Ich mache es dieses Mal nicht so detailliert beschreibend, sondern stelle mir selbst Fragen, die ich mir dann mit Ja oder Nein zu beantworten versuche, um dann zu versuchen, meine gegebene Antwort auch noch zu begründen:
Klingt Christel Goltz als Salome für mich wie eine Teenager-Kindfrau, welche ja die Rolle nunmal ist? Nein. (Da gibt gab andere, voran Inga Nielsen, die meinem diesbezüglichen Salome-Ideal weit näher kamen, auch Ljuba Welitsch klingt für mich als Salome jugendlicher und sinnlicher als Christel Goltz, die doch als Salome irgendwie erstaunlich erwachsen, reif und streng klingt.)
Klingt die Sängerin expressionistisch und ausrucksstark genug, um den Charakter der Rolle bzw. der Handlungssituation stimmlich auszudrücken? Ja. (Ich finde, sie erfüllt ihre Rolle in dieser Beispielszene trotz nicht immer vorhandener Jugendlichkeit in der Stimme hervorragend.)
Bin ich mit der gebotenen Textverständlichkeit zufrieden? Ja! (Für eine Sopranistin in diesem Fach geradezu vorbildlich. In der Höhe versteht man natürlich nicht jedes Wort, aber das liegt in der Natur des Stimmfaches.)
Blühen die Höhen genug auf, als dass mich diese Lage besonders anspricht? Jein. (Manchmal ja, aber nicht immer, manchmal kommen mir die Höhen recht streng vor.)
Spricht mich die Mittelage der Stimme klanglich an? Ja. (Die Stimme klingt sehr direkt und präsent, ohne unangenehm zu sein.)
Kommt die Tiefe überzeugend? Ja. (zum Beispiel bei "aber du bist tot" oder "das Geheimnis des Todes")
Kommt die Zerrissenheit der Rolle in der eingestellten Szene zur Geltung, vermittelt sie emotional die Rollensituation? Ja. (Für mich entsteht hier rein akustisch ein Rollenerlebnis.)
Kann sich die Stimme gegenüber dem Orchester behaupten? Ja. (Allerdings klingt dieses in dieser Youtube-Version auch recht zurückgenommen und nicht so emanzipiert, wie man das in dieser Szene eigentlich erwartet.)
Singt die Sängerin an den dazu prädestinierten Stellen ein frei schwebendes Piano? Nein. (Nicht nur bei "geheimnisvolle Musik" ist mir persönlich der Klang nicht frei genug, sondern zu eng und gespresst).
Sind die dramatischen Ausbrüche mühelos und klanglich weit ausschwingend, oder unangenehm forciert? Jein. An einigen Stellen stößt die eher schlanke Stimme schon an Grenzen und schwingt nicht weit aus, an anderen Stellen (insbesondere auf Vokal "i") klingen die Spitzentöne allerdings wunderbar frisch und jugendlich.
Phrasiert die Sängerin gut, kann sie große Bögen singen? Ja.
Fazit: Für mich eine sehr überzeugende Interpretation, auch wenn einige Wünsche offen bleiben. Mein persönliches Ideal bleibt doch Ljuba Welitsch in dem MET-Mitschnitt mit Herbert Janssen unter Fritz Reiner. Dennoch ziehe ich den Hut vor der Leistung, die Frau Goltz als Salome hier erbringt.
Und nun bin ich gespannt, welche Eindrücke andere haben, ob sie meine Eindrücke teilen oder ganz andere Hörempfindungen haben.