Herr Klavierlehrer war 25 Jahre alt; schon zwei Jahre später, am 18. August1857, heirateten die beiden nach katholischem Ritus in der St. Hedwigskirche in Berlin.
    Sowohl Cosimas Mutter Marie d´Agoult als auch Franz Liszt hatten vor dieser Verbindung gewarnt; als Hans Bülow bei Liszt um die Hand seiner Tochter anhielt, verlangte dieser ein Jahr Wartezeit. Nun war also die Ehe besiegelt; die Hochzeitsreise der beiden Wagner-Verehrer ging nach Zürich, wo Wagner im Exil lebte. Cosima war Wagner bereits 1853 schon einmal begegnet. Für die Jungvermählten war das ein ganz außergewöhnlicher Besuch, denn sie lernten dort die Entwürfe der »Walküre« und des »Siegfried« - von Wagner gesungen - kennen, Bülow begleitete am Flügel. Wagner rezitierte auch aus »Tristan und Isolde«, Cosima brach in Tränen aus ... man darf vermuten, dass hier bereits eine innere Zuwendung zu Wagner erfolgte. Als die Bülows ein Jahr darauf wieder nach Zürich kamen, hing dort der Haussegen schief; Wagner hatte in einem Brief geschrieben: »Nimm meine ganze Seele zum Morgengruße«, aber der war nicht an Minna Wagner adressiert, sondern an Mathilde Wesendonck; Minna Wagner hatte den Brief abgefangen und war sauer, entsprechend war die Stimmung im Hause Wagner.


    In seinen zehn Berliner Jahren empfindet Bülow seine Lehrtätigkeit am Stern´schen Konservatorium als ungeliebte Fronarbeit, aber er konzentriert sich in den Konzertsälen Europas vorrangig auf die Verbreitung der Kompositionen von Franz Liszt und Richard Wagner. Dabei zog er sich die Feindschaft der Konservativen Musiker und eines Teils der Presse zu. So wurde mitunter sein exzellentes Klavierspiel kaum beachtet, weil sich die Kritik primär über den neudeutschen Musikstil ausließ, Bülow keilte dann entsprechend zurück.


    Natürlich musste ein Virtuose, der Karriere machen wollte, auch in Paris erfolgreich gewesen sein; die Bülows reisten nach Paris und brachten für einen Aufenthalt dort die besten Voraussetzungen mit. Cosima war dort aufgewachsen und auch Hans beherrschte die Landessprache. Bülow ließ da auch nichts anbrennen und bereitete seinen Auftritt nicht nur künstlerisch vor. Innerhalb von vier Tagen besuchte Bülow in Paris 43 Journalisten und Kollegen, wie er seiner Mutter nach Berlin berichtete, und noch sei er mit seiner Besuchstour nicht ganz durch. Beim Konzert saßen dann unter anderen auch die Herren Berlioz und Meyerbeer im Saal. Seine Konzerte waren in Paris so erfolgreich, dass er im folgenden Jahr wieder nach Paris kam. Natürlich war Bülow auch 1861 in Paris als dort unter skandalösen Umständen »Tannhäuser« aufgeführt wurde.


    Bülow hatte als Pianist und Dirigent jede Menge Verpflichtungen, aber dies belastete ihn auch, weil er meinte immer noch besser werden zu müssen. Und wieder werden Ferien im Dunstkreis von Richard Wagner verbracht, diesmal in Biebrich am Rhein - Ferien? Neben anderen musikalischen Aktivitäten lernen sie die Skizzen der Meistersinger-Komposition kennen, und Hans Bülow kopiert die 145 Seiten des Manuskripts; in Zahlen ausgedrückt, waren das fünf Tage lang jeweils acht Stunden. Etwas Freizeit blieb dennoch, man besuchte Bingen, Rüdesheim, Rolandseck und bestieg gemeinsam den 320 Meter hohen Drachenfels.
    In diesen Urlaubstagen zeichnete sich die wohl entscheidende Hinwendung Cosimas zu Richard Wagner ab, als dieser sie beinahe mit einer Schubkarre zum Hotel gefahren hätte. Cosima bewunderte den schöpferisch tätigen Wagner und sah in ihrem Mann nur den Diener zweier Herren. Hans von Bülow setzte sich nicht nur künstlerisch unterstützend für Wagner ein, er versorgte den meist klammen Meister auch mit Barem, das er erspielte. Einmal versetzte er sogar einen Ring, den ihm die Großherzogin von Baden geschenkt hatte, und sandte den Erlös von 200 Talern an Wagner.


    Im März 1863 wurde Hans Bülow zum zweiten Mal Vater, Cosima hatte die zweite Tochter Blandine geboren. Hans von Bülow war nun praktisch überall anerkannt, bekam Anerkennung von seinem früheren Klavierlehrer Friedrich Wieck und dessen Tochter Clara Schumann und die philosophische Universität Jena verlieh ihm 1864 den Dr. honoris causa; mit diesem Titel wollte sich Bülow auf künftigen Konzertprogrammen gedruckt sehen.
    Nach dieser akademischen Ehrung folgte eine sehr erfolgreiche Rußlandreise, in deren Verlauf man ihm auch gut dotierte Positionen anbot, aber er konnte sich nicht zu einer Übersiedlung entschließen. Das war nun auch nicht mehr nötig, denn noch Lukrativeres war im eigenen Land geboten; Richard Wagner rief zum Willkomm an den Starnberger See: »Bevölkert mein Haus, nur Ihr fehlt noch zu meinem Glücke.« Wagner hatte in Bayern König Ludwig II. einen potenten Bewunderer gefunden, Geld war vorhanden und der König hatte für einen dem großen Komponisten adäquaten Wohnsitz gesorgt, Cosima war in greifbare Nähe gerückt - Richard Wagner war glücklich. Cosima reiste mit den beiden Kindern voraus und zog zu Wagner in die Starnberger Villa. Hans von Bülow schloss seine Verpflichtungen am Konservatorium in Berlin ab und folgte eine Woche später.
    Die internationale Pianisten-Karriere war unterbrochen, Bülow hatte an der Hofoper zu dirigieren und dem König vorzuspielen, der vorwiegend Bühnenwerke von Wagner hören wollte. Amtlichen Unterlagen zufolge wurde Hans von Bülow am 10. April 1865 eine Tochter Isolde geboren; der biologische Vater war Richard Wagner. Genau zu diesem Termin begannen die Orchesterproben für die Uraufführung von »Tristan und Isolde«, das Bülow als das wichtigste künstlerische Ereignis des Jahrhunderts bezeichnete. Inwieweit Bülow über die Beziehung zwischen Cosima und Wagner Bescheid wusste ist nicht bekannt, aber es ist anzunehmen, dass er manches nicht gar zu genau wissen wollte. Cosima fungierte inzwischen als Sekretärin Wagners, die Sache war auch Gegenstand von Zeitungsberichten, gegen die Bülow gerichtlich vorging und von »Verleumdungen« sprach. Am 12. April 1866 konnte er sich wohl nicht mehr selbst täuschen, als ihm ein eindeutiger Liebesbrief Wagners an Cosima zu Gesicht kam - da war Bülow am Boden zerstört und wollte unter einem anderen Himmel möglichst unbehelligt weiterleben, wie er seinem Freund Raff anvertraute. Am 6. Juni bat er den König um seine Entlassung, die ihm umgehend bestätigt wurde. Er löste den Münchner Hausstand auf und begab sich nach Basel, wo er zunächst bescheiden als Klavierlehrer leben wollte.
    Hier kam es dann auch zu einer Aussöhnung mit dem Geiger Joachim, aber zu Brahms konnte Bülow trotz ehrlichen Bemühens immer noch keinen Zugang finden. Er besorgte sich zwar alle bisher erschienenen Werke von Brahms, um diese vorurteilslos zu studieren, kam jedoch zu dem Ergebnis: »das ist für mich keine Musik«.
    Auch mit Cosima und Wagner blieb er in ständigem Kontakt und Cosima führte immer noch Buch über die Konzertauftritte ihres rechtmäßig angetrauten Mannes. Cosima kam gelegentlich auch zu Besuch und sprach gegenüber König Ludwig vom getreuen Hans. Der Getreue erschien dann auch am Kindbett Cosimas, die Wagner gerade eine zweite Tochter geschenkt hatte, und es ist überliefert dass Bülow gesagt haben soll: »je pardonne,« worauf sie antwortete, »il ne faut pas pardonner, il faut comprendre.« (ich verzeihe ... man muss nicht verzeihen, man muss verstehen).


    Eines Tages kommt Cosima mit Richard Wagner nach Basel, um Bülow wieder nach München zurückzuholen, Wagner braucht einen guten Dirigenten zur Einstudierung seiner »Meistersinger«. Im Mai 1867 kehrt Bülow als Hofkapellmeister und Leiter der Musikschule nach München zurück, wo er ein ungeheures Arbeitspensum bewältigt und auch noch - ganz Diener der Musik - vor Ort bleibt, als ihm Cosima am 14. Oktober 1868 brieflich mitteilt, dass sie nun mit Richard für immer zusammenbleibt. Bülows Ehe wurde am 18. Juli 1869 gerichtlich geschieden.


    Es ist in diesem Rahmen unmöglich auf alle Aktivitäten dieses bienenfleißigen Musikers einzu- gehen, aber seine erste Reise nach England, im Mai 1873, ist so ein Beispiel des Fleißes - allein im Mai/Juni trat er in London sieben Mal als Pianist auf, die lobenden Kritiken überschlugen sich während seines fünfwöchigen Aufenthalts. Bei folgenden Reisen lernte er England noch besser kennen. Konzertreisen nach Warschau, St. Petersburg und Moskau wurden unternommen. In Warschau hinderte ihn morgens um sieben ein Dienstbote am Spielen, weil im Nebenzimmer Adelina Patti schlief. Erfolg reihte sich an Erfolg - bis Bülow 1871 in Mailand auftaucht und sich dort negativ über Verdi äußert, diesen als einen »allgewaltigen Verderber des Italienischen Kunstgeschmacks « bezeichnete. Die Empörung war dann entsprechend groß und es war klar, dass Bülow in dieser Stadt nun nicht konzertieren konnte.
    Nun trat Frau von Heldburg auf den Plan, die Herzogin von Meiningen, die ihm ihre Villa Feodora bei Bad Liebenstein zur Verfügung stellte - Meiningen sollte später für Bülow noch interessant werden.


    Hans von Bülow konzertierte auch in der neuen Welt, drei Mal war er in Amerika. Erstmals segelt er im September 1875 los, wird auch prompt seekrank und erreicht nach zehn Tagen Boston. Er ist von Amerika zunächst hell begeistert, aber nach zehn Monaten verließ er Amerika enttäuscht und gesundheitlich schwer angeschlagen. Sein alter Freund Bronsart konnte ihm nach seiner Genesung eine Dirigentenstelle in Hannover anbieten, dann ging es wieder aufwärts mit ihm - bis es zu einem Streit mit dem Tenor des Hauses kam und Bülow ging.
    Er selbst hätte damals wohl nicht geglaubt, dass er nochmals 1889 und 1890 übers große Wasser fährt, aber da war die Passage dann schon wesentlich komfortabler.


    Baden-Baden näher, das war im September 1877. Als die musikalische Welt bemerkt, dass sich Bülow für Brahms ins Zeug legt, reiben sich die Wagnerianer verwundert die Augen, aber Bülow setzt sich auch weiterhin für Wagner ein, indem er mit Beethoven-Sonaten Geld für Bayreuth einspielt. Aber da war nicht nur die Hinwendung zu Brahms, die erstaunt, sondern ebenso rätselhaft die Abwendung von seinem einst so verehrten Meister Franz Liszt - fast unglaublich, wenn man hier das Zitat einfügt:


    »Die Werke und selbst der Name des von mir durch Jahrzehnte hindurch abgöttisch verehrten "Großmeisters" sind mir heute Gegenstand beinahe ebenso uneingeschränkten wie unüberwindlichen Abscheus geworden.«
    Natürlich erfährt Liszt von solchen Äußerungen seines ehemaligen Schülers, stellt sich aber dennoch schützend vor ihn.


    Bülow war Intendant und Dirigent des Meininger Hoftheaters geworden, sein Vertrag galt ab 1. März 1880. Die Herzogin war früher in Berlin Klavierschülerin Bülows gewesen und hatte sich bemüht Bülow nach Meiningen zu holen. Das Gehalt Bülows war nicht allzu üppig, aber er hoffte hier ausreichend Zeit zu haben, um auf hohem künstlerischem Niveau arbeiten zu können; es sollten Musteraufführungen der klassischen Orchestermusik entstehen. Bülow kümmerte sich auch um scheinbare Kleinigkeiten: Ein korrektes Thermometer musste angeschafft werden, Stühle und Pult ... et cetera, mussten repariert werden. Eine noch wichtigere Aufgabe war die Aufstockung des Orchesters von bisher 36 Musikern auf 44, Bülow schaute selbst in Nachbarstädten nach geeigneten Musikern und hatte auch die Militärkapelle im Auge, falls Verstärkung notwendig wurde. Das Meininger Orchester entwickelte sich zu einem »Markenartikel« und »Exportschlager« - es gab kaum eine bedeutende Stadt, in der das Orchester nicht gastierte. Das »Sahnehäubchen« war Brahms, der mehrmals anreiste und mit dem vorzüglich eingespielten Orchester, unbeobachtet von der musikalischen Öffentlichkeit, neue Werke aufzuführen.
    Daneben fand Bülow noch die Zeit eine zweite Ehe einzugehen; während eines Gastspiels in Hamburg ergab sich ein Wiedersehen mit der Schauspielerin Marie Schanzer, die er 1877 in einer Aufführung des Karlsruher Hoftheaters gesehen hatte. Bülow konnte es richten, dass die Dame ein Engagement am Meininger Theater bekam; am 29. Juli 1882 war die Hochzeit.
    Kurz vor seiner Hochzeit war Bülows lebenslanger Freund Joachim Raff in Frankfurt gestorben, im Februar 1883 Richard Wagner in Venedig; den Tod Wagners traute man sich ihm nur in Gegenwart eines Arztes mitzuteilen, in tiefer Depression verließ Bülow Meiningen zu Kuraufenthalten in Würzburg und in der Schweiz. Neben dem renommierten Brahms, musizierten in Weimar damals auch Edvard Grieg und der noch ganz junge Richard Strauss.
    Das erfolgreiche Reiseorchester gastierte weiterhin eifrig in verschiedenen Städten, so auch in Berlin, wo sich Bülow erdreistete das königliche Opernhaus einen Zirkus zu nennen, da war dann anschließend der Teufel los; der Berliner Hof beschwerte sich beim Meininger Herzog, und dieser musste Herrn von Bülow rügen. Der stolze Bülow bat um seine Entlassung, zog dann aber seine Kündigung zurück. Eigentlich einer Nichtigkeit wegen, wurde Bülows Frau vom Theater entlassen, Bülow war wütend und kündigte erneut - zu viel hatte sich angestaut - der Herzog nahm die Kündigung an. Sechs Jahre einer glanzvollen Tätigkeit waren vorüber, Bülows Nachfolger sollte erst noch einen großen Namen bekommen, er hieß Richard Strauss.


    Bülow sieht man nun als reisenden Dirigenten, eine Weile behält er noch seinen Wohnsitz in Meiningen, zum 1. Juli 1887 lässt er sich in Hamburg nieder, 1892 erhält er das Hamburger Bürgerrecht. Hamburg, Bremen und Berlin sind für ihn die musikalischen Schwerpunkte, aber mit seiner Gesundheit geht es bergab. Zudem bricht im August 1892 in Hamburg die Cholera aus. Am 5. Dezember des Jahres muss Bülow wegen Unwohlsein in der Mitte des Programms pausieren. Gesundheitlich schwer angeschlagen dirigiert er im April 1893 nochmals in Berlin, konsultiert auch Ärzte dort, bleibt der Krankheit wegen alleine in Berlin zurück, reist in den Schwarzwald, und zu einem Arzt nach Aschaffenburg.


    Richard Strauss kommt im Januar 1894 gesund aus Ägypten zurück, nun suchte Bülow Heilung von seinem Lungenleiden und reist mit seiner Frau nach Ägypten, aber die Sonne Ägyptens sollte keine Hilfe bringen, sie brachte ihm im Diakonissen-Hospital in Kairo den erlösenden Tod. Der Sarg mit dem einbalsamierten Leichnam wurde nach Hamburg gebracht, wo am 20. März in der Michaeliskirche die Trauerfeier stattfand, die siebenstündige Trauerfeier im »Michel« war von Theaterdirektor Bernhard Pollini arrangiert und Gustav Mahler hörte man an der Orgel, wo er an diesem Tag die Idee zum Finale seiner Zweiten Sinfonie entwickelte.



    Die Namen der prominenten Nachfolger des großen und vorbildlichen Dirigenten


    1978 konnte das Grabmal, das sich in den Jahren zuvor in einem desolaten Zustand befand, durch private Spender restauriert werden. Auf Initiative des Interessenverbandes Deutscher Komponisten und der Berliner Philharmoniker unterstützten auch die bedeutendsten Dirigenten dieses Vorhaben zu Ehren von Hans von Bülow.


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab befindet sich auf dem Friedhof Ohlsdorf, Fuhlsbüttler Straße 756 - 22337 Hamburg.
    Wer das Grab im Friedhofsplan sucht: V 22, man geht vom Bestattungsforum aus geradeaus etwa eintausend Meter auf der Nebenallee bis zur Waldstraße, wo man sich nach links wendet und sich dann in unmittelbarer Nähe des Grabes befindet - dort muss man sich etwas umschauen, weil die Grabanlage nicht direkt an der Waldstraße steht, sondern seitlich im Grünen.


  • Eine herrliche Pastellzeichnung von Marcella Sembrich, die Franz von Lenbach 1891 fertigte


    Zum heutigen Geburtstag von Marcella Sembrich


    Eigentlich hieß sie Prakseda Marcelina Kochánska und war eine polnische Sängerin und Pianistin, die daneben auch noch das Geigenspiel beherrschte. Sie wählte den Geburtsnamen ihrer Mutter - Sembrich - zum Künstlernamen, und galt als eine der besten Koloratursopranistinnen ihrer Zeit, deren Stimme sogar noch auf Tonträgern erhalten ist.
    Marcella Sembrich war auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, als die Entwicklung des Grammophons noch in den Kinderschuhen steckte. Jürgen Kesting meint zu solchen Aufnahmen, die von 1898-1925 entstanden:


    »Dem Ohr schmeicheln sie nicht. ... Bei den Platten so bedeutender Sängerinnen wie Lillian Nordica, Nelli Melba, Emma Eames oder Marcella Sembrich spürt man förmlich die Unverträglichkeit von Stimme und Appartatur.«


    In der Tat waren gerade Sopranstimmen von der damaligen Technik schwer zu erfassen. Also muss man den Beschreibungen der Zeitzeugen glauben, beispielsweise dem renommierten amerikanischen Musikkritiker William James Henderson (1855-1937), der über eine »Rigoletto«-Aufführung mit dem Tenor Alessandro Bonci schrieb:


    »Dieser Tenor ist ein Künstler von solcher Verfeinerung und Geschicklichkeit, dass es ein Vergnügen ist, ihm zu lauschen. Doch verdoppelt sich dieses Vergnügen, wenn er in Gesellschaft eines Soprans wie Marcella Sembrich ist. Der beiden Duett im zweiten Akt gehört zu den vollendetsten und am perfektesten balancierten gesanglichen Darbietungen, die je in der Metropolitan Opera zu hören waren.«


    Und wenn man schon beim Zitieren ist, kann man auch noch gleich die Komponisten mit hinzu nehmen. Von Johannes Brahms ist überliefert: »Sembrich hat einen Geist, ein Herz und eine Seele« und Sergej Rachmaninow soll bemerkt haben: »Ich flechte Gänseblümchen in die Krone von Marcella Sembrich.« In Wien soll Liszt zu ihr gesagt haben: »Du hast drei Paar Flügel, um zu den höchsten Höhen des Ruhms zu fliegen. Du kannst eine große Pianistin, eine große Violinistin oder eine große Sängerin werden.« Bei der Begegnung mit Liszt war sie 16 Jahre alt und verfügte bereits über eine fundierte musikalische Ausbildung.


    Ihr Vater Kasimir Kochanski, wird mal als bekannter, mal als armer Geiger beschrieben, beides kann ja zutreffend sein; als sicher gilt, dass er Musiklehrer war. Daher ist es auch verständlich, dass das Kind schon mit vier Jahren seine Ausbildung im Klavier erhielt, mit sechs im Violinspiel unterwiesen wurde und bereits mit zwölf Jahren Schülerin des Konservatoriums von Lemberg gewesen ist. Ihr Klavierlehrer dort war der Pianist Wilhelm Stengel (1846-1917), den sie 1877 heiratete.


    In Wien wurde sie 1875 Schülerin von Viktor von Rokitansky und von Richard Löwy, später von Francesco Lamperti und von dessen Sohn Giovanni Battista Lamperti in Mailand. 1877 debütierte sie an der Oper von Athen als Elvira in »I Puritani« von Bellini. In den Jahren 1878-80 war Marcella Sembrich Mitglied der Hofoper von Dresden.
    Anschließend ging sie für fünf erfolgreiche Jahre nach London, später dann nochmals, wo sie große Erfolge feiern konnte. Marcella Sembrich war so populär, dass sie schon 1883/84 in der Eröffnungssaison der neuen Metropolitan Opera in New York mit dabei gewesen ist. Ihre Antrittsrolle war »Lucia di Lammermoor«


    Sie hatte an fast allen Musikmetropolen Europas erfolgreiche Auftritte, es ist müßig, hier eine Menge Städte aneinander zu reihen, in denen sie sang ... In den Jahren 1887 bis 1891 war sie immer wieder gern gesehener Gast an der Frankfurter Oper am Main. Da sie auch in Amerika ausgedehnte Gastspielreisen absolvierte, war ihr Bekanntheitsgrad in Amerika entsprechend hoch und wenn es Mm. Sembrich mal nicht gut ging, berichteten die Zeitungen darüber, wie zum Beispiel die »Indiana Tribüne« (deutscher Text in Frakturschrift gedruckt). In dieser Zeitung ist am Mittwoch 27. März 1901 zu lesen:


    »San Francisco: Madame Sembrich wird vielleicht nie mehr öffentlich singen. Die Ärzte der berühmten Primadonna haben der letzteren geraten, ihre sämmtlichen Engagements zu kanzellieren und sich nach Hause, nach Dresden zu begeben, um sich dort auszuruhen. Sie wird schon am Mittwoch nach Europa abreisen. Der Direktor Graff hat die Operngesellschaft aufgelöst und die ganze Organisation wird nach New York zurückkehren.
    Mm. Sembrich wurde zuerst in Salt Lake, Utha, von einem Halsleiden befallen, und als sie hier ankam, hatte sich ihr Zustand nicht gebessert. Sie bestand aber darauf, am Eröffnungsabend zu singen, und seitdem war sie gezwungen, ihr Zimmer in Palace Hotel zu hüten. Ihr Zustand hat sich seitdem immer mehr verschlechtert. Ueberanstrengung der Stimme soll das Leiden verursacht haben.«


    Nun, diese Zeitungsmeldung zeigt, dass die damals 43-jährige Sängerin durch ihre Berühmtheit hoch beansprucht wurde, aber es war noch längst nicht das Karriereende der Marcella Sembrich. Erst lange acht Jahre später, am 6. Februar 1909 verabschiedete sie sich im Rahmen einer Gala-Vorstellung vom Publikum der Metropolitan Oper. In diesem renommierten Opernhaus war sie in 25 Partien, die sie in 252 Vorstellungen sang, zu hören. Im Jahr ihres Abschieds von der »Met« unternahm sie aber auch noch eine große Konzert- und Gastspiel-Tournee durch viele europäische Länder und trat dabei nochmals an den Hofopern von Berlin und Wien auf. Wohl als letzte Bühnenpartie hat sie 1909 an der Oper von Warschau die Rosina im »Barbier von Sevilla« gesungen.1911 gab sie in Wien Ihren letzten Liederabend.


    Nach dem Tod ihres Gatten 1917 beschränkte sie sich ganz auf ihre pädagogische Arbeit. Seit 1924 war sie Leiterin der Gesangabteilung am Curtis Institute of Music in Philadelphia; sie unterrichtet auch an der Juilliard Musikschule in New York. Zu ihren vielen Schülern zählten u.a. Dusolina Giannini, Alma Gluck, Hulda Lashanska und Queena Mario.


    Wenn man zeitgenössische Berichte über die Sängerin studiert, entsteht der Eindruck, dass Marcella Sembrich vor allem immer wieder durch ihre außergewöhnliche Musikalität Maßstäbe setzte. Sie hatte Klavier und Geige offenbar auf so hohem Niveau studiert, dass ihr auch mit diesen Instrumenten eine Solokarriere möglich gewesen wäre, so wie das Franz Liszt schon bei der Sechzehnjährigen gehört hatte.
    Die Konzertgepflogenheiten waren damals ganz andere als heute. So verwöhnte sie ihr Publikum mitunter bei Konzerten, indem sie ihre drei Instrumente - das Klavier, die Violine und die Stimme - an einem einzigen Abend präsentierte.


    Nach ihrem Abgang von der Bühne lebte Marcella Sembrich in der Lake George Region von New York, wo sie sich, wiederum erfolgreich, um den Gesangsnachwuchs bemühte. Ihre damalige Wirkungsstätte ist noch heute in den Sommermonaten als Museum zu besichtigen.
    Marcella Sembrich kehrte nach all ihren weltweit großen Erfolgen, zusammen mit ihrem einstigen Lehrer und Ehegatten, der schon 1917 in den USA verstorben war, nach Dresden zurück, also in die Stadt, wo sie 1878 ihre aufsehenerregende Weltkarriere begann.


    Ihr Sohn, Wilhelm, veranlasste 1935 die Überführung seiner Eltern vom fernen New York auf den Johannisfriedhof nach Dresden.
    Die letzte Reise der beiden Künstler ist gut dokumentiert, sogar, dass Marcella Sembrich-Stengel an Asthma verstarb, steht in den Überführungspapieren. Ihre Särge gingen auf dem Seeweg von New York nach Southampton und Bremen und von dort aus mit der Eisenbahn über Leipzig nach Dresden, wo dann am 17. April 1935 die Beisetzung in der Familiengruft erfolgte.


    Die Zeit ging ins Land, ein gewaltiger Krieg entfachte einen Weltenbrand und die Stadt Dresden wurde grausam zerstört; es gab andere Sorgen, als die der Grabpflege. Einen entsprechend traurigen Anblick bot auch die Ruhestätte der verdienten Sängerin. In Zusammenarbeit mit der Polnischen Botschaft konnte die Grabstelle wieder saniert werden. Zum Tag des Friedhofs im Jahr 2014, war eine ganze Veranstaltung Marcella Sembrich gewidmet.




    Praktischer Hinweis:
    Johannisfriedhof Dresden-Tolkewitz, Wehlener Straße 13
    Man benutzt von der Wehlener Straße aus den breiten Weg zwischen dem Verwaltungsgebäude und dem großen Komplex der Kapelle und geht bis zum Feld 4 D. Das Grab liegt jedoch nicht direkt an diesem breiten Weg, den man dort nach links verlässt und sich nach der Grabanlage mit den dunklen Schrifttafeln umschaut.



  • Zum heutigen Todestag von Leonie Rysanek


    Sie hatte sich schon als Kind vorgenommen, einmal nicht in der Armut zu leben, die sie in ihren Kinderjahren erfahren musste. Der Vater war ein einfacher tschechischer Steinmetz und oft arbeitslos; es war die Zeit der Wirtschaftskrise. Die Mutter war Österreicherin und hatte ihrem Mann sechs Kinder geboren, darunter zwei Mädels, die es immerhin zur Wiener Staatsoper schafften. Die 1924 geborene Lotte sang mehr als drei Jahrzehnte an der Wiener Staatsoper, und der 1926 geborenen Schwester Leonie gelang eine Weltkarriere.
    Aus den ärmlichen Verhältnissen ihrer Kindheit wollte Leonie also unbedingt heraus. Sie war ein aufgewecktes, lernbegieriges Kind und konnte schon mit fünf Jahren lesen ohne dass sie jemand dazu gedrängt hatte, es geschah aus eigenem Antrieb. Sie wollte eigentlich schon immer zum Theater, aber sie dachte zunächst nicht an die Staatsoper; die Mitwirkung in einem Wanderzirkus war für sie zu dieser Zeit das non plus Ultra. Nach dem Krieg nahm sie bei einem Schauspieler Unterricht, der sie offenbar irgendwann mal singen hörte und ihr riet es mit Gesang zu versuchen. Bei einer alten Lehrerin studierte sie auf privater Basis anderthalb Jahre Gesang. Sie hatte bis dahin keine musikalische Vorbildung, Notenlesen und Klavierspielen hatte sie sich im Selbststudium erarbeitet.
    Nach den Gesangsstunden bei der alten Dame hatte sie dann sowohl an der Musikhochschule in Wien als auch am Konservatorium vorgesungen; beide Institutionen wollten sie haben, sie entschloss sich für das Konservatorium, weil Alfred Jerger dort lehrte, der über viele Jahre ein führender Bariton der Wiener Staatsoper war. Am Konservatorium hatte man die Schülerin Rysanek immerhin so weit gebracht, dass sie am Theater in Innsbruck ohne Diplom vorsang, was zwar zum Rauswurf aus der Bildungsanstalt führte, aber auch gleichzeitig zum Engagement in Innsbruck. Ihre Diplomprüfung holte sie dann später nach, da sang sie in Innsbruck schon die Brünnhilde.


    Schon 1949 debütierte sie also am Theater in Innsbruck als Agathe im »Freischütz«. Aber, oh Schreck, der gleiche Dirigent, der sie engagiert hatte, lehnte sie plötzlich ab und nannte sie unmusikalisch. Leonie Rysanek war kurzsichtig - eine Familienkrankheit - und konnte den Dirigenten nur schemenhaft agieren sehen. Für die nachzuholende Abschlussprüfung am Konservatorium studierte sie die »Tannhäuser«-Elisabeth. Am Innsbrucker Theater waren nun scheinbar drei Damen, die diese Elisabeth darstellen konnten, Rysanek wurde zunächst beiseite geschoben, aber nun stellte sich heraus, dass es die beiden anderen Damen nicht zuwege brachten, der Dirigent war somit gezwungen, es doch mit der Rysanek zu versuchen. Dieser Versuch war für Leonie Rysanek ein durchschlagender Erfolg und das junge Ensemblemitglied avancierte zum Liebling des Dirigenten. Es folgten die Gilda, die Brünnhilde in der »Walküre« (die einzige ihres Lebens). Tatjana, Desdemona ...
    In Innsbruck lernte sie auch den um 28 Jahre älteren Bariton Rudolf Großmann kennen, den sie 1950 heiratete. Neben ihren Wiener Studien konnte sie von diesem erfahrenen Bühnenmann noch einiges lernen. Großmann verfügte zwar über keine besonders gute Stimme, hatte aber eine umfassende musikalische Bildung und war ein guter Schauspieler.
    Für das Paar ergab sich nun die Schwierigkeit, dass sie sich jeweils im »Doppelpack« engagieren lassen wollten, weshalb es in den Folgejahren zu einigen Komplikationen kam, denn als »Traumpaar« auf der Bühne waren sie nicht bekannt. Aber bei dem Engagement nach Saarbrücken sah das so aus, dass man Großmann an der Saar haben wollte und die Gattin das Anhängsel war. Für aus Innsbruck Kommende war diese trostlose Nachkriegsstadt allerdings ein großer Schock. 1950 steht die Anfängerin auf der Bühne in Saarbrücken, also da, wo auch Jonas Kaufmann einige Jahrzehnte später seine ersten Schritte auf der Opernbühne absolvierte.


    In dieser Zeit war Wieland Wagner gerade dabei sein neues Bayreuth auf die Beine zu stellen, Leonie Rysanek wurde zum Vorsingen nach Bayreuth eingeladen, wo sie mehr als eine halbe Stunde lang einen Querschnitt durch ihr Repertoire vortrug - nach ihrer Darbietung kam dann der berühmte Satz: »Sie werden von uns hören«. Als die Aspirantin im Hotel gerade dabei war ihre Sachen zusammenzupacken, klingelte das Telefon, Wieland Wagner lud sie zum Essen ein, in die »Eule«, wohin denn sonst ...
    Und dann saßen sie da und redeten über alles Mögliche, Rysaneks innere Spannung wuchs, sie zündete sich eine Zigarette an - Wieland nahm ihr den Glimmstängel ab und sagte: »Meine Sieglinde raucht nicht« Die Überraschung war gelungen und Rysanek im siebten Himmel.
    1951 also ihr erstes Debüt als Sieglinde in »Die Walküre« im Bayreuther Festspielhaus, sie war 23 Jahre alt.
    Die Herren Knappertsbusch und von Karajan standen am Pult. Dieser Bayreuth-Auftritt wirkte - da gelungen - absolut karrierefördernd. Aber überraschenderweise gab es für Rysanrk auf Jahre hinaus keine Karriere in Bayreuth. Sie war sich so sicher, dass sie in der nächsten Saison hier wieder die Sieglinde geben würde, aber Wieland Wagner eröffnete ihr, dass er sie eher als Brangäne sehe, es kam zum Disput und plötzlich war die so erfolgreich in Bayreuth gestartete Sieglinde draußen.
    Aber man sah und hörte Frau Rysanek in den Jahren 1952 bis 1954 am Münchner Nationaltheater, wo sie keine großen Schwierigkeiten hatte, aber ihr Mann, immerhin im fortgeschrittenen Alter, kaum eingesetzt werden konnte. Sie selbst ärgerte sich maßlos darüber, dass sie dort bei den Festwochen nicht die Donna Anna bei der Eröffnungspremiere singen durfte, was ihr von Hartmann zugesagt worden war, wie es Rysanek darstellt. Nun machte sie zunächst eine europäische Karriere.


    Als man in Wien - die Staatsoper war noch im Aufbau - eine Myrtocle für die selten gespielte D´Albert-Oper »Die toten Augen« benötigte, sprang sie dort erfolgreich für Maria Reining ein; auf dem Programmzettel stand damals: »Myrtocle: Leonie Rysaneck a. G.«, die richtige Schreibweise ihres Namens war beim Theater in Wien noch nicht bekannt ...
    Später sang sie an der Wiener Staatsoper wo sie trotz ihrer weltweiten Verpflichtungen für vier Jahrzehnte ihre künstlerische Heimat fand.
    Als die Rysanek an der Wiener Staatsoper mit Riesenerfolg die Desdemona sang und erfuhr, dass die italienische Sängerin der Emilia die dreifache Gage bekam, machte sie gegenüber Karajan von ihrem Temperament Gebrauch, und der meinte lakonisch: Gehen Sie und machen erst mal eine Weltkarriere - Rysanek befolgte diesen brutalen Ratschlag und das Unternehmen ist ihr gelungen; ihre große Karriere machte sie eigentlich in Amerika, die enge Bindung an das Haus ihrer Heimatstadt war nicht mehr gegeben.


    Eine wichtige Station, die man nicht unterschlagen sollte, war für Leonie Rysanek auch Stuttgart, wo sie viel italienisches Fach sang und sich mit Dr. Schäfer ausgezeichnet verstand, der sie durch gutes Zureden - singen Sie doch hier die Sieglinde - wieder mit Wieland Wagner zusammenbrachte, der so tat als sei nie etwas zwischen ihnen gewesen. Aber auch die weitere Zusammenarbeit der beiden gestaltete sich nicht spannungslos, das war stets ein »Feuer-Wasser-Verhältnis«. Erst 1958 hörte man sie dann auf dem Grünen Hügel wieder als Sieglinde und Elsa von Brabant, ein Jahr darauf als Senta. 1964 sang sie die Elisabeth in »Tannhäuser«.


    Leonie Ryasanek liebte Amerika, weil sie dort Erfolg hatte. Sie war bereits als Aida an der »Met« engagiert, das sollte dort ursprünglich ihr Debüt sein. Erst als sich Maria Callas mit Rudolf Bing überwarf - das war im November, im Februar sollte »Lady Macbeth« in New York Premiere haben - erinnerte sich Bing, dass Frau Rysanek schon einmal in San Francisco als Lady für die Callas eingesprungen war. So kam es zu ihrem »Met«- Debüt als Lady Mecbeth.
    1956 hatte Jussi Björling seine Kollegin Rysanek für die »Met« empfohlen. Dennoch gestaltete sich Rysaneks Verhältnis zu Bing am Anfang etwas holprig, weil er sie zunächst etwas von oben herab behandelte und es zu Meinungsverschiedenheiten kam. Erst als Bing etwas später nach München reiste und ihr Debüts in »Aida«, »Macht des Schicksals«, »Don Carlos« und »Der fliegende Holländer« anbot, kam es zur Zusammenarbeit.
    Aber auch im von ihr geliebten Amerika war nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen; als sie dort die Desdemona singen sollte, bekam sie von der Italienfraktion so ernste Drohungen - immerhin stand im Raum, dass man sie niederknallen werde - dass Rysanek abreisen wollte. Daraufhin ließ Bing den Stehplatz sperren und holte die Polizei in den Zuschauerraum. Obwohl der Abend rein äußerlich ein großer Erfolg war, wurden ihre Nerven weit über Gebühr belastet und sie schlitterte langsam in eine Krise. Das Eheleben gestaltete sich zusehends problematischer, der große Altersunterschied machte sich immer mehr bemerkbar und zu alledem hatte sie sich nun auch noch vorgenommen, als gertenschlanke Sängerin nach New York zu kommen und hungerte sich binnen vier Monaten 20 Kilogramm von den Knochen. Hieraus folgte eine Übernervosität, die Unbefangenheit der Anfangsjahre - ich kann alles - kehrte sich ins Gegenteil, denn sie war jetzt eine Berühmtheit und sah sich einem gewissen Druck ausgesetzt, ihre Absagen häuften sich. Sie nahm sich in Florida eine Auszeit von einigen Wochen, insgesamt pausierte sie etwa ein halbes Jahr. Dann lernte sie ihren zweiten Mann kennen und es ging wieder aufwärts, aber in einem Gespräch sagte sie: »Aber ich weiß, ich bin nie wieder die alte geworden«


    In den jungen Jahren konnte sie mit der Marschallin im »Rosenkavalier« nichts anfangen, nun sah sie diese Rolle mit ganz anderen Augen, als sie auf die Fünfzig zuging. Nicht zuletzt auch durch den neuen Partner an ihrer Seite, vollzog Frau Rysanek - wie viele andere Sängerinnen auch - einen wohlüberlegten Fachwechsel: Sie verließ die Partien mit den flammend hohen Tönen und wandte sich Charakterpartien des Mezzo-Fachs zu.
    In Wien gab sie am 18. März 1979 ihr Rollendebüt als Kundry, die sie dann dort noch acht Mal bot, bevor sie 1982 zur 100-Jahr-Feier des »Parsifal« diese Partie auch in Bayreuth sang. Von der Elsa wechselte sie zur Ortrud, von Chrysothemis zu Klytämnestra, von Salome zu Herodias. Neu erarbeitete sie die Gräfin in Tschaikowskys »Pique Dame« und die Küsterin in Janáceks »Jenufa«.


    Ihrem darstellerischen Elan lagen ganz besonders Wagner und Richard Strauss, wobei man jedoch nicht vergessen sollte, dass sie auch im italienischen Fach eine gute Figur machte, was sie weltweit unter Beweis stellte. Auch bei Leonie Rysanek ist es müßig alle Stätten ihres Wirkens aufzuzählen, man stellt einfach fest, dass sie an allen bedeutenden Häusern der Welt sang, also auf höchstem Niveau.
    Apropos Niveau, natürlich waren auch hier »Erbsenzähler« unterwegs, die feststellten, dass Rysaneks Platten nicht ganz halten, was der Rum der Sängerin verspricht. Zu dieser Aussage passt, dass Leonie Rysanek der im Studio erzeugten Musik mehr als reserviert gegenüberstand, sie brauchte die unmittelbare Aktion bei ihrem künstlerischen Tun, dann war sie hervorragend, so wurde sie zu einem Publikumsliebling - der hier Schreibende konnte die Sängerin in den 1960er Jahren einmal als Desdemona an der Seite von Mario del Monaco erleben und ist nicht nur auf Presseberichte angewiesen.
    Sie selbst sah sich so:


    »Ich kann mich doch so schwer bremsen beim Singen. Da verausgabe ich mich total am Anfang, und dann hab ich am Schluss keine Kraft mehr. Ich bin doch so intensiv, dass ich manchmal sogar die Noten vergesse. Mir fehlt einfach die Selbstbeherrschung«.


    Trotzdem war Leonie Rysanek auch eine recht kluge Sängerin, die ihre Grenzen kannte. Recht früh schon, es war 1952, sang sie mal die »Figaro«-Gräfin und musste erkennen, dass sie eben keine Mozart-Sängerin war, dass ihr dazu sowohl das Timbre als auch die entsprechende Musikalität und das Stilgefühl für Mozart fehlte.


    Nicht nur bei Mozart, auch bei Wagner, glaubte sie ihre Grenze erkannt zu haben, nach langem Kampf mit sich selbst warf sie das Handtuch und entsagte - obwohl in Stuttgart schon das Premierendatum feststand - der Isolde. Gleich sechsmal hatte sie die Partie im Zimmer gesungen, dann war die Stimme weg; sie konnte es, traute sich aber damit letztendlich nicht auf die Bühne. In einem Interview sagte Rysanek einmal:


    »Ich bin halt ein pathetischer Mensch, was soll ich machen? Wissen Sie, was ich am liebsten tu? Ich schreie und springe so gern auf der Bühne.«


    Berühmt wurde sie als Sieglinde auch durch den Schrei, den sie im ersten »Walküren«-Akt ausstieß.


    1984 wurde die Künstlerin anlässlich ihrer 25-jährigen Zugehörigkeit zur »Met« durch ein großes Galakonzert geehrt. Noch viele Jahre danach stand sie auf der Bühne der Metropolitan Oper. Erst am 2. Januar 1996 verabschiedete sich Leonie Rysanek als die alte Gräfin in Tschaikowskys »Pique Dame« von ihrem New Yorker Publikum - sie war 69 Jahre alt. Während dieser Opernproduktion erhielt sie die Bestätigung ihrer Krebsdiagnose.


    Den Abschied in ihrem Heimatland gab sie im Rahmen der Salzburger Festspiele im August 1996 als Klytämnestra in »Elektra« von Richard Strauss unter der musikalischen Leitung des ehemaligen Wiener Opernchefs Lorin Maazel - es war ein Abschied nach 47 Bühnenjahren.
    Als Leonie Rysanek allein vor den Vorhang trat, ergoss sich eine Blumenlawine über sie, Transparente wurden entrollt, der Applaus war stürmisch, viele Zuschauer weinten.


    Mehr als vier Jahrzehnte stand Leonie Rysanek auf den ganz großen Bühnen der Welt. Sie musizierte noch mit Furtwängler und sang an der Seite von Jussi Björling, als dieser auf dem Höhepunkt seiner Karriere war. Wagner und Strauss waren ihre Komponisten, aber sie wusste sich durchaus auch im italienischen Fach zu bewegen. Dem sogenannten Regietheater stand sie mehr als nur reserviert gegenüber - bezüglich ihrer Bühnenfiguren war sie gerne ihre eigene Regisseurin. John Rockwell, der Kritiker der New York Times, schrieb einmal, dass Frau Rysanek nie eine Sängerin der geraden Gesangslinie und des Belcanto war, aber eine expressionistische Schauspielerin, die unter dem Stress der Emotionen spannende, bedeutsame Worte hervor bringt ... und er meint zum Schluss seiner Betrachtungen, dass das Ergebnis nicht die Störung der Musik ist, sondern die Verbesserung des Dramas.


    Ein ruhiges Privatleben nach ihrer aktiven Bühnentätigkeit war ihr nicht vergönnt. 1997/98 war Leonie Rysanek noch Präsidentin der Wiener Festwochen.


    Bei der Trauerfeier nahmen trotz Regenwetter mehrere hundert Menschen auf dem Wiener Zentralfriedhof Abschied von Leonie Rysanek. Musikalisch wurde die Feier durch den Chor der Wiener Staatsoper, dem Rainer Küchel Quartett und Kammersängerin Hildegard Behrens gestaltet.



    Praktischer Hinweis:
    Das Grab von Leonie Rysanek befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 33 Grab Nr. 27

  • Lieber "hart", vielen Dank für deinen schönen und ausführlichen Bericht zu Leonie Rysanek.

    Apropos Niveau, natürlich waren auch hier »Erbsenzähler« unterwegs, die feststellten, dass Rysaneks Platten nicht ganz halten, was der Rum der Sängerin verspricht. Zu dieser Aussage passt, dass Leonie Rysanek der im Studio erzeugten Musik mehr als reserviert gegenüberstand, sie brauchte die unmittelbare Aktion bei ihrem künstlerischen Tun, dann war sie hervorragend, so wurde sie zu einem Publikumsliebling - der hier Schreibende konnte die Sängerin in den 1960er Jahren einmal als Desdemona an der Seite von Mario del Monaco erleben und ist nicht nur auf Presseberichte angewiesen.

    Es gab und gibt so Stimmen, die in der Höhe so weit werden, dass man sie irgendwie schlecht im Studio einfangen und auf Schallplatte bannen kann, zumindest geht dabei viel ihrer Besonderheit verloren, das Live-Erlebnis kann eine solche Studioaufnahme dann nicht vermitteln. Gisela Schröter war so ein Fall eines "Bühentieres", die für das Studio völlig ungeeignet war, bei Eva-Maria Bundschuh war es ähnlich und bei Leonie Rysanek wohl auch. Live habe ich sie nur noch als Klytämnestra und Kabanicha erlebt, aber insbesondere erstere Rolle auf der Bühne war schon ein Ereignis!

    Berühmt wurde sie als Sieglinde auch durch den Schrei, den sie im ersten »Walküren«-Akt ausstieß.

    Das war der erste Schrei, und nach dem glaubhaften Bericht von Besuchern gab es immer noch einen zweiten Schrei im 2. akt, nämlich dann, wenn Siegmund getötet wird.
    Bei der Klytämnestra waren die Schreie bei ihrer Ermoderung auch markerschütternd!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Zum heutigen Todestag von Gerhard Stolze



    Jens Malte Fischer spricht von einer der faszinierendsten Erscheinungen auf den deutschen Bühnen der 1950er und sechziger Jahre und beschreibt den Sänger unter anderem so:


    »Der gebürtige Dessauer, der zunächst Schauspieler war, war ein Solitär als Buffo- und Charaktertenor, aber diese Fachbezeichnungen sagen wenig, denn Stolze war eben Stolze, eigenartig und unverwechselbar mit seinem fast krähenden, scharfen Ton und seiner äußerst eigenwilligen Technik, gewissermaßen die Kreuzung von Julius Patzak und einem Heldentenor, messerscharf über Orchesterfluten triumphierend, in einem seltsamen Niemandsland zwischen Singen und Sprechen sich bewegend, durch die Stimme allein alle Nuancen hervorbringend, die man dem bubenhaften runden Gesicht nicht zutraute.«


    Die persönliche Erinnerung geht zurück ins Jahr 1957, zur Schwetzinger Uraufführung von Werner Egks Oper »Der Revisor«, einer Aufführung der Stuttgarter Staatsoper, bei der die beiden so unterschiedlichen Tenöre Gerhard Stolze als Hochstapler Chlestakow und Fritz Wunderlich in der Rolle des Bobtschinskij zu hören waren.
    Viel bekannter war Stolze allerdings als Herodes in der Strauss-Oper »Salome«, wo er viele mit seiner Rollengestaltung begeistern konnte - Karajan ließ den Erkrankten sogar auf die Bühne tragen, weil Stolze des Gehens nicht fähig war.
    Ganz anders sieht - besser gesagt hört - das Jürgen Kesting, der schreibt:


    »Noch weniger befreunden kann ich mich mit dem gestikulierend singenden Gerhard Stolze als Herodes - eine jener "Charakterdarstellungen" mittels vokaler Denaturierung, denen ich am liebsten aus dem Wege gehe.«


    An der Wiener Staatsoper gab Stolze den Herodes insgesamt 32 Mal, letztmals am 14. September 1972 unter dem Dirigat Christoph von Dohnánys und mit Shari Boruvka als Herodias, als Salome trat Anja Silja auf.


    Bei den Bayreuther Festspielen war Stolze seit 1951 fast immer dabei; Augustin Moser, Hirte, Froh, Mime, Loge ...


    Lena Stolze, die eine Tochter des Sängers, beginnt mit der Darstellung des Lebenslaufs ihres Vaters bei dem siebzehnjährigen Gerhard Stolze, der einberufen wurde und in der belgischen Gefangenschaft Erich, einen Homosexuellen Regisseur kennenlernt. Schon im Lager spielen sie ihre ersten Stücke, und gingen nach ihrer Entlassung an das Theater in Zwickau. Als Stolze die Schauspielerin Gabriele Gretschel kennenlernt und heiratet, nimmt sich Erich das Leben.


    Nun wendet sich Stolze dem Gesang zu und lässt sich von dem Bassisten Willy Bader und dem Tenor Rudolf Dittrich - beide gestandene Sängerpersönlichkeiten der Dresdner Oper - ausbilden. 1949 gab Stolze dann als Augustin Moser in den »Meistersingern« sein Debüt an der Dresdner Staatsoper, wo er bis 1953 blieb. In den Jahren 1953 bis 1961 war er an der Berliner Staatsoper engagiert, hatte aber, während er hier tätig war, auch schon Gastspielverträge mit den Staatsopern Wien und Stuttgart, wo Stolze in neunzehn Neuinszenierungen mitwirkte und sogar in »Hänsel und Gretel« selber einmal Regie führte; unter der Ägide Wolfram Schwingers scheint er sich in Stuttgart besonders wohl gefühlt zu haben.



    Obwohl er als Star in Ostberlin einen gewissen Status hatte und am Langen See eine von der Partei spendierte Villa bewohnen durfte, mochte er sich nicht einmauern lassen und ging mit der Familie 1961 in den Westen, nach Wien; seine Tochter Lena, heute eine bekannte Schauspielerin, war damals gerade mal fünf Jahre alt.


    Seinen ersten großen Erfolg hatte er bei den Bayreuther Festspielen, wo er seit 1951 fast alljährlich auftrat. Er sang in Bayreuth 1951-58 und 1961-62 einen der Knappen im »Parsifal«, 1951-52 den Augustin Moser und 1956-61 den David in den »Meistersingern«, 1952 und 1962 den Hirten im »Tristan« (1962 zusätzlich auch den jungen Seemann), 1953 den Froh sowie 1960-62 und 1964 den Loge im »Rheingold«, 1953-54, 1958 und 1962 einen der Edlen im »Lohengrin«, 1954-55 Heinrich den Schreiber und 1961-62 den Walther von der Vogelweide im »Tannhäuser«, 1957-58 und 1968-69 den Mime im »Rheingold«, 1958 und 1968-69 den Mime auch im »Siegfried«.


    Stolzes Debüt an der Wiener Staatsoper war der Chlestakow in »Der Revisor« von Werner Egk, wie oben schon erwähnt, hatte er diese Oper vorher in Schwetzingen mit aus der Taufe gehoben. An der WSO brachte er es auf die stattliche Anzahl von 464 Vorstellungen. Das waren dann Rollen wie beispielsweise der Monostatos in der Zauberflöte, aber auch die Titelrolle im »Wozzeck« oder die Titelpartie in der Uraufführung von Carl Orffs »Oedipus der Tyrann«.


    Mit Karajan verstand sich Gerhard Stolze recht gut. Karajan unterstützte ihn bedingungslos. Als Stolze mit 32 Jahren mit Kinderlähmung in der eisernen Lunge lag, hat Karajan als Direktor der Wiener Staatsoper dafür gesorgt, dass sein Vertrag so lange gehalten und bezahlt wird, bis er wieder singen kann. Karajan ließ seinen Sänger sogar auf die Bühne tragen, er konnte nicht laufen und sang dennoch den Herodes. Als Stolze kaum genesen in Bayreuth im Tannhäuser auftrat, war er noch so schwach, dass die Lyra am Kostüm aufgestützt werden musste.


    Das erste Engagement an der Bayerischen Staatsoper erhielt er im Jahre 1961 für die Titelpartie in der Münchner Erstaufführung von Carl Orffs »Oedipus der Tyrann« im Prinzregententheater unter der musikalischen Leitung von Joseph Keilberth.


    Gastspiele absolvierte er an der Grand Opéra Paris, am Nationaltheater Prag, am Teatro San Carlo Neapel, am Teatro Fenice Venedig, an der Königlichen Oper Stockholm, am Teatro Liceo Barcelona und am Opernhaus von Zürich, um einige wichtige Orte zu nenen.
    1958 hatte Gerhard Stolze als Loge im »Rheingold« sein Debüt an der Metropolitan Oper New York, wo er auch in anderen Rollen insgesamt 15 Mal auftrat.


    An der Wiener Volksoper lernte Gerhard Stolze die in Brünn geborene Sängerin Gerda Prochaska kennen, es war bei der Inszenierung »Kleider machen Leute« Als das Paar heiratete, setzte der Herr Kammersänger den Standesbeamten in Garmisch-Partenkirchen in Erstaunen, weil er bei der Trauung von der üblichen Norm abwich und den Namen seiner Frau annahm.


    Das Sängerpaar hatte sich einen Lebensabend in der herrlichen oberbayrischen Landschaft vorgestellt, Gerda Prochaska war mit Ihren Eltern ins Loisachtal gekommen und war hier aufgewachsen.
    Beim Schneeschippen fiel Gerhard Stolze plötzlich um, die Ursache war ein Blutgerinnsel, der Sänger starb im Alter von nur 52 Jahren an einem Gehirnschlag.


    Praktischer Hinweis:


    Friedhof Garmisch
    Friedhofstraße 5
    82467 Garmisch-Partenkirchen
    (Zufahrt möglich über Lazarettstraße)
    Die Gräber von Richard Strauss und Gerhard Stolze findet man so:
    Am Haupteingang direkt links bis zur 'Friedhofmauer, dann rechts ca. 250 Meter auf der linken Seite.

  • Lieber hart, Du hast uns wieder eindringlich an einen Sänger erinnert, den ich sehr hoch schätze. Nicht so sehr für die Schönheit der Stimme sondern für seine Gestaltungskraft, die ihn - wie mir scheint - in die Gegenwart versetzt. Obwohl fast vierzig Jahre tot, haftet ihm nichts historisches an. Er packt mich wie am ersten Tag als ich seiner gewahr wurde. Was er für Orff tat, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Mitunter neigte er für meinen Geschmack dazu, Figuren zu überzeichnen. Als gehe es mit ihm durch. Deshalb kann ich mich bei aller Faszination mit seinem Herodes - ähnlich Kesting - nicht anfreunden - je öfter ich ihn mir anhöre. Aus Herodes wird eine Karikatur. Das ist nach Stolze oft so wiederholt worden, mir aber zu einseitig und flach. Sei's drum. Es schmälert den Ruhm dieses faszinierenden Sängers nicht. Schade, dass eine für das Fernsehen verfilmte Stuttgarter Produktion von "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Weill/Brecht unter der Leitung von Ferdinand Leitner von 1967 in der Versenkung verschwunden ist. Dort wirkte Stolze neben Martha Mödl (Begbick) und Anja Silja (Jenny) als Jimmy Mahoney mit. Teile geistern durch Youtube, die Audiospur ist auf diversen Netzplattformen angezeigt, reduziert das Stück aber auf rein stimmliche Aspekte, was nicht genug ist. Nach meinen eigenen Recherchen scheitert eine offizielle neue Auflage an rechtlichen Hürden. Alle Verträge müssten neu verhandelt werden, in vielen Fällen mit den Erben. So wird die Rechtslage wieder einmal zum Feind des Kunst. Aber so ist das nun einmal. :(


    Ganz nebenbei möchte ich auf zwei Fakten eingehen. In "Wozzeck" hat Stolze den Hauptmann gesungen, nicht die Titelpartie, und an der Met debütierte er 1968 und nicht schon 1958 als Loge, wie aus dem Besetzungsarchiv dieses Hauses hervorgeht:


    Metropolitan Opera House
    November 22, 1968
    Benefit sponsored by the Metropolitan Opera Guild
    for the production funds
    New production



    DAS RHEINGOLD
    Richard Wagner


    Wotan: Thomas Stewart
    Fricka: Josephine Veasey [Debut]
    Alberich: Zoltán Kelemen [Debut]
    Loge: Gerhard Stolze [Debut]
    Erda: Lili Chookasian
    Fasolt: Martti Talvela
    Fafner: Karl Ridderbusch
    Freia: Simone Mangelsdorff [Debut]
    Froh: Donald Grobe [Debut]
    Donner: Sherrill Milnes
    Mime: Andrea Velis
    Woglinde: Lilian Sukis
    Wellgunde: Edda Moser [Debut]
    Flosshilde: Anna Reynolds [Debut]


    Conductor: Herbert Von Karajan


    Director: Herbert Von Karajan
    Set designer: Günther Schneider-Siemssen



    In diesem Sinne herzliche Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ganz nebenbei möchte ich auf zwei Fakten eingehen. In "Wozzeck" hat Stolze den Hauptmann gesungen, nicht die Titelpartie, und an der Met debütierte er 1968 und nicht schon 1958 als Loge, wie aus dem Besetzungsarchiv dieses Hauses hervorgeht:


    Schön, dass der Threadstarter wieder hier ist und korrigierend eingreifen kann - danke für diesen Service!

  • Lieber hart, ich habe auch während meiner Abwesenheit jeden Beitrag gelesen, nicht, um etwas zu korrigieren, sondern um Freude und Erbauung zu haben.


    Mit herzlichem Dank grüßt Dich Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Zum heutigen Todestag des Komponisten



    Der Prager Künstler und langjährige Professor an der Wiener Kunstakademie Josef Symon hat sich von dem Buchstaben »Z« inspirieren lassen, die Fünfteilung der Skulptur soll sich auf die fünf Lebensstationen Zemlinskys beziehen.


    Alexander von Zemlinsky zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des Wiener Musiklebens nach 1900. Stets stand er jedoch im Schatten von Gustav Mahler, Richard Strauss und auch von Arnold Schönberg.


    Der Großvater, Anton Semlinsky, stammte aus einem katholischen Elternhaus im damals ungarischen Zsolna, das heute Žilina heißt und in der Nordslowakei liegt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam die Familie nach Wien und ließ sich im 2. Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt nieder, wo der Sohn Adolf, also der Vater des Komponisten, geboren wurde. Dieser arbeitete als Schreibkraft bei einer Versicherung und das tat er unter dem Namen Adolf von Zemlinszky, er wandelte die slawische Schreibweise seines Namens in die ungarische um, und fügte seinem modifizierten Namen noch ein schmuckes »von« hinzu, weil das einfach besser aussah - so ähnlich lief das auch schon früher bei Carl Maria von Weber, plötzlich war man adlig. Bis dahin war die Familie katholisch, dann trat Adolf von Zemlinszky aus der katholischen Kirche aus und heiratete 1871 Clara Semo, die jüdischen Glaubens war, so wurde er Mitglied der türkisch-israelitischen Gemeinde.
    Aus dieser Ehe ging Alexander von Zemlinsky als das erste Kind seiner Eltern hervor. Als ein Freund der Familie mit seinem Piano als Untermieter bei der jungen Familie einzog, kam der kleine Alexander erstmals mit Musik in Berührung, da war er gerade mal vier Jahre alt. Als sich nach ersten Erfahrungen mit dem Instrument herausstellte, dass der Junge außergewöhnlich begabt war, bekam er einen eigenen Lehrer und wurde als Zehnjähriger in den neu gegründeten Tempelchor der sephardischen Gemeinde aufgenommen. Ab dem Zeitpunkt seines Stimmbruchs bereicherte Zemlinsky die Feierlichkeiten in der Synagoge mit seinem Orgelspiel.
    Als Sechsjähriger lernte er Rechnen, Lesen, Schreiben und auch religiöse Unterweisungen zunächst in der sephardischen Schule, wechselte aber recht bald zu einer allgemeinen Volksschule, wo er stets zu den Besten gehörte. Alexander hatte sein 13. Lebensjahr noch nicht ganz erreicht, als ihn sein Vater am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien anmeldete. Die erforderliche Prüfung bestand und er und wurde im Herbst 1884 in die Klavierklasse von Wilhelm Rauch aufgenommen.
    Zemlinskys Studienjahre waren so erfolgreich, dass er ein Rubinstein-Stipendium von 1.000 Gulden pro Jahr erhielt. Durch die Teilnahme an Wettbewerben und Erteilung von Unterricht konnte er seinen Lebensunterhalt bestreiten. Weitere Studien Zemlinskys folgten bei dem Konzertpianisten Anton Door und den Komponisten Franz Krenn und Robert Fuchs.1889 spielte er am Konservatorium den Solopart eines Klavierkonzerts von Robert Fuchs und im Jahr darauf erwarb er mit den Händel-Variationen von Brahms die Goldmedaille sowie einen Flügel der Firma Bösendorfer. Auch nach seinem Pianistendiplom gab er noch den Lernenden und verweilte für weitere zwei Jahre am Konservatorium, wo er bei Johann Nepomuk Fuchs, das war der Bruder von Robert Fuchs, Komposition studierte. Danach entstanden seine ersten Kompositionen, die gedruckt wurden.
    Wegen seiner nicht gerade furchterregenden Statur von 159 cm blieb ihm das Soldatenleben erspart und er konnte sich einigen Liebschaften widmen, eine davon war die Klavierschülerin Alma Schindler, die dort schon mit ihrer Sammlung bedeutender Männer begann, aber mit Zemlinsky nur »spielte«, wobei nicht der Klavierunterricht gemeint ist. Die junge Dame hatte bei ihrem Klavierlehrer ein mächtiges Feuer entfacht, er liebte sie abgöttisch, während sie ihrem Tagebuch wenig Schmeichelhaftes über ihren Liebhaber anvertraute und später dann einen noch bedeutenderen Musiker heiratete und Frau Mahler wurde.


    In Zimlimskys Oper »Der Zwerg« hat er wohl einiges seiner Biografie verarbeitet; schließlich macht er aus Wildes zwölfjähriger Infantin eine 18-Jährige. Trotz großer Erfolge, und die hat er durchaus auch in der besseren Gesellschaft Wiens, fühlt er sich als kleinwüchsiger Jude doch nicht so hundertprozentig wohl. Zu Alma sagte er einmal, das war im März 1901:
    »Um eines beneide ich Sie ... um Ihren deutschen Namen. Zemlinsky ist ja nicht hässlich an und für sich, aber ein Musiker muss einen deutschen Namen haben.«
    Zemlinsky trat am 29. März 1899 aus dem Judentum aus, wurde aber erst am 11. Juni 1907 evangelisch getauft. Erst 1905 verlobte er sich mit Ida Guttmann, die er dann am 21. Juni 1907 heiratete.


    Zemlinskys musikalisches Leben gestaltete sich recht wechselvoll. Das Einkommen aus eigenen Kompositionen und dem Unterrichten reichte nicht aus, also musste er am Carltheater als Chefdirigent einsteigen, was er eher als lästige Aufgabe ansah, die ihn vom Komponieren abhielt. Es folgten nun Wechsel zum Theater an der Wien, Volksoper und sogar ein Abstecher zur Operette in München.
    Ab 1911 wirkt Zemlinsky am Neuen Deutschen Theater in Prag als Musikdirektor. Dieses Theater wurde von in Prag lebenden Deutschen finanziert. Am Anfang lief das hier alles recht gut, was zur Folge hatte, dass die Opernaktivitäten keine Zeit zum Komponieren ließen. Erst 1913 begann er mit der Komposition seines 2. Streichquartetts, das er Arnold Schönberg widmete, dem er einst half im musikinteressierten Wien Fuß zu fassen, und mit dem er sowohl in musikalischer als auch verwandtschaftlicher Hinsicht verbunden war - 1901 heiratete Schönberg Zemlinskys Schwester Mathilde. Als Mathilde 1924 starb und Schönberg nur wenige Monate später erneut heiratete, führte das zu ernsten Verstimmungen; da sie sich dann auch künstlerisch voneinander entfernten, näherten sie sich erst später wieder einander an.
    Der Krieg brachte dann auch in Prag einiges durcheinander, es gab Versuche eine Stelle als Musikdirektor in Mannheim oder Frankfurt zu bekommen, aber vermutlich waren Zemlinskys finanzielle Forderungen zu hoch.
    Auch Bemühungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Wien zurückzukehren scheiterten, also gab es für Zemlinsky ein Da capo in Prag. Dort entstand dann auch in den Jahren 1919 bis 1921 seine zweite Oper »Der Zwerg«, deren Uraufführung aber erst 1922 durch Otto Klemperer in Köln erfolgte. Auch Alexander Zemlinskys siebenteilige Lieder-Symphonie »Lyrische Suite« ist eine Reflexion auf die unglückliche Liebe zu Alma, das Thema kehrt immer wieder. Zu Zimlinskys 50. Geburtstag schrieb der Komponist Fidelio Friedrich Finke, dass Zemlinsky einer sei, »der nicht nur eindrucksvolle Themen, und lapidare Motive zu finden weiß, sondern einer, der es auch versteht, sie hundertfältig abzuwandeln.« Und Alma fand: »Er nahm ein kleines Thema gleichsam in seine geistigen Hände, knetete es, formte es in unzähligen Varianten.«


    Zimlinsky hatte sich auch einen guten Ruf als Dirigent erarbeitet, so dass er während seiner Prager Tätigkeit auch zu Konzerten nach Wien, Rom und Barcelona kam, um Beispiele zu nennen. Aus monetären Gründen setzte man in Prag nun auf Operetten und billige Revuen, was Zemlinsky zumindest in diesem Umfang nicht gefiel.


    Mitte 1927 wechselte Zemlinsky an die Berliner Krolloper, die in diesen Jahren als eine Institution für experimentelles Musiktheater galt, aber auch dort waren die finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt; zudem konnte Zemlinsky hier unter dem wesentlich jüngeren Otto Klemperer nur als erster Kapellmeister arbeiten. In der Berliner Situation hatte Zemlinsky jedoch höhere Bezüge als in Prag und die künstlerische Arbeit gestaltete sich besser als vorher. Auch von Berlin aus konnte er Gastdirigate in verschiedenen europäischen Städten wahrnehmen.


    1929 starb seine Frau, im Jahr darauf heiratete er seine langjährige Geliebte Louise Sachse, die er schon in den Kriegsjahren als Gesangsschülerin kennengelernt hatte. Infolge der Weltwirtschaftskrise schloss 1931 die Krolloper ihre Pforten. 1933 sah man Zimlinsky wieder in Wien. Dort konnte er im Range eines Musikdirektors das Wiener Konzertorchester übernehmen. In Zürich wurde 1933 seine in Berlin entstandene Oper »Der Kreidekreis« uraufgeführt. Obwohl es in Deutschland politisch unruhig wurde, konnte 1934 das neue Werk dann doch in mehreren Städten aufgeführt werden, so auch in Berlin, wo dem »Kreidekreis« immerhin 21 Aufführungen beschieden waren, für die Zemlinskys eine kleine Erfolgsgeschichte. Man besorgte sich in Wien ein Grundstück und baute ein Haus. Wenn man es genau nimmt, baute Frau Louise das Haus, das sie dann für eine lächerliche Summe verkaufen musste. Alexander vom Zemlinsky konnte in Europa noch um seinen am Weihnachtsabend 1935 verstorbenen Freund trauern und ihm zum Andenken sein 4. Streichquartett widmen, dann wurde es auch in Österreich ungemütlich.


    Frau Louise war die treibende Kraft und leitete unmittelbar nach dem »Anschluss« die Vorbereitungen zur Auswanderung nach den Vereinigten Staaten ein. Zemlinsky war durch die Ereignisse ein gebrochener Mann, bat sich zwar einen Tag Bedenkzeit aus, es begann ein Kampf um Papiere verschiedener Art, aber es war zu diesem Zeitpunkt noch möglich, diese zu erlangen. Endlich, am 15. September 1938, konnte Zemlinsky mit seiner Frau das Land verlassen und sie erreichten kurz vor Weihnachten New York, im Januar trafen dann sogar noch Teile ihres Hausrates ein.


    Zemlinsky war durch das Erlebte gesundheitlich schwer angeschlagen und sah sich außerstande zu unterrichten, also versuchte er es mit einer neuen Oper, aber es kam zum Nervenzusammenbruch und die finanzielle Situation war prekär. Man überredete ihn zur Komposition leichter Songs, die unter dem Pseudonym »Al Roberts« verlegt werden sollten und man beabsichtigte noch nach Kalifornien zu ziehen, aber mit der Gesundheit des Komponisten ging es rapide bergab, Schlaganfälle häuften sich, eine Lungenentzündung kam hinzu; am 15. März 1942 starb Alexander von Zemlinsky in Larchmont, New York.


    Er schrieb 8 Opern, 4 Symphonien, 5 Streichquartette, Lieder, Klaviermusik und einiges mehr ...
    Sieben Jahre vor seinem Tod im amerikanischen Exil beschloss der vierundsechzigjährige Alexander Zemlinsky seine keineswegs von durchschlagenden Erfolgen gekrönte Kompositionstätigkeit mit der Vertonung des 13. Psalms »Herr, wie lange willst du mein vergessen?« – das in der Washingtoner Kongressbibliothek aufgefundene Manuskript blieb bis zur Uraufführung 1971 unbekannt.


    Etwa in den 1980er Jahren erreichte die Wiederentdeckung Zemlinskys endlich auch die Opernhäuser. Die Nürnberger Uraufführung des »Traumgörge« und die Neuproduktion der beiden Einakter nach Oscar Wilde in Hamburg setzten Zeichen, die von der Musikwelt wahrgenommen wurden: Zemlinsky-Aufführungen in Theater und Konzertsaal waren seither keine Rarität mehr und lockten ein interessiertes Publikum für diesen Komponisten, der vielen bis dahin nur als Lehrer und Schwager Schönbergs bekannt war. Und es gab noch viel zu entdecken. Erst seit Mitte der 1990er Jahre und der Uraufführung des »Kandaules« kann die Musik Zemlinskys als weitgehend erschlossen gelten.


    1985 hat man seine Asche auf den Wiener Zentralfriedhof gebracht und ihm dann auf Betreiben des Alexander-Zemlinsky-Fonds 1994 ein würdiges Grabmal errichtet. Gruppe 33 G, Nummer 71

  • Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf die (m.E. einzige) ausführliche Biografie Zemlinkys hinweisen:


    Antony Beaumont: Zemlinsky--------Zsolnay-Verlag, ISBN 3-552-05353-0

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)


  • Zum heutigen Todestag von Rita Streich



    Das Grab von Rita Streich ist schwer zu erkennen, weil die eingehauene Schrift so gut wie nicht mehr lesbar ist. Jemand hat den Namen der Sängerin mit einer dafür nicht geeigneten Goldbronze nachgezogen, eine Assoziation zu ihrer strahlenden Stimme könnte nur mit echtem Blattgold erreicht werden.


    Rita Streich kann man zu den Wirtschaftswunderkindern zählen, sie begann ihre eigentliche Karriere als es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder so richtig aufwärts ging, denn weiter runter war kaum noch möglich. Peter Anders, Rudolf Schock ... eine neue Generation betrat die Opernbühne, die hatten zwar alle auch schon vordem professionell gesungen, konnten sich aber wegen der Kriegseinwirkungen nicht richtig entfalten.


    Ihr Debüt gab klein Rita als Vierjährige, anlässlich einer Weihnachtsfeier, wo sie völlig überraschend und in keiner Weise einstudiert »Der Kuckuck und der Piedewitt, das sind zwei lust´ge Brüder ...« sang, was so gar nicht zum Krippenspiel und den Weihnachtsliedern passen wollte.


    Rita Streichs Vater war im Ersten Weltkrieg in russische Kriegsgefangenschaft geraten und hatte eine Russin geheiratet, so dass Rita in Sibirien zur Welt kam. Später lebte die Familie in Jena, wo Rita zunächst von ihren Klassenkameradinnen als Sängerin »entdeckt« wurde, und an Regentagen in den Pausen ihr breit gefächertes Repertoire zum Besten gab, da war auch »Oh, wie so trügerisch sind Weiberherzen« dabei ..., aber auch schon die anspruchsvolle Koloratur-Arie »Die Nachtigall« von Alabieff.


    Dass Rita Streich professionelle Sängerin wurde ist dem Umstand zu danken, dass nach Beendigung ihrer Schulzeit schon alle Ausbildungsstellen zur medizinisch-technischen Assistentin besetzt waren und ihr eine Wartezeit von einem halben Jahr offeriert wurde. Ihre Klavierlehrerin riet dazu, dieses halbe Jahr mit Gesangsstunden auszufüllen und stellte einen Kontakt zu ihrer Freundin Paula Klötzer her, die wiederum aus der Schule von Maria Ivogün kam.
    Wie Rita Streich in der Rückschau sagt, hat sie den von Paula Klötzer geschaffenen Grundlagen sehr viel zu verdanken. Ritas ursprünglicher Berufswunsch geriet so mit der Zeit in Vergessenheit - als sie ihren Eltern den neuen Berufswunsch Sängerin zu werden vortrug, rannte sie offene Türen ein; wie sich herausstellte, wäre die Mama auch gerne Sängerin geworden und konnte nun ihren unerfüllten Wunsch auf die Tochter projizieren. Ihre nächste Lehrerin war prominent, sie hieß Erna Berger, und zu diesem Zeitpunkt hatte die Frau Kammersängerin nur diese eine Schülerin.


    Rita Streichs erster Auftritt an der Berliner Staatsoper war in »Rigoletto«, wo sie aber nicht etwa die Gilda sang, sondern in der Rolle des Pagen nur drei Sätze zu singen hatte. Es war die Endphase des großen Krieges, der Weg zu den Gesangsstunden wurde beschwerlicher und gefährlicher. In dieser Situation zog sie zu ihrer Lehrerin raus nach Dahlem. Da entstanden seinerzeit Situationen, die heute grotesk anmuten, damals jedoch nicht so sehr außergewöhnlich waren. Rita Streich beschrieb das mal in den 1960er Jahren in der Rückschau auf das letzte Kriegsjahr:


    »Ich hungerte zwar, aber ich war schon deshalb in einer bevorzugten Position, weil ich als besonderen Reichtum ein Fahrrad besaß. Auf ihm fuhren wir von Dahlem zu den Proben der "Staatsoper" im Admiralspalast in der Friedrichstraße. Anderthalb Stunden dauerte die Strecke, und ich trat fest in die Pedale, denn Frau Berger saß ja auf dem Gepäckträger, und ich war sehr ehrgeizig; sie sollte nicht absteigen müssen, auch wenn es bergauf ging.«


    Die Feststellung, dass die große Sängerin Erna Berger nur eine Körpergröße von um die 150 Zentimeter auf den Gepäckträger brachte, soll die sportive Leistung Rita Streichs in keiner Weise schmälern.


    In der ersten Nachkriegszeit war das Leben in Berlin von Kälte, Hunger und Elend geprägt, aber die junge Nachwuchssängerin war von Kolleginnen und Kollegen umgeben, die vom Allerfeinsten waren, nicht zuletzt wegen der Einführung der knapp Zwanzigjährigen durch Frau Berger, wurde die Anfängerin im Kreis von Peter Anders, Willi Domgraf-Fassbaender, Margarete Klose ... kameradschaftlich aufgenommen. 1946 vertraute ihr Ernst Legal, der neue Intendant der Staatsoper, ihre erste richtige Premiere an: Die Rolle der Puppe Olympia in »Hoffmanns Erzählungen« von Offenbach. 1949 heiratete sie den Regieassistenten Dieter Berger vom Schlosspark-Theater, sie war nun auch Frau Berger, genau wie ihre berühmte Lehrerin. Erna Berger wandte sich anderen Tätigkeiten zu, aber fast zeitgleich kam Maria Ivogün nach Berlin zurück und Frau Berger regte an, dass die Kollegin Ivogün Rita Streich weiter betreuen sollte und so geschah das dann auch. In dieser Zeit sang Rita Streich in allen drei Berliner Opernhäusern: an der Staatsoper, an der Komischen Oper und an der Städtischen Oper. Als Rita Streich an der Städtischen Oper einmal die Zerbinetta in »Ariadne auf Naxos« sang, hatte sie anspruchsvolles Publikum, denn Erna Berger und Maria Ivogün saßen nebeneinander im Zuschauerraum. Mit dieser Rolle hatte sie schon1943 ihr Debüt am Stadttheater im nordböhmischen Aussig gegeben.


    In ihrer Berliner Zeit sang sie noch oft unter dem Dirigat des hochbetagten Leo Blech. Wilhelm Furtwängler holte sie zum ersten Mal zu den Salzburger Festspielen und unter Herbert von Karajan sang sie bei der Musica Sacra in Perugia. In Bayreuth war sie als Waldvogel und Blumenmädchen zu hören. 1953 wurde sie Mitglied der Staatsoper Wien, an der sie bis 1972 in 19 Partien 485 Auftritte hatte, wobei die Rolle der Susanna in Wien von ihr am häufigsten gesungen wurde. In den1960er Jahren bezeichnete Rita Streich Mozarts Werke als den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Sie sang die Susanna in Paris, die Königin der Nacht in Rom und Mozarts Konzertarien in Salzburg.
    Ihr Söhnchen wurde am 5. Dezember 1956 geboren, auch hier kann eine Verbindung zu Mozart hergestellt werden. Für ein halbes Jahr stand die Rolle der Mutter auf dem Spielplan, die Familie lebte damals in Ascona.
    Als sich die junge Mutter wieder beruflich orientierte, studierte sie in Berlin bei Maria Ivogün Liedgesang und war hier in den allerbesten Händen, weil Michael Raucheisen mit Frau Ivogün verheiratet und ein exzellenter Kenner dieses Genres war.
    Dann ging es im Sommer 1957 erstmals hinaus in die weite Welt, zum USA-Debüt nach Los Angeles, wo sie in der Hollywood-Bowl vor zwanzigtausend Zuhörern sang. Im Herbst hatte sie ein Engagement an der Oper in San Francisco und trat in New York im Fernsehen auf; einer ihrer Liederabende wurde von allen Rundfunkanstalten der USA übertragen. Rita Streich reiste durch den ganzen Kontinent, von Kanada bis zum Teatro Colon in Buenos Aires.
    Neben ihren Musikreisen in Amerika unternahm Rita Streich auch Konzerttourneen durch Japan, Australien und Neuseeland. Zum Ausklang ihrer Karriere hörte man sie öfter als Liedsängerin.


    Karl Schumann, langjähriger Musikkritiker der Süddeutschen Zeitung, hatte einmal Rita Streich als »Rokokofigur auf modernem Grund« bezeichnet und festgestellt, dass sie mit ihren Schallplattenaufnahmen einen Bereich durchmisst, der sich von der Operette und den süßeingängigen Koloraturparaden bis zu den Chansons der Moderne erstreckt.
    In besonderem Maße war ihre Stimme mit Mozarts Musik kompatibel - Königin der Nacht, Konstanze, Blondchen, Susanna, aber ähnlich gerühmt wurden auch ihre Interpretationen in Opern von Richard Strauss.


    1974 wurde sie zur Professorin an der Folkwang-Musikhochschule in Essen ernannt, 1976 erhielt sie eine Professur an der Musikhochschule von Wien. Seit 1983 leitete sie das Centre du Perfectionnement d'art lyrique in Nizza.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhofstraße 5-7
    2380 Perchtoldsdorf, Österreich
    Man findet das Grab im neuen Friedhofsteil. Am Eingang rechts halten, Richtung Turm, am Turm vorbei und dann links zum Quartier 5, Nr. 12 - die Quartiere sind mit Metallschildchen gekennzeichnet.


    In Perchtoldsdorf kann man sich auch noch an drei Komponisten erinnern, die einmal dort eine Weile wohnten: Christoph Willibald Gluck, Hugo Wolf und Franz Schmidt.


  • Der Dirigent Wolfgang Rennert war der jüngere Bruder des berühmten Regisseurs Günther Rennert, sein Nachname war also irgendwie schon "besetzt".


    https://web.archive.org/web/20…sik_R/Rennert_Brueder.xml


    Der 11 Jahre jüngere Bruder, gebürtiger Kölner, studierte am Salzburger Mozarteum u.a. bei Clemens Krauss und kam dann über Düsseldorf und Kiel nach Frankfurt am Main (wo er seine Ehefrau Anny Schlemm kennen lernte). 1967 - 1971 war er als Nachfolger von Kurt Eichhorn Chefdirigent des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München. Danach wirkte er als Ständiger Gastdirigent an der Deutschen Staatsoper Berlin und dirigierte dort u.a. die Premieren von Verdis "Falstaff" (Inszenierung: Horst Bonnet, 1971), "Othello" (Inszenierung: Harry Kupfer, 1972) und "Aida" (Inszenierung: Erhard Fischer, 1974), von Pendereckis "Die Teufel von Loudun" (Inszenierung: Erhard Fischer, 1975), von Webers "Oberon" (Inszenierung: Luca Ronconi, 1976), von Mozarts "Titus" (Inszenierung: Ruth Berghaus, 1978) und der "Salome" von Richard Strauss (Inszenierung: Harry Kupfer). Im Repertoire dirigierte der u.a. Mozarts "Figaro", Wagners "Ring" und Bergs "Wozzeck".
    Daneben dirigierte er auch an vielen anderen Opernhäusern in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt. An der Wiener Staatsoper dirigierte er in den 1960er Jahrne Vorstellungen von "Ariadne auf Naxos", "Der Rosenkavalier" und "Jenufa".
    Von 1980 bis 1985 war der GMD in Mannheim.
    Anfang der Neunziger Jahre dirigierte er wieder an der Staatsoper Berlin umstrittene Premieren von Verdis "Troubadour" (Inszenierung: Michael Heinicke, 1990) und Meyerbeers "Afrikanerin" (Inszenierung: Frank Sarnowsky, 1992). An die massive Ablehnung, die ihm bei der Meyerbeer-Premiere entgegenschlug, kann ich mich noch gut erinnern. Dem 70-Jährigen fiel es damals auch bei "Aida" und "Troubadour" zunehmend schwerer, die Bühne zu kordinieren und ein "Klappern" zwischen den Instrumentengruppen sowie zwischen Chor und Orchester zu vermeiden.
    Die große Stärke Rennerts war damals jedoch zweifellos seine souveräne Leitung von Richard-Strauss-Opern. An der Berliner Staatsoper dirigierte er im Repertoire "Salome", "Rosenkavalier" und "Ariadne auf Naxos".
    1991 war er an der Komischen Oper Berlin der Musikalische Leiter der Neuinszenierung der "Schweigsamen Frau" (Inszenierung: Christine Mielitz), ein Jahr später leitete er mit großem Erfolg die neue Dresdner "Arabella" und dirigierte dann an der Semperoper noch für viele Jahre, bis ins 21. Jahrhundert hinein, vor allem das Strauss-Repertoire, aber auch Janaceks "Schlaues Füchslein" (Inszenierung: Hans Hollmann, 1994) und "Jenufa" (Inszenierung: Harry Kupfer, 1996)
    2003 engagierte ihn der glücklose Friedrich-Nachfolger Udo Zimmermann als Gastdirigenten für zwei "Tannhäuser"-Vorstellungen an die Deutsche Oper Berlin (die ersten Berliner Tannhäuser-Auftritte von Peter Seiffert), bei denen der inzwischen 80-jährige Rennert erneut Koordinations-Probleme hatte und ausgebuht wurde. In Dresden ging es danach für ihn dennoch einige Jahre weiter, bis er gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, zu dirigieren.


    Willi hat dankenswerterweise bereits im Jubiläums-Thread darauf hingewiesen, dass Wolfgang Rennert heute vor fünf Jahren in Berlin verstarb. Bei meinen letzten Besuchen auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof bin ich immer wieder auf sein Grab gestoßen. Das Grab ist relativ weit links zu finden. Wenn man vom Haupteingang kommt und an Brechts Grab vorbeigeht, kann man eigentlich fast geradeaus weitergehen und sich dann etwas rechts halten, dann, relativ weit außen, findet man es.




    Und hier kann man ihn als höchst kompetenten Strauss-Dirigenten hören:


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber hart, vielleicht gelingt es dir, zu gegebener Zeit ein ergänzendes Foto einzustellen.


    Lieber Siegfried,
    gerade komme ich aus München zurück und kann nun endlich Deinem Wunsch entsprechen. Wie man sehen kann, ist inzwischen ein Holzkreuz für Eva Wunderlich mit auf dem Grab hinzugekommen.
    Auch Familie Prey hat der Toten gedacht; die Freundschaft der beiden Sänger ist ja hinreichend bekannt.
    Da steht man am Grab und denkt an eine schöne Zeit zurück; ach, was waren das für Abende ...






    Hinweis-Stein für das Gräberfeld auf dem riesigen Waldfriedhof - dieser Stein steht in unmittelbarer Nähe des Grabes.


    Es sollte auch nicht vergessen werden, dass auch Eva Wunderlich Musikerin war, die jedoch im Schatten der großen Stimme ihres Ehemannes stand.


    Eva Wunderlich stammte aus einer Musikerfamilie; ihr Vater war Professor an der Stuttgarter Musikhochschule und sie selbst eine studierte Harfenistin.
    Am 25. August 1956 hatte das Paar in Stuttgart geheiratet. Die kirchliche Trauung fand in Kusel am 5. September 1956 am frühen Morgen im familiären Rahmen statt.
    Die Eintragung in den kirchlichen Büchern lautet:
    Wunderlich, Friedrich Karl Otto, Tenor am Theater in Stuttgart, geb. 26.09.1930 in Kusel, Sohn von Paul Wunderlich, Musiker, gestorben in Kusel und Frau Anna geb. Malz, Kusel.
    Jungnitsch, Eva-Maria Christa Isolde, Stuttgart, geb. am 05.12.1934 in Stuttgart, Tochter von Fritz Jungnitsch, Kammermusiker in Stuttgart und Frau Hedwig geb. Geiger, Stuttgart.

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