Der besondere Liederabend


  • Ein Liederabend am Samstag, 19. März in der Montagehalle des Nationaltheater Mannheim


    Wieder einmal wurde das Arbeitsgerät zur Seite geräumt, um dem Konzertflügel Platz zu machen, wieder einmal erklangen Lieder im rustikalen Ambiente der Montagehalle des Nationaltheaters Mannheim. Der serbische Bariton Nikola Diskić sang Lieder von vier Komponisten und stellte den Abend unter das Motto: »FREMD BIN ICH ...«


    Das Programm


    Franz Schubert (1797-1828)
    Der Wanderer, D 489 Georg Philipp Schmidt von Lübeck
    Der Wanderer an den Mond, D 870 Johann Gabriel Seidl
    An mein Herz, D 860, Ernst K. F. Schulze
    Der Wanderer, D 649 Friedrich Schlegel
    Auf der Bruck, D 853 Ernst K. F. Schulze


    Gerald Finzi (1901-1956)
    Let Us Garlands Bring op. 18, William Shakespeare
    I. Come away, death
    II. Who is Sylvia?
    III. Fear no more the heat o´the sun
    IV. O mistress mine
    V. It was a Lover


    - Pause -


    Gustav Mahler (1860-1911)
    I. Ich atmet´ einen linden Duft
    II. Liebst du um Schönheit
    III. Blicke mir nicht in die Lieder
    IV. Ich bin der Welt abhanden gekommen
    V. Um Mitternacht


    Henri Duparc (1848-1933)
    L´invitation au voyage, Charles Baudelaire
    Chanson triste, Jean Lahor
    Phidylé, Charles-Marie René Leconte de Lisle


    Lieder von Gerald Finzi haben beim deutschen Publikum sicher nicht den Bekanntheitsgrad von Schubert-Liedern. Um nicht während des Konzerts googeln zu müssen, war es gut, dass das Programmheft eine kurze Information zu Finzi und seinen Liedern gab:


    »Gerald Finzi greift im bekanntesten seiner neun Liederzyklen, von denen die meisten Thomas Hardy vertonen, zu älterer Literatur: Let Us Garlands Bring (1942) vertont Liebesgedichte von William Shekespeare, dem großen Vorbild der Romantiker. Hier lässt sich gut sehen, wie die Melancholie angesichts der Endlichkeit des Lebens oder auch als Kontrastfarbe zum Liebesglück schon zentral im Raum steht, sogar in vordergründig heiteren Liedern über das »Tirili« der Vögel.«


    Natürlich hat man bei »Who is Sylvia« Schuberts Töne im Ohr, aber auch hier hat das Programmheft - wie bei allen fremdsprachigen Texten - die deutsche Übersetzung parat.
    Als Liedsänger hörte ich Nikola Diskić erstmals im April 2013 während eines Meisterkurses bei Thomas Hampson im Rahmen des HEIDELBERGER FRÜHLING.
    Die Stimme hat inzwischen einiges an Umfang zugelegt; der Sänger ist mittlerweile Ensemblemitglied des Nationaltheaters Mannheim. Er verfügt einerseits über ein sensibles Piano, andererseits aber auch eine Lautstärke, die für den Vortrag eines Kunstliedes nicht immer gebraucht wird.
    Ohne Frage war die Beleuchtung für einen Liederabend entschieden zu »laut«, denn das knapp hundertköpfige Publikum, Konzertflügel und die beiden Protagonisten, wurden von 25 kräftigen Montagescheinwerfern bestrahlt, so dass von einem intimen Rahmen keine Rede sein konnte - die ursprünglich vorgesehene intimere Beleuchtung hatte kurzfristig ihren Geist aufgegeben.
    Insgesamt war es ein Abend, der künstlerisch weitgehend gelungen war, was das Publikum mit herzlichem Beifall kund tat. Es ist schon bemerkenswert, wenn ein Opernsänger, der normalerweise drüben auf der Opernbühne vor1200 Leuten singt, hier vor 80 Leuten Kunstlieder anbietet, das allein ist schon ein »Bravo!« wert.
    Begleitet wurde der Sänger von dem brasilianischen Pianisten Marcolo Amaral, den Nikola Diskić beim Applaus immer wieder demonstrativ in den Vordergrund rückte.



    Und das war die Zugabe ...

  • Anbei ein Teilausschnitt aus dem Feuilleton der FAZ


    »Als Zugabe singt Bostridge die „Forelle“, mit abgründig vertauschten Stimmungswerten: „in süßer Ruh“ sehr unruhig, „mit regem Blute“ geradezu kaltblütig. In den um die nächste Zugabe bittenden Applaus stößt plötzlich eine laute Männerstimme: „Deutsch lernen!“ Ein weißhaariger Anzugträger mit Brille und offenem Kragen, vielleicht siebzig Jahre alt, steht am Rand des Saals. Ich kenne den Mann. An der Garderobe hat er mir ähnlich laut und deutlich seine Meinung über Matthias Goernes „Schwanengesang“ am Vorabend gesagt: „Gebrüll!“ Nur hatte Goerne das nicht gehört«.


    http://www.faz.net/-gs3-8kutt

  • Das ist aber ein nun schon länger zurückliegender Vorgang. Er fand im August statt, und Patrick Bahners, der dabei zugegen war, hat darüber in der FAZ berichtet (29.8.2016). Bemerkenswert sein Kommentar: "Niemand von uns steht auf und sagt zu dem Mann: Verlassen Sie den Saal! Niemand entschuldigt sich bei den Künstlern. Vielleicht meint jeder, ein anderer werde etwas tun, weil wir die Sache alle genauso sehen."


    An anderer Stelle hier im Forum meinte ich damals dazu, dass man sich über derlei Geschichten nicht weiter aufregen sollte. Psychisch gestörte und ideologisch verbohrte Menschen gibt es auch auf Liederabenden. Ich habe dergleichen auch schon erlebt. Dass dabei niemand aufsteht und laut gegen ein solch unflätiges Verhalten protestiert, ist wohl auf die Überraschung zurückzuführen, die ein solch ungewöhnlicher Vorgang beim Konzertbesucher auslöst. Er/Sie ist erst einmal perplex und reagiert dann, als gesitteter Mensch, mit den Mitteln, die sozusagen in den Konzertsaal gehören: Mit Buh-Rufen und Sympathie für den betroffenen Künstler ausdrückendem Beifall.
    Wer getraut sich schon, sich vor aller Augen von seinem Sitz zu erheben und einen solchen Gesellen zur Rede zu stellen? Ich hätte - vermutlich - den Mut dazu nicht!

  • Patrick Bahners, der dabei zugegen war, hat darüber in der FAZ berichtet


    Es war mir nur darum zu tun diesen Artikel auch anderen Lied-Interessierten auf einfache Weise zugänglich zu machen, was mit einem »Klick« auf den Link möglich ist.
    Interessant ist jetzt, dass man nun nach »nationalen Tönen« sucht, obwohl das vermutlich nur ein relativ intelligenter Blödmann war ...


    Hier ein offener Brief von Gerd Nachbauer, dem Geschäftsführer der Schubertiade:


    an Herrn Axel Brüggemann zu seinem Kommentar „LERNEN SIE DEUTSCH!“ in der aktuellen Ausgabe (Oktober/November 2016) von „Crescendo“


    Sehr geehrter Herr Brüggemann,

    vor vielen Jahren erzählte mir ein damaliger Mitarbeiter der Salzburger Nachrichten, dass der international bekannte Schauspieler – und auch Salzburger Jedermann-Darsteller – Curd Jürgens zu ihm gesagt habe, dass es ihm völlig egal sei, was man über ihn in der Zeitung lesen könne – die Hauptsache sei, dass sein Name richtig geschrieben werde. Und einige Jahre später meinte ein bekannter Musikkritiker mir gegenüber, dass er am liebsten jährlich unsere gesamte Schubertiade besuchen würde, die zuständigen Redakteure aber leider nur mehr Interesse an Artikeln hätten, die über Anfang, Ende oder Skandale einer Veranstaltung berichten.

    An diese beiden Gesichtspunkte musste ich wieder denken, als ich Ihren Kommentar zum Zwischenfall nach einer Zugabe beim Liederabend von Ian Bostridge am 26. August in Schwarzenberg (und damit verbunden auch über einen anderen Zwischenfall Monate zuvor in Köln) gelesen habe: Noch nie während der 40 Jahre des Bestehens der Schubertiade hat es ein derart flächendeckendes Medienecho gegeben. Leider haben sich neben den lokalen Medien nur zwei Journalisten aus Köln und Berlin bei uns direkt über den Vorfall erkundigt – alle anderen haben sich am Artikel in der FAZ orientiert, über dessen Inhalt und Schlussfolgerungen sich bereits die anwesenden Konzertbesucher (um es vorsichtig zu formulieren:) gewundert haben.

    Es steht mir als Veranstalter nicht zu, öffentlich über unsere Besucher zu vermutende Diagnosen zu verbreiten. Deshalb möchte ich ohne Angabe genauerer Details hier nur folgendes erwähnen: Der Zwischenrufer war ein Herr aus einer größeren Stadt in Deutschland, war zum zweiten Mal (und, wie er erklärte, zum letzten Mal) bei der Schubertiade und ist sowohl uns beim Bestellvorgang als auch manchen Gästen, die zufällig mit ihm ins Gespräch kamen, in einer bestimmten Hinsicht aufgefallen. Dass sein Verhalten mit einer „deutschnationalen“ Einstellung oder „Fremdenhass“ nichts zu tun hat, beweist allein die Tatsache, dass er auch der Buh-Rufer beim Liederabend des deutschen Baritons Matthias Goerne (25.8.) war und sich beim letzten Abend des Beethoven-Sonaten-Zyklus von Igor Levit (27.8.) seiner Sitznachbarin gegenüber sehr begeistert über die Interpretation des russischen Pianisten geäußert hat.

    Auch wenn Curd Jürgens aus dem Jenseits der Meinung wäre, dass die zahllosen Berichte zum Zwischenruf „Deutsch lernen bitte“ – so der in keinem einzigen Bericht über den Vorfall korrekt zitierte Originalwortlaut – eine gute Werbung für die Schubertiade seien: Mir persönlich sind Artikel jener Art, wie sie zum Beispiel in den 70er- und 80er-Jahren Bernard Levin, der damals bekannteste englische Journalist, in den bedeutenden Zeitungen von London, New York, Los Angeles und Sydney mit großer Begeisterung und Sachkenntnis geschrieben hat, wesentlich lieber.

    Mit freundlichen Grüßen

    Gerd Nachbauer
    (Geschäftsführer der Schubertiade GmbH)

  • Zit. hart: "Interessant ist jetzt, dass man nun nach »nationalen Tönen« sucht, obwohl das vermutlich nur ein relativ intelligenter Blödmann war ..."
    Das, lieber hart, war auch für mich damals der interessante Aspekt an diesem Vorfall und seinen Folgewirkungen.
    "Blödmann" ist der treffende Ausdruck für diesen Gesellen. Dass er eine solche Reaktion in der Presse auslöste, sagt etwas über die Wachsamkeit und die Sensibilität aus, wie sie inzwischen hinsichtlich des Anwachsens nationaler Ressentiments in der Bundesrepublik bestehen.
    Gut, dass Du den Link und den offenen Brief hier eingestellt hast!

  • Kammersänger Armin Kolarczyk, Bariton
    Steven Moore, Klavier


    Programm:


    Johannes Brahms - Ausgewählte Lieder


    1. Von waldbekränzter Höhe op. 57 Nr.5
    2. Heimweh II op. 63 Nr. 8
    3. Minnelied op. 71 Nr. 5
    4. Alte Liebe op. 72 Nr. 1
    5. Auf dem Kirchhofe op. 105 Nr. 4


    Vier ernste Gesänge für eine Bassstimme mit Begleitung des Pianoforte op. 121
    1. Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh
    2. Ich wandte mich und sahe an alle
    3. O Tod, wie bitter bist du
    4. Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete


    - Pause -


    Gustav Mahler - Kindertotenlieder (Fassung für Klavier)


    1. Nun will die Sonn´ so hell aufgehn
    2. Nun seh´ ich wohl, warum so dunkle Flammen
    3. Wenn dein Mütterlein tritt zur Tür herein
    4. Oft denk´ ich, sie sind nur ausgegangen
    5. In diesem Wetter, in diesem Braus


    Zugabe: Brahms »Wiegenlied« Guten Abend, gut´ Nacht


    Bevor das Konzert begann, kann der Chronist von recht heiterer Stimmung berichten - herzliches Lachen des Baritons, Gekicher im Publikum und ein ganz lauter Lacher des Pianisten. Armin Kolarczyk hielt nämlich noch bevor der erste Ton erklang eine kleine Ansprache ans Publikum und gab seiner Freude Ausdruck, dass trotz der Faschingsveranstaltungen ringsum, Liedfreunde den Weg zu diesen ernsten Tönen gefunden haben.


    Armin Kolarczyk wurde in Trento (Italien) geboren und wuchs mit den Sprachen italienisch und deutsch auf. Zunächst studierte er am Konservatorium in Trento Violine und schloss das Studium 1986 ab. Ein Jahr später folgte ein Gesangsstudium bei Ada Zapperi in München, das durch den Besuch verschiedener Meisterklassen bei Ada Zapperi, Erik Werba, Giuseppe Taddei und anderen ergänzt wurde. Gleichzeitig widmete sich Armin Kolarczyk dem Jurastudium, das er 1992 an der Universität in Innsbruck zum Abschloss. Nach dem juristischen Examen sah er seine Zukunft ausschließlich im Gesang. Von 1997 bis 2007 gehörte er dem Ensemble des Bremer Theaters an, wo er viele große Partien seines Faches sang. Gastspiele führten ihn an viele Theater wie Köln, Bonn, Braunschweig, Wiesbaden, Essen Innsbruck und Kopenhagen.
    Seit 2007 ist er am Staatstheater Karlsruhe engagiert und wurde im November 2015 mit dem Titel »Kammersänger« ausgezeichnet. 2017 und 2018 wird er bei den Bayreuther Festspielen gastieren. Auf einer 2011 herausgekommenen CD ist der Sänger mit Schuberts »Schwanengesang« und fünf Strauss-Liedern zu hören.


    Steven Moore ist Australier und Studierte Orgel, Klavierbegleitung und Gesang in Queensland und erwarb seinen Master in Dirigieren und Korrepetition an der Londoner Guildhall School.
    Nach diversen internationalen Stationen kam er 2011 ans Karlsruher Staatstheater und ist hier seit 2014 Studienleiter und Kapellmeister.


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    Von insgesamt 204 weltlichen Liedkompositionen des Johannes Brahms hatten die Interpreten fünf ausgewählt und an den Anfang des Programms gestellt, wobei man etwas verwundert war, dass diese nicht gerade unbekannten Lieder vom Notenständer gesungen wurden, was auch in der weiteren Programmfolge so gehandhabt wurde. Vielleicht sollte man dafür Verständnis haben, weil die hier Vortragenden im täglichen Opernbetrieb stehen und mit ihrem Programm nicht wochenlang durch die Konzertsäle ziehen.


    Das fünfte Lied dieser Gruppe zeigte dann schon an, dass man sich nun den letzten Dingen zuwendet. Brahms wird als frommer Mensch geschildert, der täglich in der Bibel las. Brahms vertonte nun in »Vier ernste Gesänge« keine Gedichte, sondern griff auf eine Auswahl von Prosatexten aus dem Alten und Neuen Testament sowie aus den Apokrypen in der Übersetzung Martin Luthers zurück.
    In einem Brief an seinen Verleger Simrock bezeichnete Brahms seine Gesänge als »verflucht ernst und dabei so gottlos, dass die Polizei sie verbieten könnte, wenn die Worte nicht alle in der Bibel ständen«
    Brahms war zum Zeitpunkt dieser Gesänge schon ein alter Mann. Einer seiner Schüler hat der Nachwelt übermittelt, dass Brahms diese Lieder kurz nach dem Tod seiner langjährigen Freundin Clara Schumann im Freundeskreis gespielt und gesungen habe, es sei kein Kunstgesang gewesen, sondern eine gesteigerte Deklamation mit brüchiger Stimme, und die letzten Textworte seien ihm nur noch mit tränenerstickter Stimme möglich gewesen.


    Mahlers »Kindertotenlieder« dürften das persönlichste liedkompositorische Werk Gustav Mahlers sein. Friedrich Rückert verarbeitete in seinen Kindertotenliedern traumatische Erlebnisse als zwei seiner sechs Kinder an Scharlach gestorben waren. Danach entstand die fast unglaubliche Anzahl von etwa 500 Gedichten, die den Kindesverlust behandeln; aber diese Gedichte waren von Rückert eigentlich nicht für eine Publikation gedacht, erst nach dem Tod des Dichters wurden sie von Rückerts Sohn herausgegeben.


    Mahlers Gattin Alma waren diese düsteren Gedichte unheimlich und sie meinte:
    »Ich kann es wohl begreifen, dass man so furchtbare Texte komponiert, wenn man Kinder verloren hat. Schließlich hat auch Friedrich Rückert diese erschütternden Verse nicht phantasiert, sondern nach dem grausamen Verlust seines Lebens niedergeschrieben. Ich kann es aber nicht verstehen, dass man den Tod von Kindern besingen kann, wenn man sie eine halbe Stunde vorher, heiter und gesund, geherzt und geküsst hat. Ich habe damals sofort gesagt: Um Gottes Willen, Du malst den Teufel an die Wand.«


    Bei dem letzten Mahler-Lied »In diesem Wetter«, das mit ziemlichem Getöse beginnt, hatte Steven Moore mit dem so ganz fragilen langen Nachspiel einen ganz herrlichen Ausklang geschaffen. Mit dem »Wiegenlied« von Brahms entließen die beiden Künstler das Publikum in die restlichen Fastnachtstage.


    Der Kritiker Rüdiger Krohn überschrieb seinen Konzertbericht in »Badische Neueste Nachrichten« mit »Schlicht und ergreifend« und stellt die künstlerische Leistung so dar:


    »Kolarczik bewies sich in all diesen verschatteten Liedern als ein ebenso geschmackvoller wie einfühlsamer Stilist, der es auf hohem künstlerischem Niveau zu vermeiden weiß, in sentimentales Pathos zu verfallen. Mit souveränem Takt und kluger Interpretation legte er die Botschaften der Texte frei und hielt sich dabei an die verstärkende Kraft der eindringlichen Schlichtheit in Ton und Diktion. Seine Stimme war ihm dabei ein vorzüglich kontrolliertes Instrument, das alle Ausdrucksnuancen vom innigen Brahms-"Minnelied" über Mahlers zärtliches "Wenn dein Mütterlein" bis zum heftig aufbrausenden "In diesem Wetter" mit seiner inständig gehauchten Schlussstrophe in faszinierender Direktheit vermittelte.
    Die großartige Leistung des Sängers fand kongeniale Förderung durch Steven Moore als Begleiter, der am Flügel die lyrischen und emphatischen, die stillen und dramatischen Momente der Stücke herausstrich und im abschließenden, stürmisch bewegten Lied eindrucksvolle pianistische Qualität bewies.«


    Anmerkung:
    In diesem Thread können bei Interesse Einzelheiten, die Helmut Hofmann zu den Kindertotenliedern herausgearbeitet hat, nachgelesen werden:
    Gustav Mahler. Seine Lieder, vorgestellt und besprochen in der Reihenfolge ihrer Entstehung und Publikation




  • Optische Eindrücke vom Ort des Geschehens


    Wenn man die letzten Jahre überblickt, entwickelt sich Heidelberg immer mehr zu einem Zentrum des Liedes. Schon 1998 war es hier möglich, in einer Mammut-Veranstaltung die drei Liederzyklen Schuberts hintereinander zu hören.
    Etwas später kam dann Thomas Hampson dazu, der sich zum Spiritus Rector in Sachen Lied im Rahmen des HEIDELBERGER FRÜHLING entwickelte; welche schöne neuen Stimmen durfte man in seinen Heidelberger Meisterkursen hören; wieder etwas später kamen Brigitte Fassbaender und Thomas Quasthoff noch hinzu.


    Nun ist Thomas Quasthoff mit »Das Lied - International Song Competition« auch noch in Heidelberg angekommen - »nach sieben wunderbaren Jahren in Berlin«, wie Quasthoff schreibt. Dieser vom 1. bis 4. März 2017 im alten klassizistischen Heidelberger Theater stattfindende Lied-Wettbewerb bietet 72 jungen Künstlern, also 36 Duos - Singstimme und Klavier - die Möglichkeit der Präsentation unter Wettbewerbsbedingungen. Es sind Interpretinnen und Interpreten aus 24 Nationen vertreten, wobei im Vokalbereich die Damen in der Überzahl sind, am ersten Wettbewerbstag hörte man 11 Sängerinnen, aber nur drei Männer der Stimmlage Bariton.


    Die Jury ist hochkarätig besetzt, da erstarrt man fast vor Ehrfurcht, wenn man Revue passieren lässt, was einige dieser Damen und Herren auf den Podien der Welt geleistet haben; die Jury besteht aus folgenden Mitgliedern:


    Thomas Quasthoff
    Brigitte Fassbaender
    Bernarda Fink
    John Gilhooly
    Charlotte Lehmann
    Dame Felicity Lott
    Helga Machreich
    Dominique Meyer
    Charles Spencer
    Richard Stokes


    Aber auch die Wettbewerbsteilnehmer verdienen allen Respekt, denn sie mussten eine beachtliche Repertoireliste mitbringen, die es in sich hatte. Gefordert waren:
    15 Lieder von Franz Schubert
    10 Lieder von Robert Schumann
    5 Lieder von Wolfgang Rihm


    Nur um aufzuzeigen, wie solche Listen aussehen - jedes Duo hat seine eigenen Lieder - sei hier die Liste des ersten Paares eingestellt:


    Franz Schubert
    Suleika I op. 14/1 D720
    Ganymed op. 19/3 D 544
    Der Zwerg op. 22/1 D 771
    Die Liebe hat gelogen op. 23/1 D 751
    Suleika II op. 31 D 717
    Der Einsame op. 41 D 800
    Die junge Nonne op. 43/1 D 828
    Du liebst mich nicht op. 59/1 D 756b
    Der Wanderer an den Mond op. 80/1
    Auf dem See op. 92/2 D 543b
    Fischerweise op. 96/4 D 881
    An den Mond D 259
    Die Mutter Erde D 788
    Auflösung D 807
    Totengräbers Heimweh D 842


    Robert Schumann
    Schöne Wiege meiner Leiden op. 24/5
    Mit Myrthen und Rosen op. 24/9
    Aus den hebräischen Gesängen op. 25/15
    Der Himmel hat eine Träne geweint op. 37/1
    Waldgespräch op. 39/3
    Mondnacht op. 39/5
    Auf einer Burg op. 39/7
    Der arme Peter op. 53/3
    Die Soldatenbraut op. 64/1
    Aufträge op. 77/5


    Wolfgang Rihm
    Leben und Tod (zwei kleine Lieder, Nr. 1)
    In Camillas´ Geburtstagsalbum (zwei kleine Lieder, Nr. 2)
    Das ist eine weiße Möwe (Heine zu »Seraphine«, Nr. 1)
    Wie neubegierig die Möwe (Heine zu »Seraphine«, Nr. 2)
    Mit schwarzen Segeln (Heine zu »Seraphine«, Nr. 6)


    Am heutigen ersten Wettbewerbstag stellten sich 14 Paare der Jury, wobei jedem Paar ein 15-Minuten-Auftritt zur Verfügung stand - in diesem Zeitrahmen mussten drei Stücke der vorgegebenen Komponisten aufgeführt werden.
    Morgen, am Donnerstag, geht die erste Runde des Wettbewerbs weiter. Am Freitag folgt die zweite Runde, und am Samstag, 4. März findet ab 15:00 Uhr das Finale im großen Saal der Stadthalle Heidelberg statt.

  • Heute, am zweiten Wettbewerbstag, war in Heidelberg wettermäßig eitel Sonnenschein, im krassen Gegensatz zum verregneten Vortag. Auch Thomas Quasthoff hat voller Freude, mitten auf der Straße vorm Theater stehend, die Sonne mit einigen Tönen gegrüßt.
    Etliche Fahnen mit der Aufschrift Das Lied flattern im Heidelberger Wind und machen auf das Ereignis aufmerksam - da wird echt etwas für diese fast schon totgesagte Kunstform getan.


    Das künstlerische Niveau war auch heute sehr hoch, man hätte sich eher sonst wo bei Festspielen vermutet, als auf einem Nachwuchswettbewerb.


    Heute war ein Dutzend Duos zu hören:
    6 Soprane
    1 Mezzosopran
    2 Tenöre
    3 Baritone


    Man kann froh sein, nicht in der Jury sitzen zu müssen, denn sicher werden sehr ordentliche Leistungen »aussortiert« werden müssen, weil eben nicht alle siegen können. Natürlich spielt man »Privatjuror« und ist dann gespannt, was die Gesangsprofis in der Jury heraus knobeln.


    Bei der Sopranistin Claire Elizabeth Chraig stehen in meinem Programmheft einige Ausrufungszeichen hinter ihrem Namen, eine herausragende Leistung!
    Auch der Tenor Julius Habermann hinterließ einen ausgezeichneten Eindruck, wenn er einen ganzen Abend so durchsteht, könnte man ihn sich durchaus in Schwarzenberg oder Schwetzingen vorstellen. Das Gleiche gilt für den Bariton Samuel Hasselhorn, bei dessen Abgang man einen verstärkten Beifall bemerken konnte, obwohl er das Rihm-Lied »Ich mag euch alle nicht« sang, was sowohl beim Publikum als auch bei der Jury eine gewisse Heiterkeit erzeugte.


    Und - der Mensch lernt nie aus - beim Vortrag des Duos Hiltrud Kuhlmann (Sopran) und Christine Rahn (Klavier) erlebte ich erstmals, dass auch der Klavierpart Singtöne von sich gab, das war bei einem englisch gesungenen Lied von Wolfgang Rihm.


    Dieser Beitrag sollte nur eine kleine Impression von der realen »Lied-Front« jenseits der CDs im Regal sein ...


    Und wie geht es weiter?
    Die zweite Runde findet morgen, am Freitag, den 3. März statt. In der zweiten Runde, zu der noch höchstens 20 Lied-Duos zugelassen sind, werden insgesamt fünf Lieder vorgetragen (zwei Lieder der eigenen Wahl und drei von der Jury ausgewählte Lieder). Das Programm wird am Abend vorher festgelegt. Über die Reihenfolge der Auftritte entscheidet das Los.
    Das Finale findet am Samstag, den 4. März 2017 statt. Beim Finale treten noch höchstens 10 Lied-Duos auf, die jeweils sechs Lieder der eigenen Wahl vortragen. Das Programm wird am Abend vorher festgelegt. Über die Reihenfolge der Auftritte entscheidet das Los. Die Preisverleihung findet direkt im Anschluss an das Finale statt.

  • In der gesamten 2-tägigen 1. Runde waren 15 Soprane, 3 Mezzosoprane, 6 Baritone und zwei Tenöre zu hören, die insgesamt 78 Liedvorträge zu Gehör brachten.


    Heute, am Freitag, 3. März, standen in der zweiten Runde 8 Damen und 5 Herren - mit einem reichhaltigeren Programm als an den beiden Vortagen - auf dem Podium. Man hatte aus den Bewerbern 5 Soprane, 3 Mezzosoprane, 4 Baritone und einen Tenor zum Vortrag gebeten.
    Die von mir gestern so hoch favorisierte Claire Elizabeth Chraig war bei der Auswahl nicht berücksichtigt worden, dennoch wird man von dieser Frau noch einiges hören ...
    Eine Jury dieser Klasse hat natürlich auch andere Bewertungsmaßstäbe, als jemand der ab und an mal einen Liederabend besucht ... immerhin waren »meine« beiden am Vortag herausgestellten Herren weiter gekommen.

    Bei Interesse kann man sich diesen Wettbewerb übrigens per Livestream bequem ins Haus holen ...

  • In der gesamten 2-tägigen 1. Runde waren 15 Soprane, 3 Mezzosoprane, 6 Baritone und zwei Tenöre zu hören, die insgesamt 78 Liedvorträge zu Gehör brachten.

    Man hatte aus den Bewerbern 5 Soprane, 3 Mezzosoprane, 4 Baritone und einen Tenor zum Vortrag gebeten.

    Kein einziger Bass?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Kein einziger Bass?


    Nein, lieber Stimmenliebhaber, aber wenn ich so meine Liederabende der letzten Jahrzehnte Revue passieren lasse, war da nur einmal Kurt Moll und Georg Zeppenfeld dabei, die ohnehin mehr in der Oper zuhause sind.
    Eine rühmliche Ausnahme macht hier der großartige Liedspezialist Robert Holl, den ich mir natürlich in Schwarzenberg nie entgegen lasse.
    Kunstlied und Bassstimme kommen heutzutage nur selten zusammen. Zur Zeit eines Josef Greindl sah das noch etwas anders aus ...

  • Auch Kurt Moll oder Theo Adam haben ja viel Lied gesungen, manche Lieder zum Beispiel von Mussorgski oder Löwe sind ja nunmal für Bass. Moll hatte ich mal mit einer "Winterreise", Holl zum Klavier mit Mussorgski Kotchinian mit Orchester die "Lieder und Tänze des Todes", Burchuladze hatte ich auch mal mit einem Liederabend und einige Bassisten mehr. Aber dass es nun unter den jungen Bassisten gar keine Liedsänger mehr geben soll, finde ich schon beängstigend!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die Herren haben sich hier bei der Übermacht der Soprane und Mezzosoprane wacker geschlagen, was mich doch etwas überrascht hat ...
    und nochmal der Hinweis, dass man sich diesen Wettbewerb auch per Livestream bequem ins Haus holen kann.
    Das Lied International Song Competition


    Zeitplan


    15:00 Clara Osowski (Mezzo-Sopran) – Tyler Wottrich
    15:30 Samuel Hasselhorn (Bariton) – Renate Rohlfing
    16:00 Julian Habermann (Tenor) – Victoria Guerrero
    16:30 Nazan Fikret (Sopran) – Rebecca Cohen
    17:00 PAUSE
    17:30 Jóhann Kristinsson (Bariton) – Ammiel Bushakevitz
    18:00 André Baleiro (Bariton) – David Santos
    18:30 Modestas Sedlevicius (Bariton) – Anna Anstett


    20:00 Preisverleihung


  • Die Jury von links nach rechts:
    Charlotte Lehmann, Dominique Mayer, Brigitte Fassbaender, Helga Machreich, Thomas Quasthoff, Bernada Fink, Dame Felicity Lott, John Gilhooly, Richard Stokes


    Nun ist dieser Lieder-Maraton Geschichte. Apropos Geschichte - ob die im alten Theater von Heidelberg auftretenden Künstler wussten auf welch historischen Brettern sie hier stehen?
    Ein ganz berühmter Kollege tat am Samstag, 15. Oktober 1932 als Pedrillo in »Die Entführung aus dem Serail« genau hier seine ersten Bühnenschritte in einem Engagement und hatte schon wenig später als Nureddin in Peter Cornelius´ Oper »Der Barbier von Bagdad« einen großen Erfolg als lyrischer Tenor; es war Peter Anders.


    Von Aschermittwoch bis zum folgenden Samstag waren bei diesem Lied-Wettbewerb sage und schreibe 185 live gesungene Kunstlieder zu hören - ein wahrlich seltenes Ereignis. Es war vielfältig möglich wunderschöne Erlebnisse auch mit Interpreten zu haben, die am Ende keinen Preis bekamen, wie zum Beispiel Karola Pavone - um nur mal ein Beispiel zu nennen - mit ihrem weichen Sopran und einer bewundernswerten Textdeutlichkeit.


    Die Wettbewerbsteilnehmer kamen aus Australien, China, Deutschland, Finnland, Frankreich, Israel, Italien, Litauen, Österreich, Portugal, Schweiz, Serbien, Slowenien, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Türkei, England, Ukraine, Ungarn und den USA.
    18 Damen waren gestartet, aber nur 8 Herren. Im Finale waren dann nur noch zwei Damen und acht Herren zu hören.


    Preisträger 2017


    1. Preis:
    Samuel Hasselhorn, Bariton, Deutschland,
    15.000 Euro



    2. Preis:
    Clara Osowski, Mezzosopran, USA
    7.500 Euro


    3. Preis
    Jóhann Kristinsson, Bariton, Island
    5.000 Euro


    Preis für besten Pianisten:
    Victoria Guerrero, Spanien & Anna Anstett, Ukraine
    5.000 Euro


    Förderpreis:
    André Baleiro, Bariton, Portugal & Modestas Sedlevicius, Bariton, Litauen
    2.500 Euro


    Publikumspreis:
    Jóhann Kristinsson, Bariton, Island
    5.000 Euro


    Um Nachhaltigkeit zu gewährleisten werden alle Preise als Stipendien ausgezahlt. Außerdem werden die PreisträgerInnen an verschiedene Festivals und Veranstalter vermittelt. In der Vergangenheit haben bereits das Festspielhaus Baden-Baden, die Kölner Philharmonie, das Lucerne Festival, die Schubertiade im österreichischen Schwarzenberg, die Konzertgesellschaft in Basel, der Wiener Musikverein und die Wigmore Hall in London den PreisträgerInnen Auftrittsmöglichkeiten geboten.



    Nach dem Finale schaute man in strahlende Gesichter - aber es war nicht wirklich das Ende vom Lied, zum HEIDELBERGER FRÜHLING geht es hier weiter!


    Bilder © Martin Walz

  • Lieber hart, der 1. Preis für Samuel Hasselhorn, über den wir ja schon an anderer Stelle gesprochen hatten, ist hoch verdient. Ich freue mich für dieses Talent, von dem wir noch viel hören werden. Davon bin ich überzeugt. Ich hatte Dir ja auch schon gedankt für Deinen Hinweis auf das Melodram-Konzert in Heidelberg. Wirst Du hingehen und uns berichten? Für mich ist die Reise etwas zu umständlich. Gute 5 Stunden hin, gut 5 Stunden zurück. Das ist zuviel. Vor allem die "Lenore" hätte ich zu gern einmal live erlebt. Wenn Du etwas darüber schreibst, dann ist es ja ein bisschen so, als habe man mit drin gesessen im Konzert.


    Gruß von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nein, lieber Stimmenliebhaber, aber wenn ich so meine Liederabende der letzten Jahrzehnte Revue passieren lasse, war da nur einmal Kurt Moll und Georg Zeppenfeld dabei, die ohnehin mehr in der Oper zuhause sind.

    Auch Kurt Moll oder Theo Adam haben ja viel Lied gesungen, manche Lieder zum Beispiel von Mussorgski oder Löwe sind ja nunmal für Bass. Moll hatte ich mal mit einer "Winterreise"

    Lieber "hart", man sieht am Datum der zitierten Beiträge, dass wir beide der Todesnachricht von Kurt Moll nicht bedurften, um über ihn zu sprechen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • Liederabende sind relativ selten geworden, und dass man dabei Kunstlieder von einer Bassstimme gesungen hört, gehört nochmal zu den selteneren Dingen.


    René Pape, ein großer Sohn der Stadt Dresden, ist 1964 dort geboren; beim Dresdner Kreuzchor sang er, natürlich nicht den hohen Sopran, er war Altsolist. Und wenn an der Semperoper die »Zauberflöte« auf dem Spielplan stand, war er in Mozarts kindlicher Trias der Altknabe. Seine weitere musikalische Ausbildung erhielt Pape an der Hochschule für Musik Carl-Maria von Weber in Dresden. Der Sänger mit dem charakteristisch rollenden »R« kam nun zu einem Liederabend in seine Heimatstadt. Seit etwa 20 Jahren steht er auf den Opernbühnen der Welt, ist aber zunächst durch markante Opernrollen bekannt und berühmt geworden und hat sich relativ spät dem Lied zugewandt; wie er sagt, weil er immer einen hohen Respekt vor dieser Kunstform hatte.


    Zunächst zu den Äußerlichkeiten: Die Semperoper bietet einen optisch üppigen Rahmen und die beiden Protagonisten des Abends betraten die Bühne in klassischer Manier im Frack.


    Bei meinem letzten Liederabend in diesem Haus, das war vor acht Jahren, mit dem damals noch nicht so bekannten Georg Zeppenfeld, war nur das Parkett besetzt, bei René Pape nun auch die oberen Ränge.


    Im Programm waren Lieder von fünf Komponisten vorgesehen:
    W. A. Mozart, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Roger Quilter und Jean Sibelius - später kamen noch Edvard Grieg und Richard Strauss hinzu; ein recht buntes Programm, was jedoch nicht abwertend gemeint ist, in den Hochzeiten der Liederabend-Veranstaltungen war das ja auch so gewesen.


    Mozarts »Eine kleine deutsche Kantate« KV 619, »Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt«,
    stand am Anfang.


    Es folgten sechs Lieder von Beethoven nach Christian Fürchtegott Gellert, Op. 48:
    Bitten / Die Liebe des Nächsten / Vom Tode / Die Ehre Gottes aus der Natur / Gottes Macht und Vorsehung / Bußlied.


    Danach eine Auswahl von sechs Liedern nach Heinrich Heine aus Schuberts »Schwanengesang« D 957:
    Das Fischermädchen / Am Meer / Die Stadt / Der Doppelgänger / Ihr Bild / Der Atlas


    Nach einem fulminant gesungenen »Atlas« lässt es sich gut in die Pause gehen, aber beim Abgang drohte der Beifall irgendwie zu erlahmen, was Pape bemerkte, und ihn veranlasste, mit einer schaufelnden Handbewegung anzudeuten, dass nach einer solchen Leistung doch etwas mehr kommen dürfe ...


    Das Konzert wurde mit drei Liedern des Komponisten Roger Quilter nach Texten von William Shakespeare, Op. 6 fortgesetzt:
    Come Away, Death / O Mistress Mine / Blow, Blow, Thou Winter Wind


    Den offiziellen Konzertabschluss bildeten Sieben ausgewählte Lieder von Jean Sibelius:
    Der erste Kuss Op. 37/1 / An den Abend Op. 17/6 / Im Feld ein Mädchen singt Op. 50/3 / Schwarze Rosen Op. 36/1 / Der Span auf den Wellen Op. 17/7 / Mädchen kam vom Stelldichein Op. 37/5 / Be Still, My Soul Hymne nach einem Thema aus »Finlandia« OP. 26 (Die ersten sechs Sibelius-Lieder wurden deutsch, das letzte Lied in der Originalsprache gesungen).


    Beifall musste der Sänger nun nicht mehr einfordern, der kam nun in einer beachtlichen Lautstärke vom Parkett und den Rängen.


    Erst als Camillo Radicke nach einer erklecklichen Anzahl von Verbeugungen und Abgängen ein Notenblatt mitbrachte, wurde es ruhig - Pape sagte »Ein Traum« von Edvard Grieg an.
    Und nochmal ließen sich die Künstler zu einer Zugabe bewegen, es folgte das Schubert-Lied »An die Musik«
    Das wäre ein schöner Abschluss gewesen, war aber nicht!
    Jetzt gedachte der Sänger dem Abend mit einem voll ausgesungenen »Habe Dank.« der »Zueignung« von Richard Strauss ein Ende bereiten zu können, was eine Fehleinschätzung war ...


    Nun erzählte René Pape seinem Publikum, dass einer Stimme natürliche Grenzen gesetzt sind und er dies nun deutlich machen wolle, indem er zum Sprechgesang übergehe und zum Abschluss des Abends Franz Schuberts einziges Melodram darbiete: »Abschied« D 829.


    Dieses Stück war mir zwar wohl bekannt, aber über viele Jahrzehnte von Konzertbesuchen war es noch nie dargeboten worden, im Konzertsaal eine Rarität.


    Leb' wohl, du schöne Erde!
    Kann dich erst jetzt versteh'n,
    Wo Freude und wo Kummer
    An uns vorüberweh'n.


    Leb' wohl, du Meister Kummer!
    Dank dir mit nassem Blick!
    Mit mir nehm' ich die Freude,
    Dich laß' ich hier zurück.


    Sei nur ein milder Lehrer,
    Führ' alle hin zu Gott,
    Zeig' in den trübsten Nächten
    Ein Streiflein Morgenrot!


    Lasse sie die Liebe ahnen,
    So danken sie dir noch,
    Der früher und der später,
    Sie danken weinend doch.


    Dann glänzt das Leben heiter,
    Mild lächelt jeder Schmerz,
    Die Freude hält umfangen
    Das ruhige, klare Herz.


    Ein staunenswerter und unvergesslicher Abend, an dem Camillo Radicke auch seinen Anteil hatte, der ebenfalls aus Dresden kommt, aber als Pianist weltweit gefragt ist und als erfahrener Liedbegleiter auch von anderen Sängerinnen und Sängern geschätzt wird.
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    Ingrid Gerk hat im »Merker« zu diesem Liederabend unter anderem geschrieben:

    »Pape sang mit sehr angenehmem Timbre und ausgezeichneter Textverständlichkeit, ob nun deutsch oder englisch, und schöpfte jedes Lied in all seinen Facetten und Feinheiten aus. Da stimmte einfach alles. Er versteht sich auch auf die feinsten Töne, beherrscht alle Facetten vom feinsten Pianissimo bis zum ausdrucksstarken Forte ...
    Als 4. Zugabe wählte er noch einmal Franz Schubert, aber diesmal etwas ganz Besonderes, das Melodram »Abschied von der Erde«. Das Melodram, eine einst sehr angesehene Kunstgattung, bei der sich Sprache und Musik begegnen und ineinander übergehen, ist aus der Mode gekommen und fast aus dem Gedächtnis verschwunden. Sie kann in unserer Zeit eher peinlich wirken, wenn sie vom Sänger nicht wirklich beherrscht wird. Pape gelang es, dieses Genre zu »rehabilitieren«. Es war ein Genuss, ihm zuzuhören, denn er beherrscht auch diesen Duktus der melodiösen Sprechweise zur musikalischen Untermalung am Klavier, die sehr feinsinnig von Camillo Radicke ausgeführt wurde. Es war ein musikalisches Erlebnis der besonderen Art wie der gesamte erlebnis- und erkenntnisreiche Liederabend, bei dem sich der Weltklasse-Bass von seiner lyrischen Seite zeigte und den mancher Opernfreund nun erst wirklich mit seinen vielseitigen sängerischen und gestalterischen Fähigkeiten kennengelernt haben dürfte«


  • Das Lied stand hier in den ersten Apriltagen im Mittelpunkt


    Das Wort LIED wird in den letzten Jahren in Heidelberg immer größer geschrieben und man hat hier tief in der Tradition geschürft und findet einen Anknüpfungspunkt im mittelalterlichen Codex Manesse, dieser großen Heidelberger Liederhandschrift.
    Seit Februar 2016 hat nun auch das Internationale Liedzentrum seine neue Heimat in Heidelberg, der Wettbewerb »Das Lied« zog von Berlin nach Heidelberg um. Internationale Persönlichkeiten und Institutionen des Liedgesangs bilden ein »Netzwerk Lied«. Zu erwähnen ist dabei allerdings, dass sich der Begriff »Lied« nicht nur auf die bürgerliche Gattung des Kunstliedes beschränkt, sondern diese Bezeichnung sehr weit fasst. Bezüglich der Zukunft des Liedes rät zum Beispiel Thomas Quasthoff zu »Mischprogrammen« und meint damit anspruchsvolle Songs, wie etwa solche von Cole Porter oder George Gershwin, die jeden Liederabend interessanter machen könnten; man wird sehen, was daraus wird ...


    Die maßgebenden Personen der Lied-Akademie sind der Meinung, dass, wenn es ein Weltzentrum des Liedes gibt, dieses in Heidelberg sein muss und man träumt sogar von einer Villa Massimo des Liedes in Heidelberg.


    Unter diesen Aspekten fand also Im März dieses Jahres bereits der erste Wettbewerb in Heidelberg statt; auf den Neckarbrücken, Plätzen und Gebäuden flatterten Anfang März rote Fahnen, die auf das Ereignis hinwiesen.
    In diesen Tagen sind es nun die Fahnen im frühlingshaften Grün; die auf den musikalischen HEIDELBERGER FRÜHLING aufmerksam machen, auch der künstlerische Leiter der Lied-Akademie, Thomas Hampson, trug beim Abschlusskonzert eine dem CI des Heidelberger Frühling entsprechende Krawatte. Er hatte mit den Stipendiaten die Woche über gearbeitet und präsentierte nun das Produkt seiner Bemühungen zu einer ungewöhnlichen Tageszeit.


    Am Freitagmorgen um 10:30 Uhr war das Abschlusskonzert der Stipendiaten angesetzt und das Parkett der Stadthalle dicht besetzt. Als Thomas Hampson das Ergebnis des Meisterkurses vorstellte meinte er als Resümee, dass es absolut kein Problem des Nachwuchses von Sängerinnen und Sängern gibt, aber dass es zu einem Problem werden könnte, wenn die Gesellschaft diese Art von künstlerischem Tun nicht mehr entsprechend nachfragt.


    Der Vormittag wurde von diesen Künstlern gestaltet:
    Justin Austin, Bariton / Julian Habermann, Tenor / Magdalena Hinz, Sopran / Ferdinand Keller, Tenor / Sean Michael Plumb, Bariton / Marie Seidler, Sopran / Raoul Steffani, Bariton / Iris van Wijnen, Mezzo-Sopran / Susan Zarrabi, Mezzo-Sopran
    Als Begleiter standen Akerni Murakam, Fiona Pollak und der alte Bekannte - seit 2012 dabei - Jonathan Ware zur Verfügung.



    Foto: Studio Visuell


    Der Jahreszeit und dem Festival entsprechend bot Julian Habermann zum Beginn die zwei Schubert-Lieder »Im Frühling« (D 882) und »Frühlingsglaube« (D 686).


    Sean Michael Plumb folgte mit dem Schubert-Lied »Du bist die Ruh« (D 776).


    Auch Susan Zarrabi blieb bei Schubert und trug »Der Tod und das Mädchen« (D 531) vor.


    Die beiden Schubert-Lieder »Schäfers Klagelied« (D 121) und »Suleika (D 720) brachte Magdalena Hinz zu Gehör.


    Danach folgten drei Lieder von Johannes Brahms:
    Marie Seidler sang »Wie Melodien zieht es mir« (op. 105/1) und Ferdinand Keller widmete sich den Liedern »Mainacht« (op. 43/2) und »Unbewegte laue Luft« (op. 57/8)


    Der nächste Programmpunkt bot drei Stücke von Maurice Ravel aus »Don Quichotte à Dulcinée«, die von Justin Austin vorgetragen wurden: »Chanson romanesque«, »Chanson Épique« und »Chanson á boire«


    - Damit war man bei der Pause angelangt -


    Iris van Wijnen setzte das Konzert mit Liedern von Hector Berlioz fort:
    »Nuit d´été« (op. 7), »Villanelle« (op. 7/1), »Le Spectre de la Rose (op. 7/2)


    Mit Samuel wurde nun ein amerikanischer Komponist ins Programm gebracht, Sean Michael Plumb sang «Sure on this shinging night«,


    Justin Austin brachte mit dem Song »When Sue wears red« Zeitgenössisches zu Gehör


    Und noch einmal betrat Julian Habermann die Bühne, der bereits zu Beginn zwei Schubert-Lieder dargeboten hatte, diesmal lag Schumanns »Meine Rose« auf dem Notenständer.


    Auch Magdalena Hinz durfte man noch einmal hören, sie trug »Das Fischermädchen« von Franz Liszt vor.


    Wohlbekannte Klänge folgten: »Die beiden Grenadiere«, ein Bravourstück von Robert Schumann, engagiert vorgetragen von dem Bariton Sean Michael Plumb.


    Marie Seidler trug danach das Volkslied »Dobrú noc« von Antonin Dvorák vor.


    Den offiziellen Abschluss dieser Lieder-Matinee bildeten zwei Lieder von Richard Strauss, die wiederum von der Mezzosopranistin Susan Zarrabi interpretiert wurden: »Rote Rosen« (Weißt du die Rose, die du mir gegeben?) und »Hat gesagt - bleibt´s nicht dabei« op. 36/3


    Auch an eine Zugabe war gedacht - Hampson kam mit allen Beteiligten auf die Bühne, um gemeinsam Franz Schuberts Ständchen »zögernd, leise...« vorzutragen, auch die beiden Pianistinnen sangen mit, wie auf dem Bild zu erkennen ist.



    Foto: Studio Visuell


    Auf eine subjektive Bewertung der Einzelleistungen hat der Autor in diesem Konzertbericht verzichtet, aber objektiv kann festgestellt werden, dass hier zwar relativ junge Leute musizierten, die man jedoch nicht als Anfänger bezeichnen kann; da wurden schon im Vorfeld von den Stipendiaten einige Meriten erworben, Wettbewerbe gewonnen und Preise entgegengenommen. Erfreulicherweise war an diesem Morgen ausreichend Publikum anwesend, das diese Leistungen zu würdigen wusste, was der enthusiastische Schlussapplaus bewies.


    Am diesem Konzert folgenden Sonntag wurde übrigens in Heidelberg an allen Ecken und Enden gesungen was das Zeug hält, ein erklecklicher Teil der Bürger beteiligte sich an der Aktion »Heidelberg singt«. An mehr als 50 Orten in acht Stadtteilen kamen den ganzen Sonntag über Hunderte sangesfreudige Menschen zusammen: Chöre, Privatpersonen und professionelle Musiker; es muss eben auch von unten her etwas getan werden ...

  • Zit: „Auf eine subjektive Bewertung der Einzelleistungen hat der Autor in diesem Konzertbericht verzichtet.“

    Aber warum denn?
    Das wäre doch eigentlich – wie ich finde – für einen Leser, der als Liebhaber des Kunstliedes in diesem Forum verkehrt, das gewesen, was ihn eigentlich interessieren dürfte. Wie diese Veranstaltung ablief, wer in welcher Gestalt und Funktion daran teilnahm, das hat als Bericht gewiss einen hohen Nachrichtenwert, die Kultur des Liedgesangs in Deutschlang betreffend. Und dafür ist dem Verfasser auch zu danken.


    Aber da sind ja doch noch Fragen wie diese:
    Wie haben die jungen Sänger und Sängerinnen, bei denen es sich ja wohl um die liedinterpretatorische Zukunft handelt, die Anforderungen, die sich ihnen in der Musik der einzelnen Lieder stellten, interpretatorisch bewältigt? Und wenn man die Titel der Lieder liest, so sind darunter ja welche, bei denen diese Anforderungen erheblich sind.
    Sind sie ihnen mit den gesanglichen Fähigkeiten, über die sie verfügen, gerecht geworden?
    Gab es deutlich erkennbare Abstufungen darunter?
    Blieben sie – und das ist wohl eine besonders wichtige Frage – im Rahmen der liedinterpretatorischen Konventionen, oder haben sie der Liedmusik neue Aussage-Dimensionen abzugewinnen vermocht?
    Zu diesen Fragen, die sich mir – und vielleicht nicht nur mir – stellen, hätte ich gar gerne etwas erfahren.

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  • Aber gerne ...

    Wie haben die jungen Sänger und Sängerinnen, bei denen es sich ja wohl um die liedinterpretatorische Zukunft handelt, die Anforderungen, die sich ihnen in der Musik der einzelnen Lieder stellten, interpretatorisch bewältigt?


    Also die Fähigkeiten sind hervorragend entwickelt; es war kein einziger Stipendiat/in dabei wo man nach dem Vortrag sagen musste - na, ja ...
    Ich würde von allen sofort ein Ticket erwerben, wenn sie einen Liederabend gäben, und damit ist eigentlich auch die Frage nach der Abstufung schon beantwortet.


    Zitat

    Blieben sie – und das ist wohl eine besonders wichtige Frage – im Rahmen der liedinterpretatorischen Konventionen, oder haben sie der Liedmusik neue Aussage-Dimensionen abzugewinnen vermocht?


    Wenn ich zum Beispiel an Stücke von Samuel Barber oder Ricky Ian Gordon denke, dann kann es schon sein, dass nicht der Interpret, sondern der Hörer überfordert ist, da fühle ich mich nicht in der Lage, das qualifiziert zu hinterfragen ...

  • Danke, lieber hart, dass Du dich auf meine Fragen eingelassen hast. Sie stellten sich mir tatsächlich, als ich Deinen interessanten, höchst informativen, weil sehr detailliert angelegten Bericht las.
    Es ist gut, dass man so etwas in dieser Ausführlichkeit hier im Tamino-Forum lesen kann. In der FAZ fand ich zum Beispiel nur eine kurze Notiz zu dieser Institution "Internationales Liedzentrum" in Heidelberg und die für die nächste Zeit dort geplanten Veranstaltungen.


  • Beim Liederabend im Rahmen des HEIDELBERGER FRÜHLING sah das Programm so aus:


    Robert Schumann (1810-1856) »Dichterliebe« op. 48
    Eine Reihenfolge von 16 Liedern nach Texten von Heinrich Heine


    Im wunderschönen Monat Mai
    Aus meinen Tränen sprießen
    Die Rose, die Lilie
    Wenn ich in deine Augen seh´
    Ich will meine Seele tauchen
    Im Rhein, im heiligen Strome
    Ich grolle nicht
    Und wüssten´s die Blumen
    Das ist ein Flöten und Geigen
    Hör´ ich das Liedchen klingen
    Ein Jüngling liebt ein Mädchen
    Am leuchtenden Sommermorgen
    Ich hab´ im Traum geweinet
    Allnächtlich im Traume
    Aus alten Märchen winkt es
    Die alten, bösen Lieder


    Miecyslaw Karlowicz (1876-1909)


    Zawód (Enttäuschung) op. 1/4
    Idzie na pola (Es geht über die Felder) op. 3/2
    Mów do mnie jeszcze (Sprich noch zu mir) op. 3/1
    Z erotykow (Von der Erotik) op. 3/6
    Skad pierwsze piosnki (Woher die ersten Sterne) op. 1/2
    Najpiekniejsze piosnki (Meine schönsten Lieder) op. 4
    Pamitam ciche, jasne zlote dnie (Ich gedenke der stillen, klaren, goldenen Tage) op. 1/5


    Antonin Dvorák (1841-1904)


    Cigánské melodie (Zigeunerlieder) op. 55
    Má piseň zas miláskouzni (Mein Lied ertönt, ein Liebespsalm)
    Aj! Kterak trojhranec můj (Ei, wie mein Triangel)
    A les je tichý kolem kol (Rings ist der Wald so stumm und still)
    Když mne stará matka zpivat (Als die alte Mutter mich noch lehrte)
    Struna naladěna (Reingestimmt die Saiten)
    Široké rukávy a široké gatě (In dem weiten, breiten, luft´gen Leinenkleide)
    Dejte klec jestrábu (Darf des Falken Schwinge)


    Sergei Rachmaninow (1873-1943)


    Son (Ein Traum) op. 8/5
    Siren´(Flieder) op. 21/5
    Ne poj, krasavicia! (Sing nicht für mich, o Schöne) op. 4/4
    Vesennije vodi (Frühlingsfluten) op. 14/11


    Kaum hatte die junge Künstlergeneration die Bühne der Stadthalle verlassen, wurde das Podium der Heidelberger Stadthalle für den abendlichen Liederabend des Starsängers Piotr Beczala und seinen Pianisten Helmut Deutsch hergerichtet. Baczala brachte eine große Stimme mit und Helmut Deutsch eine Riesenerfahrung als Liedbegleiter.



    So sehr lange befasst sich der nun fünfzigjährige Tenor noch nicht mit dem Kunstlied, sein Liederabend bei den Salzburger Festspielen 2014 dürfte zu seinen Anfängen in diesem Genre gehören. Ob man durch dieses Vorwissen belastet gleich den Opernsänger beim Schumann-Zyklus hörte? Es ist immer interessant auch andrer Leute Meinung zu kennen, Simon Scherer von der »Rhein-Neckar-Zeitung« hörte die Schumann-Lieder so:


    »Perfekt gepasst hat außerdem die Stückauswahl, Robert Schumanns "Dichterliebe". Als Beczałas faszinierend klare Worte hier den "wunderschönen Monat Mai" besangen, war das eine wahre Liebeserklärung an den Frühling, deren Glücksgefühle die Klavierbegleitung nicht weniger dankbar bezeugte. Allerhöchste Sangeskunst bewies der Weltstar-Tenor, dessen wohldosiertes Timbre und unaufdringliche Ausgestaltung exakt den richtigen Nerv für diesen sensiblen Liederzyklus trafen.


    Das begeisterte Publikum in der Stadthalle blieb augenblicklich an seinen Lippen hängen, ob in zartester Poesie ("Ich will meine Seele tauchen"), beim Tiefgang "im schönen Strome" oder schüchtern geäußerter Rührseligkeit. Dass die Inhalte der Gedichte so überzeugend ankamen, verdankte er nicht zuletzt seiner glaubwürdigen Aufrichtigkeit. Widergespiegelt hat sich das auch in seinem Stimmideal, das bei "Ich hab’ im Traum geweinet" mit zu Dünnhäutigkeit mutierter Klangsubstanz größte Authentizität garantierte. Eine anschmiegsamere Klavieruntermalung hätte er sich für all das nicht wünschen können.


    Nach solch überragender erster Konzerthälfte hätte man Beczała doch glatt schwerpunktmäßig im Liedfach verortet. Die meiste Zeit verbringt er jedoch auf den großen Opernbühnen dieser Welt, was er nach der Pause mehr als deutlich zeigte. Nicht wiederzuerkennen war er, als er mit schwelgenden Höhen und ausufernder Klangpracht den schmachtenden Helden-Tenor gab.«


    Gewiss, man kann das so sehen und hören, muss sich aber dem Vorredner nicht vollinhaltlich anschließen und kann sich dazu seine eigenen Gedanken machen und darf sich andere Interpretationen der »Dichterliebe« ins Gedächtnis rufen. Während diese Lieder vorgetragen wurden, entstand bei mir der Wunsch, von dieser Stimme gesungen mal die »Gralserzählung« zu hören ...
    Wenn man dem deutschen Kunstlied und Robert Schumann seine Referenz erweisen möchte, dann hätten nach meiner Meinung zu dieser wirklich grandiosen Stimme Lieder wie zum Beispiel: »Die beiden Grenadiere«, »Die Löwenbraut« oder »Belsazar« weit besser gepasst als die »Dichterliebe«, aber wie bereits gesagt, das ist eben eine andere Sicht.


    Bei den folgenden, in polnischer Sprache gesungenen Liedern von Mieczysław Karłowicz fühlte der Zuhörer (in Unkenntnis dieser Sprache) sofort, dass der Sänger hier zuhause ist und sein sängerisches Potenzial weit besser zur Geltung kam. Aus dem Programmheft erfuhr man übrigens, dass der polnische Komponist Mieczysław Karłowicz noch als Kind mit seinen Eltern in den frühen 1880er Jahren in Heidelberg wohnte.
    Von den Liedern Antonin Dvoráks sagt man, dass der Komponist in seinen meist schwer- und wehmütigen Liedern die Stimmung so gut trifft, dass man den Text nicht unbedingt verstehen muss.
    Auch bei den abschließenden Rachmaninow-Liedern war man auf die Übersetzungen im Programmheft angewiesen, wobei dem ersten dieser vier Lieder »Son« (Traum) ein Gedicht Heinrich Heines zugrunde liegt.


    Natürlich war das insgesamt eine große Leistung, die der Sänger an diesem Abend bot, wenn auch den meisten Leuten vermutlich im zweiten Konzertteil die sprachlichen Feinheiten in Verbindung mit der Musik verborgen blieben; dass die geschulte Stimme hörenswert ist, bedurfte keiner Erklärung - der Beifall war bis dato beachtlich, sollte jedoch durch die erklatschten Zugaben noch beträchtlich gesteigert werden, denn nun erweiterte Beczala diesen Konzertabend mit Tönen, die man eigentlich nicht erwartet, wenn man nicht schon ein ähnliches Konzert von ihm in anderen Städten gehört hatte.


    Der routinierte Liederabend-Besucher traute zunächst seinen Ohren nicht, welche Töne Helmut Deutsch da anschlug, das klang doch wie Leoncavallos »Mattinata«?
    Nun geriet Piotr Beczala so richtig in Fahrt und man hörte das zu Beczalas Stimme hervorragend passende Strauss-Lied »Zueignung« mit dem bedeutsamen Liedende »Habe Dank«
    Aber das dankbar klatschende und trampelnde Publikum kam erst zur Ruhe als Deutsch abermals mit einem Notenblatt in der Hand auf der Bühne erschien. Es folgten die zwei Cavaradossi-Arien aus »Tosca«, dann gingen die Leute selig nach Hause, sie hatten einen Tenor der Spitzenklasse gehört.



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  • Leider ist von keiner besonderen Sängerleistung zu berichten, sondern von einer krankheitsbedingten kurzfristigen Absage von Dietrich Henschel. Martin Helmchen sollte am Klavier begleiten.


    Dieses Programm war für heute in Schwetzingen vorgesehen:


    Franz Schubert:
    Lieder nach Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe, Ernst Schulze, Georg Philipp Schmidt von Lübeck und Matthäus von Collin
    Hans Eisler:
    Lieder nach Gedichten von Friedrich Hölderlin
    Franz Liszt:
    Tre Sonetti di Petrarca 270b
    Hugo Wolf:
    3 Lieder zu Gedichten von Michelangelo
    Maurice Ravel:
    Don Quichotte à Dulcinée


    Anstatt eines Konzertberichtes einige aktuelle kurze Bemerkungen zu diesen Festspielen:


    Dass bei den Schwetzinger SWR Festspielen, neben der schon seit einiger Zeit erfolgten Kürzung der Festtage, einiges anders geworden ist, macht sich in der Saison 2017 nun auch optisch bemerkbar. Man hat sich der Zeit angepasst und lässt Fahnen im Wind flattern, die auch auf die Neueröffnung einer Tankstelle oder eines Supermarktes hinweisen könnten; die unverwechselbaren drei stilisierten Barockfenster sind von der Bildfläche verschwunden.
    Auch der langjährige Maître de Plaisir Peter Stieber ist verschwunden, hat sich in den wohlverdienten Ruhestand begeben. Noch vor fünf Jahren schrieb er im Vorwort des Festspielprogramms:


    »Diese besondere Atmosphäre der historischen Stätten ist geradezu ideal geeignet für die Darstellung der intimsten Form der Vokalmusik: des Kunstlieds. Liederabende sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Programmangebots und erfreuen sich in Schwetzingen nach wie vor großen Zuspruchs. So möchten wir im Jubiläumsjahr mit acht Liederabenden demonstrieren, welche großartige Musik die Gattung Kunstlied prägt.«


    Peter Stieber konnte damals folgende Liederabend-Paare präsentieren:


    Dorothea Röschmann / Julius Drake
    Vesselina Kasarova / Charles Spencer
    Christoph Prégardien / Christoph Schnackertz
    Christian Gerhaher / Gerold Huber
    Daniel Behle / Oliver Schnyder (Klavier), Andy Miles (Klarinette)
    Magdalena Kožená / Malcolm Martineau
    Matthias Goerne / Alrxander Schmalcz
    Joyce Didonato / David Zobel


    Und wie ist die Situation 2017?
    Es ist noch ein Liederabend am 19. Mai mit dem Bariton Gerald Finley und dem Pianisten Julius Drake vorgesehen; das ist dann das Ende vom Lied ...
    Man kann zumindest anhand der vorliegenden Fakten vermuten, dass das Kunstlied hier auf dem absteigenden Ast ist. Am mangelnden Publikumsinteresse kann es eigentlich nicht liegen, denn bei den von mir besuchten Liederabenden hatte ich noch nie einen leeren Stuhl gesehen.

  • In einer Matinee im Hause der Staatsoper Stuttgart wurde am Sonntag, 1. Oktober 2017, zum 7. Male die Hugo-Wolf-Medaille für herausragende Verdienste um das Kunstlied verliehen.


    Durch Hugo Faißt, einen aus Heilbronn stammenden Rechtsanwalt, der eine enge Freundschaft zu Hugo Wolf pflegte und den Komponisten nach Kräften unterstützte, entstand 1898, also noch zu Lebzeiten Wolfs, in Stuttgart ein Hugo-Wolf-Verein.
    1967 - Hugo Faißt starb 1914 - startete Hermann Reutter, Komponist und ehemalige Direktor der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, einen Aufruf zur Gründung einer Internationalen Hugo-Wolf-Gesellschaft. Zum Gründungskomitee gehörten Musikerpersönlichkeiten wie zum Beispiel der Dirigent Ferdinand Leitner, Carl Orff und der damalige Intendant der Stuttgarter Oper Walter Erich Schäfer.


    Die Hugo-Wolf-Medaille wird seit 2008 vergeben; jetzt 2017, erstmals an ein Duo, also den Bariton Thomas Hampson und seinen langjährigen Begleiter - die beiden Künstler arbeiten schon fast 25 Jahre zusammen - Wolfram Rieger.
    Die bisherigen Preisträger waren: Dietrich Fischer-Dieskau, Peter Schreier, Christa Ludwig, Brigitte Fassbaender, Graham Johnson und Elly Ameling.


    Der preisgekrönte Bariton ließ an diesem Morgen seine Singstimme nicht hören, aber Wolfram Rieger tat Dienst als Begleiter der Sopranistin Anja Harteros.
    Die Lied-Darbietungen waren insofern zweigeteilt, dass zunächst fünf Schubert-Lieder gesungen wurden, denen drei Lieder von Robert Schumann folgten.


    Danach kamen die Laudatio von Frau Dr. Eleonore Büning, die einen großen Heiterkeitserfolg hatte, indem sie - die Vielseitigkeit Hampsons ansprechend - einen Kritikerkollegen zitierte, der einmal meinte, dass Hampson auch einspringen würde, wenn die Netrebko mal ausfiele ...
    aber natürlich sei das Blödsinn, sie würde sowas nie drucken ...
    An die Laudatio und der feierlichen Preisverleihung schloss sich der zweite Liedblock mit vier Hugo Wolf-Liedern und vier Liedern von Richard Strauss an.


    Da war allerhöchste Liedkultur zu hören, eine beeindruckende Leistung, die Anja Harteros im Stuttgarter Opernhaus bot. Eine persönliche Meinung sei in diesem Rahmen gestattet, die Lieder Verschwiegene Liebe, Verborgenheit, Allerseelen und Waldseligkeit hatten mich in der Interpretation ganz besonders tief beeindruckt; wie gerne hätte man nach dieser Waldeinsamkeit ein lautes Bravo gerufen.


    Es war ein äußerst diszipliniertes Publikum, also brandete der Beifall erst nach dem letzten Liedvortrag auf, der natürlich nicht der letzte war - es folgten als Zugabe noch zwei Lieder von Richard Strauss.


    Diese Liedmatinee wurde als LIFESTREAM ins Internet übertragen und ist in der IHWA-Mediathek abrufbar. Die Daten werden hier mal rein gegeben, man muss ja nicht den Berichtersatter geben, wenn die Veranstaltung in dieser Form zur Verfügung steht.


    Interessierte erwartet folgendes Programm:


    Franz Schubert (1797-1828)
    Fischerweise D 881
    Die Forelle D 550
    Schwanengesang D 744
    An die Laute D 905
    Im Haine D 738


    Robert Schumann (1810-1856)
    Venetianisches Lied I op. 25/17
    Venetianisches Lied II op. 25/18
    Der Hidalgo op. 30/3


    Hugo Wolf (1860-1903)
    Mein Liebster singt am Haus (aus: Italienisches Liederbuch)
    Verschwiegene Liebe
    Verborgenheit
    Er ist´s


    Richard Strauss (1864-1949)
    Allerseelen op. 10/18
    Meinem Kinde op. 37/7
    Waldseligkeit op. 49/1
    Cäcilie op. 27/2


    Zugaben:


    Richard Strauss
    Zueignung op. 10/1
    Morgen op. 27/4


    https://livestream.com/account…/7749299/videos/163603880





  • Fotoauswahl> © Internationale Hugo-Wolf-Akademie.


    Am frühen Abend des 29. Oktober 2017 hatte die Internationale Hugo-Wolf-Akademie zu einem Galeriekonzert in den Vortragssaal der Staatsgalerie Stuttgart eingeladen.
    Die Interpreten waren Robert Holl und Graham Johnson.
    Anlässlich seines 70. Geburtstages, der allerdings schon am 10. März des Jahres war, hatte der Sänger, der auch als Spezialist für den »schweren Schubert« gilt, ein Programm zusammengestellt, das die Schattenseiten des Daseins beleuchtete.
    Mehr liederfahrene Kompetenz als bei diesem Duo, kann man eigentlich nicht auf der Bühne versammeln, Graham Johnson ist Jahrgang 1950.
    Robert Holl gilt auch als Vorkämpfer für das unbekannte Schubertlied; wie er sagt, regte ihn Swjatoslaw Richter dazu an, der auch kaum bekannte Klaviersonaten und Fragmente Schuberts spielte.


    Bei der Schubertiade in Hohenems / Schwarzenberg sang Holl über die Jahre gesehen meist Schubert, das tut er dort nun schon seit 1977, eine beachtliche Zeit, und wer seine Programme Revue passieren lässt stellt fest, dass etwa 80 Prozent seiner gesungenen Texte Themen von philosophisch-existentieller Bedeutung behandeln, wo kommen wir her, wo gehen wir hin?


    Obwohl Robert Holl primär als Konzertsänger in Erscheinung trat, sei noch angemerkt, dass Holl bereits 1996 sein Debüt in Bayreuth hatte und über die Jahre als Hans Sachs, Gurnemanz und Marke zu hören war.


    Nun sang dieser Mann im intimen Rahmen - was einem Liederabend ja guttut - vor knapp 200 Liedanhängern in der Landeshauptstadt(!), auch das war traurig, nicht nur die Liedtexte.
    In einem Interview sagte Holl einmal - auf das Publikum von Liederabenden angesprochen -


    »Man braucht sowohl Liebhaber von Musik, wie auch Liebhaber von Dichtung und Literatur und man braucht Zuhörer, die auch diese Kombination von Gesang und Text schätzen und mögen. In dem Sinne, ist die Liedkunst vielleicht eine elitäre Sache, obwohl ich diesen Begriff nicht gerne mag ...«


    Wenn der Berichtende schreibt, dass man die unter Dreißigjährigen an einer Hand abzählen konnte, dann darf man das wörtlich nehmen.


    Aber nun zum Programm-Beginn dieses Abends, der drei Schubert-Lieder bot.


    Der Wanderer - D 489 Georg Philipp Schmidt von Lübeck
    Greisengesang - D 778 Friedrich Rückert
    Grenzen der Menschheit - D 716 Johann Wolfgang von Goethe


    »Da, wo du nicht bist, ist das Glück.«, der Schluss des ersten Liedes wird ja oft zitiert ...
    Rückerts »Greisengesang« war auch kein Stimmungsaufheller, und bei Goethes »Grenzen der Menschheit« glaubte man Gott Vater selbst spräche von der Bühne herab, des Sängers Bart, noch ein Überbleibsel von König Marke, unterstrich dies optisch. Natürlich alles in klarer Diktion vorgetragen, das bedarf eigentlich bei diesem Sänger gar keiner besonderen Erwähnung.


    Die folgende Liedgruppe beinhaltete fünf Lieder von Hans Pfitzner, den man allgemein gerne als den »letzten Romantiker« bezeichnet, was an diesem Abend zumindest insofern deutlich wurde, dass den fünf Pfitzner-Vertonungen, die gesungen wurden, vier Mal Eichendorff-Texte zugrunde lagen. Dass Robert Holl zu diesem Komponisten ein besonderes Verhältnis haben muss, geht rein formal aus der Tatsache hervor, dass er Präsident der Hans-Pfitzner-Gesellschaft ist. Holl hat ja schon sehr früh - 1979 in Wien - eine Langspielplatte mit 13 Pfitzner-Liedern gemacht, das klingt heute noch nach. Diese Lieder warten ja nicht mit Melodienreichtum auf, sondern kommen eher spröde daher. Da ist ein Interpret bis zum Letzten gefordert, wie soll man denn das beschreiben, was man da gehört und gesehen hat? Wortdeutlichkeit, natürlich und viele Nuancen vielfältiger stimmlicher Möglichkeiten, die dem Sänger zur Verfügung stehen, so dass man Trauriges auch als schön empfinden kann.
    Zum Beginn des verspäteten Wanderers wandert man zunächst guten Mutes mit, aber dann scheinen die Füße immer schwerer zu werden.
    Beim letzten Stück der Pfitzner-Lieder «Das Alter«, stand der Sänger am Schluss für einige Sekunden wie eine Figur im Wachskabinett da, eine beeindruckende Gestaltung dieser Pfitzner-Auswahl.


    Die Pfitzner-Lieder in ihrer Reihenfolge:


    An die Mark op. 15/3 - Ilse von Stach-Lerner
    Nachts op. 26/2 - Joseph von Eichendorff
    In Danzig op. 22/1 - Joseph von Eichendorff
    Der verspätete Wanderer op. 41/2 - Joseph von Eichendorff
    Das Alter op. 41/3 - Joseph von Eichendorff


    Nach diesen acht Liedern folgte eine Pause - danach ging es zunächst mit Hugo Wolf weiter:


    Denk´ es, o Seele - Eduard Mörike


    Drei Lieder nach Gedichten von Michelangelo
    1. Wohl denk ich oft an mein vergangnes Leben - Walter Robert-Tornow nach Michelangelo Buonarroti
    2. Alles endet, was entstehet - Walter Robert-Tornow nach Michelangelo Buonarroti
    3. Fühlt meine Seele das ersehnte Licht - Walter Robert-Tornow nach Michelangelo Buonarroti


    Hugo Wolfs Michelangelo-Lieder sind seine letzten Lieder, die er schrieb, bevor ihn seine Krankheit entscheidend traf; an seinen Freund Oskar Grohe schrieb er zu diesen Kompositionen:
    »Wenn Du vor Ergriffenheit nicht Deinen Verstand verlierst, so hast Du nie einen besessen. Es ist wahrlich, um dabei verrückt zu werden, dabei von einer verblüffenden, wahrhaft antiken Einfachheit. Na, Du wirst Augen machen! Ich fürchte mich förmlich vor dieser Komposition, weil mir dabei um meinen Verstand bange wird. So gemeinschädliche und lebensgefährliche Dinger produziere ich jetzt.«


    Dietrich Fischer-Dieskau schreibt zu diesen letzten Wolf-Liedern: »Wie selten - man könnte sagen zum Glück - stehen diese hochsensiblen, nur mit innerer Hingabe zu realisierenden Gesänge auf den Konzertprogrammen! Das haben sie mit einer anderen Lebenskoda gemeinsam: den Vier Ernsten Gesängen des todgeweihten Johannes Brahms.«


    Und diese von Fischer-Dieskau beschriebene Seltenheit war am Sonntagabend in der Stuttgarter Staatsgalerie zur Wirklichkeit geworden, Robert Holl und Graham Johnson hatten diese ernsten Gesänge, die ein Jahr vor Wolfs Michelangelo-Liedern entstanden waren, aufs Konzertprogramm gesetzt. Diese biblischen Texte, die auch als »Requiem in Liedform« beschrieben werden, hatten einen realen Hintergrund. Johannes Brahms war schwer erkrankt, sein Musikerfreund Hans von Bülow war gestorben und seine langjährige Vertraute und Freundin Clara Schumann hatte einen Schlaganfall erlitten. Es klingt erstaunlich, dass Brahms seine letzten Lieder als »ganz gottlos« bezeichnete.


    Als alle traurigen Töne verklungen waren, durften die beiden Interpreten ihren wohlverdienten und herzlichen Beifall entgegennehmen. Nach altem Brauch wurde eine Zugabe erklatscht und gewährt, und dann noch eine. Robert Holl erklärte, dass man zum Beginn des Abends zurückkehre - man durfte noch zwei Lieder von Franz Schubert hören.


    Hoffnung - D 295 Johann Wolfgang von Goethe
    Auf der Donau - D 553 Baptist Mayrhofer


    Wer Robert Holl schon seit Jahren immer mal wieder im Konzertsaal hört stellt fest, dass die Stimme noch profunder geworden ist, und das Programmheft zu diesem Liederabend trägt dem insofern Rechnung, dass hier Robert Holl, Bass aufgedruckt ist und nicht Bass-Bariton.
    Das Programmheft bietet alle Liedtexte und eine fünfseitige, sehr informative Einführung von Eva Gruhn.

  • Lieber hart, vielen Dank für diesen hervorragenden Bericht über den Liederabend mit Holl und Johnson, ich liebe seinen Schubert!


    Zitat

    Da ist ein Interpret bis zum Letzten gefordert, wie soll man denn das beschreiben, was man da gehört und gesehen hat? Wortdeutlichkeit, natürlich und viele Nuancen vielfältiger stimmlicher Möglichkeiten, die dem Sänger zur Verfügung stehen, so dass man Trauriges auch als schön empfinden kann.

    :hail:


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)



  • Große Freude nach getaner Arbeit


    Die Bilder dieses Abends stellte freundlicherweise die Fotografin Barbara Aumüller zur Verfügung.


    Mit Dorothea Röschmann kam eine erfahrene Liedsängerin nach Frankfurt und ihr schottischer Begleiter, Malcolm Martineau, ist ja auch eine beachtliche Größe im Genre Lied.
    Dorothea Röschmann hat sich einige respektable Meriten erworben. Von 1994 bis 2000 war sie festes Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper unter den Linden; seit 2016 trägt sie den Titel »Berliner Kammersängerin«.
    Ganz groß kam sie bei den Salzburger Festspielen 1995 unter Harnoncourt heraus und konnte sich auch all die Jahre auf diesem Niveau halten. Da gab es den Grammy Award 2002, Echo Klassik 2003 zusammen mit Ian Bostridge und in jüngster Zeit - 2017 - den Grammy für das beste klassische Sologesangsalbum mit Mitsuko Uschida am Klavier.


    Hatte man sich in der Ära Fischer-Dieskau daran gewöhnt, dass Liederabende oft nur einem Komponisten gewidmet waren, was sich dann auch noch bei den gewährten Zugaben fortsetzte, stellt man in den letzten Jahren fest, dass in solchen Programmen zunehmend wieder Liedblöcke unterschiedlicher Komponisten angeboten werden; so auch bei dem Frankfurter Liederabend mit Dorothea Röschmann, die sich laut Programm vier Komponisten widmete, wenn man die Zugaben noch hinzunimmt, waren es dann sogar sechs.
    Es war, was die Liedstimmungen betrifft, ein melancholischer Abend den das Duo seinem Publikum bot.


    Im 20 Seiten umfassenden Programmheft waren nicht nur alle Liedtexte abgedruckt, vier Autoren erklärten auch die vorgetragenen vier Liedblöcke: Werner Oehlmann, Schubert / Jens Malte Fischer, Mahler / Christa Jost, Schumann und Martha Schad zeichnete für die Wagner-Lieder.


    Bei der Erklärung der Schubert-Lieder erfährt man einiges über den greisen Harfenspieler und Mignon, aber mit keiner Silbe wird das »Nachtstück« (D 672) erwähnt. Wieso dieses Lied an dieser Stelle? Eine Erklärung könnte sein, dass da auch ein alter Harfenspieler schreitet ...


    Daran schlossen sich die fünf Mahler-Lieder an. Was Jens Malte Fischer im Programmheft sagt, hatte man längst schon bei Tamino im Thread der Mahler-Lieder gelesen:


    »Schwierigkeiten macht einzig das vierte Lied, Um Mitternacht. Die meisten Autoren machen einen Bogen um dieses Lied, nur Mathias Hansen packt den Stier bei den Hörnern und nennt es ein "außerordentlich problematisches Tongebilde". In der Tat kündigt Mahler die Verinnerlichung der anderen vier Lieder mit schon verstörender Unbekümmertheit auf. Der Anfang hat noch einen dem Vorhergehenden angepassten Charakter. Wie die Untermalung einer Triumphfeier geht das Lied machtvoll zu Ende - das Ganze klingt mehr nach Edward Elgar als nach Mahler, man könnte von einer "Soul of Hope and Glory sprechen, die hier illuminiert wird. Das Rätsel dieses Liedes harrt noch seiner Lösung«


    Ja, wenn da gerade von »Triumphfeier« die Rede war, für Dorothea Röschmann war der Vortrag dieses, wie wir nun wissen, speziellen Liedes, tatsächlich ein Triumph. An diesem Abend wurde »Um Mitternacht« als drittes der fünf Mahler-Lieder gesungen. Es war ein ganz vorzüglicher Vortrag von Frau Röschmann und während ich noch am Ende des Liedes dachte - jetzt sollte man klatschen dürfen, taten das einige auch schon; stellten aber ihre Beifallsbekundungen gleich ein und die Sängerin quittierte mit einem verzeihenden Lächeln.


    Vielleicht sollte man noch erklären, was sich hinter dem Begriff »vorzüglich« verbirgt. Da war zunächst absolute Bühnenpräsens und man hätte meinen können, dass hier ein Lehrfilm für angehende Liedsänger gedreht wird, für jeden Laut hatte diese Sängerin eine spezielle Lippenstellung parat und was dabei herauskam war vom Allerfeinsten in punkto Textverständlichkeit. Bewundernswert! Mag es ganz vorne vielleicht um eine Nuance »übertrieben« gewirkt haben, dann sollte man bedenken, dass die Interpretin auch der letzten Reihe verpflichtet ist.
    Als der Mahler-Block zu Ende war, stand die Frage im Raum - wer beginnt zu klatschen? Nach einigen Schweigesekunden folgte dann ein herzlicher Beifall des dankbaren Publikums.


    Objektiv kann man von einer solchen Veranstaltung eigentlich nur die sachlichen Daten berichten, also dass die Interpreten pünktlich aufgetreten sind und alle Programmpunkte abgearbeitet haben, über den Rest, und das ist ja die Hauptsache, kann nur Subjektives geschrieben werden. Nach dieser Vorrede erlaube ich mir zu sagen, dass aus meiner Sicht der Vortrag dieser fünf Mahler-Lieder der Höhepunkt des Abends war. Das sind Augenblicke, die man für den Rest seines Lebens nicht mehr vergisst.


    Nach der Pause standen fünf Lieder, die der Königin Maria Stuart zugeschrieben werden, auf dem Programm; als Schumann diesen kleinen Zyklus schrieb, war er schon krank, die Kompositionsmittel sind so bewusst beschränkt, heißt es zu einer CD-Produktion dieser Lieder, dass es den Sängerinnen schwer fällt, die nötige Majestät und Dramatik zu erzeugen, ohne die innere Bescheidenheit der Musik zu verzerren. In der Tat, eine große Stimme braucht´s dazu nicht, aber auch diese schlichten letzten Schumann-Lieder wollen angemessen vorgetragen sein.


    Den Abschluss bildeten Lieder von Richard Wagner, an den man nicht unbedingt gleich denkt, wenn es um den Liedgesang geht, dennoch sind seine Wesendonck-Lieder nicht ganz unbekannt. Das Programmheft belehrt darüber, dass Richard Wagner insgesamt nur etwa 24 Kompositionen an Liedern und liedhaften Stücken hinterlassen hat.
    Mit Feuereifer hatte er sich an die Vertonung der Gedichte seiner Muse gemacht. Das letzte Lied des offiziellen Programms war »Träume«, natürlich mit Klavierbegleitung. Aber Wagner hatte dieses Stück auch instrumentiert und es Mathilde Wesendonck am 23. Dezember, ihrem Geburtstag, im Treppenhaus der Züricher Villa mit kleinem Orchester dargeboten. Das Programmheft sagt dazu: »Der Meister dirigierte zu Mathildes größter Freude höchstpersönlich«. In einer anderen Publikation ist zu lesen, dies sei als Ergänzung angefügt:
    »... was beim Hausherrn, der sich auf Geschäftsreise in New York befand, zu einigen Irritationen und in der Züricher Gesellschaft zu allerhand Gerede führte.«


    Aber von diesen Abschweifungen wieder zurück zum Frankfurter Liederabend. Der herzliche Applaus, unter Einflechtung von Bravorufen, animierte die beiden Künstler dazu noch drei schön gesungene Lieder als Zugabe zu gewähren, Malcolm Martineau, der nach jedem Liedvortrag seine Hände in Slow-Motion von den Tasten nahm, sagte die drei zusätzlichen Lieder jeweils an.
    Es war einer der Liederabende, die einem in Staunen versetzen. Ein ganz großes und lautes Bravo an Dorothea Röschmann, deren Stimme nun noch farbenreicher geworden ist und an Nuancen zugenommen hat, Nuancen, die ihr größte Gestaltungsmöglichkeiten für ihren Vortrag eröffnen. Bei all der Bewunderung sollte man den Pianisten nicht vergessen, ohne dessen einfühlsame Begleitung ein solcher Abend nicht möglich wäre.


    Zum Schluss gab es für die beiden Künstler noch zwei Blumensträuße, und draußen im Foyer zur Autogrammstunde noch zwei schön gezapfte Biere.


    Programm


    Franz Schubert (1797-1828)
    Gesänge aus Wilhelm Meister D 877 (1826)


    Heiß mich nicht reden
    So lasst mich scheinen
    Nur wer die Sehnsucht kennt
    Mignons Gesang D 321 (1815)
    Nachtstück D 672 (1819)


    Gustav Mahler (1860-1911)
    Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert (1901)


    Blicke mir nicht in die Lieder
    Ich atmet´ einen linden Duft
    Um Mitternacht
    Liebst du um Schönheit
    Ich bin der Welt abhanden gekommen


    - PAUSE -


    Robert Schumann (1810-1856)
    Fünf Lieder nach Gedichten der Königin Maria Stuart op. 135 (1852)


    Abschied von Frankreich
    Nach der Geburt ihres Sohnes
    An die Königin Elisabeth
    Abschied von der Welt
    Gebet

    Richard Wagner
    (1813-1856)
    Fünf Gedichte von Mathilde Wesendonck WWv91 (1857/58)


    Der Engel
    Stehe still!
    Im Treibhaus
    Schmerzen
    Träume


    Zugaben:


    1. Franz Liszt - Es muss ein Wunderbares sein
    2. Robert Schumann - Die Lotosblume
    3.Hugo Wolf - In der Frühe

  • Hallo!


    Die Stuttgarter Gesellschaft "LiedKunst KunstLied" veranstaltete im Haus der Musik im Fruchtkasten in Stuttgart ein sehr schönes Schubert Erlebnis. Johannes Fritsche, Bariton und Student der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart war der Interpret, der ein Großteil der Winterreise darbot, begleitet von Elisabeth Föll, die die Gesellschaft im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat. Vorgesehen war, dass ein weiterer Sänger der Hochschule auftritt - Johannes Leander Maas (Tenor) - der leider erkrankt war.


    Weite Teile der Winterreise wurden von Fritsche vorgetragen, ca. ein Viertel der Gedichte Wilhelm Müllers von Thomas Stäßer, ebenfalls ein Protagonist der Gesellschaft, in Gedichtform. Dazwischen Texte zur Entstehung der Winterreise und zum Leben von Franz Schubert, vorgetragen von María del Mar Alonso Amat, Kuratorin der Sammlung historischer Musikinstrumente im Landesmuseum Württemberg.


    Ein wunderschöne Konzeption, abwechlungsreich und dadurch äußerst kurzweilig. Fritsche leuchtete die emotionale Breite der Winterreise - Liebe, Verzweiflung, Einsamkeit - hervorragend aus. Die Tatsache, dass es sich um eine junge Nachwuchsstimme handelte, war schnell vergessen. Die Begleitung durch Elisabeth Föll war professionell und engagiert, die Vorträge hervorragend in den Ablauf "eingepasst" und für den Zuhöre akustisch wie inhaltlich gut verständlich.


    Ein wirklich sehr schöner Nachmittag.


    LiedKunst KunstLied
    Homepage Johannes Fritsche


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Lieber WoKa,
    habe Dank für diesen informativen Beitrag, gerne würde ich auch die interessanten Liederabende in Stuttgart besuchen, aber danach mit dem Zug dort wegzukommen ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch strapaziös.
    Natürlich habe ich auch den Link angeklickt und den Namen Diana Haller gelesen. Vor einigen Jahren ergab sich mal in Heidelberg die Gelegenheit Frau Haller in einem Meisterkurs von Thomas Hampson eine ganze Woche lang mit Liedern unterschiedlicher Komponisten hören zu können. Auch eine Abendmusik in der Heiliggeistkirche hatte sie wesentlich mitgestaltet - wenn Du die mal hören kannst, dann geh´ hin!

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