Austausch über Höreindrücke zu den Sänger-Jubilaren

  • Dankenswerterweise hat "William B.A." heute auf den 33. Todestag von Gerhard Hüsch hingewiesen, der - zumindest in der heutigen Wahrnehmung - vor allem als bedeutender Liedinterpret in die Geschichte eingegangen ist. Dass das etwas ungerecht ist, beweist nicht nur sein wundervoller Papageno auf der legendären Beecham-Aufnahme, sondern auch die zahlreichen Opernpartien, die er - vornehmlich während seines Engagements an den beiden Berliner Häusern (erst dem Deutschen Opernhaus Charlottenburg, dann der Staatsoper) gesungen hat. Freilich hat er sich mit fortlaufender Dauer der Karriere auf Liederabende und Konzerte beschränkt. Auf "Youtube" findet man vor allem Beispiele für den Liedsänger Hüsch - ein Vergleich seiner Interpretation des "Erlkönigs" mit der Elisabeth Söderströms hätte sich durchaus angeboten, aber ich finde es interessanter, sich mit dem unbekannten Hüsch, dem Opernsänger, ein wenig zu beschäftigen: Neben den großen beiden Arabella-Mandryka-Szenen an der Seite von Tiana Lemnitz und "Papageno"-Auschnitten, gelangt man bei "Youtube" auf diese Weise relativ schnell zu einigen wenigen Wolfram-Ausschnitten, eine Partie, die er Anfang der 30er Jahre auch unter Arturo Toscanini in Bayreuth verkörpert hat.



    In diesem Ausschnitt aus dem Beginn des 3. Aktes "Tannhäuser" begegnet man einer sehr weichen, warm timbrierten Stimme, die gleichzeitig über eine erstaunliche Fülle verfügt. Eine mangelnde Stimmgröße kann es also kaum gewesen sein, die ihn zum Abschied von der Opernbühne bewogen hat. Bereits die erste Phrase "Wohl wusst' ich hier sie im Gebet zu finden" ist vokallastig, die Konsonanten werden zwar geformt, die Textverständlichkeit ist gewährleistet, doch Wolframs Feststellung wird mit den Mitteln eines Sängers, nicht eines Redners getroffen.
    Der kleine Ausbruch bei "Der Tod, den er ihr gab im Herzen..." wird auch weniger durch eine dynamische Steigerung als durch unmerklich mehr Spannung bei der Tonproduktion erzeugt - "dahingestreckt in brünst'gen Schmerzen" ertönt wieder mit beeindruckender Sonorität, allerdings ist hier gleichzeitig das starke Abdunkeln der Vokale zu konstatieren - das betrifft besonders die "e"s. Beeindruckend ist das lange legato und der lange Atem auf der Phrase "Fleht für sein Heil sie Tag und Nacht: o heil'ger Liebe e'wge Macht!", eine sängerische Demonstration der Stärke, die gleichzeitig etwas paradox erscheint, da Wolfram dieser bedingungslosen Liebe zu Tannhäuser ja doch zumindest zwiespältig gegenüber steht.
    Der Aufbau der nächsten Sinneinheit ist durchaus logisch, die Feststellung, dass sie die Pilger aus Rom erwartet baut sich dynamisch kontinuierlich auf, um sich bei "ihr heil'gen, lasst erfüllt es sehen" mit ungeheurer Intensität seinen Höhepunkt zu erreichen - eine Bitte, die mit höchster Autorität vorgebracht wird. Das einmal wiederholte "o, wird ihr Lindrung nur erteilt!" klingt für meinen Geschmack etwas zu einförmig, zu sehr um den rechten Ton bemüht, hier verpasst es Hüsch der Wiederholung entgegengesetzte Farben zu geben, wie zum Beispiel eine skeptische und eine hoffnungsvolle.
    Unter dem Strich für mich eine stimmlich beeindruckende Interpretation der Stelle, jedoch bleibt Hüsch als Wolfram immer in erster Linie Sänger. Fast hat man den Eindruck, er habe nicht gemerkt, dass der Sängerkrieg bereits vorüber ist und dass ihm niemand mehr zuhört. Ein paar innigere Töne, auch eine größere dynamische Abstufung der einzelnen Phrasen hätten seiner Interpretation aus meiner Sicht nicht geschadet - trotzdem ist er ein Sänger, mit dem die Beschäftigung auch heute noch sehr lohnt.

  • Noch ein paar Sätze zu Kollos Interpretation des "Preisliedes", damit der arme "Stimmenliebhaber" nicht völlig frustriert ist:
    Über das Timbre Kollos ist bereits sehr viel geschrieben worden, die Bewertungen gehen dabei deutlich auseinander, einige finden die Stimme überaus schön, viele andere belanglos. Ich sehe diese Frage relativ emotionslos, ich finde, dass Kollo - das hört man auch auf dieser Aufnahme - eine sehr unverwechselbare, durchaus angenehme Stimme sein Eigen nennt, ohne dass er über den verschwenderischen Schmelz beispielsweise eines Peter Seifferts verfügen würde.
    Bei dieser Interpretation des "Preisliedes" fällt der verhaltene Beginn auf, es wirkt fast, als ergreife sein Walther von Stolzing etwas widerwillig die Gelegenheit, sein Lied zu präsentieren - was ob der bösen Abfuhr, die er sich schon einmal von den Meistern geholt hat, nicht wirklich verwundert -
    jedoch hat mir sein piano hier zu wenig Klangqualität. "Von aller Wonnen, nie ersonnen" blüht an sich durchaus schön auf, auch wenn mich das etwas gestemmte "ersonnen" ein bisschen stört. Die Beschreibung des "Wunderbaumes" gelingt - auch aufgrund er lobenswerten Textdeutlichkeit - sehr plastisch, wenn auch die einzelnen Phrasen durch eine gewisse Kurzatmigkeit etwas zerfasert wirken. Das "Weib" wird mit etwas zu viel Druck produziert, ein deutlich hörbares Tremolo ist hier die Folge. Der zweite Stollen klingt zwar präsenter als die erste, wenn auch die dynamischen Abstufungen für meinen Geschmack vokal zu unausgeglichen sind: der beinahe manieriert gefistelte "Lorbeerbaum" hat wenig von der Sinnlichkeit, die die Erzählung von Walthers Traum an dieser Stelle wiedergeben müsste. "Die Muse des Parnass" lässt zwar durchaus Begeisterung erahnen, aber hier wird aus meiner Sicht zu wenig runder Stimmklang beigemischt, um wirklich zu überzeugen. Der "Abgesang" gefällt mir am besten, weil Kollo hier vokal voll aufblühen darf, offenbar hatte ihn Karajan zuvor stets zur Zurückhaltung gemahnt, Kollos Stimme erreicht hier ihre volle Klangentfaltung (auch wenn "so heilig ernst als mild" etwas in die Hose geht), aber das abschließende, verschwenderische "Parnass und Paradies" hat schon große klangliche Klasse.
    Aus meiner Sicht eine Aufnahme mit Höhen und Tiefen, die man sich sicher gut anhören kann, wo aber in puncto vokale Schönheit an der einen oder anderen Stelle - besonders in den piano-Passagen - durchaus Wünsche offen bleiben.

  • Lieber "Melomane",


    ich danke dir zuerst sehr herzlich, dass du dich doch noch zum Preislied von René Kollo geäußert hast und dabei - trotz unterschiedlicher Akzentuierungen - zu einer ganz ähnlichen Einschätzung kommst wie ich: dass nämlich der Vortrag einerseits zwar nicht perfekt ist, sich andererseits aber permanent steigert und an gleich einigen Stellen doch sehr für sich einnimmt. :jubel: :jubel: :jubel:


    Dann danke ich dir auch für das neue Beispielvideo zu Gerhard Hüsch - ich werde es mir gleich noch ein zweites Mal anhören und mich dann dazu äußern. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber operus,


    Liebe Hosenrolle, Du verstärkst den Einwand von Rheingold noch. Ich wollte mit meiner offensichtlich in die Hose gegangene Formulierung doch gerade ein Plädoyer für so grundsätzliche Beiträge, wie sie Helmut Hofmann gestaltet ausdrücken. Offenbar wurde gerade das Gegenteil herausgelesen. :untertauch:


    Ich verstand deinen Einwand so, dass längere, mehr ins Detail gehende Beiträge eher unerwünscht und oberflächlich sind, was mich ziemlich ratlos zurückgelassen hat.


    ich danke dir zuerst sehr herzlich, dass du dich doch noch zum Preislied von René Kollo geäuért hast


    Na schau, wenigstens dir antwortet Melomane :D




    LG,
    Hosenrolle1

  • Dankenswerterweise hat "William B.A." heute auf den 33. Todestag von Gerhard Hüsch hingewiesen, der - zumindest in der heutigen Wahrnehmung - vor allem als bedeutender Liedinterpret in die Geschichte eingegangen ist. Dass das etwas ungerecht ist, beweist nicht nur sein wundervoller Papageno auf der legendären Beecham-Aufnahme, sondern auch die zahlreichen Opernpartien, die er - vornehmlich während seines Engagements an den beiden Berliner Häusern (erst dem Deutschen Opernhaus Charlottenburg, dann der Staatsoper) gesungen hat. Freilich hat er sich mit fortlaufender Dauer der Karriere auf Liederabende und Konzerte beschränkt. Auf "Youtube" findet man vor allem Beispiele für den Liedsänger Hüsch - ein Vergleich seiner Interpretation des "Erlkönigs" hätte sich durchaus angeboten, aber ich finde es interessanter, sich mit dem unbekannten Hüsch, dem Opernsänger, ein wenig zu beschäftigen: Neben den großen beiden Arabella-Mandryka-Szenen an der Seite von Tiana Lemnitz und "Papageno"-Auschnitten, gelangt man bei "Youtube" auf diese Weise relativ schnell zu einigen wenigen Wolfram-Aufnahmen, eine Partie, die er Anfang der 30er Jahre auch in Bayreuth verkörpert hat.



    In diesem Ausschnitt aus dem Beginn des 3. Aktes "Tannhäuser" begegnet man einer sehr weichen, warm timbrierten Stimme, die gleichzeitig über eine erstaunliche Fülle verfügt. Die Stimmgröße kann es also kaum gewesen sein, die ihn zum Abschied von der Opernbühne bewogen hat. Bereits die erste Phrase "Wohl wusst' ich hier sie im Gebet zu finden" ist vokallastig, die Konsonanten werden zwar geformt, die Textverständlichkeit ist gewährleistet, doch Wolframs Feststellung wird mit den Mitteln eines Sängers, nicht eines Redners getroffen.
    Der kleine Ausbruch bei "Der Tod, den er ihr gab im Herzen..." wird auch weniger durch eine dynamische Steigerung als durch unmerklich mehr Spannung bei der Tonproduktion erzeugt - "dahingestreckt in brünst'gen Schmerzen" ertönt wieder mit beeindruckender Sonorität, allerdings ist hier gleichzeitig das starke Abdunkeln der Vokale zu konstatieren - das betrifft besonders die "e"s. Beeindruckend ist das lange legato und der lange Atem auf der Phrase "Fleht für sein Heil sie Tag und Nacht: o heil'ger Liebe e'wge Macht!", eine sängerische Demonstration der Stärke, die gleichzeitig etwas paradox erscheint, da Wolfram dieser bedingungslosen Liebe zu Tannhäuser ja doch zumindest zwiespältig gegenüber steht.
    Der Aufbau der nächsten Sinneinheit ist durchaus logisch, die Feststellung, dass sie die Pilger aus Rom erwartet baut sich dynamisch kontinuierlich auf, um sich bei "ihr heil'gen, lasst erfüllt es sehen" mit ungeheurer Intensität seinen Höhepunkt zu erreichen - eine Bitte, die mit höchster Autorität vorgebracht wird. Das einmal wiederholte "o, wird ihr Lindrung nur erteilt!" klingt für meinen Geschmack etwas zu einförmig, zu sehr um den rechten Ton bemüht, hier verpasst es Hüsch der Wiederholung entgegengesetzte Farben zu geben, wie zum Beispiel eine skeptische und eine hoffnungsvolle.
    Unter dem Strich für mich eine stimmlich beeindruckende Interpretation der Stelle, jedoch bleibt Hüsch als Wolfram immer in erster Linie Sänger. Fast hat man den Eindruck, er habe nicht gemerkt, dass der Sängerkrieg bereits vorüber ist und dass ihm niemand mehr zuhört. Ein paar innigere Töne, auch eine größere dynamische Abstufung der einzelnen Phrasen hätten seiner Interpretation aus meiner Sicht nicht geschadet - trotzdem ist er ein Sänger, mit dem die Beschäftigung auch heute noch sehr lohnt.

    Die Stimme von Gerhard Hüsch klingt hier in der Tat volltönend und warm, darin seinem großen Bayreuther Rollenvorgänger Herbert Janssen sehr ähnlich (auch in der dunklen Färbung des Vokals "a", die etwas zu sehr in Richtung "o" geht), allerdings gestalterisch einförmiger und unemotionaler als dieser. Trotzdem ist Hüschs Vortrag gesanglich zweifellos eindrucksvoll, insbesondere die langen und zugleich satten Legatobögen, auf die der "Melomane" schon hingewiesen hat.
    Die Textverständlichkeit ist gut, die Behandlung des Konsonanten "r" gefällt mir bei ihm außerordentlich gut, nur die Vokal(-ver-)färbungen machen mich mitunter nicht glücklich.


    Nach diesem allgemeinen Eindruck noch zu einigen ausgewählten Stellen:


    "Wohl wusst ich" - klingt mir eigentlich zu kernig kraftvoll und gesund und damit nicht der "zarten" Situation angemessen: Wolfram kommt auf diese Waldlichtung, sieht Elisabeth im Gebet versunken am Kreuze kauernd und spricht zu sich selbst, ohne dass sie ihn hören kann und soll. Da wäre etwas mehr Piano und eine hellere, zartere Stimmfarbe doch sehr wünschenswert gewesen, mehr als diese stimmliche Robustheit.


    "so oft" - bei "oft" ist mir das "o" entschieden zu geschlossen, das "i" von "ich" und "mich" und "in" ebenfalls zu geschlossen. Die "a" sind fast alle zu dunkel, das habe ich aber schon gesagt.


    "Den Tod, den er ihr gab im Herzen" - diese Tonwiederholung ist wunderbar sonor aneinandergereiht.


    "fleht für sein Heil sie Tag und Nacht" - in der Tat wäre es schöner gewesen, wenn dieser fragende Halbschluss bei "Nacht" zarter, offener, fragender, zweifelnder klingen würde, dann würde auch der Kontrast zum folgenden Ausruf "O heil'ger Liebe ew'ge Macht" größer und stärker sein. (bei der Verzierung bei "heil'ger" schläft er fast ein...)


    "Von Rom zurück erwartet sie die Pilger" - das hat für mich mehr erzählenden Rezitativ-Charakter als die Phrasen davor und würde eher einen Parlando-Stil verlangen, den er aber nicht anbietet, er bleibt mir hier im Ausdruck zu gleichförmig, obgleich seine stimmliche Sonorität zutiefst beeindruckend ist.


    "Dies ist ihr Fragen, dies ihr Flehen" - wunderbar ebenmäßig gesungen, "Ihr Heilgen" schon im Ansatz zu ebenmäßig, das ist für mich beinahe ein Schmerzensschrei!


    "Belibt auch die Wunde ungeheilt" - ist mir wieder nicht zart und zweifelnd genug gesungen.


    Dass die Wiederholung von "O würd ihr Lindrung nur erteilt" sich nicht so sehr unterscheidet vom Mal davor, dass klar wird, warum Wagner diese Textpassage wiederholt hat, darauf hat der "Melomane" bereits hingewiesen.


    Lieber "Melomane", wir sind uns hier völlig einig: eine stimmlich großartige, zutiefst sonore, technisch vorbildliche Interpretation, die freilich deutlich mehr stimmliches Differenzierungsvermögen zugunsten einer größeren Ausdruckspalette vertragen könnte. Der von mit schon erwähnte Herbert Janssen klingt an manchen Stellen bewusst schwach und zerbrechlich und erreicht mich mit dieser größeren Gestaltungspalette weit mehr als der sehr souveräne, aber irgendwie doch wesentlich einförmigere Gerhard Hüsch - wobei es mir trotzdem ein wohliges Gefühl gibt, ihm zuzuhören. :yes: :jubel: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Lieber Operus!


    Helmut Hofmann fragen und man bekommt einen intensiv analytisch durchgearbeiteten Beitrag mit ausgezeichneten, treffenden Schlussfolgerungen. So sollten Tamino-Diskussionen sein. :jubel: :jubel: :jubel: Das ist auch ausgesprochene Anerkennung für die Tamino-Kollegen, die diese Diskussion initiert und mit befruchtet haben.


    Wie schön, in das Verteilen von Lobkärtchen mit einbezogen zu sein! Allerdings würde ich das eher würdigen können, wenn Du Dich auch selber an solche inhaltlichen Diskussionen beteiligt hättest. Wenn Du nur Lobkärtchen verteilst, wirkt das - mit Verlaub - fast schrullig auf mich.


    Lieber Melomane, lieber Stimmenliebhaber!


    Nun wenigstens ein Satz zu Gerhard Hüsch!

    Lieber "Melomane", wir sind uns hier völlig einig: eine stimmlich großartige, zutiefst sonore, technisch vorbildliche Interpretation, die freilich deutlich mehr stimmliches Differenzierungsvermögen zugunsten einer größeren Ausdruckspalette vertragen könnte.


    Da kann ich Euch beiden ganz und gar zustimmen!
    Auf mich wirkt die Art zu singen merkwürdig altmodisch aber ich mag ihm gerne zuhören!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Stimmenliebhaber hat mich gedrängt, etwas zu Ninon Vallin beizutragen! Sie hatte gestern ihren 66. Todestag!
    Das tue ich gerne, weil ich diese Sängerin sehr schätze.
    Ich hätte auch zu Sena Jurinac etwas geschrieben, weil ich auch sie sehr schätze.
    Meine Zeit erlaubt es im Augenblick aber leider nicht, täglich zu allen Jubilaren etwas beizutragen.
    Ich will doch wenigstens zweimal das eingestellte Video (Oder besser: die Aufnahme von der CD) hören, ehe ich etwas dazu sage. Das Formulieren braucht dann ja leider auch noch ziemlich Zeit. Und wenn man auf Vergleiche mit anderen Aufnahmen kommt, muss man die ja auch noch mal anhören!


    Nun also Ninon Vallin mit der Briedszene der Charlotte aus Werther von Massenet!
    Ich habe auf Youtube nur die Gesamtaufnahme gefunden!
    Die Briefszene beginnt etwa bei 1:14


    https://www.youtube.com/watch?v=NwLESlqENw8



    Ninon Vallin ist eine französische Sängerin, wie man sie idealtypischer nicht finden kann. Die Stimme entspricht ganz dem Ideal der "clarté" : sie ist "clair", "lumineux", "limpide" und "transparent". Mit anderen Worten hell, rein und quellklar!
    Das Vibrato ist sehr dosiert eingesetzt und perfekt beherrscht. Das Timbre vermittelt eine Ahnung davon, was man früher unter "noblesse" verstand. Vokal-Beckmesser hätten bei ihr keine Mühen: alle Vokale und die verschiedenen Nasale sind perfekt geformt. Für die typische französische Führung von Gesangslinien hat sie ein untrügliches Gespür. Ihre Phrasierung zeichnet sich durch Delikatesse und vortrefflichen Geschmack aus. Erstaunlich ist für eine so helle und klare Stimme der Klang- und Farbenreichntum der Tiefe.


    Das alles kann man in der Briefszene der Charlotte im Werther hören und vor allem, wie sie die musikalischen Linien ganz aus den Worten und ihrem Klang entwickelt.


    Dem "Werther! Werther!" des Beginns gibt sei keinen sinnlichen oder klagenden Nachdruck.


    "Qui m'aurait dit la place...." ist sehr beherrscht, gleichsam mit Contenance gesungen, aber sie legt auf die Gesangslinie ein leicht gefühlvollen Schleier, der vielleicht mehr vermittelt als eine Obraszowa, Resnik oder Norman mit ihren Klagelauten je konnten!


    Zumal im "Et mon âme est pleine de lui" erreicht sie die Wikung ganz durch die Spannung des Bogens zum Höhepunkt "âme" und hinunter zum betont zurückgenommenen "lui".


    Das "Ces lettre" singt sie nicht als Aufschrei sondern als einen ganz fein sentimental kolorierten Ton.


    Wenn sie dann liest, klingt etwas von der Unbeschwertheit und Reinheit der Liebe durch, die sie nicht zugelassen hat.


    Das "Non, Werther, dans leurs souvenir votre image reste vivance...." ist erneut bemerkenswert beherrscht gesungen.


    Im Lesen des letzten Briefes wird mehr innere Beteiligung hörbar. Da erkennt man in den so gar nicht expressiv geformten Linien auch den Druck der Gefühle und die Leidenschaft, aber sie brechen nicht aus! Dem Orchester bleibt überlassen, was die die junge Frau sich nicht einmal gestattet, wenn sie allein ist!


    Gesanglich ist das alles vollkommen!
    Entspricht es auch der Figur der Charlotte?


    Ulrich Schreiber hat ja von der Charlotte gesagt, sie würde ihrer eigenen Emotionalität ein Requiem singen! Ist es das?
    Wir sind heute andere Interpretationen gewohnt in dieser Partie. Brigitte Fassbaender, Maria Ewing, Elena Obraztsova, Tatiana Troyanos, Agnes Baltsa, Veselina Kasarova, Susan Graham - keine Sängerin, die ich erlebt habe, war wie Ninon Vallin. Aber es war auch keine Französin darunter!


    Ich hätte es mir und Euch einfachen machen können, und sie als Massenets Manon vorstellen. Das ist meiner Meinung nach ein rundum überzeugendes Portrait. Aber vielleicht ist es spannender, der französischen Gesangskultur auf die Spur zu kommen, wenn man Zweifel hat, ob das so richtig ist.
    Ich werde immer wieder gerne Sängerinnen in der Partie der Charlotte hören, die es nicht mit der Selbstdiszíplin übertreiben und zumindest in den großen Momenten auch mehr Emotion rauslassen! Aber es lohnt auch, von Zeit zu Zeit Ninon Vallin zu hören. Dass mich Stimmenliebhaber dazu aus Anlaß ihres Todestages gedrängt hat, war ein Gewinn für mich!


    Ich bin gespannt, ob die Diskussion wieder so kontrovers wir wie über Elisabeth Söderströms "Erlkönig".


    Beste Grüße allen die sich Ninon Vallin anhören mögen!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Gesanglich ist das alles vollkommen!

    Lieber "Caruso41",


    so habe ich das gestern auch gehört, als ich in einige Youtube-Schnipsel von Ninon Vallin hineinhörte, sonst hätte ich meinen Vorschlag an dich gar nicht gemacht. :yes:


    Insofern danke ich dir sehr für deinen fundierten Beitrag über sie mit der detailreichen Beschreibung deiner Höreindrücke. :jubel: :jubel: :jubel:


    Ich will gar keine eigene detaillierte Beschreibung meine Höreindrücke dagegensetzen, das hätte ich gestern schon machen können, außerdem gebe ich den "Vokal-Beckmesser" nicht bei Aufführungssprachen, in denen ich mich nicht heimisch fühle. ;)


    Da auch die ganze Oper, also Massenets "Werther", nicht zu meinen bevorzugten Opern gehört, überlasse ich die Wertung, ob das nun eine ideale Charlotte ist oder nicht, lieber anderen. Ich habe jedenfalls ihre leuchtende, in der Mittellage dunkle (und insofern auch etwas an die Jurinac erinnernde), in der Tiefe nichts vermissen lassende und in der Höhe erstaunlich hell leuchtende Stimme sowohl gestern als auch heute in der Briefszene der Charlotte sehr gerne gehört, "vollkommen" trifft es meines Erachtens wirklich völlig! :hail: :hail: :hail:


    Vielleicht nimmt sie Willi ja nach deinem flammenden Plädoyer für sie, was ich akustisch sehr gut nachvollziehen kann, in seine Gedenkrubrik auf? :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Denkbar ist vieles, die konkrete Frage bleibt aber reine Spekulation. Viel spannender finde ich die Beantwortung der Frage, warum sich diese Art der Interpretation nicht durchgesetzt hat, warum Frau Söderström mit dieser Interpretation nur wenig bis keine Nachfolger gefunden hat und warum nachfolgende Sängerinnen und Sänger diese expressionistische bzw. veristische Art der Interpretation offenbar als einen Irrweg begriffen haben, auf dem sie nicht folgen wollten? Dass das so ist, ist nämlich mehr als nur reine Spekulation, sonst würden ja fast alle den "Erlkönig" heute so oder so ähnlich singen - tun sie aber nicht. Haben die alle keine Ahnung, wie man richtig Lied singt? So wird's wohl sein...

    Erst einmal darf man ganz unspekulativ unterstellen, dass sich zwei seriöse Künstler wie Elisabeth Söderström und Paul Badura-Skoda eine solche ungewöhnliche, von der Aufführungstradition abweichende Interpretation nicht einfach in eine Bierlaune ausgedacht haben. Das wäre "Spekulation". Bevor man meint, durch eine "Analyse" ihnen vorrechnen zu können, dass sie naiv sind in Sachen Schubert und Schubertinterpretation, wäre es doch angebracht, sie als Künstler erst einmal Ernst zu nehmen und in Erfahrung zu bringen, was sie denn zu einem solchen Interpretationsansatz bewogen hat. So etwas könnte z. B. im Booklet stehen, das keiner der von uns Beteiligten kennt. Die Wahl des Instruments (ein Hammerflügel) zeigt, dass es sich hier offensichtlich um eine HIP-Interpretation handelt. Wenn man unterstellt, dass die beiden Künstler bei Verstand sind, darf man eigentlich erwarten, dass sie sich damit beschäftigt haben, was die "historische Aufführungspraxis" zur Zeit der Romantik war. Caruso hat schon Liszt und Berlioz erwähnt (s.u.!). Offenbar hat man Schuberts "Erlkönig" so "dramatisch" rezipiert. Wenn man nur ein bisschen etwas von der Epoche der Romantik versteht, dann weiß man zudem, dass die Grenze von "Interpretation" und "Bearbeitung" bei den Romantikern fließend war, das Kriterium "Werktreue" nicht existierte, vielmehr die Qualität einer Aufführung letztlich daran bemessen wurde, ob sie "poetisch" war. Dass Söderström und Badura-Skoda mit ihrer Rhetorisierung nicht "poetisch" wären, kann man ihnen glaube ich nun wirklich nicht unterstellen. Insofern darf man dann auch feststellen, dass der Versuch, durch eine Notentextanalyse eine solche Interpretation als nicht werkgrecht darzustellen, nicht nur völlig unhistorisch ist, sondern einfach an den Intentionen komplett vorbeisieht, um die es bei HIP geht. Aus diesem Grund überzeugen mich genauso wenig wie Caruso die Ausführungen von Helmut Hofmann.

    Bekanntlich hat ja Berlioz auch eine Orchestrierung des "Erlkönig" von Schubert vorgenommen!
    Ich fürchte, dass Helmut grausen würde, wenn er die hört!
    Da gibt es auch viele Aufnahmen bei Youtube!
    Unter anderen von Thomas Allen, Anne Sophie von Otter, Hermann Prey und anderen!
    Prey hat übrigens auch den Erlkönig in der Orchestrierung von Franz Liszt gesungen! Gibt es auch bei Youtube!

    Eben! :)

    Einen Klappentext zu der CD habe ich nicht. Meine CD ist auch nur eine Kopie. Da kann ich Dir also nicht weiterhelfen!

    Sehr schade, lieber Caruso! Vielleicht schaffe ich es ja doch, da dran zu kommen, wenn auch mit fremder Hilfe! ;)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wie schön, in das Verteilen von Lobkärtchen mit einbezogen zu sein! Allerdings würde ich das eher würdigen können, wenn Du Dich auch selber an solche inhaltlichen Diskussionen beteiligt hättest. Wenn Du nur Lobkärtchen verteilst, wirkt das - mit Verlaub - fast schrullig auf mich

    " Jeder sollte seine Schrullen haben, Schrullen sind ein hervorragender Schutz gegen Vermassung! (Salvador Dali)
    Lieber Caruso,
    im Sinne dieses Zitats danke für die Blumen und die Exklusivität, die Du mir durch eine solche Etikettierung liebenswürdiger Weise bestätigst.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Dank "Caruso41" bin ich mal wieder dazu gekommen, diese wohl berühmteste Gesamtaufnahme von Massenets Meisterwerk zu hören und einige vor längerer Zeit gefällte Urteile mal wieder auf die Probe zu stellen. Über die von den Exegeten viel gerühmte "clarté" von Ninon Vallin hat "Caruso41" bereits geschrieben. Gemeint ist damit allerdings nicht nur die Klarheit in der Tonproduktion, sondern auch eine gedankliche Nüchternheit im dahinterstehenden Gedanken.
    Und damit kommen wir auch gleich zu meinem Haupteinwand gegen Ninon Vallins Charlotte-Interpretation: Sie ist den ganzen Abend über beherrscht, vokal wie emotional. Und damit bleibt sie der Partie aus meiner Sicht eine ganz wesentliche Facette schuldig - natürlich gibt sie sich nicht so ausgelassen ihren Leidenschaften hin wie Werther das tut, aber dass Werthers Schwärmen, seine exzessive Leidenschaft sie so gar nicht ins Wanken bringt, tut der Binnedynamik des Werkes aus meiner Sicht nur bedingt gut, insbesondere, weil auch Thill in dieser Aufnahme den letzten Rest an vokaler Verausgabung schuldig bleibt und für meinen Geschmack viel zu sehr Herr seiner Emotionen ist.
    Aber nun zur Briefszene selbst:
    Vallins Stimme entzieht sich einer einfachen Charakterisierung - sie ist weder besonders hell noch besonders dunkel, allerdings ist sie sehr stark fokussiert. Diese Charlotte, das merkt man gleich, hat kein Geheimnis, sie macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube, sondern spricht beinahe rational, über das, was sie bewegt.
    Bereits die beiden "Werther"s am Anfang sind zu laut angesetzt, p und mf sind notiert, Vallin singt mf und f und bleibt so den geheimnisvollen, mystischen Beginn der Szene schuldig. Die nachfolgenden Sätze, in der Charlotte schildert, wie schlecht es ihr geht, seit Werther abgereist ist, sind mit leichtem parlando-Ton und sorgfältiger Aussprache sehr glaubhaft. "Et mon ame est pleine de lui" klingt sehr beiläufig, als würde sie es selbst nicht glauben. Völlig verschenkt sind aus meiner Sicht die beiden "Ces lettres", insbesondere das zweite, das Massenet sehr bewusst im pp notiert hat - Vallin wiederholt die Phrase beinahe teilnahmslos, dabei ist die vom Komponisten intendierte dynamische Abstufung für die Situation von essentieller Bedeutung, das fast unhörbare zweite "Ces lettres" verdeutlicht, wie ungeheuerlich der Inhalt der Briefe ist und wie sehr sie Charlotte erschüttert haben. Das zu geringe dynamische Gefälle setzt sich auch in den folgenden Sätzen fort: "Je devrais les detriure" (eigentlich più f) und "je ne puis" (eigentlich pp!) sind sich zu ähnlich. Beim Vorlesen des Briefes gibt sie der Stimme Werthers einen schwärmerischen Ton, das finde ich sehr überzeugend, ebenso das wunderbar ersterbende letzte "seul". Der nächste Einschub ("Ah! personne auprès de lui...) klingt wieder sehr beherrscht, interessant der eigene dynamische Akzent den sie setzt: das f beginnt nicht wie notiert auf "Dieu!", sondern erst auf "comment m'est venu", als wolle sie den Aufschrei ersticken - ungewöhnlich, aber interessant. Der Briefstelle über die Kinder wird ein warmer Ton der Stimme beigemischt, auch das überzeugt mich sehr.
    Wenn sie Werther imaginär anspricht, fehlt es mir persönlich an dem von Massenet vorgeschriebenen Ausdruck "avec expression". Sie steigert zwar die Dynamik, bleibt aber sehr kühl, beinahe belehrend, ein weiblicher Onegin könnte man fast sagen. "Ah! ces dernier billet me glace et m'épouvante" ist zwar von beeindruckender Eloquenz, auch ist es hochmusikalisch wie sie den Tonartwechsel im Orchester auf "m'épouvante" antizipiert, insgesamt ist mir die Phrase aber zu beherrscht, um den von Massenet geforderten "effroi" zu beglaubigen.
    Das Widerspiel zwischen "Noel" und "jamais" hat in dem aufblühenden forte großes tragödisches Format, auch machen ihr die beiden ges', die vielen Mezzi in dieser Partie regelmäßig zu tief geraten, überhaupt keine Probleme. Das erste "ne m'accuse pas, pleure mas" ist im forte sehr überzeugend, das zweite wiederum ist leider kein pp und damit bleibt sie hier leider den unglaublichen, von Massenet beabsichtigten Effekt schuldig, nämlich, dass Charlotte Werthers Bitte so sehr verinnerlicht hat, dass sie nach dem Zitieren gewissermaßen aus ihrem Inneren entspringt. Darüber hinaus klingt die Phrase, der Massenet mit "effroi" und "craignant de compendre" existentielle Attribute zuschreibt, zu gesund, fast locker.
    Auch die finale Ermahnung an sich selbst ("Oh Charlotte, et tu frémiras!") klingt zwar beeindruckend stechend, aber doch frei von jeden Selbstzweifeln. Das letzte "tu fremiras!" wiederum wird ein brustiger Ton beigemischt, es hat nichts vom zarten pp, das Massenet an dieser Stelle geschrieben hat.
    Wer eine Charlotte hören will, die zu jedem Zeitpunkt absolut alles unter Kontrolle hat, ist bei Ninon Vallins beinahe femme-fatalehafter Interpretation richtig aufgehoben. Von einem in inneren Zwiespälten gefangenen Mädchen (wem außer sich selbst soll sie in dieser Szene etwas vorspielen?), das Massenet durch zahlreiche Ausdrucksbezeichnungen charakterisiert und der er große dynamische Gefälle zuschreibt, hört man hingegen sehr wenig. Eine vokal Leistung auf allerhöchstem Niveau, die mich aber völlig kalt lässt.

  • Und damit kommen wir auch gleich zu meinem Haupteinwand gegen Ninon Vallins Charlotte-Interpretation: Sie ist den ganzen Abend über beherrscht, vokal wie emotional. Und damit bleibt sie der Partie aus meiner Sicht eine ganz wesentliche Facette schuldig - natürlich gibt sie sich nicht so ausgelassen ihren Leidenschaften hin wie Werther das tut, aber dass Werthers Schwärmen, seine exzessive Leidenschaft sie so gar nicht ins Wanken bringt,

    Nur als Vorbemerkung: Ich verstehe von der Materie überhaupt nichts! :D


    Nur eine kleine Anmerkung möchte ich doch machen. Vielleicht spielt es ja doch eine Rolle, dass die Aufnahme von 1931 ist. In der Zeit wurde in Paris das intellektuelle Milieu von der "Groupe des Six" beherrscht mit ihrem Wortführer Jean Cocteau. Deren Maxime war "Nur keine Romantik!" Das hatte natürlich Einfluss auf das musikalische Leben - aus diesem Grund hat z.B. eine Monique Haas fast das gesamte romantische Repertoire gemieden (bei den Pianisten kenne ich mich halt besser aus! :D ). "Exzessive Leidenschaft" und "Schwärmen" ist so urromantisch, dass ich mir denken könnte, dass man das damals im Geiste der Pariser Modernisten ganz bewusst gemieden hat und insofern Ninon Vallins dem Zeitgeist sehr genau entspricht.


    Schöne Grüße
    Holger

  • " Jeder sollte seine Schrullen haben, Schrullen sind ein hervorragender Schutz gegen Vermassung! (Salvador Dali)


    Ein schönes Zitat, lieber Operus! Ein sehr schönes!


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Melomane! Lieber Holger!


    Ich habe Eure Eindrücke von der Briefszene mit großem Interesse gelesen!
    Ich glaube, dass wir tatsächlich weithin ein gleiches Urteil von der Aufnahme haben!

    Diese Charlotte, das merkt man gleich, hat kein Geheimnis, sie macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube, sondern spricht beinahe rational, über das, was sie bewegt.


    Wer eine Charlotte hören will, die zu jedem Zeitpunkt absolut alles unter Kontrolle hat, ist bei Ninon Vallins beinahe femme-fatalehafter Interpretation richtig aufgehoben.


    Ich hatte ja auch schon die Frage, ob diese Interpretation wirklich der Figur gerecht wird. Vieles klingt alla prima udienza zu kühl und beherrscht. Wir sind inzwischen auch Interpretinnen der Charlotte gewohnt, die mit französische Gesangskultur gar nichts mehr am Hut haben und die - oft in der italienischen maniera - eher leidenschaftlich und zumindest in einzelnen Momenten einprägsam expressiv sind. Das ist Vallin definitiv nicht.
    Und doch hört man bei ihr mehr Gefühl, wenn man sich auf ihre Art, die Partie zu singen, einlässt! Das ist dann gewissermaßen in die Linien und Bögen eingewebt. Beispiele hatte ich ja genannt!


    Trotzdem kann ich nicht sagen, dass dies die Charlotte ist, die ich immer hören möchte!
    Werther gehört erklärtermaßen zu meinen Lieblingsopern.
    Ich habe mir eine CD mit den vier großen Charlotte-Werther-Szenen gemacht. Das sind genau 79 Minuten! Für jeden Akt habe ich eine andere Besetzung gewählt:
    1. Akt Victoria de los Ángeles - Nicolai Gedda
    2. Akt Frederica Von Stade - José Carreras
    3. Akt Brigitte Fassbaender - Plácido Domingo
    4. Akt Veselina Kasarova - Ramón Vargas


    Das verrät ein bisschen was über meine präferierten Charlotten!
    Hätte es klanglich bessere Aufnahmen von Régine Crespin oder Janet Baker gegeben und hätten sie mit Alfredo Kraus oder Alain Vanzo gesungen - ich weiß nicht wie ich die hätte unterbringen sollen. Aber meinem Ideal für die Partie kommen beide - wenn auch auf unterschiedliche Weise - sehr nah!


    ... Vielleicht spielt es ja doch eine Rolle, dass die Aufnahme von 1931 ist. In der Zeit wurde in Paris das intellektuelle Milieu von der "Groupe des Six" beherrscht mit ihrem Wortführer Jean Cocteau. Deren Maxime war "Nur keine Romantik!"


    "Exzessive Leidenschaft" und "Schwärmen" ist so urromantisch, dass ich mir denken könnte, dass man das damals im Geiste der Pariser Modernisten ganz bewusst gemieden hat und insofern Ninon Vallins dem Zeitgeist sehr genau entspricht.


    Das ist ein sehr interessanter Hinweis!
    Immerhin spricht dafür, dass auch George Thill nicht gerade zu emotionalem Überschwang neigt. Das finde ich fast das größere Problem, denn der Gefühlsanarchist Werther sollte doch wirklich nicht so beherrscht gesungen werden. Ich bin ein großer Verehrer der Stimme von Thill, aber mit seinen Gestaltungen der Figuren habe ich oft meine Probleme!


    Liebe Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Dass Söderström und Badura-Skoda mit ihrer Rhetorisierung nicht "poetisch" wären, kann man ihnen glaube ich nun wirklich nicht unterstellen. Insofern darf man dann auch feststellen, dass der Versuch, durch eine Notentextanalyse eine solche Interpretation als nicht werkgrecht darzustellen, nicht nur völlig unhistorisch ist, sondern einfach an den Intentionen komplett vorbeisieht, um die es bei HIP geht. Aus diesem Grund überzeugen mich genauso wenig wie Caruso die Ausführungen von Helmut Hofmann.


    Lieber Holger,
    ja so krass hätte ich es vielleicht nicht ausgedrückt. Immerhin hatte Helmut Hofmann ausdrücklich gesagt, in welchem Rahmen er die Aufnahme hört, was er für wichtig hält und dass sein Urteil subjektiv ist!


    Trotzdem denke ich, dass sein Urteil zu befangen bleibt in einem zweifellos akkuraten und deshalb wichtigen aber auch pedantischen Abgleich, ob denn die Sängerin den Notentext genaustens umgesetzt hat. Das greift einfach zu kurz, aber das hatte ich ja schon ausgeführt!
    Niemand dürfte besser als Schubert gewusst haben, dass der notierte Text nur ein Teil des Werkes ist. Erst durch Interpreten, die ihn aufführen, wird er zum Kunstwerk! Ich kann mir nach allem, was ich über Schubert weiss, nicht vorstellen, dass er den Interpreten keine bedeutsame Mitwirkung an der Kunstproduktion zugestanden hätte!


    Jetzt werde ich erst mal wieder verreisen. Deshalb werde ich in den nächsten Tagen nicht im Forum lesen und schreiben! Da wird Stimmenliebhaber froh sein, dass der Faden "Söderström" endlich abreißt!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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  • Zit. Caruso: „Niemand dürfte besser als Schubert gewusst haben, dass der notierte Text nur ein Teil des Werkes ist. Erst durch Interpreten, die ihn aufführen, wird er zum Kunstwerk!“


    Das ist zweifellos richtig, lieber Caruso. Aber hätte er gewollt und akzeptiert, dass dabei die musikalische Aussage verfälscht oder verfehlt wird? Schubert ist ein Komponist, der bei der Vertonung von lyrischem Text in hohem Maße sprachorientiert vorgeht. Seine Lieder sind, wie Thrasybulos Georgiades das formuliert hat, „das musikalische Erklingen der Sprache“, sie sind „Sprache als Musik“. Und Schubert hatte, ganz anders als man das lange gesehen hat, ein immenses Gespür für lyrische Sprache und war in der Lage, die Aussage eines poetischen Textes bis in die Tiefe seiner Semantik zu erfassen.


    Womit ich sagen will: Er hat die Goethe-Ballade in ihrer sprachlichen Gestalt und ihrer dichterischen Aussage voll erfasst. Und darin geht es eben nicht um ein dramatisches Geschehen eines Ritts durch die Nacht, bei dem ein Kind zu Tode kommt. Es geht um das Bedroht-Sein des Menschen durch elementare Kräfte und Mächte der Natur. Und das spielt sich im Innern des Kindes ab. Das ist das eigentliche Zentrum der Aussage der Ballade. Was dieses Kind erlebt – und was dem nüchtern rationalistischen Vater verschlossen bleiben muss - , das ist jene Dimension der Begegnung des Menschen mit der Natur, die im seelischen Innenraum angesiedelt ist und Reflex von dessen emotionaler Tiefe ist. Natur vermag in der vielfältigen Weise, wie sie vom Menschen erfahren werden kann, zur Projektionsraum von Emotionen werden, die von Glück und Freude bis hin zu Furcht und Todesangst reichen. Eine Erkenntnis, die Gegenstand der Dichtung der Romantik wurde und von Goethe – wie so oft – wieder einmal dichterisch antizipiert wurde.


    Schuberts Liedmusik ist – wie ich oben darzustellen versuchte – genau auf das Erfassen dieser Aussage abgestellt. Deshalb ereignet die Steigerung ihrer Expressivität in den Aussagen des Kindes. Die Sekundsprünge der melodischen Linie in hoher Lage und die Tonrepetitionen, in die sie münden, bringen, zusammen mit den harmonischen Rückungen, eben dieses innere Bedroht-Sein zum Ausdruck. Die gesanglichen Interpreten müssen, um die musikalische Aussage der ganzen Ballade, die Melodik in ihrer spezifischen Gestalt in so wiedergeben, wie sie von Schubert notiert ist. Dazu bedarf es natürlich einer adäquaten Interpretation, also des Einsatzes von deklamatorischen und spezifisch stimmlichen Mitteln. Das muss aber in sachadäquater Weise erfolgen.


    Wenn man aber, wie Elisabeth Söderström das tut, bei der Wiedergabe der Melodik in rhetorischer Absicht durch Einsatz eben solcher Mittel auf die Entfaltung eines dramatisch-dialogischen Prozesse abzielt, verfehlt man die von Schubert intendierte, vom Balladentext hergeleitete musikalische Aussage. Man macht aus Schuberts Ballade einen dramatischen Ritt durch die Nacht, wo ihr Inhalt doch ein ganz anderer ist: Die musikalische Evokation einer Erfahrung von existenziellem Bedroht-Sein, die sich im seelischen Innern eines Kindes abspielt.


    Ich habe mich auf diesen Nachtrag eingelassen, weil es mir wichtig ist, dass Du meine Haltung in dieser Frage verstehst, lieber Caruso, - natürlich ohne sie auch nur partiell zu teilen. Mir geht es hier im Forum um den sachbezogenen und sachlich fundierten Dialog. Der Konflikt ist mir unangenehm, und ich versuche ihm tunlichst aus dem Wege zu gehen. Er bringt ja nichts, - außer potentieller Selbstbefriedigung.

  • Lieber Melomane! Lieber Holger!


    Ich habe Eure Eindrücke von der Briefszene mit großem Interesse gelesen!

    Lieber "Caruso41",


    ich bin überrascht: Die Höreindrücke des "Melomanen" von Charlottes Briefszene habe ich auch mit großem Interesse gelesen, aber wo sind die von "Dr. Holger Kaletha"? ?(
    (Ich kann sie nicht finden, so sehr ich auch suche...)


    Da wird Stimmenliebhaber froh sein, dass der Faden "Söderström" endlich abreißt!

    Ich bin vor allem froh über alle Beiträge, die mit dem ureigensten Rubrikthema, dem Austausch von Höreindrücken zu tun haben. Jeder, der hier bereit ist, seine eiegenen persönlichen Höreindrucke zu schildern und auf die individuellen Höreindrücke der anderen zu reagieren durch seine eigenen Höreindrücke, ist als Diskutant herzlich willkommen. Was ich nicht mag, ist das Einschalten von Leuten in eine konkrete Diskussion über Höreindrücke zu einem ausgewählten Beispiel einer Sängerin oder eines Sängers, OHNE sich die Mühe zu machen, ihre Höreindrücke zu schildern, ja, die vielleicht das konkrete Beispiel nicht einmal selbst angehört haben. Das empfinde ich dann als unbotmäßige Einmischung in diese Rubrik mit ihrem Austausch über Höreindrücke.


    Niemand dürfte besser als Schubert gewusst haben, dass der notierte Text nur ein Teil des Werkes ist. Erst durch Interpreten, die ihn aufführen, wird er zum Kunstwerk!

    Sorry, aber dieser Sichtweise kann ich mich so nicht anschließen. Es gibt hier nämlich mehrere Kunstwerke. Das Ausgangskunstwerk ist das Kunstlied "Der Erlkönig" mit der Musik von Franz Schubert auf einen Text von Goethe. Dies ist ein abgeschlossenes eigenes Kunstwerk, nämlich das durch den Notentext überlieferte AUFFÜHRBARE Werk. Wenn dieses dann interpretiert, also aufgeführt wird, entsteht daraus durch diese Aufführung ein neues Kunstwerk. Ohne das erste könnte das zweite schlecht entstehen und man kann natürlich die Validität des Aufführungswerks, alos die Interpretation des Ursprungswerkes, dadurch überprüfen und beurteilen, indem man es zum ursprünglichen Werk, dem Notentext, in Bezug, in Verbindung setzt. Genau das hat Helmut Hoffmann auf meine Bitte hin getan und dafür bin ich ihm sehr dankbar!


    Und nun hoffentlich auf zu neuen konkreten Höreindrücken! Mal sehen, wen Willi in seiner Rubrik heute in petto hat.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Womit ich sagen will: Er hat die Goethe-Ballade in ihrer sprachlichen Gestalt und ihrer dichterischen Aussage voll erfasst. Und darin geht es eben nicht um ein dramatisches Geschehen eines Ritts durch die Nacht, bei dem ein Kind zu Tode kommt. Es geht um das Bedroht-Sein des Menschen durch elementare Kräfte und Mächte der Natur. Und das spielt sich im Innern des Kindes ab. Das ist das eigentliche Zentrum der Aussage der Ballade.

    Meine Stellungsnahme dazu:


    Ich verhalte mich als ganz biederer Germanist und sage von daher schlicht: Rein sprachlich ist diese Ballade der Dialog zwischen einem Vater und seinem Kind. Der Dialog-Charakter wird auch noch durch die Anführungszeichen (!) im Text hervorgehoben - d.h. in der Textvorlage wird damit der (dramatische) Wechsel des Sprechers nicht nur angedeutet sondern ausdrücklich betont. Dafür, dass dieser Dialog (auch noch wie gesagt durch die Anführungszeichen hervorgehoben) kein wirklicher Dialog sein soll, sondern vielmehr ein innerer Monolog des Kindes, gibt es also erst einmal rein sprachlich keinen Anhaltspunkt, der das wirklich eindeutig belegen würde. Diese Auslegung steht schon im Widerstreit mit der Form des Gedichts. Man kann also auch der Meinung sein, dass dies so zu interpretieren eine gewisse Gewaltsamkeit hat.


    Wenn man das freilich so interpretiert - der Dialog ist kein Dialog, sondern ein innerer Monolog - dann wird ein lyrischer Kern zur eigentlichen Aussage (eine romantische "Innerlichkeit") und der dramatische Charakter zur Äußerlichkeit. Man hat also das "Dramatische" dieser Ballade auf diese Weise abgewertet zum Uneigentlichen und Unwesentlichen. Das entspricht auch der negativen Sicht auf die Rhetorik, die ihre Tradition hat, die von daher dann den Geruch bloßer Effekthascherei und oberflächlicher Wirkungsrhetorik bekommt. Auf dieser Grundlage kann man schließlich zu dieser Wertung kommen:

    Wenn man aber, wie Elisabeth Söderström das tut, bei der Wiedergabe der Melodik in rhetorischer Absicht durch Einsatz eben solcher Mittel auf die Entfaltung eines dramatisch-dialogischen Prozesse abzielt, verfehlt man die von Schubert intendierte, vom Balladentext hergeleitete musikalische Aussage.

    Eine solche Wertung steht und fällt aber mit der - fragwürdigen - Prämisse, dass es in dieser Ballade einen "lyrische Kern" Kern gäbe, eine verborgene Innerlichkeit hinter dem Drama, welche die eigentliche Aussage sei. Mir fehlen dafür aber schlicht die texthermeneutisch nachvollziebaren eindeutigen Belege. Dass es in der Romantik immer nur um Innerlichkeit und das Gemüt geht, ist ein Gemeinplatz. Das ist sicher ein Grundzug, aber muss das wirklich immer so sein? Ganz unvoreingenommen vernehme ich jedenfalls bei Schuberts Erlkönig - und damit bin ich wohl nicht alleine - durchaus "schauerromantische" Züge, wozu die Dramatik und Rhetorik sehr wohl passt. Man kann umgekehrt fragen, ob eine "Intimisierung" hier nicht genau der falsche Weg ist, verkrampft nach einer romantischen Innerlichkeit zu suchen, wo mal wirklich keine zu finden ist.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Darf man den auch hier im Forum zu Recht vielfach gewürdigten (und zum 80. gratulierten) Tenor hier "zerpflücken"? Natürlich sollte es ein Beispiel sein, das über jeden Zweifel erhaben ist, und da dachte ich sofort an seinen Studio-Stolzing unter Karajan. Als ich jetzt das Preislied auf der Festwiese hörte, war ich zumindest hin- und hergerissen. Auch auf die Gefahr hin, bei einigen, die mit Differenzierung im Urteil nicht so viel am Hut haben, böse anzuecken :untertauch: , möchte ich meine Höreindrücke hier doch detalliert beschreiben und somit vielleicht zur Schilderung anderer Höreindrücke dieser Nummer herausfordern.


    Lieber Stimmenliebhaber,
    mit Interesse und Vergnügen habe ich den Beitrag gelesen, allein schon deshalb, weil Kollo - wenig verwunderlich - mein Lieblings-Stolzing ist. Die differenzierte Analyse einzelner Silben ist erhellend und zeigt, warum das Preislied der Karajan-Einspielung beglückt und gleichzeitig doch eine gewisse Unzufriedenheit zurückläßt.
    Mit herzlichem Gruß aus Berlin, Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Willi hat heute dankenswerterweise auf den posthumen 90. Geburtstag von Alfredo Kraus hingewiesen. Der Tenor ist für diese Rubrik sicherlich ein besonders heikles Thema, weil er während seiner langen Karriere immer polarisiert hat. Während einige Stimmenliebhaber und Melomanen ihn als nahezu ideal priesen, war er beim breiten Publikum immer etwas unbeliebt und nie so populär wie etwa Domingo oder Pavarotti. Er galt als ein hervorragender Stilist, der seine Partien sehr sicher und ohne große Emotionen heruntersang, beinahe unbeteiligt. Ich habe ihn nur einmal live erlebt: Anfang der 1990er Jahre als Edgardo in "Lucia di Lammermoor" an der Deutschen Oper Berlin. Gut gesungen, aber das ging irgendwie so vorbei... Calleja hat mich einige Jahre später in gleicher Inszenierung weit mehr beeindruckt, obwohl auch der nicht als extrem begnadeter Schauspieler gilt, aber das Timbre hatte mich einfach weit mehr angesprochen als das relativ neutrale Timbre von Kraus. Dessen konzertanten Werther 1998 am gleichen Haus hatte ich mir ganz geschenkt - und mich später darüber geärgert, als ich einen Vorstellungsmitschnitt hörte, auf dem er wirklich sehr überzeugend klang.


    Natürlich könnte ich ihn gleich reinreiten, wenn ich jetzt von ihm "E lucevan le stelle" oder "Nessun dorma" einstelle, was er alles aufgenommen hat und was sich alles bei Youtube findet. Ich glaube aber, dass er seine größten Meriten im französischen Fach hatte, und entscheide mit daher auch für eine entsprechende Arie - die Arie des Nadir aus der Oper "Die Perllenfischer" von Georges Bizet.


    Hier kann man Alfredo Kraus mit der Arie des Nadir hören und sehen:



    https://www.youtube.com/watch?v=bNwhHwF


    Schon beim einleitenden Rezitativ fällt mir wieder auf, dass die Stimme mich nicht sonderlich anspricht, sondern auf mich merkwürdig "weiß" wirkt. Dabei ist sie teilweise sehr klangschön, vor allem sehr gut focussiert und durchaus zu dramatischer Steigerung fähig. Beim ersten hohen Ton (bei 0:16) scheint er mir allerdings schon an Grenzen zu stoßen, ich höre da einen Mini-Wackler.


    Klanglicher Höhepunkt der ganzen Aufnahme ist für mich sein Gesang des Rezitativendes unmittelbar vor Beginn der Arie (ab 1:04) da finde ich seine Stimme wirklich überwältigend schön!


    Leider hält dieser Eindruck für mich in der Arie nicht an.


    Die erste Phrase der ersten Strophe der Arie (ab 1:38) ist in wunderschönem Legato auf einen Atem gesungen, nur beim Spitzenton reißt er die Stimme leider plötzlich unschön auf. Sehr schön abgeschlossen wird die freilich eindrucksvoll lange Phrase dann auch nicht, sondern eher abgerissen. Ich habe ja schon gesagt, dass ich mich in der französischen Sprache nicht sonderlich heimisch fühle und daher eigentlich nicht den "Vokal-Beckmesser" geben möchte, aber die Vokale "e" und "i" sind bei ihm doch deutlich enger gesungen als bei anderen Sängern - insbesondere Französischmuttersprachler habe ich da schon mit weit freieren, schwebenderen "e"- und "i"-Vokalen gehört.


    Auch die zweite lange Phrase singt Kraus auf einem Atem durch, als wenn das gar nichts wäre! Was für eine Atemtechnik!
    Die Tiefe am Ende dieser zweite Phrase ist sehr gut in den Stimmsitz integriert und klingt dort nicht wie in einem anderen Register.


    Auch die dritte lange Phrase (quasi die Wiederholung er ersten) wird wie nichts auf einem Atem durchgesungen, der Spitzenton auf "i" klingt freilich ein bisschen gepresst, eben mehr spanisch als französisch...


    Der exponierte Spitzenton der vierten Phrase ("ce"?, bei 2:35) ist mir dann zu gepresst und nicht leicht und schwebend genug gesungen.


    Die zweite Strophe unterscheidet sich jetzt nicht sehr von der ersten, die Stimme klingt eher noch etwas freier als in der ersten. Die Höhen bleiben mir aber zu dramatisch (außer beim wunderbaren "Souvenir").


    Der absolute Spitzenton kurz vor Ende (bei 4:08) ist zwar sehr sicher, aber irgendwie doch sehr unschön gekräht. Leider fallen seine Spitzentöne klanglich generell etwas aus dem übrigen Rahmen, an dieser Stelle freilich ganz besonders.
    Auch der Phrasenabschluss, wo die Stimme wieder in ein entspannteres Piano zurückkehren müsste, klingt für mich zu eng und gepresst. (Fast mit einer feinen, spitzen Nadel vergleichbar.)


    Wenn ich das nun mit meinem besten live erlebten Nadir, Joseph Calleja im Dezember 2011 konzertant in der Deutschen Oper Berlin vergleiche: Was war das damals für ein Fest der Klagwonnen, wir irre eindrucksvoll entfaltete sich diese frei schwebende Stimme im weiten Saal und erreichte in mühelosem Piano die höchsten Töne. Das Publikum war völlig aus dem Häuschen und erklatschte sich die Wiederholung dieser Arie, danach waren die Leute natürlich noch mehr aus dem Häuschen. Ein unvergesslicher Abend, eine absolute Sternstunde, die sich bei der Wiederholung im Juni 2013 im Berliner Konzerthaus, wieder mit Calleja als Nadir, so vollendet leider nicht wiederholte.


    Von diesem "Wow"-Eindruck Callejas im Dezember 2011 in der Deutschen Oper Berlin ist Kraus mit der hier eingestellten Interpretation für mich doch meilenweit entfernt, so toll die Bögen auch durchgesungen sind, aber neben seiner gewissen emotionalen Unbeteiligung, die auch durch einige Forcierungen in der Höhe nicht schwindet, ist gerade die technische "Bewältigung" der Extremhöhe ohne die (offenbar nicht vorhandene) Möglichkeit frei schwebender Piano-Höhen auch nur halb überzeugend.


    Fazit: Ich habe großen Respekt vor dem Können dieses Sängers, aber ich liebe seine Stimme nicht und werde sie wohl nie lieben. Das wird sich auch nun durch den Widerspruch, den ich jetzt höchstwahrscheinlich ernten werde, nicht ändern. ;) :hello:


    P.S.: Ich habe jetzt auch noch einige andere Beispiele aus dem französischen Fach gehört und immer ist mir sein Klang besonders in der Höhe zu eng und gepresst, nicht frei und schwebend genug.


    P.P.S.: Kurioserweise gefällt mir sein "E lucevan le stelle" sogar besser als die gehörten Arien aus dem französischen Fach! :D
    Das ist wirklich sehr gut und sogar mit Verve gesungen! :hail:
    Das "Nessun dorma" sollte man - trotz tollen Spitzentones am Ende - dennoch lieber meiden... :untertauch:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Lieber Stimmenliebhaber,
    mit Interesse und Vergnügen habe ich den Beitrag gelesen, allein schon deshalb, weil Kollo - wenig verwunderlich - mein Lieblings-Stolzing ist. Die differenzierte Analyse einzelner Silben ist erhellend und zeigt, warum das Preislied der Karajan-Einspielung beglückt und gleichzeitig doch eine gewisse Unzufriedenheit zurückläßt.
    Mit herzlichem Gruß aus Berlin, Hans

    Lieber "Hans Heukenkamp",


    sei ganz herzlich bedankt für deine Rückmeldung, die ich sehr gerne gelesen habe, weil er mir zeigt, dass der betriebene Aufwand nicht ganz für die Tonne war. ;) :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • sei ganz herzlich bedankt für deine Rückmeldung, die ich sehr gerne gelesen habe, weil er mir zeigt, dass der betriebene Aufwand nicht ganz für die Tonne war. ;) :hello:



    Nein, ganz gewiß nicht! Ich werde heute abend das Preislied wieder hören und dabei Zeile für Zeile Deine Analyse lesen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Hier kann man Alfredo Kraus mit der Arie des Nadir hören und sehen:

    Lieber Stimmenliebhaber,
    Um weiteren berechtigten Mahnungen der Gesangsexperten vorzubeugen will ich nachstehend einen Kommentar zu der Nadir-Arie aus den "Perlenfischern" gesungen von Alfredo Kraus geben. Stimmenliebhaber Du hast recht: Aufnahmen einstellen kann ich nicht. Höreindrücke beschreiben geht immer noch, obwohl leider auch das Gehör nicht mehr das allerbeste ist. Ich werde auch nicht stark sezierend detailliert hören, sondern einfach meinen Höreindruck wiedergeben. ( Mit dem Klavierauszug in der Hand arbeite ich höchstens dann, wenn es wenigstens ein bißchen Zeilengeld gibt.)
    Alfredo Kraus demonstriert auch in dieser Aufnahme seine Vorzüge bestens: Feiner Silberklang der Stimme, perfekte Gesangstechnik, mühelose Höhen und eine Unverwechselbarkeit des Vortrags. Selbstverständlich hörte auch ich die Nadir-Arie schon kraftvoller, männlich-dramatischer und mit mehr ausdrucksmäßiger Abwechslung und Diffrerenzierheit als Kraus sie zelebriert. Zelebriert scheint mir ein treffender Ausdruck zu sein. Dieser Sänger hat seinen Stil und sein Fach gefunden. Dies waren ganzen lyrischen Partien des italienischen und französischen Repertoires mit extremer Höhenlage. In diesen Partien kultivierte Kraus seinen Vortrag und singt mit perfekter, vielleicht manchmal etwas monoton wirkender Präzision. Seine Erfolgsrezept liegt darin, dass er so weit wie möglich den Verlockungen im Hinblick auf dramatischere Partien widerstanden hat. Ich erinnere mich noch lebhaft wie begeistert meine Frau und ich waren, als wir in Donizettis "Regimentstochter" 9 gestochen scharfe hohe Cs erleben durfte. Am meisten überzeugte mich Alfredo Kraus jedoch in der Titelpartie von Hoffmanns Erzählungen, weil er als Hoffmann auch psychologisch differenziert gestaltete, was sonst nicht immer seine Stärke war. Alfredo Kraus war in allen seinen Partien ein ausgeprägter Stilist mit nahezu perfekter Technik, brillanter, leichter Höhe und unverwechselbarer Sängerpersönlichkeit, was auch durch den Höreindruck des zu besprechenden Nadir nachhaltig bestätigt wird,. Die Einwände gegen ihn wie weiße Stimme, Maniriertheit, zu intellektuell, kalt und steril sind immer wieder gehörte und oft gegen ihn vorgebrachte Vorurteile, die sich - wie auch die Aufnahme des Nadir beweist - kaum pauschal aufrecht halten lassen. Auch der Nadir beweist es Alfredo Kraus ist unter den großen Tenören der jüngeren Gesangsgeschichte ein Stilist, mit seltener Perfektion in Stimme und Vortrag. Deshalb hat er auch heute noch eine große Zahl bedingsloser Verehrer, ich meine zu Recht.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Schon beim einleitenden Rezitativ fällt mir wieder auf, dass die Stimme mich nicht sonderlich anspricht, sondern auf mich merkwürdig "weiß" wirkt.


    Lieber Stimmenliebhaber,


    da ist meine Wahrnehmung eine etwas andere, obwohl ich nachvollziehen kann, was Du meinst. Die Stimme ist in der Tat in gewisser Weise einzigartig - mit dem "weißen" Timbre würde ich eher einige Vertreter der englischen oder französischen Gesangschule assoziieren, nicht ihn. Er hat, für mich, schon ein goldenes, metallisch leuchtendes, obertonreiches Timbre, jedoch erscheint sein Stimme sehr elegant und schlank, was nicht nur mit ihrem natürlichen Timbre, sondern auch mit der Stimmführung zusammenhängt. Das Rezitativ zeigt für mich jedenfalls schon deutlich, dass er über Durchsetzungskraft und Prägnanz verfügt.
    Die nachfolgenden, lyrischen Passagen singt er, für mich, mit viel Schmelz. Dass bei dieser Live-Aufnahme vielleicht auch noch die ein- oder andere piano- oder pianissimo-Schattierung noch subtiler hätte ausfallen können, kann man bei sehr genauem Hinhören konstatieren. Viel erstaunlicher finde ich jedoch wie er zu Beginn der jeweiligen Phrase bei "Oh nuit" und bei "Oh souvenir" jeweils die Register verblendet, in der Kopfstimme noch entprechend Anteile der Bruststimme beimischt, die einen ganz eigenen lyrischen Ton, der jedoch auch sehr viril klingt, erzeugt. Dann die Strahlkraft bei den hohen Tönen finde ich stupend, auch hier ist die Stimme wieder am Aufblühen, aber dennoch sehr kontrolliert, schlank, beinahe aristokratisch, die Töne schwellen, blühen, ohne dass sie unkontrolliert, ausladend wuchern - das ist wahrscheinlich das, was Du als "eng" empfindest, aber kurioserweise, und daran liegt für mich die Größe des Alfredo Kraus, empfinde ich dies in diesem Fall gar nicht als Limitiertheit der Stimme oder der Technik, sondern im Gegenteil, als bewusste Zurücknahme.
    Wenn er zum beispiel "Folle ivresse" singt, den Ton kurz aufleuchten lässt und dann wieder ins diminuendo zurücknimmt, finde ich das schon grandios. Auch die Steigerung am Ende mit "Divin ravissement/ Oh rêve charmant!" ist wiederum von einer starken, lichterfüllten Intensität, obgleich die Stimme sehr schlank bleibt, nie verdickt wird, gestemmt wird, gedeckt wird - das ist schon nicht selbstverständlich, gerade diese Passage würde da zu allerlei sängerischen Unarten einladen.
    Neben dem Raffinement und der exquisiten Gesangstechnik finde ich vor allem diesen Tonfall, den er trifft, unerreicht: das ist ein Trauer ohne jegliche Larmoyanz, eine elegisch grundierte Poesie, die kraftvoll ist, jedoch nicht kraftstotzend, oder kraftmeiernd - und auch die französische Diktion ist sehr klar und so gut wie akzentfrei - gerade, wenn man sich vor Augen hält, dass oftmals spanische oder italienische Sänger bisweilen ihre liebe Mühe haben mit dieser Sprache, die ihrer Muttersprache doch so verwandt ist.
    Für mich jedenfalls eine ganz außergewöhnlich eindrucksvolle, brillante Aufnahme, die ich immer wieder gerne höre.

  • Lieber Hans, liebher Don Gaiferos,
    Nach Euren Beiträgen muss ich kaum noch was nachtragen...
    Alfredo Kraus war für mich der Tenor, der mir den Mangel der stilsicheren Wagner-Tenöre der 80er/90er Jahre erträglich gemacht hat. Der französische Tristan (Werther!), sein Hoffmann, der Roméo etc. waren für mich unerreicht: Seine Stimmschönheit, die Diktion, die absolute Stilsicherheit im französischen Fach wurde bestenfalls von Nicolai Gedda erreicht, aber nicht übertroffen!
    Statt einer pingeligen Analyse das Perlenfischerduett des 67jährigen mit Bruson, einem weitern Könner: Hört und geniesst es!
    [media]https://[https://www.youtube.com/watch?v=QOEqHGrqvLI/youtube]

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  • Lieber "Operus",


    dass mit 80+ die Ohren etwas nachlassen, glaube ich dir gerne. Dennoch bin ich mir nicht ganz sicher, ob du dir die eingestellte Nadir-Arie wirklich angehört hast?


    mühelose Höhen

    Ich habe ja in meiner detailierten Analyse gleich einige Stellen genannt, wo der Höhenklang eben nicht mühelos ist, wo ich diesen schon wesentlich müheloser gehört habe.


    Wie ist das zum Beispiel mit dem höchsten Ton kurz vor Ende des Videos, also bei 4:08? Klingt dieser Ton wirklich mühelos (im Sinne von ohne größere Kraftanstrengung gesungen)? Ist das ein wirklich schöner, frei klingender Ton? Für mich nicht! Und da es sich um ein Video handelt, kann man ja auch sehr gut sehen, wie eruptiv er an dieser Stelle weit den Mund aufreißt und wie sehr ihm die Kraftanstrengung förmlich ins Gesicht gezeichnet ist. Wenn man diese Stelle, die ich noch einmal genannt habe, hört und sieht, kann man diese Feststellung eigentlich doch nicht ernsthaft leugnen, oder? ?(
    Einige andere Stellen davor habe ich auch schon genannt.


    Selbstverständlich hörte auch ich die Nadir-Arie schon kraftvoller, männlich-dramatischer

    So selbstverständlich finde ich das gar nicht! Das kann ich nämlich nach meinem Höreindruck kaum nachvollziehen, denn ich habe diese Arie schon mit deutlich weniger Kraftaufwand, "unmännlicher" und undramatischer, klanglich weit freier und schwebender, gehört. Live habe ich diese Arie nie kraftvoller und männlich-dramatischer gehört und auch bei Aufnahmen kann ich mich diesbezügich kaum an solches erinnern, nicht mal bei Domingo. Es kann ja in diesem Fach auch eigentlich nicht das Ideal sein, diese Arie so kraftvoll, männlich und dramatisch wie möglich zu singen, wir sind ja nicht im italienischen Verismo! Wenn zum Beispiel jemand die Bumen-Arie des Don José am liebsten von Franco Corelli hört, dann braucht man eigentlich nicht weiter zu diskutieren. Corellis José war ein großer Irrtum, weil er dem französischen Fach überhaupt nicht gerecht wurde, und das hat sich inzwischen eigentlich als Allgemeingut durchgesetzt. (Dass Corelli im italienischen Fach, gerade bei Puccini, ein großartiger Sänger war, steht ja völlig außer Frage, aber das sind eben Äpfel und Birnen, das französische Fach stellt völlig andere Anforderungen als das italienische.)
    Ich werfe also Alfredo Kraus mitnichten vor, die Nadir-Arie nicht kraftvoll, männlich und dramatisch genug zu singen, sondern - im Gegenteil - dass er sie in der Höhe zu forciert singt.


    Ansonsten sagst du halt wieder allgemeine Dinge über den Sänger, die ja vielleicht richtig sind, aber nichts mit einem Austausch über aktuelle Höreindrücke zu tun haben. Diese sind dann in der - wie Willi zu Recht festgestellt hat - vernachlässigsten Rubrik, die diesem Sänger gewidmet ist, besser aufgehoben, weil sie mit dem hiesigen Thema des Austauschs von Höreindrücken anhand eines konkreten Beispiels nichts zu tun haben.


    Fazit: Lieber Operus, ich schätze dich wirklich sehr, aber nimm es mir bitte nicht übel, wenn ich feststellen muss, dass du das Anliegen dieser Rubrik offenbar nicht verstehen kannst oder willst - oder dich zumindest nicht am Austausch aktueller Höreindrücke beteiligen kannst oder willst, wofür ich ja angeschts deines fortgeschrittenen Alters durchaus großes Verständnis habe, was ich dir also gar nicht übel nehme. Dennoch würde ich dich bitten, deine allgemeinen Aussagen zu Sängern, die nicht mit aktuellen Höreindrücken zu tun haben (zum Beispiel, in welchen Rollen dir ein Sänger am besten gefallen hat), lieber in die jeweiligen Sängerrubriken zu schreiben, da sind sie wirklich besser aufgehoben. :yes: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Dennoch würde ich dich bitten, deine allgemeinen Aussagen zu Sängern, die nicht mit aktuellen Höreindrücken zu tun haben (zum Beispiel, in welchen Rollen dir ein Sänger am besten gefallen hat), lieber in die jeweiligen Sängerrubriken zu schreiben, da sind sie wirklich besser aufgehoben. :yes: :hello:


    Akzeptiere doch bitte mal die Meinungen und Höreindrücke anderer Taminos!

    W.S.


  • Akzeptiere doch bitte mal die Meinungen und Höreindrücke anderer Taminos!

    Wenn jemand Willens und fähig ist, hier seine Höreindrücke zu beschreiben und detailliert verständlich zu machen, aktzeptiere ich sehr viel. Aber dass du und einige andere hier meinen mitmischen zu können, ohne zugleich zu meinen, überhaupt einen Höreindruck beisteuern zu müssen, akzeptiere ich in dieser Rubrik, wo es nunmal um den Austausch von Höreindrücken sind, in keinster Weise! Beiträge wie "Ich besitze folgende Aufnahme" mit folgender Einstellung des Covers bringen diesbezüglich nämlich gar nichts! Wer solche Beiträge verfassen möchte, möge dafür die Sängerrubriken benutzen und nicht diese andersartige Rubrik dafür missbrauchen, das sage ich gerade dir noch einmal sehr deutlich!


    Ich habe diese Rubrik auch eröffnet, weil ich die Dauerklagen von "Caruso41" darüber, das sich in diesem Forum so wenig über Höreindrücke zu Sängern ausgetauscht wird, leid war, obwohl er in dieser Einschätzung natürlich völlig Recht hatte. Das ändert sich gerade in dieser Rubrik - und das sollten Leute, die nicht Willens und fähig sind, sich an einem solchen Austausch über Höreindrücke zu konkreten Beispielen zu beteiligen, nicht permanent torpedieren, sondern ihre üblichen Standardfloskelbeiträge lieber woanders loswerden! Oder wo sind den bitte deine Höreindrücke, die ich akzeptieren könnte, weil ich sie hier irgendwo nachlesen kann? Zeige mit bitte in dieser Rubrik oder im gesamten Forum einen einzigen Beitrag von dir, wo du wirklich deine Höreindrücke in einer qualitativen und quantitavien Art und Weise beschreibst, die über "großartig" hinausgeht! Wo sind die? ?(

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber "Don_Gaiferos",


    dir antworte ich ganz besonders gerne, weil du im kokreten Fall Alfredo Kraus/Nadir-Arie der (bislang) einzige Erwiderer bist, der wirklich anhand des eingestellten Videobeispiels ARGUMENTIERT und somit seine (von meiner abweichende) Bewertung eindrucksvoll unterfüttert hat. So etwas weiß ich sehr zu schätzen! :jubel:


    da ist meine Wahrnehmung eine etwas andere, obwohl ich nachvollziehen kann, was Du meinst.


    Das kann ich wie gesagt gut akzeptieren - und ich höre gerne, dass du nachvollziehen kannst, was ich meine. (Auch das ist ja hier gerade in diesem kokreten Fall eher die Ausnahme...) :hello:


    Die nachfolgenden, lyrischen Passagen singt er, für mich, mit viel Schmelz.


    Teilweise ist das tatsächlich so, teilweise, insbesondere bei den forcierten Spitzentönen, jedoch nicht - oder hörst du bei 4:08 wirklich "Schmelz"? Ich habe damals, 2011 bei Calleja sensationellerweise auch an dieser Stelle verdammt viel Schmelz gehört- und bin durch dieses Erlebnis bezüglich dieser Arie vielleicht seitdem ein bissl verdorben... :rolleyes: :hail: :hail: :hail:


    Dass bei dieser Live-Aufnahme vielleicht auch noch die ein- oder andere piano- oder pianissimo-Schattierung noch subtiler hätte ausfallen können, kann man bei sehr genauem Hinhören konstatieren.

    Ich finde ja, dass dass man das auch bei "normalem" Ersthören sofort hört.


    Viel erstaunlicher finde ich jedoch wie er zu Beginn der jeweiligen Phrase bei "Oh nuit" und bei "Oh souvenir" jeweils die Register verblendet, in der Kopfstimme noch entprechend Anteile der Bruststimme beimischt, die einen ganz eigenen lyrischen Ton, der jedoch auch sehr viril klingt, erzeugt.


    Da hast du Recht, die Stelle "Oh souvernir" habe ich selbst sehr gerühmt - wie vieles andere auch. Aber es gibt eben auch andere, weniger gelungene Stellen.


    Dann die Strahlkraft bei den hohen Tönen finde ich stupend, auch hier ist die Stimme wieder am Aufblühen, aber dennoch sehr kontrolliert, schlank, beinahe aristokratisch, die Töne schwellen, blühen


    Gerade bei den Spitzentönen gelingt das nach meinem Geschmack zu selten, oder willst du den Spitzenton bei 4:08 ernsthaft als "stupend" bezeichnen?


    ohne dass sie unkontrolliert, ausladend wuchern - das ist wahrscheinlich das, was Du als "eng" empfindest, aber kurioserweise, und daran liegt für mich die Größe des Alfredo Kraus, empfinde ich dies in diesem Fall gar nicht als Limitiertheit der Stimme oder der Technik, sondern im Gegenteil, als bewusste Zurücknahme.


    Nein, da missverstehst du mich. Ich würde mir noch mehr Kraftlimitierung gerade in der Höhe und dafür mehr Klangentfaltung wünschen. Mir klingt diese Interpetation schon viel zu sehr nach Spinto und zu wenig nach lyrischem französischem Tenor.


    Wenn er zum beispiel "Folle ivresse" singt, den Ton kurz aufleuchten lässt und dann wieder ins diminuendo zurücknimmt, finde ich das schon grandios.


    Ja, es gibt einige tolle Stellen in der Arie, das bestreite ich überhaupt nicht - und ich finde es sehr gut, dass du weitere nennst, über die hinaus, die ich bereits genannt habe. :jubel:


    Neben dem Raffinement und der exquisiten Gesangstechnik finde ich vor allem diesen Tonfall, den er trifft, unerreicht


    Und diese Einschätzung kann ich nun anhand des konkret eingestellten Videobeispiels überhaupt nicht teilen, höchsten für einige Stellen. Wer diesbezüglich für mich unerreicht ist, habe ich ja bereits gesagt.


    und auch die französische Diktion ist sehr klar und so gut wie akzentfrei


    Da dein Französisch sicherlich besser ist als meines, muss ich dir das wohl glauben, aber ehrlich: Kennst du französische Sänger, die die Vokale "e" und "i" so eng und gepresst bilden wie er bei dieser Arie? Mir kommt das nicht sehr französisch vor, aber ich lasse mich von diesbezüglichen Kennern gerne eines besseren belehren!


    Für mich jedenfalls eine ganz außergewöhnlich eindrucksvolle, brillante Aufnahme, die ich immer wieder gerne höre.


    Da müsste ich dich ja dann eigentlich drum beneiden, aber ich habe wie gesagt andere Ideale. Dennoch herzlichen Dank für deine fundierte Erwiderung, die zeigt, dass man durch Argumente durchaus überzeugen kann, selbst wenn man dem Anderen die eigene Meinung nicht aufzwingen kann (und ja auch gar nicht will), aber viele deiner Argumente finde ich sehr bemerkens- und bedenkenswert und ich werde mir die Arie daraufhin nun noch einmal anhören. Wie gesagt: So stelle ich mir einen Austausch über Höreindrücke in dieser Rubrik vor - Bravo! :jubel: :hail: :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Und nun noch ein paar - in dieser Deutlichkeit leider notwendige - Worte an "m.joho", der sich in dieser Rubrik zwar auch schon einige Male zu Wort gemeldet hat, aber keinen einzigen eigenen frischen Höreindruck beigesteuert hat, sondern immer und immer wieder nur das runterbetet, was sich an Urteilen vor Jahrzehnten bei ihm gebildet hat: Das Ganze hier hat überhaupt nichts mit "Pingeligkeit" zu tun, sondern einzig und allein mit der Fähigkeit und dem Willen, durch neues Hören Stimmen mit ihren Vorzügen und Nachteilen neu zu beschreiben und aufgrund dieser Beschreibung neu zu bewerten. Aber du scheinst dazu weder Willens noch fähig zu sein! Und wenn du ernsthaft(?) glaubst, Argumente zum diskutierten Video dadurch ersetzen zu können, indem du einfach ein zweites, anderes einstellst (wobei du eine Beschreibung hier wie dort schuldig bleibst), dann muss ich dir offen und ehrlich sagen, dass das auf mich einfach nur erbärmlich und peinlich wirkt und dass ich dich auf diesem Niveau als Mitdiskutanten nicht ernst nehmen kann! :no: :no: :no:
    (Aber du diskutierst ja hier auch gar nicht wirklich über die konkreten Videos mit, insofern muss ich das ja auch gar nicht... :D )

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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