Der Musiker Gräber


  • Wiener Zentralfriedhof - Alte Arkaden (Teilansicht) unmittelbar nach dem Haupteingang



    In der Bildmitte die Gruft der Familie Waechter



    Zum heutigen 25. Todestag



    Eberhard Waechter hatte an der Wiener Staatsoper weit über eintausend Auftritte absolviert sage und schreibe 1.134 Mal stand er auf der Bühne der Staatsoper, wenn mir kein Additionsfehler unterlaufen ist. Alleine 143 Mal sang er den Conte in »La Nozze die Figaro«, 83 Mal den Don Giovanni und genau so oft gab er den Sprecher in der »Zauberflöte«.
    Eine ganz markante Rolle übernahm Waechter 1991, als er zusammen mit Ioan Holender -parallel zur Volksoper, wo er schon 1987 Nachfolger von Karl Dönch geworden war - die Leitung der Staatsoper übernahm. Für ihn war ein Traum in Erfüllung gegangen, denn er hatte davon geträumt, den Geist jenes Wiener Ensembles noch einmal zu beleben, jenes legendären Ensembles, in dem er zwischen erstklassigen Interpreten vom Format einer Irmgard Seefried, eines Paul Schöffler, eines Anton Dermota ... groß geworden war.


    Am 8. Juni 1929 wurde dem Musikwissenschaftler Eberhard von Waechter und dessen Ehefrau Anna ein Sohn geboren, der eine unauffällige Kindheit durchlebte, das Elisabeth-Gymnasium in Wien besuchte und 1947 Matura machte. Das auffälligste seiner Schulzeit dürfte gewesen sein, dass Waldemar Kmentt einer seiner Schulkameraden war.
    Unmittelbar nach seinem Schulabschluss absolvierte Waechter eine zweijährige Ausbildung als Koch an der Hotelfachschule Wien.


    Dass er auch etwas in Sachen Musik machen wollte stand im Raum, denn schon als Heranwachsender war er fast täglich auf den Stehplätzen der Oper anzutreffen.
    So studierte er zunächst bei Professor Joseph Marx Harmonielehre und ging in die Kapellmeisterschule, um Dirigent zu werden. Lange währte diese Begeisterung allerdings nicht, denn plötzlich faszinierte ihn das Klavier und er wollte Pianist werden; aber nach einiger Zeit des Studiums bei Professor Josef Dichler erklärte ihm dieser, dass dazu etwas mehr Fleiß notwendig sei und meinte, dass Waechter einmal prüfen sollte ob mit der Stimme was zu machen sei, denn, so meinte der Herr Professor, Sänger sei doch ein sehr angenehmer Beruf.
    Ab 1950 studierte er nun bei der renommierten Gesangslehrerin Elisabeth Radó, bei der unter anderen auch Anton Dermota, Waldemar Kmentt, Adolf Dellapozza, Rudolf Christ, Heinz Holecek ... studierten, Gesang.
    Ohne Stimme geht da natürlich gar nichts, aber wie sich herausstellte war da eine Stimme, aber bei Eberhard Waechter zunächst nicht der ganz große Wunsch Opernsänger zu werden.
    Da eine finanziell großzügige Unterstützung vom Elternhaus her nicht möglich war, arbeitete Waechter ab 1951 als Bankkaufmann bei einer Wiener Bank.


    Zu dieser Zeit hatte der bereits erwähnte Schulfreund Waechters, Waldemar Kmentt, sich als Tenor in Wien schon einen Namen gemacht und konnte sich für seinen Schulfreund als Türöffner einbringen; es kam zum Vorsingen, das vermutlich erfolgreich war, denn Eberhard Waechter konnte seine Banktätigkeit wieder aufgeben und wurde Ensemblemitglied der Wiener Volksoper und dann ach noch der Staatsoper, was den besonderen Verhältnissen geschuldet war, weil die Staatsoper damals über kein eigenes Haus verfügte.
    Im April 1953 sang Waechter bei der Wiener Konzerthausgesellschaft zusammen mit Hilde Zadek. Seine erste auf der Bühne gesungene Opernrolle war der Silvio in »Der Bajazzo«.
    1954 verpflichtete der damalige Staatsoperndirektor Karl Böhm den jungen Bariton als ständiges Mitglied des Wiener Staatsopernensembles. Dieser Status blieb bis zum Jahr 1987.


    Die Partie des Silvio entwickelte Waechter zu seiner ersten Paraderolle. Eine private Rolle folgte, nämlich die des Ehemannes und mehrmaligen Vaters; 1954 heiratete er Franziska Komtesse von Marenzi und dem Paar wurden sechs Kinder geboren.
    Endlich war 1955 das Gebäude der Staatsoper wieder hergestellt und Eberhard Waechter stand erstmals in der Oper »Frau ohne Schatten« als Wächter der Stadt auf den Brettern des neuen Hauses, keine tragende Rolle, aber passend zum Namen.


    Etwas später, im Dezember 1955, sang er dann den Marcello in »La Bohéme«, es folgte der Wolfram in »Tannhäuser«, der Lescaut in »Manon Lescaut« ...


    Ein bedeutendes Datum in Waechters Karriere ist der 18. März1956, das war sein Rollendebüt in Verdis »Don Carlos« als Marquis von Posa, nachdem er schon ein Dutzendmal in dieser Oper den Grafen von Lerma gegeben hatte, war er nun in dieser tragenden Rolle angekommen - um ihn herum:
    Josef Greindl (Filippo II.), Karl Friedrich (Don Carlo), Maria Reinig (Elisabetta), Elisabeth Höngen (Eboli) ...


    Die Presse lobte die Qualität dieses jungen Sänger-Schauspielers in den höchsten Tönen und man vertraute Waechter immer mehr gewichtige Rollen seines Stimmfaches an. Nicht ganz so groß war sein Rollendebüt unter Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen 1956, er gab in »Die Zauberflöte« den 2. Priester.
    An der Staatsoper galt er eher als Liebling Karajans, aber musste, wie andere gestandene Leute an der Staatsoper auch, mitunter zusehen, wenn die internationale Konkurrenz am Haus gastierte.


    Wächter gab inzwischen schon viele Gastspiele und er war sowohl in Bregenz als auch Bayreuth zu hören, 1958 reiste die gesamte Familie dorthin, nachdem im Juni 1958 Söhnchen Albert zur Welt gekommen war.


    Im Mai 1960 gastierte das Staatsopernensemble mit Mozarts »Le Nozze die Figaro« im Mailand, wo Eberhard Waechter unter dem Dirigat Herbert von Karajans den Grafen Almavia sang. Im gleichen Jahr auf dem Grünen Hügel den Amfortas in »Parsifal« und den Heerrufer im »Lohengrin«. In Salzburg trat er als Don Giovanni auf, eine Rolle, die auch in den Folgejahren zu seinen Großen zählte.
    Man findet Waechter nun am Teatro Colon, an der Lyrc Opera Chicago und natürlich auch an der Metropolitan Opera in New York.
    Mitte der 1960er Jahre reden Fachleute von einer Stimmkrise, von der er sich nicht mehr ganz erholt haben soll, wobei die ursprüngliche Schönheit der Stimme gelitten habe, woraus die Hinwendung zum charismatischsten Singschauspieler resultierte.


    Bei all dem Operntrubel soll nicht vergessen werden, dass Eberhard Waechter immer wieder auch qualitätsvolle Liederabende gab, auf einer CD wurde Schumanns »Dichterliebe« mit Alfred Brendel festgehalten.
    Waechter deckte ein breites Spektrum ab und hatte keinerlei Berührungsängste mit Musical und Operette und auch bei Film und Fernsehen fühlte er sich nicht unwohl.
    Im September 1978 standen in einer »Fledermaus«-Aufführung erstmals Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne, der Vater als Gabriel von Eisenstein, der 1955 geborene Sohn Franz gab den Dr. Falke. Etwas später dann, an der Volksoper, in »Der Barbier von Sevilla«, Eberhard Waechter als Doktor Bartolo und sein Sohn als Figaro.


    Am 19. Mai 1983 feierte Eberhard Waechter als Sprecher in »Die Zauberflöte« seinen Abschied von der Staatsoper als Sänger-Darsteller.
    Aber damit stellte er seine sängerischen Aktivitäten keineswegs ein; im Sommer 1984 sang er im Wiener Sommertheater der Volksoper noch einmal den Danilo in »Die lustige Witwe« und ging mit diesem Stück auch noch im Herbst auf Tournee nach Amerika.


    Als Waechter Direktor der Wiener Volksoper wurde, hatte er bis daher nicht nur Erfahrungen als Sänger gemacht, sondern war auch Mitglied im Betriebsrat der Staatsoper und kannte sich bezüglich der Gepflogenheiten im Theater auch hinter den Kulissen bestens aus und konnte sich auf diese Position lange vorbereiten.
    An der Volksoper wurden sowohl die klassischen Operetten als auch Opern aufgeführt und in diesem Genre besonders Mozarts Opern berücksichtigt. Waechter war ein Anhänger, ja Verfechter des Opernstils, der mit Karajan ein jähes Ende fand. Der neue Direktor brachte Mozarts Werke wieder in deutscher Sprache auf die Bühne, was ihm sowohl die Kritik fortschrittlicher Kreise einbrachte als auch Erfolg bei Publikum und wirtschaftlichem Ergebnis.
    Der zeitgenössischen Oper stand Waechter reserviert gegenüber. Wie sich das alles weiter entwickelt hätte?
    Man weiß es nicht; von den Lebensjahren her gesehen hätte Eberhard Waechter noch durchaus einiges bewegen können, denn er war erst 62 Jahre alt; wenige Monate zuvor, im September 1991, hatte er sein Direktorenamt an der Wiener Staatsoper angetreten. Nach einem geselligen Mittagessen, beim Laufen im Wald, erlitt er einen Herzinfarkt, die Musikwelt war geschockt.

  • Dieser kurze Eintrag bezieht sich auf den Beitrag Nr. 287 in diesem Thread auf der Seite 10.


    Damals wurde auf den unwürdigen Zustand des Grabes der einstmals berühmten Pianistin Sophie Menter hingewiesen
    und das Kulturamt der Stadt München darauf aufmerksam gemacht, das damals folgende Stellungnahme abgab:


    Die Grabdenkmäler im Alten Südlichen Friedhof werden jedes Jahr auf ihre
    Stand- bzw. Verkehrssicherheit überprüft. Hierbei wurde festgestellt,
    dass das Grabmal der Pianistin Sophie Menter - hier ein "Ersatzgrabmal"
    und nicht das Ursprüngliche - nicht mehr standsicher war. Damit nichts
    Weiteres passieren kann wurde es vorübergehend umgelegt.
    Selbstverständlich wird dieses Grabmal nach der Sanierungsmaßnahme wieder
    neu errichtet.


    Und so geschah es nun erfreulicherweise auch, wie die Ende März 2017 entstandenen zwei letzten Bilder zeigen.






  • Zum heutigen Geburtstag von Helene Wildbrunn


    Heute ist der Geburtstag von Helene Wildbrunn, die ein hohes Alter erreichte und zwei Tage nach ihrem 90. Geburtstag starb; sie war die Tochter von Baurat Wehrenfennig, einem wichtigen Mann der Österreichischen Nordwestbahn.
    Helene Wehrenfennig studierte bei der bekannten Gesangspädagogin Rosa Papier-Paumgartner, die als aktive Sängerin ein bedeutender Mezzosopran war und dann aus ihrem Gesangsunterricht am Konservatorium Wien so bedeutende Sängerinnen wie Helene Wildbrunn und Anna Bahr-Mildenburg hervorbrachte.


    Helene Wehrenfennig debütierte 1905 in Wien als Konzertsängerin und sang zunächst an der Volksoper kleinere Rollen. Ihr eigentliches Debüt als Opernsängerin hatte sie 1907 am Stadttheater in Dortmund als Altistin, wo sie schon in ihrem ersten Bühnenjahr in 23 verschiedenen Rollen zu hören war und für sieben Jahre an diesem Haus blieb, wo sie auch ihren um neun Jahren älteren Kollegen, den ehemaligen Bariton und umgeschulten Tenor Karel Schmaus kennen lernte, der fürderhin unter dem Namen Karl Wildbrunn in den Aufführungsprogrammen stand. Dieser Sänger hatte ursprünglich Medizin studiert, aber dann seine Stimme ausbilden lassen. Auch Karl Wildbrunn hatte Gastauftritte an renommierten Häusern bis hin zu Covent Garden in London und war sowohl pädagogisch als auch in Sachen Regie tätig, aber die Weltkarriere machte seine Frau.


    Jens Malte Fischer meint zwar, dass Frau Wildbrunn in der »zweiten Reihe« stand und nennt die Konkurrentinnen Gadski, Kappel und Leider, aber der empfindliche Musikkritiker und Stimmenkenner John Steane sagte über Helene Wildbrunnn:


    »... unfehlbar musikalisch und erfreulich für das Ohr.«
    und Jürgen Kesting überschreibt seinen Beitrag über die Sängerin mit »Intensität und Klangfülle«
    und lobt im weitergehenden Text:
    »Die Stimme der Ex-Altistin hat den großen, reichen Ton in der wundervoll ansprechenden tiefen Lage und die durchdringende Intensität sowohl des dramatischen Akzents als auch der lodernden Spitzentöne.«


    In ihrem ersten, sich über Jahre hinziehendem Dortmunder Engagement war sie in Rollen wie zum Beispiel Ortrud, Fricka, Amneris ... zu bewundern und entwickelte sich allmählich hin zum hochdramatischen Sopran.
    In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 war Helene Wildbrunn an die Stuttgarter Hofoper gewechselt, damals eines der schönsten Theater Deutschlands, wo Max von Schillings ein ausgezeichnetes Sängerensemble zusammengestellt hatte, in dem zum Beispiel die großartige Sigrid Hofmann-Onegin mitwirkte.
    An der Stuttgarter Oper wurde 1917 auch Alexander von Zemlinskys Operneinakter »Eine Florentinische Tragödie« unter Mitwirkung von Helene Wildbrunn uraufgeführt. Neben diesem Engagement war die Sängerin auch an den Opernhäusern in München und Dresden ein gern gehörter Gast, in späteren Jahren auch in Leipzig.
    1918, nach dem Kriegsende, zog es Helene Wildbrunn nach Berlin, sie hatte sich in all den Jahren einen guten Namen als Wagner-Sängerin gemacht. Von 1918-25 sang sie an der Berliner Staatsoper, in den Jahren 1925-29 an der Städtischen Oper Berlin. Zudem ist sie bereits seit 1919 auch Mitglied der Wiener Staatsoper, wo sie am 13. November 1919 ihren ersten Auftritt als Amelia in »Un ballo in maschera« hatte, und unter anderen mit Leo Slezak auf der Bühne stand.


    Wie viele andere große Musikerpersönlichkeiten in den 1920er Jahren, gab auch Frau Wildbrunn ein längeres erfolgreiches Gastspiel am Teatro Colón von Buenos Aires, wo die erste vollständige Aufführung des Ring-Zyklus in Argentinien über die Bühne ging. Musiker dieser Zeit kamen damals auch ohne Flugzeug recht weit voran. Da schipperte zum Beispiel eine Stagione-Truppe mit der »Tommaso die Savoia«, einem italienischen Linienschiff, nach Südamerika. An Bord Italiener, die von Maestro Pietro Mascagni angeführt wurden, und eine deutsche Gruppe unter der Führung von Felix von Weingärtner. Frau Wildbrunn freundete sich auf dieser Reise mit Lotte Lehmann an und diese Freundschaft währte viele Jahre.
    Im europäischen Raum absolvierte Helene Wildbrunn Gastspiele in fast allen Hauptstädten und bei den Salzburger Festspielen 1925 sang sie die Donna Anna im »Don Giovanni«.


    Die Wiener Staatsoper war über viele Jahre ihre künstlerische Heimat; seit 1919 war sie Mitglied dieses renommierten Hauses, ihrem Debüt als Amelia sollten bis zum März 1932 noch 135 Auftritte in acht verschiedenen Partien an der Staatsoper folgen; mit der Kundry in »Parsifal« verabschiedete sie sich von der Wiener Staatsoper, die sie zum Ehrenmitglied ernannte.
    Fortan trat sie noch als Konzertsängerin auf, in den Jahren 1932 bis 1950 war die erfahrene Sängerin dann noch pädagogisch an der Wiener Musikakademie tätig.


    Ganz unten auf dem Grabstein ist ein Zitat aus »Hamlet« in den Stein geschlagen:
    DER REST IST SCHWEIGEN, steht da - in den Sommermonaten ist diese Schriftzeile kaum zu lesen, weil die Buchstaben von den Rosen verdeckt werden. Ein recht sinniger Spruch für ein Sängerpaar.



    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Neustift am Walde
    Pötzleinsdorfer Höhe 2
    1180 Wien


    Wenn man den langgezogenen Friedhof bei dem Verwaltungsgebäude am Parkplatz betritt, findet man das Grab im ersten Viertel - Gräberfeld J - gleich links des mittleren Weges.


  • Zum heutigen Geburts- und Todestag


    Der Bariton Heinz Holecek war kein Opernsänger, der ständig an den großen Opernhäusern der Welt gastierte, aber er man hörte in schon mal in seinen Paraderollen an den Opernhäusern in Paris, Barcelona, Rom, Stockholm, Stuttgart, Zürich, München, Hamburg, Berlin und auch bei den Bregenzer Festspielen.
    Holecek hatte neben dem erlernten Sängerfach eine breitgefächerte Begabungsskale, die ihn auch noch dazu befähigte breite Bevölkerungsschichten auch außerhalb der Opernhäuser anzusprechen, wozu ihm Auftritte im Rundfunk und Fernsehen zu besonderer Popularität verhalfen.


    Seine musikalische Ausbildung absolvierte er am Konservatorium seiner Heimatstadt und an der Wiener Musikhochschule bei so prominenten Gesangslehrerinnen wie Elisabeth Radó und Elisabeth Höngen.
    1960 debütierte er nach einer Absage Josef Meinrads als Papageno in Mozarts »Zauberflöte« an der Seite von Renate Holm an seinem späteren Stammhaus, der Volksoper.
    In der gleichen Rolle war der Bariton im Januar1962 erstmals an der Staatsoper zu hören, hier war Graziella Sciutti seine Papagena und Anton Dermota gab den Tamino.
    Neben dem Papageno gehörten unter anderem der Figaro aus Mozarts »Le Nozze die Figaro« und Schaunard in »La Boheme« zu Holeceks Lieblingsrollen.
    Daneben darf »Die Fledermaus« nicht vergessen werden, wo allein an der WSO 65 Auftritte verzeichnet sind, wobei er 34 Mal den Dr. Falke verkörperte, 16 Mal den Frosch und 15 Mal den Gefängnisdirektor Frank gab.


    Ab 1977 durfte sich Heinz Holecek Kammersänger nennen.1981 wirkte er bei den Salzburger Festspielen in der Uraufführung der Oper »Baal« von Friedrich Cerha mit, wo seine schauspielerische Begabung in besonderem Maße zur Geltung kam; in dieser Oper sind auch seine letzten Auftritte an der Wiener Staatsoper im Sommer 1992 verzeichnet. Aber 116 Mal hat er allein an der Wiener Staatsoper - wo er insgesamt 575 Auftritte hatte - den Papageno gesungen, das war die Rolle seines Lebens.


    Dem Wienerlied war er sehr zugetan und hat es weit über seine Heimatstadt hinaus bekannt gemacht. Auch mit seinen Parodien berühmter Zeitgenossen machte er Furore.
    Bei den Salzburger Festspielen. Im Jahr 2000 feierte Holecek mit dem Rollendebüt als Doolittle in »My Fair Lady« das Jubiläum seiner 40-jährigen Bühnenkarriere an der Volksoper.


    Heinz Holecek verstarb 74-jährig an seinem Geburtstag, nachdem er seit einem Zusammenbruch im Februar 2012 im Koma gelegen war. Er wurde am 27. April auf dem Neustifter Friedhof in Wien beigesetzt.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Neustift am Walde
    Pötzleinsdorfer Höhe 2
    1180 Wien


    Das Grab befindet sich in etwa der Mitte des langgestreckten Friedhofsgeländes in der Gruppe 1, Reihe 10, auf dem Friedhofsplan ist ganz in der Nähe ein Kreuz eingezeichnet.

  • Legendär wurde freilich auch sein letzter Auftritt ans der Wiener Staatsoper, am 16. November 1992 als Haushofmeister in "Ariadne auf Naxos". Er war schon ziemlich besoffen und verpasste seinen zweiten Auftritt. Erst lange Stille, dann sagte Dirigent Ulf Schirmer den ersten Satz rein, doch dann kam Holecek doch noch (Ich habe einen Mitschnitt davon.)
    Danach durfte er in der Wiener Staatsoper nicht mehr auftreten.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Es gab noch einen späten Höhepunkt: zum 50jährigen Bühnenjubiläum gab er in der Volksoper am 8. April 2011 noch einen grandiosen "Frosch". Sein Sohn Sebastian sang dabei den Eisenstein. (siehe YT).


    Aber er hatte noch viele andere Fähigkeiten: legendär sind seine Lesungen, in denen er sein komisches Talent ausspielen konnte. Auch war er perfekt in Altgriechisch: Er korrespondierte in dieser Sprache Postkarten mit seinen Freund Gerhard Tötschinger.


  • Zum heutigen Todestag


    Fast wäre es ein echtes Christkind geworden, der Knabe wurde kurz vor Weihnachten 1912 geboren. Eigentlich galt Greindls musikalisches Interesse zunächst der Geige; ab dem siebenten Lebensjahr befasste er sich mit diesem Instrument, und das war nicht nur eine kurze Episode, er hat das acht Jahre sehr intensiv studiert und wollte eigentlich Geigenvirtuose werden.
    Als Greindl dann in München einer »Freischütz«-Aufführung beiwohnte, die Hans Knappertsbusch dirigierte und der legendäre Paul Bender den Kaspar sang, waren die Weichen in Richtung Vokalmusik gestellt. Bei Paul Bender studierte er Gesang, die weithin berühmte Anna Bahr-Mildenburg, selbst eine große Sängerin in des Wortes doppelter Bedeutung, kümmerte sich eher um die darstellerische Seite der Bühnenfiguren, dazu kamen vier Jahre schauspielerisches Sprechen. Diese fundierte Ausbildung schlug sich in Greindls Sängerkarriere nieder, ein wesentliches Qualitätsmerkmal war das Zusammenwirken von Stimme und Bühnenfigur zu einer Einheit.


    Josef Greindl studierte in den Jahren 1932-36 an der Münchner Musikakademie und debütierte mit 21 Jahren »inoffiziell« als König Philipp in »Don Carlos« am Gärtnerplatz-Theater in München. Diese Aufführung wurde damals von privater Seite organisiert und finanziert, in einem Interview mit August Everding stellt Greindl die Entstehungsgeschichte dieser Aufführung recht anschaulich dar. Diese Aufführung war recht erfolgreich, so dass der Jungsänger gleich seine Karriere hätte starten können, aber er war klug genug und führte seine Studien bei Paul Bender weiter.
    1936 fand dann sein »echtes« Debüt am Stadttheater von Krefeld als Hunding in der »Walküre« statt. Er blieb bis 1938 am Theater in Krefeld und sang von 1938-42 am Opernhaus in Düsseldorf. Von Düsseldorf aus begab sich Greindl schon auf Auslandsgastspiele nach Amsterdam, Den Haag und Rotterdam; ebenso gab es schon 1939 ein Gastspiel bei den Münchner Opernfestspielen.
    Ein junger Sänger hat in aller Regel Vorbilder, neben Paul Bender war dies für Greindl damals der Bassist Josef von Manowarda, der sich gerade auf der Höhe seiner Karriere befand und dann ausgerechnet am Geburtstag von Josef Greindl im Alter von nur 52 Jahren starb. Zu dieser Zeit war Heinz Tietjen in Berlin Generalintendant und holte Greindl 1942 an die Berliner Staatsoper, wo Greindl durch seine Mitwirkung bei der Uraufführung der Schoeck-Oper »Das Schloss Dürande« im April 1943 etwas an der Operngeschichte mitschrieb, die Liste der neben Greindl singenden Mitwirkenden ist legendär: Peter Anders, Maria Cebotari, Willi Domgraf-Fassbaender, Marta Fuchs und Gerhard Hüsch.
    Tietjen war damals ein Opernchef mit großen Möglichkeiten, die bis Bayreuth reichten. So kam Greindl noch in den Kriegsjahren zum Grünen Hügel, wo er 1943 dort bereits den Pogner in den »Meistertsingern« sang.
    An der Berliner Staatsoper blieb Greindl bis 1948. Als Furtwängler 1947 in Berlin seine erste Opernvorstellung nach dem Krieg dirigierte, konnte ihm Greindl nicht dienen, weil er wegen seiner Parteizugehörigkeit mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegt war. Er wechselte dann zur Städtischen Oper, beziehungsweise der Deutschen Oper Berlin. Seit 1956 war er auch gleichzeitig Mitglied der Wiener Staatsoper, wo er bereits 1940 ein erstes Gastspiel gab.
    Obwohl Josef Greindl ein sehr vielseitiger Sänger war, was sein Repertoire von 130 Rollen beweist, wird er manchmal nur als Wagner-Sänger gesehen, weil er bei den Bayreuther Festspielen während vieler Jahre alle einschlägigen Basspartien verkörperte.
    Seine stete Bayreuther Präsens - zwischen 1952 und 1969 hatte er sage und schreibe 82 Verträge mit großen Wagner-Partien zustande gebracht - strahlte natürlich auch auf seine Weltkarriere, die er nach dem Zweiten Weltkrieg machen konnte, aus.


    Er war mit seinen Paraderollen weltweit unterwegs, man könnte nun hier eine lange Liste all der Häuser einfügen, an denen er sang, aber es genügt wohl in diesem Rahmen der Hinweis, dass Greindl außer an den bereits genannten Stationen auch in London, Paris an der Mailänder Scala und am Teatro Colón von Buenos Aires auftrat und auch einige Vorstellungen an der New Yorker Metrolitan Oper sang. Auch sein langjähriger Gastspielvertrag mit der Hamburgischen Staatsoper ist erwähnenswert.


    Dazu kamen Auftritte bei den Salzburger Festspielen, Furtwängler hatte ihn schon 1949 dorthin geholt, zu Furtwängler hatte Greindl ein außerordentlich gutes Verhältnis, aber1970 sang er dann auch unter Karajan dort. In seiner Vita ist teilweise auch verzeichnet, dass Greindl 1971 an der Uraufführung der Oper »Melusine« von Aribert Reimann im Rahmen der Schwetzinger Festspiele teilgenommen habe, aber dem steht ein Uraufführungsbericht der Zeitung »DIE ZEIT« von Wolfram Schwinger entgegen, der den betörend schön singenden Barry McDaniel lobt.


    Wie dem auch sei, Josef Greindl war einer der ganz wichtigen deutschen Sänger nach dem Zweiten Weltkrieg. Noch vor Kriegsende hat er auch viele Lieder zusammen mit Michael Raucheisen aufgenommen, 43 Liedaufnahmen, überwiegend Lieder und Balladen von Carl Loewe, sind in der Raucheisen-Edition enthalten. Auch Loewe-Balladen mit der Pianistin Hertha Klust entstanden und auch seine 1957 in Hannover aufgenommene »Winterreise« ist ein wertvolles Lieddokument. In diesem Genre haben dann jedoch die jüngeren Kollegen Fischer-Dieskau und Hermann Prey Maßstäbe ihrer Art gesetzt und Greindls künstlerisches Tun spielte sich nun in der Hauptsache auf der Opernbühne ab.
    Als der damals 46-jährige Greindl anlässlich des Bonner Beethovenfestes die Gellert-Lieder zu Gehör brachte, passierte das Malheur - er blieb zwei Mal stecken, weil ihm Text und Melodie entfallen waren. Das wirft ein Licht auf die Belastungen, denen ein an allen Orten gefragter Sänger ausgesetzt ist. Wie konnte so etwas geschehen?
    Greindl hatte vormittags noch in Berlin seine Rolle in Schönbergs »Moses und Aron« geprobt und war anschließend nach Frankfurt am Main geflogen, von dort mit der Taxe nach Wiesbaden gefahren, in die Bahn umgestiegen und traf schließlich erst zwei Stunden vor Konzertbeginn am Veranstaltungsort ein.


    Josef Greindl konnte auf eine große Karriere zurückblicken, aber auch die beste Stimme nutzt sich nach so vielen Einsätzen ab, aber die Erwartungen beim Publikum sind immer noch hoch.
    Ilse Elisa Zellermayer, eine Opernmanagerin, berichtet in ihrem Buch über eine Begegnung mit dem Sänger:


    »Besonders tragisch in Erinnerung ist mir der Fall des wunderbaren Josef Greindl. Mit Tränen in den Augen saß er mir gegenüber und flehte mich an, ihm endlich den Wotan zu verschaffen, den er jetzt erst richtig erfühlen und singen könne. Dass seine Kräfte für diese Partie einfach nicht mehr ausreichten, war ihm nicht bewusst. Und ich wäre die Letzte gewesen, die es ihm sagte. Ich bin in meinem Leben immer bemüht gewesen, Menschen nicht zu verletzen. Das galt erst recht gegenüber denen, die sich mir anvertrauten. Er habe doch so viele Erfolge erlebt, sagte ich zu Greindl, warum er sich denn den Wotan antun wolle. Aber der Sänger verstand mich nicht.«


    Wer mit Sachkenntnis von außen drauf schaut, erkennt in der Regel mehr. Sicher hatte Greindl mit seinen Wotan-Plänen die besten darstellerischen Absichten, aber der nunmehr 58-Jährige konnte im Theater sein Publikum in dieser Rolle nicht gewinnen, so dass der viele Jahre mit Beifall überschüttete Sänger im Frühsommer 1970 ausgebuht wurde und sich seinerseits revanchierte, indem er sich zum Vorhang hin verbeugte und dem Publikum seine Kehrseite zeigte. Aber wenn man solche negativen Episoden in Relation zu den kaum zu zählenden weltweiten Erfolgen auf allerhöchstem Level setzt, steht am Ende nur noch die zu bewundernde große Lebensleistung des Sängers Josef Greindl.


    Ab 1961 war Greindl auch pädagogisch tätig, indem er die Leitung der Opernschule der Musikhochschule des Saarlandes in Saarbrücken übernahm. 1974 wurde er als ordentlicher Professor an die Wiener Hochschule für Musik berufen.
    Aber auch als lehrender Professor hatte er noch seine Auftritte im Konzertsaal und auf der Opernbühne. Man erinnert sich noch an einen ausdrucksstarken Liederabend im Januar 1975, und 1979 gab Greindl nochmal den Osmin in Mozarts »Entführung aus dem Serail« an der Volksoper.


    Im Dezember 1992 hatte Josef Greindl im renommierten Hotel Imperial noch seinen 80. Geburtstag gefeiert - am 16. April des folgenden Jahres starb der Sänger überraschend in seiner Wohnung in Wien.
    Unter den Trauergästen war auch Wolfgang Wagner, der wie kein anderer, um die Leistungen des Sängers bei der Entstehung von Neubayreuth wusste.
    Nur wenige Meter unterhalb von Greindls Grab befindet sich die Ruhestätte von Irmgard Seefried; im »Rosenkavalier«, »Don Giovanni« und »Fidelio« standen die beiden zusammen auf der Bühne der Wiener Staatsoper.




    Praktischer Hinweis:
    Das Grab von Josef Greindl findet man auf dem Friedhof Neustift am Walde
    Pötzleinsdorfer Höhe 2
    1180 Wien


    Am günstigsten benutzt man das Tor 3; von hier aus ist es am nächsten zur Gruppe 22.
    (Gruppe 22, Reihe 6, Nr. 5).
    Wer den Haupteingang benutzt sollte etwas Kondition mitbringen, denn der Weg zieht sich und steigt.

  • Diese Aufführung wurde damals von privater Seite organisiert und finanziert, in einem Interview mit August Everding stellt Greindl die Entstehungsgeschichte dieser Aufführung recht anschaulich dar.

    Das müsste wohl diese Sendung sein:



    An der Berliner Staatsoper blieb Greindl bis 1948. Als Furtwängler 1947 in Berlin seine erste Opernvorstellung nach dem Krieg dirigierte, konnte ihm Greindl nicht dienen, weil er wegen seiner Parteizugehörigkeit mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegt war.

    Sehr interessant! Ich habe mich gewundert, als ich 1948 las, weil ich seinen Namen auf den Besetzungszetteln der Staatsoper zum letzten Mal am 1. September 1946 in der nicht stücktragenden Rolle des Crespel in "Hoffmanns Erzählungen" gelesen - und dann nicht mehr. Nun weiß ich auch, warum...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • Zum heutigen Todestag von Alois Burgstaller





    Gleich links beim Eingang befindet sich das Grab



    Alois Burgstaller wurde in Holzkirchen, etwa 30 Kilometer südlich von München gelegenen, geboren; gerade war der Deutsch-Französische Krieg zu Ende gegangen und im Mai der Friede beschlossen worden.
    Als Alois geboren wurde, gab es in Holzkirchen noch kein elektrisches Licht, die erste Lampe brannte dort, als Alois ein junger Mann von 18 Jahren war. Damals war es unvorstellbar, dass man einmal Burgstallers Stimme noch 2017 wird hören können.
    Der Junge kam als uneheliches Kind zur Welt, was damals für Mutter und Kind noch ein Problem war, Alois´ Mutter heiratete aber kurze Zeit später den Uhrmacher Feyerlein, so dass Alois in familiärer Atmosphäre heranwachsen konnte.


    Noch war seine Stimmer kein großes Thema, so erlernte er bei seinem Stiefvater das Uhrmacher-Handwerk. Auch in Holzkirchen wurde mit viel Begeisterung Laientheater gespielt; einmal ging das Stück »Das Vaterunser in der Christnacht« über die Bühne und der Fotograf Seiling war von München angereist, um von den Akteuren ein Gruppenfoto zu machen. Bei dieser Gelegenheit fiel dem Fotografen die Stimme des jungen Burschen auf und er erzählte von seiner Entdeckung in München, wo es dem Münchner Generalmusikdirektor Levi zu Ohren kam.
    Zum Vorsingen in München reiste Alois dann mit seiner Feuerwehrhose, weil das sein bestes Stück war, den Rock lieh er sich von seinem Entdecker, dem Fotografen aus.
    Cosima Wagner fand an der Stimme des jungen Mannes Gefallen, woraus sich eine Ausbildung der Naturstimme in Frankfurt und Bayreuth ergab.
    Sein Frankfurter Lehrer war der hochangesehene Gesangspädagoge Eduard Bellwidt, das war der Ehemann der bekannten Konzertsängerin Emma Bellwidt. In der Bayreuther Stimmbildungsschule wurde Burgstaller dann durch Julius Kniese, der damals ein wichtiger Mann neben Hermann Levi war, zur Bühnenreife gebracht.


    Burgstallers Bayreuther Debüt war 1894 in der Rolle des Heinrich der Schreiber im »Tannhäuser« und als 1. Gralsritter im »Parsifal«. Im nahen Nürnberger Stadttheater sang er damals schon seine erste große Wagner-Partie des Siegfried.
    In Bayreuth folgten Froh im »Rheingold« und dann immer größere Aufgaben wie Siegmund und Siegfried im Nibelungenring, ab 1899 dann der Parsifal und 1901 den Erik im »Fliegenden Holländer«. Alois Burgstaller war nun ein berühmter Sänger geworden, der an allen großen Häusern in Deutschland gastierte, aber auch Gastspiele in Amsterdam, Zürich, London, Paris und Brüssel absolvierte.


    Sein Ruf als Wagner-Sänger war inzwischen bis nach Amerika gedrungen, er wurde 1903 Mitglied der Metropolitan Oper New York und blieb es für sechs Jahre. In Amerika hat er an vielen namhaften Opernhäusern wie San Franzisco, Boston, Philadelphia, Chicago, Pittsburgh, Los Angeles etc. gesungen, bis er dann am 23. Januar 1909 seine letzte Vorstellung an der »Met gab.


    Aber wegen seinen amerikanischen Aktivitäten kam es schon zu Beginn seines Aufenthalts zu erheblichen Turbulenzen mit Bayreuth, weil er ungehörigerweise in der Neuen Welt als Parsifal auf der Bühne stand, das war am Heiligen Abend 1903; aus Cosimas Sicht eine Ungeheuerlichkeit, ein Gralsraub.
    Richard Wagner hatte sein letztes Werk - »Parsifal« - ausdrücklich dem Festspielhaus in Bayreuth vorbehalten wollen:


    »Dort darf der ,Parsifal‘ in aller Zukunft einzig und allein aufgeführt werden«, beschied er 1880 Bayerns König Ludwig II. »Nie soll der ,Parsifal‘ auf irgendeinem anderen Theater zum Amüsement dargeboten werden: und dass dies so geschehe, ist das einzige, was mich beschäftigt und zur Überlegung dazu bestimmt, wie und durch welche Mittel ich diese Bestimmung meines Werkes sichern kann.«


    Heute weiß man, dass dies nicht möglich war, obwohl die Bayreuther Familie mehrmals versuchte, eine gesetzliche Änderung der Schutzfrist, die damals auf 30 Jahre festgeschrieben war (heute 70), herbeizuführen. Auch die Herren Engelbert Humperdinck, Richard Strauss, Giacomo Puccini und der Dirigent Arturo Toscanini standen damals an der Seite Cosima Wagners; allerdings ging es da um das Datum 1. Januar 1914.


    Der »Gralsraub« der «Met« sollte schon 1903 über die Bühne gehen. Was war geschehen? Die USA waren diesem internationalen Urheberrechtsschutz nicht beigetreten. Somit hatte Heinrich Conried, der Impresario der Metropolitan Oper, nur das Problem an das Notenmaterial heranzukommen; er ließ einfach Stimme für Stimme aus einer Studienpartitur des Mainzer Schott-Verlages abschreiben.
    Frau Cosima intervenierte sogar persönlich bei Präsident Theodore Roosevelt und belegte alle bei dem New Yorker Frevel Beteiligten mit einem lebenslangen Wagner-Bann für Bayreuth. Dennoch kam es wieder zu einer Annäherung, wie ein Schreiben Cosimas vom 8. November 1907 an Burgstaller zeigt. Und so hörte man von Alois Burgstaller dann in Bayreuth nochmals den Siegfried und 1909 den Siegmund.


    1908 zog es ihn wieder heim in seine bayerische Heimat und er brachte eine amerikanische Frau mit nach Hause; zusammen kauften sie das Gut Heigenkam an der Baumgartenstraße wurde eine Villa gebaut; zehn Jahre später zog der Sänger ins 15 Kilometer entfernte Gmund am Tegernsee um. Seine Stimme war durch seinen Wagner-Gesang stark beansprucht worden, wohl ein Grund, warum er seine Karriere relativ früh beendete und sich ins Privatleben zurückzog.
    Die gesammelten Erfahrungen gab er an jüngere Sänger weiter; ein führender Wagner-Tenor der nachfolgenden Generation profitierte von diesen Tipps. So orientierte sich Max Lorenz nicht nur an Heinrich Knote, sondern auch an Burgstaller mit dem er sich ausgiebig besprach, eine Darstellung von Lorenz liest sich so:


    »Alois Burgsmüller lud mich nach Gmund ein, wo ich einen zauberhaften Nachmittag mit ihm und seiner Frau verbrachte. Im Gespräch gab er mir so wertvolle Hinweise, dass ich ihn zwei Wochen lang täglich besuchte und mit ihm alle meine Partien besprach. Durch ihn lernte ich meine Stimme erst kennen. Er öffnete mir die Höhe, die seitdem meine Stärke war. Seine wichtigsten Ratschläge habe ich aufgeschrieben.«


    Als der kleine Alois zur Welt kam, war gerade erst ein Krieg zu Ende gegangen, beim Tod des Sängers, der im April 1945 in Gmund starb, lag der Zweite Weltkrieg in den letzten Zügen.

    Die Beisetzung fand, seinem Wunsch entsprechend, an seinem Geburtsort statt. Man hatte seinen Leichnam auf einem Ochsenkarren von Gmund herüber gebracht. Mitten in der Nacht soll das gewesen sein, weil man bei Tag die Flugzeugangriffe fürchtete. Auch während der bescheidenen Beisetzungszeremonie war der Krieg gegenwärtig.
    Als er im Elterngrab auf dem Holzkirchner Friedhof nahe der Kapelle beigesetzt wurde, begleiteten ihn nur wenige seiner Freunde und Tiefflieger störten die Worte des Pfarrers



    Auf diese Weise ehrt die Geburtsstadt ihren großen Sohn


  • Zum heutigen Todestag von Luise Willer




    Als Hans Hotter 2003 in Bayreuth mit dem Wilhelm-Pitz-Preis ausgezeichnet wurde, hielt er eine Dankesrede, in der er unter anderem auch sagte:
    »Ich mache einen Abstecher in eine Welt, die auch für viele Jahre die meine war und die es wohl auch heute noch wäre, würde sie es mir nicht so verdammt schwer machen, ihr in der heutigen Verkleidung die Treue zu halten. Ich spreche von der Welt der Oper.«


    Danach folgte eine Lobeshymne an die Chorsänger und Hans Hotter gab dazu eine recht amüsante Geschichte zum Besten:


    »Luise Willer war die gefeierte Altistin im ersten Weltkrieg und in den Jahren danach. Sie hatte eine Stimme mit einem unverkennbaren Timbre. Noch heute, nach mehr als 80 Jahren, habe ich ihren Brangäneruf aus dem 2. Akt des „Tristan“ oder ihr „Erbarme dich“ aus der Matthäuspassion im Ohr. Sie war die Erste im Ensemble, die mir seinerzeit, 1937, als ich an die Münchner Oper kam, das kollegiale „Du“ anbot – damals durchaus keine Selbstverständlichkeit. Einmal erzählte sie mir, wie es zum Wechsel von der Chordame zur Solistin kam.
    In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg war der große Bruno Walter Chef im Haus an der Maximilianstraße. Er plante eine Neuinszenierung von Mozarts „Figaro“. Unter anderem sollte das kleine Duett „Amanti costanti“ am Ende des 3. Aktes, meistens von zwei Damen aus dem Chor gesungen, neu besetzt werden. Zu diesem Zweck ließ sich Walter nicht, wie man annehmen würde, vorsingen, sondern er schritt in einer Bühnenprobe an den Chordamen entlang, mit den Augen in Richtung der Beine der Damen. „Als er vor mir stehen blieb“, hier unterbrach Luise Willer ihre Schilderung mit einem hellen Lachen:
    „ob du‘s glaubst oder net, aber i hab damals keine schlechten Haxen g‘habt.“ Walter schien der gleichen Meinung gewesen zu sein. Denn sie bekam die kleine Rolle und machte damit den Anfang einer langen glorreichen Solistenkarriere, die sie ihrer Meinung nach nicht etwa ihrer Stimme, sondern ihren, wie sie sagte, gut gewachsenen Beinen zu verdanken hatte.«


    Neben den feschen Beinen war dann da doch auch noch eine beachtliche Stimme, sonst hätte sie es nicht zur Königlich bayrischen Kammersängerin gebracht, übrigens der letzten Sängerin, die diesen Titel trug.
    Luise Willer wurde am Südende des Starnberger Sees geboren, in ihrem Geburtsort lebten damals noch nicht einmal tausend Menschen. Aber der Ort war so malerisch, dass ihn Carl Spitzweg (um 1880) in dem Bild »Ankunft in Seeshaupt« festhielt.
    Luise war eine Lehrerstochter und hatte noch vier Geschwister. Der Vater starb früh und die Mutter zog mit ihren fünf Kindern ins knapp 50 Kilometer entfernte München. Luise Willer musste mit zum Familienunterhalt beitragen und trat eine Stelle als Bürolehrling an. In ihrer freien Zeit nahm sie aber Gesangsstunden bei Frau Heppner-Baermann. Als die junge Dame, damals noch Fräulein genannt, einmal bei Verwandten sang, spitzte der Chordirektor Raßbach von der Münchner Hofoper die Ohren, die Stimme gefiel ihm und er lud das Nachwuchstalent ein, in den Hoftheatersingchor einzutreten. Nach ihrem Vorsingen nickte Operndirektor Felix Mottl, der Mann kannte sich aus, er war mit einer Sängerin verheiratet. »Die nehmen wir«, sagte Mottl, und damit war die 17-jährige junge Frau Chorsängerin an der Münchner Hofbühne. Aber die Chorsängerin schätzte offenbar ihr Entwicklungspotenzial richtig ein und studierte fleißig weiter Altpartien, stets darauf bedacht Solistin zu werden.
    Nach Mottls überraschendem Tod kam Bruno Walter nach München. Als Walter die Anfängerin in der Rolle der Brangäne als Einspringerin einsetzte, kann dies als Zeitpunkt des Beginns ihrer Solokarriere betrachtet werden. Überblickt man ihre gesamte Karriere, stellt man fest, dass München zwar ihr künstlerischer Mittelpunkt war, was jedoch nicht ausschließt, dass sie auch an anderen angesehenen Häusern auf der Bühne stand.
    Da gab es zum Beispiel 1934 Unstimmigkeiten mit der Münchner Intendanz, und weg war sie; für drei Jahre hörte man Frau Willer in Berlin, erst 1937 holte sie Clemens Krauss nach München zurück, wo sie dann bis zum Kriegsende Mitglied der Staatsoper war.


    In den 1920er und dreißiger Jahren wirkte sie bei der Uraufführung von Opern mit, die heute nicht mehr so präsent sind: »Violanta«, »Das Spielwerk« und »Das Himmelskleid«.
    Ihre musikgeschichtlich wohl bedeutendste Uraufführung dürfte sie am 12. Juni 1917, im dritten Kriegsjahr, erlebt haben, bei Pfitzners »Palestrina« im Prinz-Regenten-Theater zu München; die musikalische Leitung hatte Bruno Walter. Mit auf der Bühne standen damals so prominente Akteure wie Herr Erb, Fräulein Ivogün, Herr Bender ... Die Erscheinungen von Lukrezia, Palestrinas verstorbener Frau, sang Fräulein Willer (Alt).


    Bereits in den Jahren 1928 bis1930 hatte sie auch Gastverträge mit der Wiener Staatsoper. Bei den Salzburger Festspielen sang sie 1930 die Klytämnestra in Glucks »Iphigenie in Aulis« und jeweils 1942 und 1943 die Adelaide in »Arabella« und unter Karl Böhm in Beethovens Symphonie Nr. 9


    Luise Willer kam zu Gastspielen auch in andere deutsche Städte, aber ebenso nach Amsterdam, Paris, London und Florenz. Mit dem Ensemble der Münchner Oper kam sie zum Gastspiel an der Mailänder Scala. Schließlich verabschiedete sie sich als Erda im »Siegfried« von der Münchner Bühne, aber nicht von musikalischem Tun; sie war noch pädagogisch tätig und die Lehrerin so hervorragender Sängerinnen wie beispielsweise Ina Gerhein und Hanna Ludwig.
    Es gibt nicht nur Tonaufnahmen und Bilddokumente von Luise Willer, sondern auch noch eine silberne Gussmedaille von 1925 auf der die Sängerin als Klytemnästra dargestellt ist. Als unmusikalische Zusatzinformation sei noch angefügt, dass diese Willer-Medaille von Josef Bernhart gefertigt wurde, der auch die 1-DM-Münze entworfen hat



    Seit dem Sommer 1931 hatte Luise Willer ihren Wohnsitz in Icking, eine knappe halbe Autostunde von ihrem Geburtsort entfernt. Jahrzehnte später zog auch der Schauspieler Gert Fröbe in den Ort. Beide haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Der Friedhof von Icking ist nicht besonders groß, so dass sich eine Wegbeschreibung erübrigt.


    Praktischer Hinweis:
    Waldfriedhof Waldhauser Straße
    82057 Icking


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  • Zum heutigen Geburtstag von Hans Pfitzner


    Es ist heute kein runder Geburtstag, aber Pfitzners wohl bekanntestes Werk - »Palestrina« - hat in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag, die Uraufführung fand am 12. Juni 1917 im Prinz-Regenten-Theater zu München statt.


    Hans Erich Pfitzner wurde in Moskau geboren, weil sein Vater, Robert Pfitzner, an der dortigen Oper ein Engagement als Geiger hatte. 1872 übersiedelte die Familie nach Frankfurt/ Main, wo der Vater am Stadttheater die Stelle des Konzertmeisters übernahm. Hans Pfitzner studierte von 1886 bis 1890 am Hochschen Konservatorium in Frankfurt bei James Kwast (Klavier) und bei Iwan Knorr (Komposition).


    Nach einer ersten ungeliebten Anstellung als Lehrer für Klavier und Theorie am Konservatorium in Koblenz (1892-93) trat Pfitzner 1894 den unbezahlten Posten eines Kapellmeisters am Mainzer Stadttheater an und konnte dort im folgenden Jahr seine erste Oper »Der arme Heinrich« zur Uraufführung bringen. Neben der Tätigkeit in Mainz bildete er sich bei Hugo Riemann in Wiesbaden weiter. 1897 zog Pfitzner nach Berlin, wo er am Sternschen Konservatorium Komposition und Dirigieren unterrichtete. Zusätzlich übernahm er von 1903-05 die Stelle des Ersten Kapellmeisters am Theater des Westens. 1907 leitete er in München die Konzerte des neu gegründeten Kaim-Orchesters, aus dem später die Münchner Philharmoniker hervorgingen.


    Im gleichen Jahr wurde Pfitzner als Leiter des städtischen Orchesters und des Konservatoriums nach Straßburg berufen. Die Straßburger Jahre (1908 bis 1918) waren für ihn eine Hoch-Zeit des Schaffens und Wirkens als Komponist, Dirigent, Lehrer, Regisseur und Schriftsteller. Von 1910 bis 1916 übernahm er außerdem noch die Leitung der Straßburger Oper.
    Im Elsass entstand zwischen 1909 und 1915 sein musikdramatisches Hauptwerk, die "musikalische Legende" »Palestrina«, zu dem er selbst das Libretto schrieb.
    Bei Kriegsende, gemeint ist 1918, musste Pfitzner nach Deutschland zurückkehren und übernahm 1920 eine Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, von 1930 bis 1934 leitete er eine Kompositionsklasse an der Münchner Akademie der Tonkunst. Danach war er ohne festes Amt; aber als Dirigent, Opernregisseur und Pianist viel auf Reisen.


    Die Münchner »Palestrina«-Uraufführung unter Bruno Walter (1917) löste große Begeisterung aus. Namhafte Künstler, darunter Thomas Mann, setzten sich 1918 für die Gründung des »Hans-Pfitzner-Vereins für deutsche Tonkunst« ein, der die Bewahrung traditioneller Stilrichtungen zum Ziel hatte. Thomas Mann fand »Palestrina« etwas »absolut Bezauberndes« in das er sich »sofort über beide Ohren verliebt« hatte.
    Der um sechs Jahre ältere Pfitzner war zwar mit Thomas Mann befreundet, aber dass die beiden ein Herz und eine Seele gewesen sind, kann nicht festgestellt werden, die Freundschaft kühlte schon Jahre vor dieser Rede Thomas Manns, die letztendlich zu dessen Emigration führte, merklich ab.
    Als Pfitzner dann 1933 den »Protest der Richard-Wagner-Stadt München« gegen Thomas Mann mitunterzeichnete - Strauss und Knappertsbusch waren als prominente Musiker auch mit dabei - ging die Freundschaft endgültig in die Brüche.


    Auch in einem solchen Musik-Thread kann man natürlich nicht die musikalisch-politischen Gegebenheiten im Leben des Komponisten Pfitzner ausklammern, diesen Aspekt auch nur halbwegs erschöpfend darzustellen, ist in diesem Rahmen jedoch schlecht möglich, aber es steht eine Menge an Publikationen zur Verfügung, die diesen Komplex von den verschiedenen Seiten beleuchten.


    Es gibt da eine Langspielplatte mit 13 Pfitzner-Liedern, die1979 in Wien aufgenommen wurden (Robert Holl / Konrad Richter). Auf der Platten-Cover Rückseite beschreibt Hans Hotter den Komponisten aus der Kenntnis enger Zusammenarbeit und ohne politisches Beiwerk so:


    »... Es gab also genügend Gelegenheit, den Künstler und Menschen Hans Pfitzner kennen zu lernen, in der beruflichen Arbeit und im privaten Zusammensein. Im allgemeinen galt der Schöpfer des Palestrina als schwieriger, eher mürrischer beinahe unliebenswürdiger Mensch, der es sich und den andern schwer machte mit ihm "umzugehen" und sich durch seine überkritische, nörglerische Art oft mehr Feinde als Freunde schuf. Zugegeben: oft war es nicht einfach mit ihm auszukommen. Aber trotzdem muss ich sagen, dass ich mich eigentlich mit ihm immer gut vertrug. Man musste ihn richtig zu nehmen wissen, dann eröffneten sich einem auch die vielen positiven Seiten seines im Grunde gutmütigen Wesens. Mir imponierte seine hohe Allgemeinbildung, das umfangreiche literarische Wissen und die umfassende Kenntnis der gesamten Musikliteratur. Er liebte es aus dem Born seiner Wissens- und Erfahrungsgebiete zu schöpfen, zu zitieren - er hatte ein unbeschreiblich gutes Gedächtnis - und zu dozieren, man hörte ihm gern zu, da er der deutschen Sprache und ihrer gehobenen Wortästhetik mächtig war wie ein Humanist des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dann kam auch sein köstlicher Sinn für Humor zum Vorschein, mehr getragen von intellektuellem Sarkasmus als von befreiender, beglückter Heiterkeit. In der Arbeit stellte er an seine Mitarbeiter die gleichen höchsten Anforderungen, die er sich selbst zur Pflicht machte. Er war ein Idealist ohne Berechnung, beinahe lebensunklug. Einer Einstellung die "das ernste Leben und die heitre Kunst" leicht nahmen, stand er voll Unverständnis, ja mit Feindseligkeit gegenüber. Ich habe ihn nie ernsthaft lachen sehen. Aber ich erinnere mich an Situationen, da ihm eine starke Rührung, eine freudige Erregung die Rede verschlug. Mein letzter Eindruck von Hans Pfitzner: im Frühjahr 1949, anlässlich einer Palestrina-Neuinszenierung der Wiener Staatsoper im Theater an der Wien: der 80jährige, beinahe erblindete Meister am Ende der Premiere zusammen mit seinen Interpreten vor dem Vorhang, ohne eine Spur von Sarkasmus oder Kritik, nur glücklich lächelnd. Mein Schüler Robert Holl hat zu Hans Pfitzner ein so verständnisvolles enges Verhältnis, dass es mir Freude und Genugtuung bedeutet, dem heute schon namhaften jungen Liedinterpreten etwas von den Eindrücken und Erfahrungen weiterreichen zu können, die mir der Komponist aus seinem musikalischen Geistesleben vermittelte. Der Entschluss, dem Liedwerk des großen Romantikers eine ganze Platte zu widmen, zeugt zweifellos von viel Mut, aber wohl auch von ebensoviel Ernsthaftigkeit einer jugendlich idealistischen Kunstauffassung, an der der kritische Meister im musischen Olymp seine helle Freude haben dürfte.«



    Es war still geworden um Hans Pfitzner, zumal er kein so umfangreiches Werk zurück ließ, wie dies bei seinem Zeitgenossen Richard Strauss der Fall war. Pfitzners »Palestrina« war kein »Renner« auf den Opernbühnen; Straßen, die einst nach ihm benannt waren, wurden umgewidmet, er war nicht en vogue, »Palestrina« oder gar die Musik Pfitzners zu mögen, galt nach dem Zweiten Weltkrieg als inkorrekt.


    Da trat ein gewisser Christian Thielemann auf den Plan. Als dieser 1988 eine »Palestrina«-Platte hörte, war er hin und weg und wollte das Werk unbedingt aufführen. Und er hatte sogar die Möglichkeit dazu, war er doch gerade frisch gebackener GMD geworden. Ausgerechnet in Nürnberg, wo Pfitzners Werk seit 50 Jahren nicht mehr aufgeführt wurde, brachte er »Palestrina« auf die Bühne. Natürlich gab es Proteste, zumal wenn ein Dirigent mit so einer Frisur so ein Stück auf die Bühne bringt ... aber Thielemann führte das Werk 1997 sogar an Londons Covent Garden im Rahmen einer Jubiläumsveranstaltung auf; erstmals in einer professionellen Aufführung im vereinigten Königreich, 80 Jahre nach der Münchner Uraufführung; und man nahm das Stück sogar auf die Gastspielreise nach New York mit.
    Neu war »Palestrina« für New York nicht. Der jüdische Dirigent Bruno Walter hatte es 1947, also nach den schrecklichen Ereignissen in Deutschland, aufgeführt und schrieb dazu:


    »Ich persönlich zähle die Aufführung des Palestrina, nach meiner Meinung eines der gewaltigsten musikalischen Bühnenwerke unserer Zeit, zu den großen Ereignissen meines Lebens.«


    Der Musikwissenschaftler Rudolf Louis (1870-1914) spricht in seinem 1909 herausgekommenen Buch »Die Deutsche Musik der Gegenwart«, wo er damals über aufstrebende Musiker schrieb und Pfitzner »das einzig echte und wahrhafte Genie unter den schaffenden Tonkünstlern der Gegenwart«, nannte. Und Louis schreibt weiter:
    »Die Musik Pfitzners überrascht schon beim ersten Anhören - wo sie im Übrigen vielleicht noch nicht einem jeden ganz eingehen wird - vor allem einmal dadurch, dass man so ganz und gar nicht den Eindruck hat, die musikdramatische Arbeit eines Vierundzwanzigjährigen vor sich zu haben. Vielmehr ist es eine fertige und in sich geschlossene künstlerische Persönlichkeit, die sich in diesen Tönen offenbart.«


    Mit der musikdramatischen Arbeit meint Louis hier »Der arme Heinrich«. Diese sehr positive Aussage über Pfitzner verliert jedoch an fachmännischen Wert, wenn man liest, was der gleiche Musikwissenschaftler über Gustav Mahler schrieb.


    Dass Pfitzner nach dem ersten Weltkrieg aus Straßburg vertrieben wurde und das sogenannte Diktat von Versailles, hat ihn sehr verbittert. Dazu kam dann noch, dass er zu spät geboren wurde, denn in die Zeit der vorigen Musikergeneration hätte er besser gepasst.
    Auch das private Leben lief nicht optimal. Alma Mahler spielte etwas mit ihm, und er widmete ihr in seiner Verliebtheit sogar ein Streichquartett.
    1899 heiratet er Mimi Kwast, die Tochter seines ehemaligen Klavierlehrers. In den Jahren 1903, 1906 und 1908 wurden ihm drei Kinder geboren, die er alle überlebte. Seine Frau Mimi starb 1926, Sohn Paul 1936, die Tochter Agnes 1936 durch Suizid und Sohn Peter blieb als Soldat 1944 in Russland.
    Mit seinen Kindern lag er im Streit. 1939 heiratete Pfitzner Mali Stoll; wie durch ein Wunder überlebte das Paar 1942 einen Bombenangriff, als sie in einem Schlafwagen mit der Bahn unterwegs waren und der Wagen total zerstört wurde. 1943 fiel Pfitzners Wohnhaus in München den Bomben zum Opfer.


    1945 kam Pfitzner in den Wirren des Kriegsendes nach Garmisch-Partenkirchen, wo er in einem Flüchtlingslager Unterschlupf fand. Richard Strauss hatte in Garmisch ein prächtiges Landhaus, das war ein echter Kontrast innerhalb der Marktgemeinde. Kollege Strauss hatte eigene Sorgen und verlegte im Oktober 1945 seinen Wohnsitz in die Schweiz.


    Als Hans Pfitzner 1949 seinen 80. Geburtstag feiern konnte, war er schon ein schwer kranker Mann, wollte aber nochmal nach Frankfurt am Main fahren, wo er früher gelebt hatte und zur Schule gegangen war. Aber eine Lungenentzündung zwang ihn zur Rückkehr in seine Wahlheimat Salzburg, wo er an einem Sonntag im Krankenhaus starb.


    In einer Zeitung stand, es sei sein letzter Wunsch gewesen in der Nähe von Beethoven, Schubert und Mozart bestattet zu werden, mit der Nähe zu Mozart ist das etwas kompliziert ...
    Die Hans Pfitzner-Gesellschaft e. V. schreibt zu diesem Punkt:
    »Auf Veranlassung der Wiener Philharmoniker Ehrengrab auf dem Centralfriedhof in Wien (Pfitzner hätte lieber in Unterschondorf bei Mimi und seinen Kindern gelegen).«


    Praktischer Hinweis:
    Wiener Zentralfriedhof
    Gruppe 14 C, Nummer 16


  • Zum heutigen Todestag von Elisabeth Reichelt



    »Wenn Du so gut singen könntest, ja dann ...» sagte der Vater zu seiner Tochter Elisabeth. Worauf diese mit einem gewissen Stolz erklärte: »Das bin ich, das ist eine Aufnahme von mir.!«
    Wie wohl vielen Eltern, deren Kinder künstlerische Ambitionen haben, lag dem Familienvater daran, dass seine Tochter einen »normalen« Beruf erlernt.
    Elisabeth Schäch, wie sie damals noch hieß, hatte noch vier Geschwister; es soll eine recht lebensfrohe und musikalische Familie gewesen sein. Beiden Eltern blieb die besondere Begabung ihrer Tochter nicht verborgen; denn schon als das Mädchen zwölf Jahre alt war, erkannte der Kantor und Musiklehrer Georg Franz in Coswig das stimmliche und darstellerische Talent, das bei Schulaufführungen zu Tage trat und die Heranwachsende vom Beruf einer Sängerin träumen ließ.
    Aber der Vater dachte primär an die Existenzsicherung seiner Tochter; also absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Stenotypistin und Sekretärin in Dresden. Ihren kleinen Verdienst investierte sie in Gesangsstunden. Ab 1929 erteilte ihr der um 23 Jahre ältere Karl Werner Reichelt den ersten Gesangsunterricht, der so erfolgreich war, dass die junge Frau vor dem damaligen Generalmusikdirektor Fritz Busch an der Semperoper bestehen konnte. Mit dem Vortrag des »Frühlingsstimmenwalzer« von Johann Strauß erhielt sie im selben Jahr eine Freistelle an der Opernabteilung der Orchesterschule der Sächsischen Staatskapelle. 1936 bestand sie, unterstützt durch Professor Ernst Hintze und Waldemar Staegemann, die Bühnenprüfung bei Staatskapellmeister Hermann Kutschbach.
    Auch privat war die Sache mit den Gesangsübungen erfolgreich, aus Fräulein Schäch wurde Frau Reichelt . . .


    Ihr erstes Engagement erhielt die junge Sängerin 1936 am Opernhaus in Düsseldorf, wo sie als Sandrina in »La finta giardiniera« von Mozart debütierte.
    1939 kehrte sie in ihre alte Heimat und zu ihrer sängerischen Ausbildungsstätte als nun bestens erprobte Sängerin zurück. Kein Geringerer als Karl Böhm hatte sie schon im zweiten Jahr ihres Düsseldorfer Engagements nach Dresden eingeladen, wo sie die Rollen der Gilda im »Rigoletto« und der Rosine in »Der Barbier von Sevilla« sang, was ihr den Weg zum Engagement in Dresden ebnete.
    An der Semperoper galt sie wegen ihrer außergewöhnlichen Tonhöhe als die Nachfolgerin von Erna Sack. Ihrem Dresdner Debüt in der Partie der Kammerzofe Despina in Mozarts »Cosi fan tutte«, folgten noch ein Dutzend Rollen an diesem Haus.
    Auch die Opernhäuser in München und Wien, später auch in Berlin, zeigten Interesse an einer Verpflichtung von Elisabeth Reichelt; es kam zu Gastspielen, aber sie blieb der Stadt Dresden und ihrem Publikum treu. Bis zum 31. August1944, der letzten Aufführung während des Zweiten Weltkriegs (Ännchen im „Freischütz“), stand sie auf der Bühne der Semperoper. 1936 und 1944 war sie außerdem an Schallplattenaufnahmen beteiligt. Mit der Bombardierung Dresdens am 13./14.Februar1945 wurde auch ihre Wirkungsstätte, mit der sie sich sehr eng verbunden fühlte, zerstört.
    Diese Kriegssituation verhinderte, wie bei vielen andern Künstlern dieser Zeit auch, eine durchgehend verlaufende internationale Karriere.


    Nach dem Krieg wurden auch in Dresden Opern in einigen Ersatzspielstätten aufgeführt, wo Elisabeth Reichelt wieder engagiert mitwirkte.
    Im September 1948 wird das wiederaufgebaute Schauspielhaus als »Großes Haus der Staatstheater Dresden« eröffnet, das bis 1984 als Hauptspielstätte der Oper dient. Hier ist nun Elisabeth Reichelts künstlerische Heimat und in dem Jahr der Eröffnung wird sie auch zur Kammersängerin ernannt; ab1967 ist sie Ehrenmitglied der Sächsischen Staatsoper und fünf Jahre später beendet sie ihre unaufgeregte, solide Karriere.


    Praktischer Hinweis:
    Der Friedhof in Coswig hat zwei Teile. Das Grab von Elisabeth Reichelt findet man dort wo die Friedhofskapelle steht. Man geht bis zum oberen Ende und wendet sich dann nach links; an der Sandsteinmauer findet man das Grab.
    Friedhof Coswig
    Salzstraße 16
    01640 Coswig


  • Zum heutigen Geburtstag von Max Lorenz


    Am 3. April 1938 wurde Lorenz im Rathaus von Mailand nach einer »Götterdämmerung«-Aufführung der Titel Commendatore verliehen, auf den er zeitlebens stolz war.


    Als Max Sülzenfuß war er in Düsseldorf in eine kinderreiche Familie geboren worden. Sein Vater betrieb eine Metzgerei und hatte keine besonders ausgeprägten kulturellen Bedürfnisse; seine ersten Theaterbesuche verdankt Max seiner Mutter, die schon mal in die Ladenkasse griff und ihm was zusteckte, damit er ins Theater konnte. Der begeisterte Operngänger deponierte mitunter seine besseren Theaterkleider an der Kellertür, damit der Vater nicht bemerkte, dass der Junge in die Oper ging. Bei einer »Lohengrin«-Aufführung mit Jacques Sorreze in der Titelrolle, entwickelte sich in dem jungen Mann der heiße Wunsch Heldentenor zu werden. Dieser Berufswunsch stand aber im krassen Gegensatz zu seinen Singerfolgen in der Schule, wo ihn sein Musiklehrer mit der Begründung aus dem Chor wies, dass Max nicht singen könne, er wurde deswegen regelrecht lächerlich gemacht.
    In einem Interview äußerte er sich zu seinen Ambitionen einmal so:
    »Ich wollte Sänger werden, um jeden Preis der Welt. Über fünf Jahre bin ich dreimal die Woche nach Köln gefahren. Meine Mutter gab mir heimlich das Geld dazu«.
    Die vom Sohn bedrängte Mutter kaufte für die ersten musikalischen Gehversuche ein Klavier. Dem Vater bleib das alles mit der Zeit nicht verborgen und er sah ein, dass ihm da kein Nachfolger erwächst, irgendwann akzeptierte er die Gesangsstunden seines Sohnes. Von den ganz frühen Versuchen ist nichts Genaues bekannt, aber bei dem in Köln wirkenden Kammersänger Pauli ging er fünf Jahre lang zum Gesangsunterricht.
    Dann wollte er mal eine Einschätzung seiner Stimme von anderer Seite haben und fuhr zum Vorsingen nach Wiesbaden, wo man ihm den Berliner Gesangspädagogen Ernst Grenzebach empfahl, der auch Carl Clewing, Lauritz Melchior und Peter Anders betreute.
    Der erfahrene Pädagoge bremste den heranstürmenden Heldentenor zunächst etwas ab und meinte, dass erst einmal gründlich Vokalisen geübt werden sollen, »um den Rost von der Stimme wegzubringen«, wie sich Grenzebach ausgedrückt haben soll. Schon 1925 hatte Lorenz im Verlauf seiner Ausbildung bei Grenzebach Berührung mit Siegfried Wagner, der sich dort nach den Fortschritten seiner beiden Schützlinge Melchior und Clewing erkundigte. Siegfried Wagner fand Gefallen an dem jungen Mann, so kam Max Lorenz bereits 1925 nach Bayreuth.


    Es war so eine Sache mit diesem »Rost«, da sprach der amerikanische Musikkritiker Irving Kolodin schon mal von einer »harten, unangenehmen Tonqualität« und John Steane empfand die Stimme gar als hässlich.
    Aber in Dresden, Berlin, Bayreuth, Wien, New York und Buenos Aires ... sah man das wohl etwas anders, denn auf solchen Bühnen muss ein Sänger schon etwas anzubieten haben.
    Wie man in einem Film mit und über Max Lorenz sehen kann, sind bühnenerfahrene Leute wie Hilde Zadek, Dietrich Fischer-Dieskau, René Kollo und Waldemar Kmentt begeisterte und andächtige Zuhörer, wenn Lorenz´ Stimme ertönt.


    Entscheidend war wohl, dass er bei einem 1926 von einer Illustrierten ausgeschriebenen Wettsingen den ersten Preis ersungen hat; eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass er sich unter zweitausend Mitbewerbern durchgesetzt hatte.
    Bevor er als Sänger an die Öffentlichkeit trat, korrigierte er zwei Dinge: Seine auffallende Hakennase durch eine Operation und den angestammten Familiennamen; seinem Vornamen Max fügte er den Geburtsamen seiner Mutter hinzu und nannte sich fortan Max Lorenz.


    Seit seinen ersten Gesangsstudien waren 15 Jahre vergangen, als er endlich im September 1927 in der Dresdner Oper auf der Bühne stand; zu seiner ersten Probe erschien nur er allein in seinem Rollenkostüm, alle anderen probten in Zivil, ihm waren die Gepflogenheiten des Theaterbetriebs noch nicht geläufig.
    Wegen ungeschickter Bewegungen wurde er vom Regisseur übel zusammengestaucht: »Wenn man so unbegabt ist wie Sie, muss man in Meißen anfangen!« Kurt Taucher, ein großer Sänger, stellte sich damals schützend vor ihn.


    In der Literatur findet man häufig die lapidare Angabe: Dresdner Debüt als Walther von der Vogelweide. Es folgten noch einige kleine Rollen, aber schon 1928 war es dann ein Auftritt im »Rosenkavalier«, wo er mit »Di rigori armato« zeigen konnte, was er so drauf hatte.


    Als 1928 in Dresden »Die ägyptische Helena« uraufgeführt wurde, gelang es der Sopranistin Lotte Aftersack, die aus ihrem unmöglichen Namen dann Lotte Appel machte, durch allerlei gedankliche Winkelzüge bei Richard Strauss durchzubringen, dass der junge Max Lorenz die Rolle des Menelas mit einstudieren solle, für den Fall, dass mal jemand bei einer Aufführung ausfällt. Diese Ausfälle gab es dann zuhauf und so wurde diese von Lorenz nicht gerade geliebte Rolle zum Sprungbrett seiner Karriere. Schon in seinen jungen Jahren sang er - allein dieser Rolle wegen - in Berlin, Wien, Hamburg, München ... Durch die für einen Anfänger enorme Gastspieltätigkeit war er auch für das Dresdner Opernhaus interessanter geworden.
    Zu jener Zeit war Tino Pattiera der Startenor in Dresden und hatte vor allem eine tragende Rolle bei der Dresdner Verdi-Renaissance an der Semperoper. Nun bemerkte Pattiera etwas irritiert den Aufstieg des jungen Helden Max Lorenz. Als Lorenz den Hermann in »Pique Dame« singen sollte, fand plötzlich auch Pattiera am Hermann gefallen, der ihn unter anderen Umständen nicht so sehr interessiert hätte.
    Als Karrierebeginn des Wagner-Sängers Max Lorenz kann der Gründonnerstag 1929 gelten, da stand er in Dresden als Parsifal auf der Bühne. In kollegialer Weise hatte sich Kurt Taucher seiner angenommen und studierte die Partie mit ihm ein. Noch war sein Wagner-Nimbus nicht vorhanden, er sang auch das italienische Fach, aber nach Radames und Manrico kam eine »Lohengrin«-Premiere, die ihn dann als den kommenden Wagner-Tenor ankündigte; Fritz Busch dachte schon weiter voraus und wies Lorenz an, den jungen Siegfried zu studieren und war dann von den Ereignissen dergestalt überrollt worden, dass Lorenz diese Rolle erstmals in New York und nicht in Dresden sang, wie Busch sich das ursprünglich vorgestellt hatte.
    Im Sommer 1930 sang Lorenz im Rahmen der Berliner Kunstwochen die Tenorpartie in der 9. Sinfonie unter Furtwängler, was seine erste Begegnung mit diesem Dirigenten war, der noch viele folgen sollten.
    Zoppot, das »Bayreuth des Nordens« (heute Opera Leśna, Sopot) war für Lorenz ein wichtiger Ort. Diese Waldoper wurde zwar schon 1909 gegründet, aber seit 1922 wurden dann dort bevorzugt Richard Wagners Werke aufgeführt. Obwohl nun ausgerechnet 1930 in der Waldoper kein Wagner-Werk auf dem Festspielplan stand, konnte Max Lorenz in Zoppot als Max im »Freischütz« beeindrucken; es muss in dieser Waldoper eine sagenhafte Atmosphäre gewesen sein, bei großen Aufführungen standen 130 Orchestermusiker und 500 Choristen zur Verfügung. Wettermäßig stand diese »Freischütz«-Aufführung unter keinem guten Stern und musste wegen Regen unterbrochen werden. Für Max Lorenz war aber wichtig, dass sich der Dirigent Arthur Bodanzky vor Ort aufhielt, denn dieser Wiener Musiker war seit 1915 Dirigent des deutschsprachigen Repertoires der Metropolitan Opera York und war stets auch als »Sänger-Scout« in Europa unterwegs. Bei den Aufführungen alternierte Lorenz mit dem hochkarätigen Gotthelf Pistor, er musste sich also mit einem der ganz Großen messen. Diese Konstellation kam zustande, weil Pistor gleichzeitig Verpflichtungen in Bayreuth hatte.
    Bei all dem hatte wieder einmal Fräulein Appel im Hintergrund die Fäden gezogen, damit sich alle Personen zur richtigen Zeit am richtigen Ort befanden. Lotte Appel lud Bodanzky auch zur Neuinszenierung der »Meistersinger« nach Dresden ein, wo Bodanzky von Lorenz´ Stolzing-Debüt so begeistert war, dass er ihn für die »Met« engagierte. Halb zog sie ihn, halb sank er hin ... , die ihn zog war wieder einmal Fräulein Appel, denn eigentlich fühlte sich Lorenz damals für die »Met« noch nicht ganz reif. Immerhin sang er in seiner ersten »Met«-Saison 1931/32 vierzehn Vorstellungen. Durch sein »Met«-Engagement war er hernach auch in Wien wieder gefragt, denn seine New Yorker Partnerin, Maria Jeritza, hatte Clemens Krauß von dem attraktiven Tenor berichtet.
    Das unentbehrliche Fräulein Appel war auch mit über den Ozean gefahren - in aller Heimlichkeit - als Frau Lotte Lorenz kehrte sie mit ihrem Mann nach Dresden zurück; das Paar hatte am 26. Januar in New York geheiratet.


    Der Wiener Operndirektor lud Lorenz nun als Alvaro, Stolzing und Erik ein und übertrug ihm auch die Titelpartie für die Wiener Erstaufführung von Hegers »Bettler Namenlos«, sowie den Parsifal zum 50. Todestag von Richard Wagner am 13. Februar 1933.
    1933 war ein ganz besonderes Jahr, das auch am Dresdner Musikleben nicht spurlos vorüber ging; nach dieser unsäglichen »Rigoletto«-Aufführung am 7. März, wo man Fritz Busch aus der Dresdner Oper in unwürdiger Weise vertrieb, war auch das Gentlemen´s Agreement zwischen den Intendanten Reucker (Dresden) und Tietjen (Berlin) Makulatur, es bestand nämlich eine Absprache, sich gegenseitig keine Sänger abzuwerben.


    Natürlich packte der agile Tietjen die sich nun bietende Gelegenheit beim Schopf und holte Lorenz umgehend an die Berliner Lindenoper; damit war für Max Lorenz ein wichtiger Lebensabschnitt zu Ende gegangen. In Dresden hatte man das Dresdner Opernensemble politisch massiv bedrängt, ein Pamphlet gegen Busch zu unterschreiben. Nur zwei echte Helden konnten dem Druck standhalten: Paul Schöffler und Max Lorenz, eine Heldin war auch dabei, das war Erna Berger. Lorenz ahnte wie es für ihn und seine Frau in Dresden weiter gehen könnte und sah zu, dass er ab 1934 an der Sächsischen Staatsoper nur noch einen lockeren Gastvertrag hatte, der Wechsel nach Berlin war damit vollzogen.
    Es war für Lorenz eine äußerst arbeitsintensive Zeit; da gab es noch Verpflichtungen in Dresden, aber auch in Berlin, Bayreuth und New York - und die Erwartungen waren überall hoch, zumal er nun als der führende Bayreuther Heldentenor unterwegs war.


    Von Lorenz´ zweiter Überfahrt in die Staaten gibt es eine Story die kolportiert, dass Lorenz erst während der Überfahrt erfuhr, dass er an der »Met« auch den Tannhäuser singen sollte, eine Rolle, die er noch nicht ganz beherrschte. Der ebenfalls an Bord befindliche Richard Tauber soll mit ihm dann die Rolle durchgearbeitet haben. Diese Geschichte bezeichnet Jürgen Kesting allerdings als »apogryphe Anekdote«
    Tatsache ist, dass zumindest ein Foto dieser Überfahrt existiert, auf dem - alle gemeinsam singend - Max Lorenz, Tino Pattiera, Armand Tokatyan, Jan Kiepura und Richard Tauber zu sehen sind. Vielleicht liegt die Wahrheit in der Mitte und Tauber hat nur noch ein wenig nachgeholfen, er war ja immerhin auch ausgebildeter Kapellmeister.
    1933 tritt Max Lorenz erstmals als tragender Solist in Bayreuth in Erscheinung, wo er dann viele Jahre als unentbehrlich galt. Jens Malte Fischer schreibt über diese ersten Bayreuth-Auftritte:


    »... wo er gleich auf einen Schlag Parsifal, Stolzing und die beiden Siegfriede singt - ein Programm, das sich heute kein Tenor mehr zumuten würde.«


    Mit Ausnahme des Tannhäuser sang er in Bayreuth von 1933 bis 1942 praktisch alle großen Tenorrollen. Auch optisch passte dieser Heldentenor wunderbar nach Bayreuth, weil er genau dem damaligen Ideal entsprach; er war groß und blond, ein Held wie aus dem Bilderrbuch. Aus politischer Sicht war er jedoch untragbar geworden und passte in dieser Zeit gar nicht so recht nach Bayreuth, denn Lorenz war seit 1932 mit der jüdischen Sängerin Lotte Appel verbunden, die nicht nur Ehefrau war, sondern auch als seine Managerin fungierte.
    Und dann war da auch noch ein anderer wunder Punkt - trotz Ehefrau blieb es nicht verborgen, dass Max Lorenz homosexuell war. Einem gewissen Personenkreis war das zwar durchaus bekannt und wurde stillschweigend geduldet, aber dennoch kam es durch polizeiliche Ermittlungen in Zusammenhang mit dem § 175 zum Eklat. Details dieses Sachverhalts werden in der Literatur unterschiedlich dargestellt, dies muss aber hier nicht in epischer Breite beschrieben werden.
    Wie man verschiedentlich lesen kann, soll Adolf Hitler der Meinung gewesen sein, dass der Sänger für die Festspiele nicht mehr tragbar sei. Winifred Wagner, die sich als Verehrerin des mächtigen Mannes einiges erlauben konnte, erklärte ihrem »Führer«, dass ohne Max Lorenz keine Festspiele zu machen sind - es durfte also weiter gesungen werden - mit Max Lorenz. Hitler selbst telefonierte durch, dass die Sache erledigt sei.
    Adolf Hitler soll sich sogar als Ehestifter versucht haben. Als Friedelind, Winifreds ältere Tochter, sich in Max Lorenz verliebt hatte, glaubte man, dass es möglich sei, den arischen Tenor von seiner jüdischen Frau zu trennen. Es wurde aber recht schnell klar, dass sich Lorenz nicht scheiden lässt; ungeniert zeigte er sich mit Lotte zu allen Gelegenheiten, was sich damals nur Hitlers Lieblings-Siegfried erlauben konnte. Hätte man ihn gezwungen, wäre er aus Deutschland weggegangen.


    In der Tat war Max Lorenz die beherrschende Figur in Bayreuth, und er war Hitlers Siegfried, aber es war keine Begeisterung von der alle erfasst waren, schon damals gab es Streitigkeiten zwischen »Alt-Wagnerianern« und »Neu-Bayreuthern«. Auch Dr. Joseph Goebbels gehörte zu den Unzufriedenen und notierte in seinem Tagebuch: »Lorenz als Siegfried unmöglich«.
    Tietjen und sein ausgezeichneter Bühnenbildner Preetorius standen für einen neuen, reformierten Bayreuther Darstellungsstil, der mit dem der Cosima- und Siegfried-Ära nicht kongruent war. Wer in der optischen Wahrnehmung etwas geschult ist, muss eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Wieland Wagner nach dem Krieg bei Preetorius ganz schön adaptiert hat. ... Das Gespann Tietjen / Preetorius hat damals Großes geleistet, und es war Tietjen, der mit Lorenz so richtig geackert hat, und Tietjen war ein Regisseur, der etwas von Musik verstand.


    Aber obwohl Lorenz seiner beherrschenden Präsens wegen bei den Festspielen bleiben konnte, waren die Schwierigkeiten noch nicht überstanden. Als der Herr Kammersänger mal nicht anwesend war, erschienen SS-Leute und wollten Charlotte Appel und ihre Mutter abholen. Eine wichtige Telefonnummer, die Charlotte Appel von Görings Schwester erhalten hatte, erwies sich als Rettung in höchster Not. Göring selbst verfügte im März 1943 schriftlich, dass die Familie unter seinem persönlichen Schutz steht.


    Die politischen Ereignisse und der sich über die halbe Welt ziehende Krieg verhinderte eine noch größere internationale Karriere im besten Sängeralter, wie bei so vielen Musikern in dieser Zeit.
    Dennoch hatte Lorenz auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch viele Gelegenheiten auch international erfolgreich aufzutreten. Aber er hatte aufmerksam registriert, dass der Begriff »Held« im Nachkriegsdeutschland einiges von seinem einstigen Glanz verloren hatte, und dass in Bayreuth und anderswo stimmlich eher auf Sparflamme gekocht wurde. Der Heldentenor wurde als stimmliche Übertreibung diffamiert. Von einer »Meistersinger«-Probe in Bayreuth ist ein Ausspruch Wieland Wagners überliefert: »Musik stört immer beim Theaterspielen.«
    So brillante Leute wie zum Beispiel Ernst Gruber, ein großer Sänger in Körpergröße und Stimme, wurden im neuen Bayreuth zur Seite geschoben.


    Dietrich Fischer-Dieskau war schon als ganz junger Mann von Lorenz´ Stimme begeistert und stand später noch mit ihm auf der Bühne. Fischer-Dieskaus positive Einschätzung hatte sich auch im hohen Alter nicht geändert und er meinte beim Einspielen von Lorenz-Platten, dass heute in dieser Art weit und breit nichts zu finden sei, nur pure Luft ...


    Als 1967 in Berlin ein damals bekannter Tenor auftrat, konnte man die stimmliche Wertung in der Zeitungskritik so lesen:
    »weil er sich nicht verausgabte, allen metallischen Glanz des Tenors aussparte und dadurch verhinderte, dass die Siegfriedgestalt ein das Bühnengeschehen beherrschender Heros wurde.«


    Genau das, war natürlich Lorenz´ Sache nie gewesen, der zeigte immer voller Stolz her, was er drauf hatte und war gerne Held. Herbert von Karajan hatte mit Lorenz in Wien kein einziges Mal zusammengearbeitet, er stand gerne selbst im Mittelpunkt ... , auch mit der stimmgewaltigen Grob-Prandl hatte Karajan nichts am Hut.


    1947-1950 war Lorenz Mitglied der Metropolitan Oper New York. Natürlich hatte bei so immensem Einsatz, meist im schweren Fach, auch die Stimme von Lorenz in seinen älteren Tagen nicht mehr den strahlenden Glanz der Jugendzeit. Nach dem zweiten Weltkrieg sang er zwar in Neu-Bayreuth noch 1952 den Siegfried und trat 1956 als Siegmund auf, aber allmählich verabschiedete er sich von den Heldenrollen und übernahm immer mehr Rollen im Charakterfach. So sang er bei den Salzburger Festspielen unter anderem in den Uraufführungen der Opern »Der Prozess« von Gottfried von Einem (1953), »Penelope« von Liebermann (1954), »Irische Legende« von Werner Egk (1955) und »Das Bergwerk zu Falun« von R. Wagner-Regény (1961); 1955 gestaltete er in Salzburg die Titelpartie in »Palestrina« von Hans Pfitzner.
    Den Namen Max Lorenz assoziiert man allgemein meist mit dem Begriff Wagner-Sänger, was zwar durchaus seine Berechtigung hat, aber man sollte dabei nicht übersehen, dass er auch als Othello oder Florestan - den er in Wien 66 Mal sang - ganz hervorragende Rollengestaltungen ablieferte.


    Seine künstlerisch größte Zeit hatte er in den Jahren des »Tausendjährigen Reiches«, wo ihm, neben dem Singen auf höchstem Niveau, noch der Spagat gelang, dass er einen guten Draht nach oben hatte ohne jemals Nazi gewesen zu sein.
    Das Kriegsende erlebte Lorenz zusammen mit Karl Böhm in Schörfling am Attersee, wo Käthe Dorsch ein Haus besaß. Nach dem Krieg hatte er es dann eilig Österreicher zu werden, als Passfoto wurde damals von der Behörde sogar ein Rollenfoto akzeptiert. Das Reisen war schwierig, weil die Siegermächte innerhalb des Landes Grenzen gezogen hatten. Aber ein Flämmchen Kultur flackerte noch, er sollte in Wien den Florestan singen und wurde an der Demarkationslinie aufgehalten. Lorenz kam gut genährt vom Attersee zu den hungernden Kollegen in Wien, so war das damals.
    Als er schließlich zur dritten »Fidelio«-Aufführung doch am Theater in Wien angekommen war, wurde dort wochenlang »Fidelio« und »Othello« rauf und runter gespielt. Auch Wagners Opern wurden an der Donau wieder problemlos ins Programm genommen. Schon ab 1946 agierte Lorenz auch wieder international; da war ein Gastspiel in Bologna und im Londoner Rundfunk sang er den ersten Akt »Walküre«. Das Jahr 1947 begann mit einer finanziellen Pleite in Amerika, die großartige Planung brachte es nur zu einer Vorstellung, die dem Zweck diente, dass man sich das Geld für die Rückfahrt nach Europa ersang - übrigens war da auch Maria Callas mit im Ensemble. Seine Bindung an Wien war sehr locker, die meiste Zeit verbrachte er im Ausland. Im Sommer war er als Siegmund und Siegfried in Buenos Aires zu hören und im November stand er als Tristan in New York auf der Bühne. Erst im folgenden Mai ließ er sich als Tristan mal wieder in Wien sehen und hören.


    Sogar in Paris sang er, bevor er erstmals wieder, jetzt als Österreicher, nach Deutschland kam; zunächst als Othello nach München, danach ins zertrümmerte Berlin, wo jedoch keine Opernbühne auf ihn wartete, er gab im Titania-Palast ein Konzert auf Einladung der »Inneren Mission«, die ihre Jahrhundertfeier beging. Obwohl dann auch Tietjen wieder in Berlin weiter machte, war es nicht mehr möglich Lorenz dauerhaft an Berlin zu binden. In dieser Zeit war er in Wien, Mailand und Paris zu finden.


    So wie er sich als junger Sänger an Knote und Burgstaller orientiert hatte, gab er nun seine Erfahrungen an die nachrückende Generation weiter. Von 1962 bis 1974 unterrichtete Lorenz am Mozarteum in Salzburg und privat in München und Salzburg. James King, Jess Thomas, Claude Heater, Jean Cox, Josef Hering ... hörten mehr, oder weniger auf seine Ratschläge. In den1970er Jahren warf er Bayreuth eine verfehlte Besetzungspolitik vor und nannte zum Beispiel Ernst Kozub den stimmlich besten deutschen Tannhäuser.


    Auch die größte Karriere geht einmal zu Ende. Am 15. Oktober 1962 war Lorenz´ letzter Auftritt an der Wiener Staatsoper. In »Salome« sang er die Rolle des Herodes, Herodias war an diesem Abend Elisabeth Höngen und die Salome sang Christel Goltz. Schon 1949 gab er in Wien den Herodes. in mehr als 300 Aufführungen stand er auf den diversen Wiener Bühnen. An seinem letzten Abend gab es weder offizielle Dankesworte noch Blumen, Max Lorenz verließ traurig das Haus. Zwei Jahre später starb Lotte Lorenz im Alter von 67 Jahren.
    Er, der so viele große Triumphe feiern konnte, war nun einsam und blickte immer und immer wieder in Gedanken zurück.
    Was der tote Max Lorenz bei seinem allerletzten Abschied in der Wiener Staatsoper an Ehren erfuhr, kam dreizehn Jahre zu spät. Am 21. Januar gestaltete die Staatsoper für ihr Ehrenmitglied eine Trauerfeier in dessen Verlauf Direktor Gamsjäger in seinem Nachruf feststellte: »Er war auch im Leben ein Held.«
    Während der Katafalk aus dem Opernhaus getragen wurde, spielten die Philharmoniker den Trauermarsch aus »Götterdämmerung«.


    Praktischer Hinweis:
    Wiener Zentralfriedhof
    Gruppe 40, Nummer 37


  • Zum heutigen Todestag der Sängerin


    Über ihre Kindheit und Jugend ist nur wenig bekannt; der Vater soll den dringenden Wunsch gehabt haben, dass seine Tochter einen anständigen Beruf erlernt, was immer man darunter verstehen mag. Sie sollte Klavierlehrerin werden, aber die geübten Ohren der Professoren am Konservatorium in Wien bemerkten bei einer Schüler-Aufführung - es war die 9. Sinfonie von Beethoven - dass im Chor eine junge Frau mit einer besonderen Stimme sang.


    An der Wiener Musikakademie wurde sie dann Schülerin von Frau Minna Singer- Burian. Ihr Debüt wird mal mit 1939, dann aber auch mit 1940 angegeben. Von hier aus sind sich die unterschiedlichen Quellen wieder einig, dass das Debüt an der Wiener Volksoper als Santuzza in »Cavalleria rusticana« stattfand.
    Eine junge Sängerin braucht in aller Regel neben eigenem Können auch etwas Förderung. Diese war durch Direktor Anton Baumann, einem Bassisten, zunächst gegeben, aber der starb schon im Februar 1941 im Alter von nur 51 Jahren.
    In ihren sechs Jahren an der Volksoper sang sie viel italienisches Repertoire, und zwar die großen Rollen wie zum Beispiel Amelia »Maskenball«, Elisabetta »Don Carlos«, Aida, Tosca ... - schon in diesen Jahren gastierte die Sängerin an den Staatsopern von Dresden und München.


    Nicht nur an der Staatsoper Wien wurde 1944 Richard Strauss mit einer Festaufführung von »Ariadne auf Naxos« zu seinem 80. Geburtstag geehrt, die Volksoper, die damals den neuen Namen »Opernhaus der Stadt Wien« trug, war noch früher dran und ehrte den Komponisten schon am Vorabend seines 79. Geburtstages, also am 10. Juni 1943, mit einer Neuproduktion von »Ariadne auf Naxos«, wobei Meister Strauss vor Ort den Theaterleuten beratend zur Seite stand. Bei der Premiere sang Fräulein Gertrude Grob die Titelpartie, Karl Friedrich gab den Bacchus.


    Die zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, also von 1945 bis 1947, soll sie ein Engagement am Stadttheater Zürich gehabt haben. Es gibt eine Rezension von Karl Alfons Meyer, über eine Züricher »Holländer«-Aufführung, Meyer hat die Senta so gesehen und gehört:


    »Die Senta von Grob-Prantl (er schreibt den Namen so) war wohl etwas kühl; ihre Erscheinung und ihr Spiel wirken nicht mädchenhaft und jung genug. Doch wollen wir froh sein, dass ihre Stimme allen Anforderungen voll entsprach.«


    Der Südtiroler Musikkenner Konrad Beikircher äußerte sich zum Thema Operngesang einmal so:


    »Und wer einmal in Graz eine Walküre mit Frau Kammersängerin Grob-Prandl in der Titelrolle sah: Da war auf der Bühne ein brauner Felsbrocken im Feuerkreis und plötzlich fängt der Felsen an zu singen! – Frau Grob-Prandl war stattlich und hatte eine braune Brünne an, die im Halbdunkel wie ein Felsen aussah!, der wird ewig Opern-Fan bleiben!«


    Dass Gertrude Grob-Prandl eine wirklich große Stimme besaß, bestreitet niemand, das wurde auch von vielen ihrer Kolleginnen anerkannt; man spricht davon, dass die Wände der Opernhäuser gezittert hätten, wenn sie sang. Das ist vermutlich übertrieben, bringt aber zum Ausdruck, dass ihre stimmliche Potenz außergewöhnlich war.


    Schon im November 1943 sang sie an der noch unzerstörten Wiener Staatsoper die Santuzza und in den Jahren 1945/46 war sie in dieser Rolle mehr als ein Dutzend Mal an der Wiener Staatsoper zu hören, wobei die Institution gemeint ist, denn das Haus war ja zerstört. In diesem Ensemble war die Konkurrenz groß. Dazu kam dann noch der Umstand, dass hier mit Herbert von Karajan ein Direktor ans Haus kam, der seine eigenen künstlerischen Ansichten mitbrachte, die mit denen von Grob-Prandl nicht kompatibel waren. Dennoch stand die Sängerin in der Staatsoper ihrer Heimatstadt insgesamt 265 Mal auf der Bühne, wobei besonders ins Auge fällt, dass sie hier die Leonore in »Fidelio« fünfzig Mal gesungen hat, 34 Mal war sie die Rosalinde in der »Opernoperette Fledermaus« und 29 Mal die eiskalte Turandot, um einige besonders wichtige Rollen zu nennen, die sie an der WSO sang.


    Als Grob-Prandl 1956 von dem damals 26-jährigen Kritiker Karl Löbl unsachlich angegangen wurde, wehrte sie sich juristisch und Löbl wurde wegen Verunglimpfung verurteilt. Anlässlich einer »Tristan«-Aufführung hatte er die Sängerin als »Kredenz auf Radln« bezeichnet
    International war Grob-Prandl sehr erfolgreich, vor allem in Italien, wo man ihre robuste Stimme schätzte, aber auch in Barcelona, Berlin, Paris, Brüssel, London, San Francisco ... und am Teatro Colón Buenos Aires. In den Jahren 1961-64 bestand auch ein Gastvertrag mit der Hamburgischen Staatsoper.


    Ein Opernkenner berichtet von einem Berliner Auftritt von Grob-Prandl:


    »Ein Konzert mit dem RSB in der »Volksbühne« am Rosa-Luxemburg-Patz ist mir noch in Erinnerung, in der die Arie Ozean, du Ungeheuer aus der Oper »Oberon« von Carl Maria von Weber gebracht wurde. Eine bis dahin in Berlin völlig unbekannte österreichische Sängerin namens Gertrude Grob-Prandl stand auf dem Programm. Es war fantastisch. Nach dem letzten Ton erhob sich ein Applaus, wie ihn das Haus wohl noch nie erlebt hatte. Der Applaus wollte und wollte nicht enden. Schließlich flüsterten der Dirigent Rolf Kleinert, die Sopranistin und der Konzertmeister sich gegenseitig in die Ohren, der Dirigent hob seinen Stab, es wurde schnell still im Saal - und die Arie wurde wiederholt. Der Beifall war noch frenetischer als beim ersten Mal. Dann sang Gertude Grob-Prandl an der Berliner Staatoper unter Franz Konwitschny die Partien der Isolde und der Brünnhilde. Die meisten der ideologisch verbohrten West-Berliner Kritiker kanzelten Konwitschny als »mittelmäßigen Dirigenten von SED-Gnaden« ab, und Gertrude Grob-Prandl wurde überhaupt nicht genannt. Wer im Osten auftrat, war eine Unperson.«


    Bei ihrem Abschied von der Wiener Staatsoper - am 7. September 1971 - sang Gertrude Grob-Prandl die Venus in »Tannhäuser«, eine Rolle, die sie bereits 1957 hier interpretiert hatte. Bei Beendigung ihre Karriere, war sie noch im Vollbesitz ihrer stimmlichen Möglichkeiten.


    Als Gertrude Grob-Prandl starb, war in einem Nachruf zu lesen:
    »Ihr Klang hatte die Kraft einer Trompete, doch sang sie mit dem Legato eines Geigers.«


    Praktischer Hinweis:
    Die Grabstelle von Gertrude Grob-Prandl findet man auf dem Friedhof Döbling, der in etwa einen trapezähnlichen Grundriss hat. Auf dem Plan sind zwei Gräberfelder mit 13 bezeichnet. Vom Haupteingang aus gesehen findet man das Grab in der linken hinteren Ecke des Geländes, Gruppe 13, Reihe 1.


  • Zum heutigen Todestag von Franz Strauss



    Franz Joseph Strauss, wie er eigentlich hieß, wäre heute wohl längst vergessen, wenn er nicht einem berühmten Sohn auf die Welt geholfen hätte, nämlich dem Komponisten Richard Strauss.
    Dennoch hatte auch der Vater des berühmten Komponisten einen interessanten musikalischen Lebenslauf und zu seinen Lebzeiten einen gewissen Bekanntheitsgrad als Hornist und Dirigent.


    Franz Strauss wurde im oberpfälzer Parkstein, einem Ort in der Nähe von Weiden, geboren. Zur Zeit seiner Geburt waren seine Eltern nicht verheiratet; das Kind wuchs bei einem Onkel auf, der Musikant und Türmer war. Das musikalische Talent hatte er von seiner Mutter geerbt, die eine ausgezeichnete Sängerin gewesen sein soll und mehrere Instrumente beherrschte. Schon als Junge hatte Franz seine musikalischen Auftritte in Gaststätten, das nahm man damals nicht so genau.
    Seinen Karrierestart erlebte der Junge als 15-Jähriger, wo er als Gitarrist in der Hofkapelle von Herzog Max, der ein großer Freund der Volksmusik war, im bayrischen Possenhofen spielte. Etwas später widmete er sich dem Solohorn und wurde als Hornist an die Königlich Bayerische Hofkapelle nach München berufen.


    1851 heiratete der nun 29-Jährige die Tochter eines Militärmusikers und aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Aber diese Ehe war von erschreckend kurzer Dauer; bereits mit 32 Jahren war Franz Strauss Witwer; Frau und Kinder starben an der Colera, die in München damals 2200 Menschen dahinraffte, das prominenteste Opfer war die Königinmutter Therese.


    1863 ging Franz Strauss eine zweite Ehe mit Josephine Pschorr ein; »Pschorr« war in München ein bekannter Name. Die Familie Pschorr gehörte zu den reichsten Münchner Familien und war fester Bestandteil der Münchner Gesellschaft; die Pschorr-Villa auf der Theresienhöhe galt als das gesellschaftliche Parkett der Stadt. Hier trafen sich Unternehmer, Politiker, Künstler und Musiker. Zu diesem Kreis gehörte auch Franz Strauss, ein junger, ambitionierter Hofhornist an der Münchner Oper. Josephine Pschorr war die Schwester von Georg Pschorr.


    Der Witwer Franz Strauss verliebte sich in Georgs Schwester Josephine und heiratete sie 1863. Ein Jahr später kam der wohl berühmteste Sprössling der Bierbrauerdynastie Pschorr zur Welt, sein Name wurde in der Welt noch bekannter als der Bierbrauername Pschorr - Richard Strauss


    Vater Franz Strauss soll eine dominante Persönlichkeit gewesen sein und zum Jähzorn geneigt haben, wie es Sohn Richard schildert:


    »Zu Hause war er heftig, jähzornig, tyrannisch, und es bedurfte der ganzen Milde und Güte meiner zarten Mutter, um das Verhältnis meiner Eltern, trotzdem es stets von aufrichtiger Liebe und Wertschätzung getragen war, in ungetrübter Harmonie verlaufen zu lassen.«


    Aber Franz Strauss gewann nicht nur Ansehen durch die Einheirat in eine reiche Familie, sein Ansehen als Musiker war inzwischen auch gestiegen. 1871 wurde Franz Strauss Lehrer für Waldhorn an der königlichen Musikschule in München, wo er nach zwölfjähriger erfolgreicher Lehrtätigkeit seinem Namen den Professorentitel voranstellen konnte; etwas später war das dann die Akademie der Tonkunst, wo er bis 1896 unterrichtete. 1889 wurde Strauss als Hofmusiker pensioniert.


    Außer seiner pädagogischen Tätigkeit leitet Franz Strauss seit 1875 das Orchester »Wilde Gungl« in München, das ursprünglich ein kleines Laienorchester war und dann mit Franz Strauss den ersten professionellen Dirigenten hatte; auch heute besteht dieses Orchester noch. Franz Strauss leitete dieses Orchester bis 1896 und Sohn Richard spielte unter der Leitung seines Vaters in der ersten Geige und komponierte für dieses Orchester auch einige Stücke.


    Aber nicht nur Richard Strauss komponierte, Vater Franz konnte das auch, was einige Kompositionen für Horn beweisen, und er komponierte natürlich auch für das von ihm geleitete Orchester.
    Im musikalischen Geschmack unterscheiden sich Vater und Sohn erst später. In Richards Elternhaus hat die Musik des Bayreuther Meisters keinen hohen Stellenwert. Vater Franz´ Hausgötter waren Mozart, Haydn und Beethoven, Wagners Musik mag Vater Franz überhaupt nicht und lästert:


    »Lohengrin ist süßliches Geschleife«, »die Hornstimmen in den Meistersingern sind Klarinettenstimmen«.


    Die Abneigung geht sogar so weit, dass sich der erste Hornist im Münchner Hoforchester als einziger im Orchester weigert, einen Tag nach Richard Wagners Tod, zum Gedenken des Komponisten sich vom Platz zu erheben.
    Sohn Richard adaptiert zunächst diese negative Meinung seines Vaters, sieht Wagners Musik dann aber schon als 17-Jähriger mit anderen Augen; des Familienfriedens willen befasst sich Richard Strauss zunächst heimlich damit und erkennt Richard Wagners Genie.
    Bei dieser Einstellung des Franz Strauss zur Musik Wagners wundert es etwas, dass er als Hornist die komplizierten Horn-Stimmen in verschiedenen Uraufführungen von Wagner-Opern spielt, aber als Orchestermusiker kann er sich da nicht verweigern.


    Als Sohn Richard ein sehr gutes Abitur absolviert, nimmt ihn sein Vater 1882 zur Belohnung mit nach Bayreuth, wo sich die beiden Richards noch gesehen, aber nicht gesprochen haben.


    Die Kompositionen des Hornisten-Sohnes waren dann von besonderer Art - die Uraufführung von »Salome« erlebte Franz Joseph Strauss nicht mehr, er starb sieben Monate vorher.



    Die Grabstätte von Franz Strauss befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München, der eine langgezogene Tropfenform hat.
    Am günstigsten ist es, wenn man den Eingang zwischen den alten und neuen Arkaden wählt, also beim Lapidarium, das ist oben am breiteren Teil des Alten Südlichen Friedhofs.



    Gräberfeld-Bezeichnung / Gräberfeld 21 - Reihe 3 - Platz 21.


    Praktischer Hinweis:
    Thalkirchner Straße 17
    80337 München

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  • Zum heutigen Geburtstag von Anton Dermota



    Zu Anton Dermotas 68. Geburtstag wurde ihm ein ganz besonderes »Happy bithday« dargeboten; es sangen - um nur die bekanntesten Vokalisten zu nennen - : Irmgard Seefried, Hanny Steffek, Gertrude Pitzinger, Elisabeth Grümmer, Hans Braun, Hans Hotter und Hermann Prey.
    Sie alle waren Mitglieder der Jury eines Schubert-Wolf-Wettbewerbs im Frühjahr 1978; nebenbei hatte man überraschenderweise eine kleine Geburtstagsparty für den Jubilar in Szene gesetzt.
    Bevor Anton Dermota in solch erlauchter Gesellschaft feiern konnte, hatte das Leben einige Hürden aufgebaut, die zu überwinden waren.


    Als der kleine Anton in dem slowenischen Marktflecken Kropp im Bezirk Radmannsdorf - heute Kropa bei Radovljica - zur Welt kam, war er in eine heute kaum vorstellbare Armut hineingeboren worden. Das kleine Dorf bestand damals aus genau 104 Häusern, von denen drei baufällig waren. Da in dieser Gegend schon seit Jahrhunderten Eisenerz gefunden wurde, lebte praktisch das ganze Dorf von der Herstellung von Eisenwaren, vor allem wurden Nägel in ihrer ganzen Vielfalt gefertigt. Nicht nur die Armut war unvorstellbar, die Arbeitsbedingungen waren es auch. So wurde Anton inmitten von Feuer und Lärm geboren - ein langer Weg bis zur Bühne der Wiener Staatsoper lag vor ihm.


    Anton war das drittgeborene Kind seiner Eltern; ob die Dermotas elf oder zwölf Kinder hatten, konnte der Sänger später in seiner Lebensrückschau nicht mehr genau sagen, denn einige seiner Geschwister starben schon im Säuglingsalter. Anton sprach seine Eltern noch per »Sie« an, ein vertrauliches »Du« gab es nicht, was der Vater anordnete, wurde ohne jegliche Diskussion ausgeführt. Ihren Heißhunger stillten die Kinder mitunter indem sie einige Brocken aus dem Kessel herausfischten, in dem das Schweinefutter zubereitet wurde.
    Aber bei all der Tristesse hatte dieses ärmliche Leben dennoch bescheidene Kultur zu bieten; es gab einen Gesangsverein, einen Kirchenchor, einen Theaterverein und eine öffentliche Bücherei. Antons Eltern nutzten dieses Angebot; bei Aufführungen des Theatervereins stand der Sohn Anton schon mal auch zusammen mit seinem Vater auf der Bühne. Der Vater sang einen guten Bassbariton, auch zwei von Antons Brüdern wurden professionelle Sänger. Dermotas Heimatdorf hatte einen besonderen kulturellen Ruf.
    Die Wohnkultur genügte keinen gehobenen Ansprüchen; zeitweise war Antons Schlafstelle eine Matratze auf einem rostigen Schlafgestell, das in einem Stall stand, in dem ein Dutzend Kühe und zwei Pferde seine Schlafgenossen waren, die eine als angenehm empfundene Wärme spendeten.


    Mit Musik kamen die jungen Leute sowohl in der Schule als auch in der Kirche in Berührung. Der Pfarrer von Kropa hatte die musikalische Begabung des Jungen erkannt und den Eltern geraten ihn als Organist ausbilden zu lassen, was im 40 Kilometer entfernten Ljubljana möglich war, wo bei Verwandten eine Schlafstelle gefunden werden konnte. Als Dermota auf die Diözesan-Organistenschule kam, war er 14 Jahre alt und beherrschte bereits das Notenlesen. Die musikalische Ausbildung war vorzüglich und erfolgte durch geistliche und weltliche Lehrer. Im Praktischen wurde im ersten Jahr Klavier unterrichtet, im zweiten und dritten Jahr kam die Orgel dazu. Aber es wurden auch andere Fächer wie Schönschreiben, Buchführung und wirtschaftliche Organisation unterrichtet, weil man davon ausging, dass nur der Organistenberuf allein für die Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreicht. Für alle Organistenschüler war die Mitwirkung im Domchor obligatorisch.


    Schon im zweiten Jahr seiner Ausbildung bekam Dermota eine kleine, bescheidene Organistenstelle mit entsprechend bescheidener Entlohnung.
    In seiner nächsten Entwicklungsstufe durfte er sogar auf der mächtigen Domorgel spielen, mit 17 Jahren hatte er diesen Status erreicht.


    Nach Beendigung seiner Ausbildung konnte der Jung-Organist eine Stelle in der Pfarre Bled erhalten, wo er neben seinen musikalischen Pflichten auch noch Mesnerdienste verrichten musste, die Kirche zu reinigen hatte, die Glocken läuten und die Turmuhr aufziehen musste.


    Nach eineinhalb Jahren gab er diesen Dienst auf, weil ihm an seinem Heimatdorf das Angebot eines ehrenamtlichen Chorleiters gemacht wurde, das jedoch mit der Anstellung in der Genossenschaft gekoppelt war, eine Sache, die sich für den jungen Musiker durchaus rechnete; besonders anziehend war die Möglichkeit hier sein eigener Herr zu sein. Im Herbst 1929 trat er sein neues Amt an. Aber recht bald entwickelte sich die wirtschaftliche Lage 1929/30 so, dass er sich wiederum wegen einer Organistenstelle umsah. Und tatsächlich hatte er auch bald wieder eine vielversprechende Organisten- und Chorleiterstelle in Aussicht.
    In dieser Situation stach ihm eine Zeitungsannonce ins Auge - die Nationaloper suchte Sänger; spontan bewarb er sich als Erster Tenor für den Opernchor der Nationaloper in Ljubljana.
    Dort wurde er sogar ohne Probesingen engagiert, weil ihn ein alter Bekannter, der dort einen guten Namen hatte, entsprechend empfahl. Seit dem 1. September 1930 konnte Anton Dermota nun die Berufsbezeichnung Opernsänger führen.


    Er war am Theater der Jüngste. Neben den täglichen Probediensten belegte er einige Fächer am Stadtkonservatorium, um sich musikalisch weiterzubilden, aber sein Streben zu Höherem wurde von den Chorkollegen nicht gerade mit Wohlwollen betrachtet, zumal der Chef des Hauses die Ambitionen des jungen Sängers dergestalt unterstützt, dass er aufgrund seiner Weiterbildungsaktivitäten verspätet zu den Chorproben kommen durfte.
    Das Theater mit 600 Plätzen hatte seine wirtschaftliche Grundlage in der Darbietung vieler Operetten, was dann ermöglichte, dass auch Opern gespielt werden konnten; Mozart kam da so gut wie nie vor, wenn man einmal von einer einzigen »Cosi« absieht, welche die Ausnahme von der Regel war.
    Wenn schon Oper, dann die Italienische, denn die politischen Verhältnisse waren damals so, dass ein Großteil von Istrien und Dalmatien an Italien gefallen war und sich die italienischen Behörden einiges einfallen ließen, um die slowenische Bevölkerung zu unterdrücken. Man muss dazu erwähnen, dass die Einheimischen noch nicht einmal in ihrer Muttersprache in ihrer Kirche beten durften, um zu verstehen, warum die Slowenen auf italienische Opern nicht gut zu sprechen waren. »Eugen Onegin«, »Pique Dame«, »Fürst Igor«, »Rusalka« und »Die verkaufte Braut« standen dagegen ganz oben an der Beliebtheitsskala.
    In Laibach konnte Dermota Kontakte zum Rundfunk knüpfen. Man hatte ein neu gebildetes Radio-Salon-Orchester installiert und da intonierte Dermota dann schon einmal die »Winterstürme« aus der »Walküre« oder mit der gleichen Begleitung, Schuberts »Am Meer«.
    Am Theater waren die Gagen in den1930er Jahren nicht sicher, wenn die Zuschüsse aus Belgrad ausblieben, saß man auf dem Trockenen. Deshalb strebte der Chorsänger und Student nicht unbedingt eine Karriere als Solosänger an, sondern wollte eigentlich eher in die Position eines Musiklehrers kommen. Dazu musste er aber noch die sogenannte kleine Matura erwerben, was er unter großer Anspannung auch schaffte. Die strenge Abschlussprüfung am Konservatorium wurde bestanden, in Teilen sogar mit Auszeichnung; die Möglichkeit eines Stipendiums stand im Raum, wozu auch die Meinung des Direktors eingeholt wurde, der damals neben seiner Direktorenfunktion auch gefeierter Bassbariton der Laibacher Oper war. Dessen fachliches Urteil war glasklar formuliert:
    »Aus dieser Stimme wird nichts! Für eine Solisten-Karriere reicht sie keinesfalls« - Dermota ist bei Gott nicht der einzige Sänger, der in dieser Art fehleingeschätzt wurde ...


    Wie auch immer, das Stipendium kam zum Tragen und er konnte als Studienort als Sänger oder Musiklehrer Paris, Prag oder Wien auswählen - er ging schließlich nach Wien. Das Stipendium war an die Bedingung geknüpft, dass er nach Studienabschluss wieder in seine Heimat zurückkehrt, um dort seine erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen.


    Die wichtigste Bezugsperson in Wien war für Dermota Frau Radó, seine Gesangslehrerin. Ein weiterer wichtiger Punkt war für ihn die Beobachtung vieler Tenöre, die an der Staatsoper in den Repertoireopern wie »Traviata«, »Rigoletto«, »Bohéme« oder »Tosca« auftraten. Ein Empfehlungsschreiben der Laibacher Operndirektion gab ihm die Möglichkeit für den Regiepreis von 20 Groschen das Geschehen von der 3. Galerie aus zu beobachten.
    Auch diese Beobachtungen besprach er stets mit Maria Padó, die für ihn zur Institution geworden war. Bei aller beruflichen Liebe zu Frau Radó war aber für ihn nun auch ein blondes Fräulein interessant geworden, die mehrmals beim täglichen Essen seinen Weg kreuzte. Da diese junge Dame in der Wartezeit, bis das Essen kam, Notenblätter studierte, ergaben sich Gespräche auf fachlicher Ebene; es stellte sich heraus, dass die junge Frau Klavierschülerin in der Klasse von Emil von Sauer war.
    Die junge Dame kam aus gutem Hause, der Herr Vater war Bezirkshauptmann mit dem Titel eines wirklichen Hofrats, dessen Tochter Hilde Berger von Weyerwald. Das war die Situation im Jahr 1934. Man besuchte gemeinsam Konzerte, Fräulein Berger kam zu Frau Radó, entlastete diese, indem sie den Tenor begleitete, woraus resultierte, dass bald beide bei Frau Radó ein- und ausgingen. Dabei lernte Hilde Berger die »Methode Radó« ausgiebig kennen, was dann später für den berühmten Dermota von einiger Bedeutung war.
    Im Mai 1935 traten die beiden erstmals gemeinsam öffentlich auf - Dermota sang Beethovens »Adelaide«, die Arie des Vasco da Gama aus Meyerbeers »Afrikanerin« und die des Nemorino aus dem »Liebestrank«, dazu noch einige jugoslawische Stücke.
    Hilde war in der musikinteressierten Wiener Gesellschaft gut vernetzt und konnte für ihren Liebhaber einiges als »Türöffnerin« bewirken, der Jungtenor wurde mal hier und mal da als Solist eingeladen. So kam es auch zum ersten Vorsingen an der Staatsoper mit dem abschließenden »Danke schön! Sie werden von uns hören!« Dermota hörte aber nichts und meldete sich zum zweiten Mal zum Vorsingen an.


    Inzwischen war ein Direktorenwechsel erfolgt und der neue Hausherr war ein ungewöhnlich legerer Mensch, der den Jungen - der war damals immerhin 25 Jahre alt - sehr vertraulich ansprach:


    »Ja Burschl, mit der verhungerten G´stalt wird´s nix. Du hast ja keinen Resonanzkörper für die Stimm´! Und kein Umfang für die Bühne. Du musst jeden Tag drei Schinkensemmeln zusetzen, damit was aus dir wird.«


    Die Sache entwickelte sich dergestalt weiter, dass Anton Dermota am 27. Mai 1936 als Erster Geharnischter in der »Zauberflöte« auf der Bühne der Staatsoper Wien stand, Josef Krips dirigierte. Aber das war´s dann auch schon, von der Wiener Staatsoper kam nichts mehr und das Stipendiat neigte sich dem Ende zu.
    Etwas Aufwind brachte ein Gesangswettbewerb, bei dem Dermota zwar nicht Erster wurde, aber immerhin eine Bronzemedaille erringen konnte, die zur Folge hatte, dass man ihm ein Gastspiel an der Slowakischen Nationaloper in Bratislava ermöglichte, wo er den Alfred in Verdis »Traviata« in slowenischer Sprache sang. Nun tat sich einiges in punkto Karriere, denn man war inzwischen auch in Graz auf den Sänger aufmerksam geworden, wo er dann in freudiger Erregung einen Vertrag unterschrieb, was man ihm dann in Wien urplötzlich verübelte. Der Grazer Vertrag konnte nach einigem Hin und Her storniert werden. Seit dem 1.September1936 war Anton Dermota Mitglied der Wiener Staatsoper; und gleich im Sommer ging es zu den Festspielen nach Salzburg, wo er als Meister Zorn vier Vorstellungen unter den strengen, aber kurzsichtigen Augen Toscaninis zu singen hatte. Der Ausflug nach Salzburg war nicht nur musikalisch interessant, sondern auch monetär, denn das Honorar für einen einzelnen Auftritt war gleich dem, was er in Wien in einem Monat bekam. Zudem durfte er noch einen Tobsuchtsanfall des großen Maestro erleben, als plötzlich der Klavierauszug durch die Gegend flog und Toscanini einen ihm gemäßen Abgang zelebrierte.
    Bei seiner Tätigkeit an der Staatsoper lernte er so berühmte Fachkollegen wie Alfred Piccaver, Jan Kiepura, Helge Roswaenge, Jussi Björling ... kennen, die zum Teil auch nur Gastspiele in Wien gaben. Für Dermota blieben zunächst die kleineren Rollen.
    Zu »Großen Sachen«, wie zum Beispiel Rudolf oder Linkerton in den Puccini-Opern, wurde er -als eine Art Stargast von der Wiener Staatsoper - nach Ljubljana eingeladen, konnte aber manchmal den hohen Ansprüchen nicht immer genügen, wie er selbst zugab.


    Weit besser lief sein überraschendes Debüt als Konzertsänger - er hatte bis dahin noch keine Note von Bach gesungen und sollte unter Knappertsbusch den Evangelisten in der »Matthäus-Passion« binnen zehn Tagen übernehmen, weil der dafür vorgesehene Koloman von Pataky ausgefallen war. Knappertsbusch und die Fachpresse waren mit der Aufführung sehr zufrieden. Es dauerte nicht lange, da sang er unter der Stabführung von Karl Böhm in Beethovens »Neunter« den Tenorpart; sukzessive erarbeitete er sich auch dieses Genre.


    Endlich, im März 1937, war es soweit, Dermota probte mit Bruno Walter seine erste Hauptrolle, die er an der Staatsoper singen sollte. Takt für Takt arbeiteten sie die Partie des Lenski durch, die eigentlich für Dermotas Stimme etwas zu tief lag. Die Aufführung gelang, Dermotas Aufgaben wurden anspruchsvoller und er hatte sich damals schon die Entwicklung zum Mozartsänger als Fernziel vorgenommen.


    Das Jahr 1938 war für Österreich ein politischer Umbruch, der auch an der Staatsoper nicht spurlos vorüber ging. Sänger, die früher aus Berlin als Gast kamen, waren in Wien nun öfter zu hören. Ein musikalischer Höhepunkt war in diesem Jahr die Aufführung von Franz Schmidts Oratorienwerk »Das Buch mit sieben Siegeln«, wo Dermota die Tenorpartie im Solistenquartett sang. In Berlin besang er seine ersten Schallplatten, es waren derer drei, mit insgesamt sechs Arien, die Langspielplatte war noch nicht erfunden.


    1939 wurde geheiratet, die sichere finanzielle Grundlage war vorhanden; die Zeremonie fand in der Heimat des Bräutigams statt. Die Kriegseinflüsse veränderten auch im Wiener Musikleben so manches, aber während der Krieg schon auf sein katastrophales Ende zusteuerte, tat sich 1943 noch etwas mit großer Nachwirkung - die Rede ist vom eigentlich aus der Not geborenen Wiener Mozartstil. Dessen Höhepunkt war eine »Cosi-fan-tutte« -Inszenierung des Dreigestirns Böhm-Schuh-Neher im Wiener Redoutensaal. Mit einem Minimum an szenischem Aufwand: zwei Tischchen, zwei Bänke und vier Stühle aus weißem, verspielten Eisengeflecht, wurde vorzüglich musiziert; die Grundbesetzung bestand aus den gut harmonierenden Stimmen von Irmgard Seefried, Martha Rohs, Alda Noni, Anton Dermota, Erich Kunz und Paul Schöffler. Später wechselten die handelnden Personen, aber der sparsame Ausstattungsstil hielt sich noch lange bis in wirtschaftlich bessere Zeiten.
    Mit der »Götterdämmerung« wurde die Spielzeit 1943/44 beendet und die Opernhäuser geschlossen, in Wien konnten aber noch vereinzelt Konzerte aufgeführt werden. Als im April 1945 das Burgtheater getroffen wurde, befand sich Anton Dermota mit seiner Frau und beiden Kindern Tanja und Jovita (Sohn Marian wurde erst später geboren) im Keller des Hauses. Die Staatsoper war schon einen Monat vorher zerstört worden. Dann kam das Kriegsende mit all diesen grotesken Situationen ums Überleben, wo Dermota auch einmal inmitten besoffener russischer Soldaten den Lenski in russischer Sprache sang, oder mit seinem Kollegen Schöffler mal zufrieden von dannen zog, weil beide mit einem Zusatzhonorar von fünf Kilo Kartoffeln in einem Rucksack bedacht worden waren.


    In dieser Zeit entwickelte Dermota ein ganz besonderes Verhältnis zu Josef Krips, der ständig am Dirigieren war, weil die anderen großen Namen damals nicht dirigieren durften. Krips hatte mit Dermota schon früher zusammengearbeitet, bei einem Gastspiel in Bordeaux klapperte er mal mit Dermota alle Juwelierläden ab, weil der Tenor intensiv nach einem Ring für seine Verlobte suchte. So ganz allmählich normalisierte sich das Leben wieder und man gewöhnte sich an die neue Situation. Die Künstler der Staatsoper waren insoweit privilegiert, dass sie schon recht bald auf Gastspielreisen gehen konnten. Josef Krips hatte alle Register gezogen, damit diese Gastspielreise zustande kam; die französische Regierung hatte einen Sonderzug zur Verfügung gestellt. Alles lief soweit gut, bis die Russen Dermotas jugoslawischen Pass entdeckten, was für gewaltige Aufregung sorgte und die gesamte reisende Operntruppe aufhielt. Es ging 1947 zum Blumenfest nach Nizza und dann nach Paris, es waren die ersten Auslandsgastspiele der Staatsoper nach dem Krieg; ein Gastspiel in London folge - für die Vorstellung am 27. September überließ Dermota dort die Rolle des Don Octavio seinem todkranken, in London lebenden Kollegen Richard Tauber. Krips, der diese Aufführung dirigierte, erfuhr erst nach der Vorstellung von Taubers Zustand. Der gefeierte Sänger verabschiedete sich mit einer bewundernswerten künstlerischen Leistung für immer.
    Dermota traf damals auch Alfred Piccaver, der sich längst von der Bühne zurückgezogen hatte, aber einst, als Dermota noch im Anfängerstatus war, an der Wiener Staatsoper glanzvolle Triumphe feierte und dann später als Privatmann für immer nach Wien zurückkehrte.


    Wie so viele europäische Sänger vor ihm und nach ihm, bekam auch Dermota ein Angebot vom Teotro Colón, wo er über den Zeitraum von zehn Jahren die Tenorpartien in der deutschen Temporada, auch als Stagione bekannt, sang. Eine Verpflichtung an die »Met« fiel einer Krankheit Dermotas zum Opfer. Ansonsten sang er an allen bedeutenden Opernhäusern und auf zahlreiche Festivals, allein 20 Jahre fast ohne Unterbrechung in Salzburg. Anton Dermota war der Mozartsänger, aber etwas überraschend sagte der Sänger einmal, dass Octavio sein eigentlicher Zugang zu Mozart gewesen sei und nicht etwa Tamino, wie man vermuten könnte.


    Dermota konnte auf eine lange Karriere zurückblichen; er absolvierte schon eine große Australien-Tournee, als Sydney noch keine Oper hatte, und Richard Strauss begleitete ihn noch beim Liedgesang, ebenso der Komponist Joseph Marx.


    Ab 1966 gab Anton Dermota zusammen mit seiner Gattin die erarbeiteten Erfahrungen an Studenten der Akademie für Musik und darstellende Kunst weiter.
    Am 26. Oktober 1977 war ein großer Tag für den Künstler; als Giovanni Pierluigi in »Palestrina«, konnte der Kammersänger seine 40-jährige Zugehörigkeit zur Wiener Staatsoper feiern. Allerdings ging ihm diese Aufführung im medizinischen Sinne ans Herz, wegen einer Herzattacke, die sich als Folge dieser Aufführung einstellte, musste er sich für zwei Monate ins Spital begeben. Im Januar 1978 sang er aber wieder »Die schöne Müllerin« in Schönbrunn.
    Unter dem 24. Januar 1981 findet man noch einen Tamino-Auftritt Dermotas an der WSO, seit 1948 hatte er diese Rolle dort 169 Mal gesungen. Im gleichen Jahr war er auch noch bei den Aufnahmen in der Dresdner Lukaskirche dabei, wo unter Carlos Kleiber »Tristan und Isolde« aufgenommen wurde, die Besetzungsliste zeigt an - Ein Hirt: Anton Dermota.
    Der Sänger konnte noch seinen 79. Geburtstag feiern, aber schon einige Tage später war in der Zeitung zu lesen: »Nach einer Bronchitis erlag Anton Dermonta am letzten Donnerstag in Wien, neunundsiebzig Jahre alt, einer Herzschwäche.«
    Das Begräbnis fand am 29. Juni auf dem Hietzinger Friedhof statt. Man findet das Grab im Gräberfeld 58, das man vom Tor 1 oder 4 gut erreichen kann.



    Jahrelang stand dieses Triptychon im Garten von Hilde und Anton Dermota und war von ihnen von Anfang an als Grabstein am Ende ihrer irdischen Tage gesehen worden.
    Es zeigt die Heilige Dreifaltigkeit - Gott Vater mit der Tiara, Gott Sohn am Kreuz und Heiliger Geist als Taube. Die kleinen Figuren am Sockel stellen die Gläubigen in anbetender Haltung dar.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof Hietzing
    Maxingstraße 15
    1130 Wien



    Diese CD bietet einen guten Einblick in Dermotas Lebenslauf, seine drei Kinder lesen abwechselnd aus der Biografie ihres Vaters. Anton Dermota hört man mit einem Dutzend Slowenischer Lieder, Nach jedem Lied folgt ein Wortbeitrag; die CD mit einer guten Stunde Spieldauer (1:12) schließt mit dem Lied »Es muss ein Wunderbares sein« von Franz Liszt.


  • Zum heutigen Todestag von György Ligeti


    György Ligeti gehört in die Reihe der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und zu den Repräsentanten der Neuen Musik.


    Ligetis Musik wurde sogar einer breiteren Öffentlichkeit bekannt - was nicht unbedingt die Regel ist - als Stanley Kubrick Ligetis Orchesterwerk »Atmosphéres« in seinem Film »2001: Odyssee im Weltraum« neben der Musik von Richard Strauss, Johann Strauß und Aram Chatschaturjan verwendete.


    Die Familie von Ligetis Vater hieß ursprünglich Auer - der berühmte Geiger und Dirigent Leopold von Auer gehörte dazu. Seine Mutter, eine Augenärztin, stammte aus einer Familie Schlesinger, auch ein im deutschsprachigen Raum gängiger Name. György Ligetis Eltern hatten ihre ursprünglichen Familiennamen magyarisiert.
    Die Familie lebte in Cluj, einer Stadt, die heute als die zweitgrößte Stadt Rumäniens gilt. Der Knabe besuchte die ungarische Volksschule und wechselte danach zum rumänischen Gymnasium. Ab 1936 bekam er Klavierunterricht und versuchte dabei auch schon erste Kompositionen. Dennoch wollte er nach der Matura Physik und Mathematik studieren, wurde jedoch seiner jüdischen Herkunft wegen zu diesem Studium nicht zugelassen, man schrieb das Jahr 1941. So begann er seine musikalische Ausbildung bei Sándor Veress, Pál Járdányi, Lajos Bárdos und Ferenc Farkas in Musiktheorie und Orgel am Konservatorium von Cluj, das inzwischen wieder zu Ungarn gehörte. Später setzte er sein Studium in Budapest fort, musste dann aber zum Arbeitsdienst und kam in die ungarische Armee, wo er sich alsbald in sowjetischer Gefangenschaft wiederfand, aus der er während eines Bombenangriffs fliehen konnte.


    Fast seine gesamte Familie wurde von den Nationalsozialisten ermordet, der Vater in Bergen-Belsen, der Bruder im KZ Mauthausen, die Mutter überlebte das Lager Auschwitz-Birkenau.


    Nach dem Krieg nahm er seine Studientätigkeit wieder auf, schloss das Studium 1949 ab und heiratete. Ein Jahr lang arbeitete er als Musikethnologe über rumänische Volksmusik, kehrte dann aber an seine ehemalige Schule in Budapest zurück, diesmal als Lehrer für Harmonielehre, Kontrapunkt und Musikanalyse. Die politischen Verhältnisse ließen eine für ihn ausreichende Kommunikation mit der westlichen Welt nicht zu, die ungarischen Künstler zogen sich in die innere Emigration zurück, soweit sie nicht der staatlich verordneten Kunst entsprechend arbeiten mochten.


    Nach dem Ende des Volksaufstands in Ungarn floh Legeti im Dezember 1956 gemeinsam mit Veronika Spitz, seiner späteren zweiten Frau, nach Wien. Dort lernte er den Musikforscher, Kritiker und Philosophen Harald Kaufmann kennen, der in Fachkreisen einen guten Namen hatte; mit diesem zusammen verfasste er eine vielbeachtete Schrift über serielle Musik.1967 wurde Ligeti auch österreichischer Staatsbürger.


    1957/58 arbeitete György Ligeti als freier Mitarbeiter im Studio für elektronische Musik des WDR Köln, wo er Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, Luciano Berio, Mauricio Kagel und andere Komponisten der Neuen Musik-Avantgarde kennenlernte.


    Ligeti war Pop-Art-Freund und Beatles-Fan, und war auch einer der meistgespielten Gegenwartskomponisten. Seit den 1960er Jahren, als der junge Musiker aus der Kölner Avantgarde-Gruppe um Boulez, Stockhausen und Nono mit seinem Orchesterwerk »Apparitions« erstmals von sich hören machte, war sein Werk bei internationalen Festivals ebenso präsent wie in den großen Konzertsälen.


    In den 1970er Jahren erfolgte bei Ligeti eine Rückbesinnung auf Tradition, Harmonie und Rhythmus; die »Immermodernen« warfen ihm Verrat an der Avantgarde vor und schoben ihn in die Schublade der Neuromantiker.
    In seinen späteren Jahren sah man Ligeti eher als Lehrer und Musikwissenschaftler; er saß in Gremien und Akademien, wovon sein eigenes Schaffen beeinträchtigt wurde.


    Ausgerechnet Ligeti wurde auf seine alten Tage noch Opfer des Regietheaters! Während sich die Komponisten früherer Zeiten dagegen nicht mehr wehren können, spuckte der Komponist ob der blödsinnigen Regieeinfälle Peter Sellars Gift und Galle.
    Es handelte sich um seine einzige Oper »Le Grand Macabre« von 1978, die Ligeti für die Salzburger Festspiele 1997 völlig neu konzipiert hatte. Aus der Sicht des Komponisten war die Salzburger Aufführung musikalisch ganz hervorragend gelungen; er attestierte Londons Philharmonia Orchestra exzellente Arbeit und fand die Sänger insgesamt großartig und sprach von einer Traumbesetzung, aber die Regie hatte es fertiggebracht, das Werk regelrecht zu verhunzen. Ligeti meinte, dass seine Oper massakriert worden sei und den Zuschauern hätte man die Hirngespinste eines Regisseurs zugemutet. »Ein komödiantisches Klassestück geht im Super-GAU über die Salzach«, schrieb Klaus Umbach damals im Spiegel.


    György Ligeti hat in seinem Leben viele Preise und Ehrungen erhalten, einige seien hier genannt: Commandeur dans L’Ordre National des Arts et Lettres, den Polar-Musikpreis der Königlichen Musikakademie Schweden (2004) und den Frankfurter Musikpreis 2005 für sein Lebenswerk. In Österreich erhielt György Ligeti 1987 das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich, den Ehrenring der Stadt Wien, 1990 den Großen Österreichischen Staatspreis, seit 1990 ist er Ehrenmitglied des Österreichischen Komponistenbundes, seit 2003 Ehrenmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft. Er selbst hat einen Ligeti-Kompositionspreis gestiftet.


    Als Györgi Ligeti der Frankfurter Musikpreis zuerkannt wurde, konnte er diesen nicht mehr persönlich entgegennehmen; seine angeschlagene Gesundheit machte es ihm unmöglich, für die Auszeichnung für sein Lebenswerk von Hamburg, wo er viele Jahre seinen Wohnsitz hatte, an den Main zu reisen.


    Praktischer Hinweis:
    Man findet das Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 33 G, Nummer 37

  • Zu seinem 50. Todestag



    Anmerkung: In vielen Publikationen - auch im Großen Sängerlexikon - wird ein anderes Geburtsjahr angegeben, das von den Daten auf dem Grabstein abweicht.


    Eigentlich hieß der Bassist Emanuel Fleissig und eigentlich sollte er, wie sin Vater auch, den Schneiderberuf erlernen, dass er Sänger werden sollte war nicht geplant. Auch als er 17-jährig im Chor des Theaters an der Wien sang, war zunächst noch nicht daran zu denken, dass dieser junge Mann einmal eine große Solokarriere machen könnte. Aber er widmete sich der Ausbildung seiner Stimme bei dem Gesangslehrer Emil Steger in Wien, der als renommierter Bariton nicht irgendein Gesangslehrer war, sondern ein weltweit gefragter Sänger, der über eine gehörige Portion Bühnenerfahrung verfügte.


    Die ersten Jahre seiner Sängertätigkeit zog List mit leichter musikalischer Kost übers Land, besser gesagt, durch Europa und 1910 dann auch durch weit entfernte Länder wie Australien und Neuseeland. Bei diesen Tourneen war List Mitglied eines Vokalquartetts. 1914 war er in einem Londoner Vaudeville-Theater zu hören, also immer noch meilenweit von Serastro und Gurnemanz entfernt. Unmittelbar nach seiner Londoner Zeit im eher seichten Milieu, wandert er zu Beginn des Ersten Weltkriegs in die Vereinigten Staaten aus und wird dann auch 1918 US-Staatsbürger. Dort arbeitete List mit dem außerordentlich engagierten Josiah Zuro zusammen, der seine Wurzeln in Russland hatte und erst einige Jahre vor List nach Amerika gekommen war. Zuro wollte jungen Musikern und der klassischen Musik zu Popularität zu verhelfen. Zu dieser Zeit trat Emanuel List an Kleinkunstbühnen und Filmtheatern auf.


    Zu Beginn der 1920er Jahre kam List wieder in seine Heimatstadt zurück, wo er seine Karriere als Opernsänger 1922 mit einem gewichtigen Debüt als Mephisto in Gounods »Faust« an der Wiener Volksoper startete. Schon 1923 hörte man ihn an der Städtischen Oper Berlin. Max von Schillings, der Intendant der Berliner Staatsoper, holte ihn 1924 an sein Haus, wo er in den Jahren 1924-1934 zu den erstrangigen Kräften zählte. List trat in die großen Fußstapfen, die Paul Knüpfer, der 1920 starb, dort hinterlassen hatte. Die Staatsoper Berlin war zwar sein Stammhaus, aber natürlich kam es in seiner Berliner Zeit auch zu Gastspielen in Wien, Mailand, Paris, London, Barcelona, Prag, Kopenhagen ...
    Auch bei den Salzburger und Bayreuther Festspielen stand List auf den Besetzungslisten.1934 hatte dann auch List als jüdischer Sänger in Berlin schlechte Karten und ging einfach wieder nach Amerika, wo er mit den musikalischen Verhältnissen vertraut war und auch sonst nicht als Fremder kam; zudem hatte er schon im Dezember 1933 ein neues Engagement an der Metropolitan Opera New York. An diesem renommierten Haus debütierte List als Landgraf in »Tannhäuser«. Er war an der »Met« in den folgenden Jahren so erfolgreich, dass er es auf insgesamt mehr als dreihundert Vorstellungen an diesem Haus brachte, vor allem im deutschsprachigen Fach, wo man ihn gerne bei den Opern von Wagner und Strauss einsetzte.
    Seine Auftritte beschränkten sich nicht nur auf New York, er gastierte in den USA auch in Chicago, Philadelphia, San Francisco ... und natürlich auch am Teatro Colón in Buenos Aires. Im Februar 1950 sang Emanuel List noch einmal in New York den Baron Ochs auf Lerchenau, dann kam er wieder nach Europa. Als Gast sang er in den Jahren 1950-1952 an der Städtischen Oper Berlin und kehrte dann wieder in seine Heimatstadt zurück. Dem Großen Sängerlexikon zufolge, soll Emanuel Lists letzter Bühnenauftritt 1953 am Theater in Graz als Gurnemanz in »Parsifal« gewesen sein.


    Jens Malte Fischer bezeichnet Emanuel List als kaum übertroffenen Hunding in Bruno Walters Version des ersten Aktes der »Walküre« und beschreibt die Stimme so:
    »List war offensichtlich weder das, was man einen Kellerbass nennt, noch ein hoher Bass mit Tendenz zum Heldenbariton, aber er hatte die Tiefe des einen und die Höhe des anderen in einer Unangestrengtheit, die in seiner Generation einzigartig war.«



    Der Eingangsbereich des Friedhofs



    Praktischer Hinweis:
    Das Grab von Emanuel List findet man gute hundert Meter vom Eingang entfernt; dieses Schild steht in unmittelbarer Nähe zum Grab.


  • Zum heutigen Todestag der Sängerin


    Der Waldfriedhof in Aumühle wurde auf einem Waldstück angelegt, das Otto von Bismarck gehört. Die Friedhofordnung lässt hier als Grabsteine nur Findlinge zu, auch Umfassungen der Gräber sind unerwünscht.


    Margot Guilleaume war keine Sängerin die in allen großen Opernhäusern der Welt zu hören war, aber auf Leute ihrer Art kann die Musikwelt nicht verzichten. Beeindruckend ist vor allem ihr kontinuierlicher Aufstieg, der schlussendlich in ihrem wertvollen pädagogischen Wirken an der Musikhochschule Hamburg seinen Abschluss fand.


    Die Familie war vor mehr als hundert Jahren aus der Bretagne nach Hamburg gekommen, deshalb der nicht gerade hamburgisch klingende Name.


    Margot Guilleaumes Vater war Kaufmann und sorgte auch zunächst einmal dafür, dass seine Tochter eine kaufmännische Ausbildung erhielt. Tochter Margot übte ihren erlernten Beruf auch aus, aber hatte, nicht zuletzt durch Besuche der Hamburger Oper, ihre Liebe zur Musik entdeckt. Da bei dem Mädchen eine nicht alltägliche Stimme vorhanden war, spielte die junge Dame mit dem Gedanken Sängerin zu werden. Nach einer entsprechenden Eignungsprüfung kam es zu einer zweijährigen Ausbildung als Choristin am Vogt´schen Konservatorium für Musik in Hamburg.
    1931erhielt sie einen Vertrag an die damalige Schilleroper in Hamburg, ein Haus mit wechselvoller Geschichte. Aber als Chorsängerin studierte sie bei Lilly Schmitt de Giorgi auch Sologesang. 1933 wechselte Margot Guilleaume ans Lübecker Stadttheater; zwar wieder als Chorsängerin, aber immerhin mit kleinen Soloverpflichtungen. Um einen kleinen Einblick in die damalige Lübecker Theaterwelt zu geben: Der Chor bestand aus zehn Damen und elf Herren. Während ihrer Lübecker Zeit fuhr sie nach Berlin, um dort dem ausgewiesenen Kenner des Chorgesangs, Hugo Rüdel, vorzusingen. Dieser verpflichtete sie 1934 für den Bayreuther Festspielchor. Dieser Chor hatte natürlich ein anderes Format, als der am Lübecker Theater, Mitsänger in diesem Festspielchor waren zum Beispiel damals Rudolf Schock mit seiner Schwester Elfriede. Mit dieser Erfahrung im Rücken, wurde sie als Choristin an die Hamburgische Staatsoper verpflichtet, wobei sie aber auch schon mal erste Solopartien, wie beispielsweise der 1. Knabe in der »Zauberflöte«, singen durfte.
    Auch in Bayreuth konnte ein kleiner Karrieresprung der Festspielchorsängerin verzeichnet werden, 1937 hatte man sie als Soloblumenmädchen in »Parsifal« engagiert.


    Aber 1937 war auch ein Schicksalsjahr für die aufstrebende junge Sängerin; sie verunglückte in Bayreuth - unverschuldet - schwer mit ihrem Motorrad, was zur Folge hatte, dass sie eineinhalb Jahre im Krankenhaus verbringen musste. Dass eine Frau mit dem Motorrad unterwegs ist, war in dieser Zeit nichts Alltägliches und Margots Vater bekam es zugetragen, dass seine Tochter mit dem Motorrad gesehen wurde, den dazu notwendigen Führerschein hatte sie heimlich still und leise erworben.
    Während des Krankenhausaufenthalts waren mehrere Operationen notwendig und die Möglichkeit wieder auftreten zu können hing einem seidenen Faden. So wurde der Vertrag mit der Hamburgischen Staatsoper gekündigt, aber ein neuer Vertrag in Aussicht gestellt, wenn ihr Auftritte wieder möglich sein sollten.
    Und es ging weiter für sie, wenn auch zunächst etwas mühsam. Der damalige Oberspielleiter der Hamburgischen Staatsoper Oskar Fritz Schuh, nahm sich ihrer an und studierte mit ihr Rollen ein, die vom Bewegungsablauf her ihre noch vorhandene Gehbehinderung kaschieren konnten.


    Als das Göttinger Theater eine Königin der Nacht und auch noch eine Violetta brauchte, fragten die Göttinger in Hamburg an. Oskar Fritz Schuh sorgte dafür, dass Margot Guilleaum engagiert wurde. Anschließend hat man sie an das Wilhelmshavner Theater als Lyrische mit Koloratur verpflichtet, aus der Chorsängerin war nun eine Solistin geworden.


    Als Heinrich Steiner, der Operndirektor des Staatstheaters Oldenburg, in Wilhelmshaven nach einer »Fidelio«-Leonore Ausschau hielt, entdeckte er stattdessen eine Marzelline - die Entdeckte war Margot Guilleaume. In den Jahren 1940-1944 war sie dann am Staatstheater von Oldenburg engagiert. Hier sang sie Partien wie zum Beispiel die Zerbinetta in »Ariadne auf Naxos« von R. Strauss, die Rosina im »Barbier von Sevilla«, die Mimi in »La Bohème«, die Leonore im »Troubadour«, die Konstanze in der »Entführung aus dem Serail« und die Sophie im »Rosenkavalier« ...
    In ihrer Oldenburger Zeit sang Margot Guilleaume manchmal auch zusammen mit der berühmten Erna Schlüter, wenn diese an ihrer alten Wirkungsstätte gastierte. Als Guilleaume in Oldenburg als Konstanze in der »Entführung aus dem Serail« auf der Bühne stand, wurde ihr ein neuverpflichtetes Blondchen zur Seite gestellt, es war Elisabeth Schwarzkopf.


    Als 1944 die Verpflichtung nach Hannover kam, wo sie vordem schon Gastauftritte hatte, lag der Zweite Weltkrieg in seinen letzten Zügen und alle Theater wurden geschlossen; eine Zäsur, die in sehr vielen Sängerbiografien auftaucht. Obwohl viele Spielstätten zerstört waren, lebte das kulturelle Leben unter zum Teil bescheidenen Verhältnissen wieder auf, so auch in Hamburg.
    Unmittelbar nach dem Krieg hatte Margot Guillemeau einen Vertrag mit der Hamburgischen Staatsoper abgeschlossen. Ab 1945 hörte man sie an der Hamburgischen Staatsoper als Olympia in »Hoffmanns Erzählungen« und in Mozart- und Verdi-Partien. Generalmusikdirektor Eugen Jochum bevorzugte in dieser Zeit die Sängerinnen Clara Ebers und Annelies Kupper. In dieser Situation zog sich Guilleaume von der Opernbühne zurück.


    Für sie fand sich eine ersprießliche Zusammenarbeit mit dem Nordwestdeutschen Rundfunk Hamburg. der unzerstört geblieben war; das Ganze stand nach dem Krieg unter englischer Schirmherrschaft. Margot Guilleaume erhielt einen Vertrag, der sie zu fünf Aufnahmen pro Monat verpflichtete. Sie verlegte sich nun primär auf den Konzertgesang. Auf der Opernbühne gastierte sie nur noch gelegentlich. Im Konzertsaal galt sie vor allem als hervorragende Interpretin von Werken der Barockepoche und von Oratorienpartien. Margot Guilleaume trat auch mehrfach bei den Händel-Festspielen in Göttingen auf. Auch die Sommerlichen Musiktage in Hitzacker sind eine bedeutende Station im Leben von Margot Guillemeau, für viele Jahre gehörte sie diesem »Wenzinger Kreis« an und wurde zu einer gefragten Interpretin Alter Musik.
    Es gibt eine 1955 entstandene Aufnahme von Claudio Monteverdis »L´Orfeo« mit Helmut Krebs, Fritz Wunderlich und Margot Guillemeau. Der damals 25-jährige Wunderlich nannte sie »Tante Margot«.
    Über einige Jahre sang Margot Guilleaume im Silvester-Gottesdienst im Hamburger »Michel« und übers Jahr auch in vielen anderen Kirchen.


    Seit 1950 hatte sie einen Lehrauftrag, 1962 bis 1977 eine Professur an der Hamburger Musikhochschule.


    Aus der Beschäftigung mit alter Musik entwickelte sich eine Freundschaft zu der Musikerin Marie-Luise Bechert, die als Organistin auch in diesem Genre der alten Musik eine besondere Berufung sah. Im westlichen Hamburg bildeten die beiden Frauen 1951 eine Wohngemeinschaft; mit dabei waren die beiden 1939 und 1940 geborenen Kinder der Frau Bechert. Marie-Luise Bechert erkrankte an Krebs und starb kurz vor Weihnachten 1953.
    Margot Guilleaume hatte ihrer Orgelpartnerin versprochen, sich um die zurückgelassenen Kinder zu kümmern, die sie als »TAMI« ansprachen, eine Modifikation von Tante und Mami


    Margot Guilleaume durfte ein hohes Alter erreichen. Ihre letzten zweieinhalb Wochen verbrachte sie mit einer Bekannten in einem Apartment auf Fehmarn; sie liebte diesen weiten Blick auf die Ostsee im unterschiedlichen Licht. Von dort aus musste sie direkt ins Krankenhaus von Reinbek gebracht werden, wo Margot Guilleaume am nächsten Tag verstarb.


    Praktischer Hinweis:
    Man findet das Grab leicht, wenn man gleich den ersten kleinen Seiteneingang des Friedhofs benutzt und sich rechts hält. Hat man einen Friedhofsplan, zur Verfügung, kann das Gräberfeld »R« als grobe Orientierung dienen.
    Börnsener Straße 25
    21521 Aumühle




    Zwei Beispiele ihres musikalischen Schaffens, darüber hinaus gibt es auch noch andere Aufnahmen.


  • Zum heutigen Todestag von Karl Scheidemantel



    Rückwärts blickend lässt sich gut verfolgen, wie Erkenntnisse des Kunstgesangs im Laufe der Jahrzehnte von Generation zu Generation weitergereicht wurden. Der berühmte Konzertsänger und Gesangspädagoge Paul Lohmann bildete zahlreiche Sängerinnen und Sänger aus, die noch in unsere Zeit hineinreichen.
    Lohmann selbst wurde von dem Bariton Karl Scheidemantel ausgebildet und nahm deswegen äußerst strapaziöse Bahnfahrten nach Weimar auf sich, um zu seinen Gesangsstunden zu kommen, später dann in Dresden.
    Lohmanns weit ausstrahlende Lehrmethode hatte ihren Dreh- und Angelpunkt, in den Erkenntnissen, die ihm Scheidemantel einst vermittelte.


    Karl Scheidemantel hatte wiederum auch einen ganz berühmten Lehrer, das war Julius Stockhausen, der noch mit Johannes Brahms zusammengearbeitet hat. Und Stockhausen studierte bei Manuel Patricio Rodriguez Garcia in Paris.


    Karl Scheidemantel war der Sohn eines Weimarer Hoftischlermeisters und kam in dieser kulturell so besonderen Stadt praktisch von Kindesbeinen an mit klassischer Kultur in Berührung. Schon in jungen Jahren zeichnete sich seine künstlerische Betätigung ab. Sowohl der Tenor Bodo Borchers als auch Franz Liszt förderten den jungen Mann in Weimar. Danach erfolgte eine Ausbildung bei dem Bariton Julius Stockhausen in Frankfurt am Main.
    Sein Debüt gab der 19-Jährige 1878 als Wolfram im »Tannhäuser« am Weimarer Hoftheater; fünf Jahre später wirkte er in der szenischen Uraufführung der »Legende von der heiligen Elisabeth« von Franz Liszt mit.
    Während seiner acht Jahre am Weimarer Theater war der junge Sänger so weit gereift, dass er auch zu Gastspielen an anderen deutschen Opernhäusern reiste und sogar Auftritte in London hatte.


    1886 wurde Scheidemantel an die Hofoper Dresden engagiert, wo er für 25 Jahre blieb und unumstrittener Platzhirsch war; man sagt, dass sein Repertoire 170 Rollen umfasst haben soll. Seine Gastauftritte führten ihn immer wieder in die ersten Opernhäuser Europas und als Konzertsänger gastierte er ebenfalls ständig im In- und Ausland.


    In Bayreuth war er hochwillkommen und wurde nicht nur von den Dirigenten Levi, Strauss und Mottl sehr geschätzt, sondern auch von Cosima Wagner, mit der er sich ausgezeichnet gut verstand. 1888 und 1891-1894 sang er bei den Festspielen von Bayreuth den Amfortas, 1886 und 1888 den Klingsor im »Parsifal«, 1886 den Kurwenal im »Tristan« und 1891-1894 den Wolfram im »Tannhäuser«.
    Über ihre erste »Tannhäuser«-Inszenierung schreibt Cosima Wagner, dass »es Scheidemantel war, der mich ganz begriff, als ich ihn bat, dieser melodisch so reich ausgestalteten Gestalt (gemeint ist Wolfram) doch vor allem die dramatische Bedeutung, das männlich Entsagende, bei allem Schwung der Lyrik fest in sich Geschlossene zu wahren.«
    Es existiert tatsächlich heute noch eine aus dem Jahr 1907 stammende Aufnahme mit Scheidemantel, auf der er »als du mit kühnem Sange ...« singt. Eine noch ältere Aufnahme der Loewe-Ballade »Heinrich der Vogler« stammt aus dem Jahr 1902.


    Da gibt es natürlich heute Leute, die solche Aufnahmen dann doch nicht so ganz phänomenal finden und genau wissen, wie das besser sein könnte, aber man sollte doch bedenken, dass in den letzten 110 Jahren doch einiges Elbwasser an der Semperoper vorbeigeflossen ist ... Eine Handvoll - uralter Schallplattenaufnahmen können nicht die Lebensleistung eines Sängers abbilden; und dass es eine ganz große Lebensleistung war, zeigen die reinen Fakten und Zahlen seiner Tätigkeit; Karl Scheidemantel war eine ganz außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit!
    Als er sich 1911 als Hans Sachs in den »Meistersingern« von der Dresdner Oper verabschiedete, war lediglich seine Sängerlaufbahn beendet, an eine Zuruhesetzung dachte er nicht. Scheidemantel wirkte nicht nur als Dramaturg am Dresdner Theater weiter, sondern betätigte sich auch pädagogisch, wobei er ein viel beachtetes Werk über Stimmbildung schrieb. Seine Intention drückt er so aus:


    »Auf der Erkenntnis, daß die Sprachelemente (Vokale und Konsonanten) die natürlichen Stimmbildner sind, deren unfehlbare Richtigkeit der Autor in eigener langjähriger Erfahrung als Sänger und Lehrer erprobt und beobachtet hat, baut sich diese Stimmbildung auf. Durch übersichtliche Anordnung des Stoffes, unter Vermeidung aller abschweifenden gelehrten Auslassungen strebt sie auf geradem Wege den Zielen der Stimmbildung zu. - Die Stimmbildung ist ein Handbuch, das dem Sänger - sei er Lehrer oder Lernender - und "es ist des Lernens kein Ende"- auf alle stimmtechnische Fragen Antworten erteilt, besonders aber den Zweck hat, den Unterricht planmäßig zu ordnen.«


    Karl Scheidemantel sah die Qualität des Librettos der Oper Cosi fan tutte als so schlecht an, dass er beschloss zu dieser köstlichen Musik ein neues Libretto zu verfassen und schrieb 1909 »Die Dame Kobold«, eine Komische Oper in 3 Aufzügen frei nach dem gleichnamigen Lustspiel von Pedro Calderon de la Barca.


    Schon zu Scheidemantels Zeit gab es sehr viele »Don Giovanni«-Übersetzungen, über die man nicht glücklich war. Aus diesem Grund entschloss sich der Deutsche Bühnenverein 1913 einen Wettbewerb für die beste Übersetzung des Werks zu veranstalten. Der Preis ging an Karl Scheidemantel.
    So klingt das gut und ist in vielen Kurzbiografien über Scheidemantel zu lesen. Aber dies ist eine verkürzte Darstellung der Sachlage, denn dieser Preis war doch einigermaßen umstritten, und zwar so umstritten, dass sich einer seiner Konkurrenten - es war Max Kalbeck - veranlasst sah, seine Übersetzung mit dem Zusatz »nicht preisgekrönt« zu publizieren.


    1920 kam Scheidemantel noch einmal nach Dresden zurück, als Direktor der Dresdner Oper, deren Verhältnisse er gut kannte; und er blieb da, im Urnenhain Tolkewitz steht seine Urne in einer Nische.
    Zu seinen Ehren wurde in Dresden die Scheidemantelstraße benannt, die schon seit 1930 im Adressbuch zu finden ist.



    Man geht vom Friedhofseingang aus direkt auf den Teich zu und hält sich links.



    Der Weg führt weiter durch den Torbogen



    In diesem Bereich steht die Urne von Karl Scheidemantel



    Der Tolkewitzer Urnenhain von der Elbseite her gesehen.


    Praktischer Hinweis:
    Der Städtische Friedhof und Urnenhain Tolkewitz ist ein Waldfriedhof im Dresdner Stadtteil Tolkewitz, auf dem ausschließlich Urnenbestattungen stattfinden. Der Friedhof liegt neben dem Johannisfriedhof an der Wehlener Straße.

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  • Zum heutigen Geburtstag von Giselher Klebe





    Wenn man an diesem Grab steht, gehen die Erinnerungen zurück ins Jahr 1980, wo in seiner Geburtsstadt die Oper »Der jüngste Tag« aufgeführt wurde; eine Komposition im Auftrag zum zweihundertjährigen Bestehen des Mannheimer Nationaltheaters.
    Wie so oft, hatte seine Frau Lore das Libretto nach einer literarischen Vorlage verfasst, in diesem Falle nach Ödön von Horvath. Die Handlung spielt an einem unbestimmten Ort in jüngster Zeit.
    Man kam seinerzeit ganz gut ohne laufende Ober- oder Untertitel aus ...
    DIE ZEIT schrieb damals: »Kein polterndes Prunk- und Prachtwerk also, sondern ein Stück hochanständiger Arbeit«


    Klebe ließ sich immer wieder von der Literatur inspirieren, so auch von Franz Werfels »Jakobowsky und der Oberst«, ebenfalls eine Auftragsoper, die bereits 1965 über die Bühne der Hamburgischen Staatsoper ging; sogar Alma hatte man damals noch konsultiert.
    Es wurde aufwändig geprobt - fünf Wochen, »Tag und Nacht«, wie der Intendant der Presse berichtete. Dieses Werk machte sogar auf Sänger und Bühnenarbeiter einen gewaltigen Eindruck, sie weinten in den Kulissen, wie Rolf Liebermann berichtete; er sagte: »Noch nie habe ich mein Haus so aufgelöst gesehen«. Liebermann hatte ja schon 1963 mit dem Stück »Figaro lässt sich scheiden« mit dem Komponisten zusammengearbeitet.


    Etwas später, 1969, wurde bei den Schwetzinger Festspielen Klebes Oper »Das Märchen von der schönen Lilie« uraufgeführt, hier nach einer Vorlage von Goethe. In diesem Falle lobten die überregionalen Kritiker eher den Schwetzinger Spargel, Klebes Werk dagegen weniger.


    Zu seinen mehr als 140 Kompositionen zählen 14 Opern nach meist klassischen Literaturvorlagen. Zuletzt wurde im April 2008 seine Oper »Chlestakows Wiederkehr« nach Nikolai Gogols »Revisor« in Detmold uraufgeführt.


    Giselher Wolfgang Klebe wurde als Sohn eines Prokuristen geboren, seine Mutter Gertrud, geborene Michaelis, war Geigenlehrerin von Beruf und machte den Sohn natürlich mit ihrem Instrument vertraut. Allzu lange blieb Giselher nicht in seiner Geburtsstadt, erlebt dort gerade noch die Einschulung; bereits 1932 übersiedelte die Familie nach München. Dort besuchte der Junge zunächst eine private Vorschule, ab 1935 dann das humanistische Gymnasium. Ab 1933 macht er sich mit dem Klavier vertraut.
    Seine ersten Gehversuche, die er mit der Geige schon in Mannheim begonnen hatte, setzte er für vier Jahre auf höherem Niveau bei der erstklassigen Melanie Michaelis fort.
    1936 geht es nach Rostock, die Eltern trennen sich, Giselher geht zusammen mit seiner Schwester und der Mutter nach Berlin. Dort besucht der angehende Komponist - von ersten Aktivitäten dieser Art wird in den Jahren 1938/40 berichtet - das Bismarck-Gymnasium, das er jedoch mit dem Abschluss der Obertertia verlässt.
    Klebe beginnt mit dem Studium am Städtischen Konservatorium in Berlin, Hauptfach Violine/Viola, etwas später kommt dann noch Komposition dazu. Von der Stadt Berlin erhält er ein Stipendium.


    Auch Klebe erlebt nun, dass die Musik woanders spielt, es folgt zunächst die Einberufung zum Arbeitsdienst, bald darauf sieht er sich als Funker beim Militär. Diese Karriere ist relativ kurz, bald darauf befindet er sich in russischer Kriegsgefangenschaft, aus der er verhältnismäßig schnell durch glückliche Fügung entlassen wird.
    Es folgen Kompositionsstudien am Internationalen Musikinstitut Berlin, danach ein privates Studium bei Boris Blacher, das bis 1951 reicht.
    1946 heiratet er die Geigerin Lore Schiller, zuvor hatte er sich von einer Freundin recht schnell getrennt; er war damals begeisterter Wagnerianer und die junge Dame konnte seine Begeisterung für »Siegfried« nicht teilen. Die Ehe mit Lore hatte dann immerhin bis 2001 bestand, bis der Tod sie schied.


    Seine Zeit beim Berliner Rundfunk, wo er als Bandprüfer - seine Aufgabe bestand darin, alte Bänder darauf zu überprüfen, ob sie nicht versehentlich mit Resten der politischen Vergangenheit befrachtet sind - beschäftigt war, kann man nur als kleine Episode erwähnen.


    Erstes Aufsehen konnte Klebe 1950 in Donaueschingen mit dem Orchesterstück »Die Zwitschermaschine, Metamorphosen über das Bild von Paul Klee« erreichen, ein Bild, das auch noch zwei andere Komponisten inspirierte. Es war übrigens Hans Werner Henze, der nicht unwesentlich zur Aufführung dieses Werkes beitrug. Hier sollte man auch einflechten, dass es in Klebes Berliner Zeit noch nicht so glasklar war, dass er Komponist wird, auch der Beruf eines Malers wäre da noch möglich gewesen.


    1952 erhielt Giselher Klebe den Großen Kunstpreis der Stadt Berlin, zusammen mit den Musikern Arthur Rother und Helmut Krebs. Danach gab es noch eine ganze Reihe von Ehrungen, die sich bis ins hohe Alter fortsetzten; wollte man das alles auflisten, würde dies einen breiten Raum einnehmen, aber dass Giselher Klebe als 77-Jähriger zum Ehrenbürger der Stadt Detmold ernannt wurde, war für ihn bestimmt eine Ehre, die er sich in dieser Stadt redlich verdient hatte.


    1957 erfolgte dann die Berufung als Dozent für Komposition und Musiktheorie an die »Nordwestdeutsche Musikakademie Detmold« als Nachfolger von Wolfgang Fortner; 1962 folgt die Ernennung als Professor.
    1990 wird Klebe als Professor in Detmold pensioniert, unterrichtet aber im Ruhestand bis 1998 als Lehrbeauftragter weiter an der Detmolder Musikhochschule.


    Anlässlich des 80. Geburtstages des Komponisten schrieb Gerhard R. Koch in der FAZ unter der Überschrift: Die tonale Nische im Atonalen - Positionslichter für die Literaturoper:


    »1980 wurde in Mannheim Klebes "Der jüngste Tag" nach Horváth uraufgeführt, 1983 "Die Fastnachtsbeichte" nach Carl Zuckmayer in Darmstadt: handwerklich perfekte Literaturopern mit hohem Deutungsanspruch, kompositorisch nachdrücklich auf Tiefenwirkung angelegt und deutlich in der Absage ans modernistische Experiment wie an die Spaß-Kultur. Darin jedenfalls muss man Klebe ernst nehmen.«


    Nach schwerer Krankheit starb Giselher Klebe im Alter von 84 Jahren. Seiner Umgebung hatte er den Wunsch mitgeteilt, dass bei der Trauerfeier ein Ausschnitt aus Haydns Streichquartett op. 54 Nr. 2 gespielt werden sollte.


    Praktischer Hinweis:
    Friedhof in Detmold, Ortsteil Spork-Eichholz an der Thüringer Straße.
    Das Grab befindet sich etwas oberhalb der Friedhofskapelle; vom Haupteingang herkommend nimmt man den Hauptweg zur Kapelle, dann den zweiten Seitenweg rechts; ein schmaler Plattenpfad führt bis zur hinteren Grabreihe vor dem Gehölzstreifen. Standortbezeichnung D-3A/B


  • Hauptgebäude Nordfriedhof München



    Zum heutigen Geburtstag von Stefan Askenase



    Bereits im Alter von fünf Jahren begann er mit dem Klavierspiel. Zuerst lehrte es ihn seine Mutter, die noch bei dem Chopin-Schüler Karol Mikuli studiert hatte; später war es dann sein Lehrer Emil von Sauer, dessen Lehrer wiederum Franz Liszt war; an Tradition war da kein Mangel. Bei Emil von Sauer studierte er am Konservatorium in Wien. Auch Joseph Marx war einer seiner Lehrer.
    Askenase nahm noch als Leutnant am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg folgte zunächst eine Orientierungsphase; mit einer kleinen Verzögerung gab er dann im Februar 1920 sein Debüt in der Warschauer Philharmonie, zunächst mit Schumanns Klavierkonzert in a-Moll; einige Tage später das Brahms-Konzert in B-Dur und das Chopin-Konzert in f-Moll.


    Der Komponist und Musikkritiker Franciszek Brzeziński äußerte sich über Askenases Auftritt sehr positiv und sprach unter anderem von makelloser Technik. Fast aus dem Nichts kommend, zählte Askenase damit auch schon zu den allerbedeutendsten Interpreten. Konzertreisen in Europa mehrten seinen Ruhm immer mehr.
    Von 1922 bis1925 lebte Askenase als Klavierprofessor in Kairo, wo er am Konservatorium lehrte.


    Etwas später nahm er diese Position am Konservatorium in Brüssel ein, wo er vier Jahrzehnte lehrend tätig war. Natürlich war er dort nicht ständig am Lehren, sondern unternahm ausgedehnte Konzertreisen nicht nur in Europa, seine Auftritte führten ihn auch nach Nordamerika und Afrika.


    Das Dritte Reich hatte Askenase außerhalb des Machtbereichs der deutschen Diktatur verlebt. Sein erstes Konzert nach dem Zweiten Weltkrieg fand in Polen im Mai 1946 statt. In den folgenden Jahrzehnten - er kam ja insgesamt auf etwa 60 Jahre internationale Konzerttätigkeit - war er auch zum erfolgreichen Lehrer geworden; seine berühmteste Schülerin war Martha Argerich, die jedoch schon mit einiger Erfahrung zu ihm kam und vordem unter anderem auch bei Friedrich Gulda studiert hatte. Als Martha ihre erste Tochter geboren hatte, geriet sie in eine Lebenskrise, die zur Folge hatte, dass sie sich aus dem Konzertbetrieb zurückzog. Stefan Askenase hatte wesentlichen Anteil daran, dass sie sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte und hören ließ. Der begnadete Chopin-Spezialist bereitete die junge Dame 1964 auf den Chopin-Wettbewerb in Warschau vor, bei dem Martha Argerich den 1. Preis gewinnen konnte und damit dann weltberühmt war. Askenase war schließlich in Warschau kein Unbekannter, bereits 1955 und 1960 saß er beim Internationalen Chopin-Wettbewerb dort in der Jury.


    1966 siedelte Askenase ins Rheinland über und war an den Aktivitäten um den historischen Bahnhof Rolandseck beteiligt. Die Hauptperson war dort der Impresario Johannes Wasmuth, ein charismatischer Mann mit außergewöhnlichen Ideen.
    Einige seiner Gäste wie die Pianisten Svjatoslav Richter, Stefan Askenase oder Martha Argerich wohnten zeitweise in Rolandseck. Und auch Elisabeth Leonskaja bezog dort für eine Weile Quartier. An diesem Bahnhof waren in früheren Zeiten viele Berühmtheiten von der Bahn auf das Rheinschiff oder die Kutsche umgestiegen - Clara Schumann, Johannes Brahms und Franz Liszt zählten auch zu diesem Personenkreis. Vermutlich benutzte Wasmuth diese historische Musikerprominenz als »Köder«, um aktuell Prominente anzulocken.


    Stefan Askenase ist heutzutage den jüngeren Musikfreunden nicht unbedingt bekannt, und auch im Internet findet man über ihn nicht allzu viele Informationen. Ein Beispiel möchte ich hier anführen.


    Der früheren Zeitungsverleger Veit Feger, Ehingen, erinnert sich in seiner Website ("http://veit-feger.homepage.t-online.de/juedisch.htm") unter anderem an jüdische Menschen, die seinen Lebensweg kreuzten. Einer von ihnen war Stefan Askenase. Veit Feger hörte ihn während seiner Studienzeit 1963 in Tübingen, zeitnah auch den einst ebenfalls berühmten Pianisten Harasiewicz. Veit Feger schreibt:


    »Beide Pianisten wurden angekündigt als geniale Musiker. Askenase war ein seit Jahrzehnten bekannter Interpret (kurioserweise fehlt er in Joachim Kaisers Sammlung großer Pianisten der Gegenwart). Harasiewicz stand am BEGINN seiner Karriere, er war etwa dreißig und damals gerade frischgekürter Sieger des Warschauer „Chopin"-Wettbewerbs. Harasiewicz wie Askenase interpretierten Kompositionen von Chopin. Bei Harasiewicz hatte ich den Eindruck, der Klaviertransporteur habe das Klavier grade mal in der Tübinger Uni-Aula abgestellt und sich jetzt auf den Drehstuhl davor gesetzt. - Askenase hingegen, ein älteres, grauhaariges, gebeugtes, dünnes Männlein, spielte fast ganz ohne Pedal, perlend leicht, dass man die Empfindung hatte, man höre jeden Ton einzeln. Das einzige, was man im Saal außer diesem perlenden Klavierspiel hörte, war ab und zu ebenfalls der Pianist: Er zog, von seinem eigenen Spiel gerührt, immer wieder mal ein Nasentröpfchen (bis in die Saalmitte gut hörbar) hoch. – Seit diesen Konzerten habe ich meine benennbaren Klavierspiel-Ideale. – Stefan Askenase hatte das Dritte Reich außerhalb Deutschlands überleben können.«


    In den ganz späten Jahren werden wohl auch bei großen Pianisten, gewisse Schwankungsbreiten bezüglich der klaviertechnischen Perfektion festgestellt, aber nach den Konzerten gibt es trotzdem »Standing Ovations«, das Publikum konnte bei Askenase hören, wie man früher Chopin gespielt hat. »Hochtouriger Prankenbravour«, wie die FAZ einmal schrieb, war seine Sache nicht.
    Joachim Kaiser schrieb 1981 einmal in der Süddeutschen Zeitung über einen Klavierabend von Stefan Askenase:


    »Am schönsten wird es, wenn er zu meditieren beginnt, wenn er, wie für sich, nachdenkt. Alte Pianisten sind am Klavier so angenehm unnervös. Sie lassen sich durch kleine Gedächtnisfehler nicht irritieren, sie konkurrieren nicht sportiv. Sie haben ein Leben hinter sich, das Mühe und Arbeit war - und darum köstlich.«


    Er war ein alter Mann geworden und dennoch kam sein Tod überraschend. Fast bis zu seinem Lebensende - so erzählt man es in seiner Umgebung - fuhr der 89-Jährige, der zuletzt in Bad Godesberg lebte, mit dem Bus zum Schwimmbad, um dort seine Runden zu drehen. Hannes Sonntag, der mehr als ein Jahrzehnt Meisterschüler bei Askenase war, erlebte seinen Lehrer sowohl im Bahnhof Rolandseck als auch später in Bad Godesberg. Sonntag selbst hatte seinen Lehrer noch etwa vierzehn Tage zuvor bei einem anderen Klavierabend gehört und gesprochen und berichtet, dass er noch »der Alte« gewesen sei, aber ihm gegenüber eher beiläufig erwähnt habe, dass er sich etwas »zerstreut« fühle. Nachdem Stefan Askenase noch am 17. Oktober 1985 einen Klavierabend im Kölner Gürzenich gegeben hatte, ist er einen Tag später beim Lesen neben seinem Bösendorfer-Flügel entschlafen.


    Dass er seine alten Tage im Rheinland verbrachte, aber sich sein Grab in München befindet, hat seinen Grund vermutlich darin, dass seine wesentlich jüngere zweite Frau Münchnerin war.



    Seiteneingang zum Grab



    Eine Orientierungshilfe


    Praktische Hinweise:
    Nordfriedhof in 80805 München
    Ungererstraße 130


    Wenn man den Haupteingang benutzt, hält man sich links und kommt nach etwa 200 Metern zum Feld 70 und biegt dort links ab zum Feld 69, noch etwa 50 Meter, dann noch wenige Schritte rechts.
    Alternative: Etwa 100 Meter vom Parkplatz links des Hauptgebäudes, erreicht man das Feld durch einen Seiteneingang noch schneller.


  • Die Feuerhalle Simmering



    Zum heutigen Todestag der Sängerin


    Als einmal nach einer Vorstellung in Wien ein Autogrammjäger eine Frau neben dem Bariton Otto Wiener sah, rief er laut und aufgeregt: »die Stich!« Otto Wiener musste den Mann enttäuschen und sagte: »Des is net die Stich, des is mei Frau!« Wiener hatte erst kurz vorher geheiratet, was noch ziemlich unbekannt war. Eigentlich hätte der Autogrammsammler »Stich-Rändl« rufen müssen, denn die gesuchte Dame war Amerikanerin. Randall soll, so stand es in einem Nachruf zu lesen, ein Hinweis auf einen Lieblingsonkel gewesen sein.


    Sie war ein echtes Christkind; am Heiligen Abend 1927 kam sie in einer ursprünglich von Holländern und Engländern geprägten Gegend, in Connecticut, zur Welt. Über ihre Kindheit ist nichts bekannt, so dass man erst etwas über die junge Dame weiß, als sie an der Gilbert-School in Winsted ausgebildet wurde und dann an der Hartt School of Music in Hartford. Danach galt sie, fünfzehnjährig, als jüngste Studentin an der Columbia School of Music.


    1947 debütierte sie als Gertrude Stein in der Uraufführung von »The Mother of Us All« in New York und die Titelrolle in Luenings »Evangeline« sang sie ebenfalls in New York.
    Sogar der große Toscanini wurde auf sie aufmerksam, er nannte sie überschwänglich »den Fund des Jahrhunderts«, vielleicht beeindruckte ihn ihr fast vibratoloses instrumentales Singen. Toscanini besetzte die damals 22-jährige Stich-Randall mit der Rolle der Priesterin in »Aida« und ein Jahr später war sie unter Toscanini Nanetta in Verdis »Falstaff«.


    Ein Foolbright Stipendium brachte sie nach Europa, und Stich-Randall war so klug, die wichtigsten Opernsprachen Europas zu lernen, Italienisch, Deutsch und Französisch.
    Schließlich beteiligte sie sich 1951an einem Gesangswettbewerb in Lausanne, den sie gewann, Josef Krips saß damals in der Jury, mit dem sie in späteren Jahren auch in Amerika musizierte.
    In Florenz erregte sie nicht nur durch bloßes Singen Aufmerksamkeit, sondern durch eine parallel erbrachte sportive Leistung - sie sang im »Oberon«, wobei sie in einem riesigen Wassertank schwimmend gesungen hat, da muss man schon einiges an Atemtechnik beherrschen. Es kam noch 1951/52 zu einem Engagement in Basel, dann hatte sie in Europa einen Bekanntheitsgrad erreicht, auf dem sich aufbauen ließ.


    1952 ist sie dann sowohl bei den Salzburger Festspielen konzertant zu hören als auch etwas später in der Wiener Staatsoper, am 27. Oktober, erstmals als Konstanze, ihr Belmonte war damals Rudolf Schock, im November wechselte sie ihren Liebhaber und Anton Dermota trat an ihre Seite, mit diesen beiden Tenören sang sie die meisten Vorstellungen der »Entführung aus dem Serail«
    Auch für den großen Rest ihrer Karriere blieb Teresa Stich-Randall stets eine ausgezeichnete Mozart-Sängerin. Und sie war eine Konzertsängerin erster Güte. Sie versuchte es immer so einzurichten, dass sie etwa jeweils hälftig Oper und Konzert sang.
    Verwundert, begeistert und mit Stolz erwähnt sie einmal 1963 in einem Interview, dass sie in Hannover Uraufführungen unbekannter Barockmeister singt.


    Dieses Rundfunk-Interview entstand in New York; seit 1961 sang sie an der »Met«, wo sie in vier Spielzeiten in 17 Vorstellungen Fiordiligi und Donna Anna sang. Die Wiener Staatsoper ernannte sie 1962 zur österreichischen Kammersängerin, es war die erste Amerikanerin, der dieser Titel verliehen wurde. In den 1960ger und siebziger Jahren pendelte sie zwischen der Alten und Neuen Welt.


    1967 wollte Stich-Randall auch einmal ihre anderen Möglichkeiten herausstellen und der Welt zeigen, was sie neben Mozart so noch drauf hat. Mit dem amerikanischen Dirigenten Brian Priestman produzierte sie eine Platte, die über den Mozart-Gesang hinaus ging und sie auch dramatischen Rollen wie zum Beispiel Ariadne, Norma, Tosca, Elvira, Norina, Lakmé, Margarethe ... zu hören war.


    Durch die Literatur geistert die Zahl von 350 Vorstellungen, die sie an der Wiener Staatsoper gesungen haben soll, was allerdings nicht mit den Angaben des Spielplanarchivs der WSO konform geht, aber es waren immerhin mehr als 300 Auftritte an diesem Haus.

    Die Presse berichtete auch von ganz privaten Wiener Auftritten in ihrem Alfa Romeo, den sie »Red Devil« genannt haben soll. Sie scheint sich in der Stadt wohlgefühlt zu haben.


    In ihrer Konzertkarriere hatte sie sich auf Händel und Bach konzentriert, bot aber auch Kunstlieder an, die beim Festival d´ Aix en Provence im Juli 1956, also in den frühen Jahren der Sängerin, mitgeschnitten wurden, bei den 21 Stücken wird sie von Hans Rosbaud am Flügel begleitet. In Aix hatte sie dann auch in späteren Jahren großartige Erfolge gefeiert.


    Ihr letzter Auftritt an der Wiener Staatsoper war am 26. Mai 1972 in »Ariadne auf Naxos« als Primadonna/Ariadne. Die Mitteilung im Großen Sängerlexikon, dass Stich-Randalls letzter Auftritt 1971 in Trier stattgefunden hat, kollidiert mit den Angaben der WSO.


    Sie lebte ihre letzten Jahre zurückgezogen in Wien, aber nach mehr als zehn Jahren ihres Abgangs von der Wiener Opernbühne kehrte sie nochmals aktiv nach Aix-en-Provence zurück und sang dort mit im Wind flatterndem Kleid Schubert-Lieder.


    Wer Teresa Stich-Randall heute besuchen möchte, muss einen weiten Weg gehen, vorbei an Alfred Piccaver, der in den Arkaden seine Ruhe fand; sie hat sich in die hinterste Ecke des Friedhofsfreigeländes bei der Feuerhalle Simmering begeben - also gegenüber dem Wiener Zentralfriedhof - Ihr Grab befindet sich in Abteilung 2, Ring 3, Gruppe 1, Nummer 7.


    Musik ist eine heilige Kunst, hat sie sich auf ihren Grabstein schreiben lassen ...
    Die meisten Grabbesucher werden wohl wissen, dass das ein Zitat aus »Ariadne auf Naxos« ist.



    Praktischer Hinweis:
    Die Feuerhalle Simmering befindet sich nicht auf dem Gelände des Zentralfriedhofs, sondern jenseits, Simmeringer Hauptstraße 337.


  • Zum heutigen Geburtstag von Hermann Uhde



    Vermutlich hörte er gute Musik von Anfang an, denn seine Mutter war Sängerin, eine Amerikanerin, die eigens über´s große Wasser gekommen war, um in Europa Gesang zu studieren. Mit Karl Scheidemantel als Gesangslehrer hatte sie eine gute Wahl getroffen, denn dieser Bariton war zu seiner Zeit eine Berühmtheit ersten Ranges und auch als Gesangspädagoge federführend.
    Hermanns erste Lektionen im Gesang erhielt er von seiner Mutter, die den heranwachsenden Sohn dann an den Bremer Bariton Philipp Kraus zur weiteren Ausbildung weiterreichte, Kraus war gebürtiger Bremer und hatte sich Meriten an anderen Häusern erworben.


    Hermann Uhde gab 1939 sein Debüt als Bassit, er sang am Stadttheater Bremen den Titurel im »Parsifal«. Nach seiner Bremer Anfangszeit hört man ihn von 1940 bis 1942 am Stadttheater Freiburg, und 1942 gelang ihm der große Sprung zur Staatsoper München, dann kam noch ein kurzer Aufenthalt im Deutschen Theater im Haag.
    Inzwischen hatte der Krieg auch schon seine Schatten auf den Betrieb der Opernhäuser und Theater geworfen, alles geriet nun völlig aus den Fugen und Hermann Uhde noch in den letzten Kriegstagen zur Wehrmacht. Dieses Engagement war relativ kurz, in Frankreich geriet er in amerikanische Gefangenschaft und konnte dann, in einem Kriegsgefangenenlager bei Chicago, noch das typische Amerikanisch hinzulernen, das seine spätere Bühnenpartnerin Astrid Varnay - neben seiner darstellerischen Kunst - so sehr an im schätzte.


    Noch im guten Sängeralter ging es für Uhde 1947/48 am Staatstheater Hannover weiter, aber mit der Tendenz zu Baritonpartien; schon in Haag hatte er sich in diese Richtung orientiert, aus dem Bassisten war ein Bass-Bariton geworden.
    Für die Zeit von 1948 bis 1950 zog es Uhde noch nördlicher, die Staatsoper von Hamburg war nun seine künstlerische Heimat. Schon Anfang 1950 gab er den Escamillo an der Wiener Staatsoper und so herrliche Stimmen wie zum Beispiel Helge Rosvaenge, Lorenz Fehenberger, Rosette Anday, Elisabeth Höngen ... standen ihm damals in Wien zur Seite. Von 1951 bis 1956 ist er dann wieder an seiner alten Wirkungsstätte, der Staatsoper München, zu hören. Es folgte ein Jahr in Stuttgart. Seit 1957 war Hermann Uhde wieder Mitglied der Wiener Staatsoper, und 1961 auch Mitglied der neueröffneten Deutschen Oper Berlin.


    Aber er war auch bei den großen Festspielen in Bayreuth und Salzburg zu bewundern, wobei zu bemerken ist, dass Uhde fast zehn Jahre lang durchgängig in Bayreuth in verschiedenen Rollen sang, zum Beispiel 1955 seine Bremer Debütrolle, den Gunter in der »Götterdämmrung« und den »Holländer«, eine ganz herausragende Leistung, von der es sogar einen Bayreuther Mitschnitt von 1955 unter Knappertsbusch gibt.


    Was die Salzburger Festspiele betrifft - da hat Hermann Uhde 1949 Musikgeschichte mitgeschrieben, als er relativ kurzfristig die Rolle des Kreon - für den ursprünglich vorgesehenen Josef Herrmann - bei der Uraufführung von Orffs Oper »Antigonae« mit großem Erfolg übernahm.
    In seinem nächsten Salzburger Uraufführungsengagement traf den Sänger des Elis Fröbom überhaupt keine Schuld, dass bei der Erstaufführung keine Begeisterung aufkommen konnte, als man dort 1961 Rudolf Wagner-Régenys fünfaktike Oper »Das Bergwerk zu Falun« aufführte; Herbert von Karajan hatte das Werk von dem Professor aus dem Osten erworben.


    Der allgemeine Pressetenor war: »langweilig« und DER SPIEGEL schrieb damals:
    »Vom Salzburger Publikum wurde die Vorliebe der Komponisten offenbar nicht geteilt; es klatschte nach Wagner-Régenys Premiere im Hinausgehen gerade lange genug, um sich aufzuwärmen und dem Komponisten Gelegenheit für eine eilige Verbeugung zu geben«


    Aber auch so ein großer Sänger hat nicht immer den glanzvollen Erfolg, 1963 gab es für ihn an der Wiener Staatsoper auch mal Pfiffe, weil das Publikum wohl Nicolai Ghiaurov als Mephisto lieber gehabt hätte, der auf diese Rolle dort »abonniert« war.


    Wenn der stets sehr kritische englische Stimmenkenner und Musikkritiker J. B. Steane über Hermann Uhde sagt:
    »Er zeigt die beste Beherrschung des Legato in modernen Zeiten«, dann hat diese Aussage einen Wert, weil Steane eine Menge Stimmen kannte ...


    Wer so viele Auftritte in Bayreuth hat, wird auch in New York nicht übersehen und überhört; man muss gerade bei diesem Sänger darauf hinweisen, dass das Besondere bei ihm die sängerische Gestaltung einer Rolle war.
    Der Metropolitan Oper in New York stand er in sechs Spielzeiten zur Verfügung und hat in 60 Vorstellungen ein Dutzend Partien gesungen; und das waren nicht nur Wagner-Opern, obwohl sein Schwerpunkt in diesem Fachbereich lag - an einem Abend soll er sogar einmal im »Parsifal« Klingsor und Amfortas gesungen haben, weil er für George London einsprang. Er machte auch als Titelheld in Alban Bergs »Wozzeck« bei der New Yorker Premiere eine gute Figur.


    Hermann Uhde hatte in seinem Sängerleben einige Uraufführungen gesungen, so auch 1964 »Faust III» des dänischen Komponisten Niels Viggo Bentzon am Kieler Theater. Man sagt, dass die Hauptrolle dieser Oper schwierig zu singen sei. Als die Oper Kiel mit diesem Stück ein Gastspiel an der Königlichen Oper Kopenhagen gab, stand Uhde dort mit auf der Bühne, wo er während der Aufführung einen Herzanfall erlitt und dann auf dem Weg zum Krankenhaus starb.


    Hermann Uhde war nur 51 Jahre alt geworden, ein Sänger in dieser Stimmlage hat da normalerweise noch beruflich einiges vor sich ...
    Im Landkreis Bad Tölz hatte sich der Bremer einen Wohnsitz ausersehen, er kannte ja die Landschaft aus seiner Münchner Zeit. In dem kleinen Ort Peretshofen - ein Ortsteil der Gemeinde Dietramszell, der aktuell gerade mal 135 Einwohner hat - hatte er sich am 24. September 1964 niedergelassen, am schönsten Punkt des Fleckens, wo man eine grandiose Sicht auf die Alpenkette hat. Das war wohl für den Lebensabend gedacht; lange konnte er sich daran nicht erfreuen.


    Nun ruht er auf dem kleinen Friedhof bei der großen Marienkirche. Wenn man den ganz kleinen Friedhof betritt, den man auf einen Blick überschauen kann, findet man Hermann Uhdes Grab zunächst nicht. Erst wenn man links um die Kirche herumläuft, kommt man zu seiner Grabstelle, die an der hinteren Friedhofsmauer liegt.



    Die ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert stammende tuffsteinquaderne Chorturmkirche steht auf dem Friedhof


  • Zum heutigen Todestag des Sängers


    Während seiner Ausbildung an der Wiener Musikakademie hatte Ferry Gruber zwei Lehrer; die wohl der Grund waren, dass Gruber sich zunächst in die eine und dann in die andere Richtung entwickelte. Der eine war der Dirigent Hans Swarowski, der andere Hermann Gallos, ein Tenor, der vor seiner Lehrtätigkeit viele Jahre vor allem Buffo-Partien an der Wiener Staatsoper gesungen hatte.


    So wandte sich Gruber zunächst dem Dirigieren zu und wirkte als Chordirektor und Dirigent in Wien, bevor er sich für eine Laufbahn als Sänger entschied. Er debütierte 1950 als Tamino in der »Zauberflöte« am Stadttheater Luzern. Als er dort die Bühne betrat, war er nicht gänzlich unbekannt, sondern hatte bereits zuvor durch Radiosendungen auf sich aufmerksam machen können.
    Ferry Grubers nächste Station war dann Basel, von wo aus ihm 1954 der Sprung zur Bayrischen Staatsoper München gelang. Im Laufe der Zeit entwickelte er sich in München immer mehr zum Spezialisten für Buffopartien. Der Pedrillo in der »Entführung aus dem Serail«, schien extra für ihn geschrieben, aber auch Peter Iwanow und Châteauneuf in »Zar und Zimmermann« konnte er zur Freude des Publikums gestalten.


    Bei den Salzburger Festspielen sang er 1959 in Joseph Haydns Gaunerkomödie »Il Mondo della luna« den Cecco; Ernst Gutstein, Oskar Czerwenka ... und Annelise Rothenberger waren damals auch mit dabei.


    In den weiteren Jahren seiner Karriere entwickelte er sich zu einem exzellenten Operettensänger, war also in einer Gattung tätig, die in der Nachkriegszeit noch mehr beachtet wurde als heute. Seine Operettenauftritte waren in der Regel im Münchner Theater am Gärtnerplatz. Auch an anderen Spielorten war Ferry Gruber ein gern gesehener Gast, und nicht nur in Deutschland, sondern auch in Amsterdam, Kopenhagen, Lissabon, Monte Carlo, aber auch in Übersee, wie beispielsweise Ottawa oder Vancouver.
    Nicht zuletzt auch in Wien, sowohl an der Volksoper als auch an der Staatsoper, wo er zwischen 1962 und 1964 mehr als dreißig Mal auftrat.


    Ferry Grubers Bekanntheitsgrad resultiert zweifellos aus seinen Leistungen im vermeintlich leichteren Fach, aber er wirkte auch in Kreneks »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« mit und war schon in den frühen 1950er Jahren einer der Solisten, die Arnold Schönbergs »Gurre-Lieder« auf einer Schallplatte festhielten. Auch 47 Jahre nach seinem Debüt, war er bei den Münchner Festspielen noch in einer kleineren Rolle zu hören, es war ein erfülltes Sängerleben.


    Praktischer Hinweis:
    Ursprünglich wurde dieser Friedhof 1913 von dem bekannten Architekten Richard Riemerschmid gestaltet und steht unter Denkmalschutz. Das Grab von Ferry Gruber findet sich im neuen, erweiterten Friedhofsteil, der Weg zum Grab ist näher, wenn man den Eingang bei der Verwaltung, Großhaderner Straße 2, benutzt. Von dort aus geht man zum Feld IIIb.


    Gemeindefriedhof Gräfeling
    Großhaderner Straße 2
    82166 Gräfeling

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  • Zum heutigen Todestag des Dirigenten



    Auf Hollreisers Grabstein findet man neben den Lebensdaten auch das typische »Handwerkszeug« eines Dirigenten, den Taktstock


    Über Kindheit, Entwicklung und Elternhaus liegen keine Erkenntnisse vor; bekannt ist dagegen, dass der erst 17-jährige Hollreiser, eine Studioaufführung von Carl Maria von Webers »Freischütz« dirigierte. Studiert hatte er an der Akademie der Tonkunst in seiner Heimatstadt.
    Hollreiser studierte an der Münchner Akademie zunächst Klavier, als er erst Schüler und dann Assistent Karl Elmendorffs wurde.


    In den folgenden Jahren hatte er als Opernkapellmeister Verpflichtungen in Wiesbaden, Darmstadt, Mannheim und Duisburg. Inzwischen hatte es in Deutschland einige politisch bedingte Veränderungen ergeben, und Clemens Krauss empfahl den jungen Dirigenten an die Staatsoper München.
    Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges folgten zunächst zaghafte erste Schritte zur Normalisierung des Musiklebens, so auch in Düsseldorf; kurz vor Weihnachten 1945 führte dort der neue Generalmusikdirektor Heinrich Hollreiser im Opernhaus Haydns »Die Schöpfung« auf.
    Sieben Jahre blieb er sehr engagiert in dieser Position, dann wechselte er als Erster Kapellmeister zur Wiener Staatsoper.
    Das alte Haus war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wiedereröffnet; sein Staatsoperndebüt gab er im Theater an der Wien, dem Nachkriegsausweichquartier der Wiener Staatsoper, auf dem Programm stand am 17. Juni 1951 »Fidelio«. Im Verlaufe seines Lebens sollten es mehr als tausend Aufführungen an der WSO werden ... 54 verschiedene Opern hat er an diesem Haus dirigiert, daneben noch mehrmals Stauss´ »Vier letzte Lieder« und Ballettmusiken aufgeführt, 1991 hat man ihn verdientermaßen zum Ehrenmitglied ernannt.


    Insgesamt gesehen war Hollreisers musikalisches Zentrum Wien, aber letztendlich war er ein weltweit gefragter Dirigent geworden. Ab 1961 und bis 1964 war Hollreiser Chefdirigent der Deutschen Oper Berlin. Als das neue Berliner Haus im September 1961 feierlich mit »Don Giovanni« - und einer prachtvollen Besetzung - eröffnet wurde, stand Ferenc Fricsay am Pult, erst am zweiten Abend, am 25. September, stieg dann Hollreiser mit der Uraufführung von Giselher Klebes »Alkmene« ein; es lag auf der Hand, dass damit Fricsays Abend nicht zu übertreffen war, denn Klebes Werk konnte nicht besonders gefallen.
    Aber Immer wieder setzte sich Hollreiser auch für musikdramatische Werke des 20. Jahrhunderts ein. Neben »Alkmene« auch für Stücke von Alban Berg, Igor Strawinsky, Bela Bartok und Gottfried von Einem.
    An der Deutschen Oper Berlin hat Hollreiser fünf Uraufführungen musikalisch einstudiert, darunter auch Darius Milhauds »Orestie«, Boris Blachers »200 000 Taler« ...
    Aber Hollreiser wirkte auch noch auf ganz andere Art in unsere Tage hinein - er war Mentor und Lehrer von Christian Thielemann, der erzählt, dass eine »Tristan«-Aufführung mit Hollreiser an der Deutschen Oper Berlin in ihm den Berufswunsch weckte, Dirigent zu werden


    Wagner und Strauss gehörten zu den bevorzugten Komponisten in Hollreisers Repertoire auf der Opernbühne, und natürlich war er auch in Bayreuth aktiv, wenn auch nur für drei Jahre:
    1973 und 1974 dirigierte er dort »Tannhäuser« und 1975 »Die Meistersinger von Nürnberg«. Aber Wagner-Spezialist war er immer. Noch in den neunziger Jahren dirigierte Hollreiser den gesamten Zyklus des »Ring des Nibelungen« in Götz Friedrichs Inszenierung im Opernhaus in der Charlottenburger Bismarckstraße.


    Auch bei Heinrich Hollreiser ist es müßig, alle Opernhäuser aufzulisten, in denen er im Laufe seines Kapellmeisterlebens den Takt angab; da waren praktisch alle bedeutenden Häuser der Welt dabei, aber auch seine Tätigkeit als Konzertdirigent sollte an dieser Stelle gewürdigt werden; er leitete unter anderen auch die Wiener Symphoniker, die Berliner Philharmoniker, die Bamberger Symphoniker und das Cleveland Orchestra. Und man muss es einfach erwähnen, Heinrich Hollreiser war ein ausgesprochener Liebling der Wiener Philharmoniker, der Chef und seine Musiker hielten nicht allzu viel von überlangen Probearbeiten, da stimmte die Wellenlänge absolut.


    DIE WELT schrieb in ihrem Nachruf:
    »Er galt allen als eher unauffälliger Dirigent, als einer, der mit sparsamen Gesten große Wirkung erreichen konnte. Einer, der zugleich zielstrebig und verlässlich im künstlerischen Tun blieb.«


    Praktischer Hinweis:
    Waldfriedhof München (Alter Teil)
    Fürstenrieder Straße 288
    Man geht den Weg vom Haupteingang aus etwa 700 Meter fast immer geradeaus bis zum Feld 99 (aus dem Friedhofsplan ersichtlich).
    die genaue Lagebezeichnung ist 99-W-9.


  • Zum heutigen Todestag von Lorenz Fehenberger




    Als der kleine Lorenz geboren wurde, waren schon eine Menge Geschwister vor ihm angekommen, er war der 14. von insgesamt 16 Kindern einer hochmusikalischen Bauernfamilie. Schon als sechsjähriger Knabe sang er im Kirchenchor, der Chorleiter bemerkte die besonderen Fähigkeiten des Kleinen und förderte seine musikalische Ausbildung.
    Diese Familie Fehenberger muss eine ganz besondere Familie gewesen sein, denn wenn am Ort Operetten und sogar Opern mit Klavierbegleitung aufgeführt wurden, kam es schon mal vor, dass das gesamte Ensemble aus Mitgliedern der Familie Fehenberger stammte.


    1934 wurde der junge Mann Stiftschoralist in der Basilika von Altötting. Aber er strebte nach Höherem und nahm 1937 an einem Gesangswettbewerb in München teil, und hier trafen dann zwei spätere Berühmtheiten aufeinander, der junge Lorenz Fehenberger wurde von dem noch viel jüngeren Wolfgang Sawallisch am Klavier begleitet, wie jung dieser damals war, wird in der Literatur unterschiedlich dargestellt, eine Quelle spricht vom 12-jährigen Schüler, Sawallisch selbst stellt in seiner Biografie dar, dass er bei diesem Ereignis zehn Jahre alt war.
    Lorenz Fehenberger gewann diesen Wettbewerb mit »Una furtiva lagrima«. Er studierte dann ab 1938 für ein Jahr bei Elisabeth Wolff in München und gab sein Bühnendebüt 1939 am Stadttheater Graz, über seine Debütrolle ist man sich in der Literatur nicht ganz einig, während eine Quelle sagt, dass es Don Curzio in Mozarts »Figaro« war, liest man im Großen Sängerlexikon lapidar »im Rosenkavalier«.


    In Graz sang er etwa 30 Rollen, dann holte ihn Karl Böhm nach Dresden, bis auch dort, der Kriegsereignisse wegen, für einige Zeit die Lichter ausgingen.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Fehenberger auf Wunsch von Hans Knappertsbusch an die Staatsoper München. Der große Dirigent brachte es in seiner knappen Art mal auf den Punkt, als er sagte: »Der Lenz - so nannten ihn seine Freunde - kann alles«.


    Auch mit Joseph Keilberth gab es eine fruchtbare Zusammenarbeit, insbesondere bei der deutschen Erstaufführung von Leos Janaceks Opern-Satire »Die Ausflüge des Herrn Broucek«, wobei man ganz besonders auf den Livemitschnitt von 1959 aus der Bayerischen Staatsoper hinweisen sollte.
    Mehr als drei Jahrzehnte hielt Fehenberger der Bayrischen Staatsoper die Treue; zunächst am Prinzregententheater, dann, ab 1963, am wiederaufgebauten Nationaltheater. Wenn Knappertsbusch sagte, dass Fehenberger alles könne, dann bedeutete dies, dass er ein breites Repertoire abdecken konnte; er gab ein Beispiel dafür, dass sich deutsches, italienisches und französisches Fach keinesfalls gegenseitig ausschließen.
    Er sang Bizets Don José, Gounods Faust, Puccinis Caravadossi, Rudolfo und Kalaf. Rossinis Grafen Almaviva, Donizettis Ernesto, Edgardo, Tonio, Verdis Radames, Don Carlos, Alvaro
    Ricardo, Herzog, Alfred, Manrico, Wagners Erik, Lohengrin und Stolzing. Von Richard Strauss die beiden italienischen Sänger, Bacchus, Leukippos, Apollo ... natürlich ist diese Aufzählung längst nicht vollständig und sollte lediglich die Bandbreite seiner Möglichkeiten aufzeigen; Fehenberger beherrsche mehr als einhundert Rollen.
    Auch wenn oben festgestellt wurde, dass er der Bayrischen Staatsoper über Jahrzehnte die Treue hielt, bedeutet das keineswegs, dass er nur in München sang, Gastspiele führten ihn an viele bedeutende Opernhäuser Europas und weit darüber hinaus ans Teatro Colón in Buenos Aires.
    Schon im Sommer 1949 trat er im Rahmen der Salzburger Festspiele in der Uraufführung der Oper »Antigonae« von Carl Orff auf und wirkte einige Jahre hauptsächlich als Konzertsänger bei den Festspielen mit. Auch außerhalb der Festspiele war er als Konzert- und Oratoriensänger stets gefragt.


    Lorenz Fehenberger, der längst - neben anderen Ehrungen - den Titel »Bayerischer Kammersänger« erhalten hatte, ließ seine Sängerkarriere ausklingen, indem er in München nicht mehr die ganz großen Rollen sang; 1977 verabschiedete er sich als Wirt im »Rosenkavalier« von der Bühne des Münchner Nationaltheaters und seinem Publikum.
    Dennoch sollte das noch nicht ganz das Ende seiner aktiven Sängerlaufbahn sein. Der zeitgenössische Komponist Wilfried Hillers schrieb dem Sänger die extrem schwere Rolle des Ijob in dem gleichnamigen Melodram auf den Leib; das Stück wurde auf der Experimentierbühne des Münchner Marstall uraufgeführt. In dem gut zwanzig Minuten dauernden Stück war Fehenberger als Sänger ganz alleine und musste seiner Stimme extreme Laute entlocken.


    In seinen letzten zehn Lebensjahren widmete er sich der Ausbildung junger Sänger, wobei auch seine Söhne Wolfgang und Lorenz die väterliche Ausbildung genießen durften.


    Praktischer Hinweis:
    Gemeindefriedhof Gräfeling
    Großhaderner Straße 2
    82166 Gräfeling


    Von Eingang an der modernen Einsegnungshalle aus geht man den Weg geradeaus. Zwischen den beiden Markierungen (Steine) IVf und IVg biegt man links in einen Grasweg ab.




    Eines von 23 identischen Mahnmalen, die am Weg der Dachauer KZ-Häftlinge aufgestellt wurden, steht im Eingangsbereich zum alten Friedhof in Gräfeling.


  • Zum heutigen Geburtstag von Alois Ander



    Die Namen von Geburts- und Sterbeort werden in den entsprechenden Nachschlagewerken unterschiedlich dargestellt, da hat sich eben in all den vergangenen Jahren politisch einiges getan.


    Aloys Anderle, wie er eigentlich von Geburt hieß, kam aus Böhmen zur Wiener Hofoper, wie so viele gute Stimmen. Sein Vater war Dorfschullehrer, was damals eine gewisse musikalische Grundausbildung gewährleistete. Aloys war nicht der einzige Sangesbegabte in der Familie, da waren auch noch die Brüder Ernst und Adolf, sowie die Schwester Anne.


    Aloys Anderle kam 1841 nach Wien, um Sänger zu werden und bewarb sich für den Chor der Wiener Hofkapelle, die dort maßgebenden Leute erkannten aber seine Qualitäten zunächst nicht und wiesen ihn ab; Intrigen sollen dabei auch mit im Spiel gewesen sein.
    Aloys Anderle erhielt eine Stelle beim Magistrat, die er bis 1845 innehatte. Als Anderle in einem Männergesangverein sang, fiel diese feine Tenorstimme dem Kapellmeister Barth auf, der es zuwege brachte, dass Alois Ander am 25. Oktober 1845 als Titelheld in »Alessandro Stradella« von Flotow - in dieser damals noch nicht einmal ein Jahr alten romantischen Oper - debütieren konnte.
    In Meyerbeers »Le Prophéte«, gerade erst im April 1849 in Paris uraufgeführt, konnte Ander bereits am 28. Februar 1850 so glänzen, dass der Komponist ihn für den größten Interpreten dieser Rolle hielt. Diese neue Oper mit bis dahin noch nie gesehenen Spektakeln mit Krönungszug, Sonnenaufgang und Schlittschuhtanz, hielt sich damals in Wien als große Bühnensensation über lange Zeit auf dem Spielplan. Mit dieser Oper erreichte die Laufbahn von Alois Anders ihren ersten Höhepunkt; als Jean de Leyde erschütterte und bewegte er das Publikum durch hinreißenden Gesang und leidenschaftsvolles Spiel.


    An Schallplattenaufnahmen war damals noch nicht zu denken, weshalb man in solchen Fällen auf die Überlieferungen von Zeitgenossen angewiesen ist, und hier sollte man, politisch korrekt, auch von Zeitgenossinnen sprechen, denn der Sänge soll auch ein ausgesprochener Liebling der Damen gewesen sein.
    Sein Ruhm blieb keineswegs nur auf Wien beschränkt, er wurde auch in anderen Städten und Ländern ausgezeichnet; die Frauen von Stockholm etwa, wo Ander im Sommer 1857 gesungen hatte, übersandten dem Sänger einen massiven silbernen Lorbeerkranz, es gab eine Medaille vom schwedischen König, und auch eine vom König zu Hannover ... dies ist nur ein Einblick in die zahlreichen Ehrungen, die bezeugen, dass da schon etwas Besonderes gewesen sein muss. Ander gastierte in den 1850er Jahren an den meisten bedeutenden Theatern, wie zum Beispiel München, Dresden, Berlin, Leipzig, Frankfurt, Hannover, Hamburg; natürlich auch in Prag, Brünn und Budapest.
    In Schweden kam es gar zu einer ganzen Gastspieltournee. 1852 stand er als Edgardo in »Lucia di Lammermoor« und als Arnoldo in Rossinis »Wilhelm Tell« in Covent Garden in London auf der Bühne.


    Richard Wagner war 1858 von Anders Gestaltung des »Lohengrin« in der ersten Wiener Aufführung so angetan, dass er ihm die Rolle des Tristan in der für Wien geplanten Uraufführung von »Tristan und Isolde« anvertrauen wollte. Aber Wagner hatte den Tenor nicht mehr in seiner anfänglichen Glanzzeit erlebt, Stimme und Körper zeigten bereits Ermüdungserscheinungen. Während der Sänger in früheren Jahren zwischen 70 und 80 Abenden auf der Bühne stand, reduzierte sich das ab 1859/60 auf 37 Auftritte und in den Folgejahren hörte man ihn auch nur noch in etwa vierzig Vorstellungen pro Saison. Aber in der langsam zu Ende gehenden Karriere machte unter Wiens Theaterenthusiasten der Spruch die Runde: »Der Ander ohne Stimme ist uns noch immer lieber, als die Andern mit Stimme«


    Obwohl Alois Ander ursprünglich von Richard Wagner selbst als Titelsänger von »Tristan und Isolde« vorgesehen war, sah er sich dann aber außerstande den Tristan zu singen, wobei verschiedene Begründungen im Umlauf waren: Während einige glaubten, dass sich der Tenor im Grabgewölbe des Speyerer Doms erkältet habe, führten andere die Stimmbänder-Erkrankung auf psychische Ursachen zurück, und letztere hatten schließlich Recht.


    Jeder Auftritt wurde zur nervenaufreibenden Sache. So auch bei seinem allerletzten Auftritt am 19. September 1864 in Rossinis »Wilhelm Tell«; Zeitgenossen sprechen von einem traurigen Theaterereignis. Man brachte ihn fort, nach der Wasserheilanstalt Wartenberg in Böhmen. Heute heißt das Sedmihorky. Im 19. Jahrhundert war das ein aufstrebendes Bad mit mehreren Mineralquellen; die Heilsuchenden kamen hauptsächlich aus Wien und Prag. Elf Heilquellen gab es da, die bedeutendste war die Aloisien-Quelle - auch deren Wasser konnte dem Sänger Alois Ander nicht mehr helfen, er starb im Alter von nur 43 Jahren.


    Praktischer Hinweis
    Zentralfriedhof Wien
    Durch den Haupteingang und Alte Arkaden,
    links des breiten Weges findet man die Gruppe 32 A, Nr. 14


  • Zu ihrem heutigen Geburtstag


    Man könnte diesen Beitrag auch mit »Die singenden Schwestern« überschreiben, denn man kann nichts über Barbara Fröhlich, verheiratete Bogner, schreiben, ohne die Schwestern zu erwähnen. Wenn man sich etwas mit dem Leben von Barbara Fröhlich befasst, kommt man zu dem Schluss, dass sie wohl die »schwierigste« der vier Schwestern war. Schon als Kind zeigte sie eine Verhaltensweise, die eher zu einem Knaben passte, als zu einem Mädchen in der damaligen Zeit; eine gewisse Derbheit attestierte man ihr auch im Erwachsenenalter. Als einzige der Vier ging sie eine Ehe ein, die allerdings zum Ende hin nicht so glücklich gewesen sein soll.


    Barbara Fröhlich war eine Altistin, und mit Franz Schubert fast gleichaltrig. Die Natur hatte sie mit beneidenswerten Mehrfachbegabungen ausgestattet: Sängerin, Pianistin, Violinistin und Malerin.
    Barbara war die zweitälteste von insgesamt vier Schwestern, mit denen sie in den musikalischen Zirkeln Wiens auftrat; die älteste und musikalischste der Schwestern war Anna, eine Klavierschülerin von Johann Nepomuk Hummel, die ab 1819 am Konservatorium des Wiener Musikvereins viele bedeutende Schubertsängerinnen ausbildete und einiges für Schubert tat, indem sie seine Werke immer wieder aufführte.
    Bereits 1814 sind Aktivitäten in der Gesellschaft für Musikfreunde in Wien bekannt, wo Barbara Mitglied war, ab 1816 nahm sie aktiv an den »Abendunterhaltungen« teil, die von erstrangigen Musikkennern besucht wurden.
    Ihr Operndebüt gab Barbara Fröhlich am Theater an der Wien, wo sie im Oktober 1818 in der Hosenrolle als Diener Oliviero in Boieldieus Oper »Johann von Paris« auftrat. Sie hatte als Sängerin durchaus Erfolg, entschloss sich aber, ihre andere Begabung auszubauen und begann eine Ausbildung als Malerin bei dem sehr bedeutenden Porträtminiaturisten Moritz Michael Daffinger. Noch heute sind Werke von ihr erhalten, wäre sie Sängerin geblieben, wäre ihre Kunst verhallt, denn Tonaufnahmen gab es damals noch nicht.


    Barbara Fröhlich heiratete 1825 den Flötisten Ferdinand Bogner, der seit 1821 Professor am Wiener Konservatorium und Beamter bei der k.k. Hofkammer war und auch in den »Abendunterhaltungen« auftrat. Franz Schubert schrieb für Ferdinand Bogner die Flöten-Variationen über das Schubert-Lied Lied »Trockne Blumen« D 802.
    Aus der Ehe ging 1926 der Sohn Wilhelm hervor. 1846 starb Ferdinand Bogner und Grillparzer, der lebenslange Freund der Fröhlichs, übernahm die Vormundschaft und Ausbildung des jungen Mannes, der jedoch zwei Jahre nach seinem Vater auch starb.
    Ab den 1830er Jahren war Barbara, genannt »Betty«, als Zeichenlehrerin am Offizierstöchter-Institut in Wien tätig und lehrte dort bis 1850, dann kündigte sie ihre Stellung, weil sie sich mit der neuen Leiterin des Instituts überwarf.


    Das alles war für Barbara Fröhlich zu viel, sie wandte sich mit ihrem Kummer von der Welt ab und lebte auch im Zwist mit ihren Schwestern. Als Sängerin hatte sie ganz persönliche Erfolge, in der Malerei war es damals nicht üblich, eigenständig hervorzutreten, sie hatte zwar erklecklichen Anteil an Daffingers Werken, von denen sie einige fertigstellte oder kopierte, blieb jedoch im Schatten ihres Lehrmeisters.
    Barbara Fröhlich starb am 30. Juni 1878 in Wien.


    Schließlich ist noch die 1803 geborene Schwester Josephine Fröhlich zu erwähnen, die zunächst von ihrer älteren Schwester Anna unterrichtet wurde und bereits 1821 als Konstanze an der Wiener Hofoper debütierte. Zur weiteren Ausbildung folgte sie ihrem Lehrer Guiseppe Siboni nach Kopenhagen und erlangte in den skandinavischen Ländern hohes Ansehen; der König von Dänemark ernannte sie zur Hofsängerin. In Italien setzte sie ihre Karriere fort und sang dort an den Opernhäusern von Venedig und Mailand. Danach war sie als Gesangspädagogin tätig.



    Praktischer Hinweis:
    Das Ruhestätte der Familien Fröhlich und Bogner befindet sich auf dem Hietzinger Friedhof.
    Der nächste Weg führt vom Tor 3 aus nach links, wo man nach kurzer Gehzeit am Ende des Geländes das Feld 7 findet.
    Friedhof Hietzing
    Maxingstraße 15, 1130 Wien


  • Zum heutigen Todestag von Ludwig Suthaus



    Wie früher oft üblich, wurde sein Gesangstalent entdeckt, als er schon einen »normalen« Beruf ausübte, Ludwig Suthaus hatte eine Lehre als Steinmetz begonnen; er kam aus einer Handwerker-Familie.


    Es ergab sich, dass im Hause seines Lehrmeisters nicht nur Steine bearbeitet, sondern auch viel gesungen wurde, wobei Suthaus´ außergewöhnliche Stimme auffiel. So nahm der 17-Jährige neben seiner handwerklichen Ausbildung auch noch bei dem Bassisten Julius Lenz Gesangsunterricht; Lenz lehrte damals an der Kölner Musikhochschule. Da Lenz selbst in tieferen Stimmregionen zu Hause war, hörte er den jungen Suthaus als Bariton und bildete demnach zunächst auch in dieser Richtung aus. Doch Suthaus wusste, dass er auch höher hinaus konnte, aber sein Lehrer stand solchen Höheflügen reserviert gegenüber, Lenz wollte davon nichts wissen.
    Aber Ludwig Suthaus zeigte, dass er zu Höherem geboren war und sang dem Bassisten die »Bohéme«- Arie mit astreinem hohen »C« vor, dann setzte er noch einen drauf und gab den Chapelou aus »Der Postillon von Lonjumeau«, der in seiner Arie mit einem hohen »D« aufwartet - ein Tenor war geboren.


    Sein erstes Engagement führte ihn 1928 nach Aachen, wo schon manche große Karriere begonnen hatte, er debütierte als Walther von Stolzing in den »Meistersingern«. Bis 1931 blieb er in Aachen und gab dann für kurze Zeit ein Gastspiel am Stadttheater von Essen, 1932 bis 1941 hört man ihn an der Staatsoper von Stuttgart, wo Wagners Werke auch damals schon ein gewisses Ansehen genossen.


    1941 wechselt Suthaus zur Berliner Staatsoper, deren Mietglied er bis 1948 blieb. Dort sang er auch im Mai 1947 in der deutschen Erstaufführung der Märchenoper »Sadko« von Nikolai Rimsky-Korsakow, Erna Berger und Margarete Klose standen damals mit ihm auf der Bühne. Danach folgte ein Wechsel zur Städtischen Oper (Deutsche Oper) Berlin, der er bis 1965 angehörte. Gastspiele führten ihn 1955 nach Russland, wo er in den großen Städten als Florestan im »Fidelio«, als Walther von Stolzing in den »Meistersingern« und als Loge im »Rheingold« auftrat und erfolgreiche Liederabende in Moskau, Leningrad und Kiew gab.
    Bei den Festspielen von Bayreuth trat er seit 1943 auf, und dann, nach den politisch unruhigen Zeiten, wieder 1956-57.
    Außer in Berlin sang er ab 1957 auch an der Staatoper Wien und hatte weltweit Erfolge an den großen Häusern, wobei er als Wagner-Sänger im besonderen Maße gefragt war, aber ein Engagement an der berühmten »Met« kam nicht zustande.


    In einem politisch ruhigeren Umfeld wäre dem Tenor Suthaus eine weit größere Karriere möglich gewesen, dennoch konnte er, trotz seinem relativ frühen Tod, auf ein erfülltes Sängerleben zurückblicken. Immerhin hielt ihn Wilhelm Furtwängler für einen der Großen in seinem Fach. Mit seinen Tristan-Einspielungen unter Furtwängler hat sich Suthaus ein bleibendes Denkmal gesetzt. Unter 28 Dirigenten hat er diese strapaziöse, kraftzehrende Rolle 230 Mal gesungen. Und da war nicht nur Kraft, es gelang ihm, seine Stimme mit entsprechender Atem- und Legatotechnik und italienisch anmutendem Belcanto strömen zu lassen.. Aber diese kraftvolle Wagner-Stimme konnte auch Kunstlieder singen, wie zum Beispiel die Darbietung des Brahms-Liedes »Minnelied« zeigt, aber die »Klick-Zahlen« bei YouTube zeigen, dass an solchen Feinheiten kein gesteigertes Interesse besteht.


    Nach einem Autounfall musste Ludwig Suthaus seine Sänger-Laufbahn jäh beenden. Er starb, erst 64-jährig, am 7. September 1971 in Berlin.


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab von Ludwig Suthaus befindet sich auf dem Waldfriedhof Heerstraße.
    Grabstelle II Ur-3124 (II Ur3 ist ziemlich weit vom Eingang entfernt).


    Waldfriedhof Heerstraße
    Trakehner Allee 1
    14053 Berlin

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