Nachdem wir kurz nach Neujahr im wieder eröffneten Gärtnerplatz noch eine rundum beglückende Hänsel-und-Gretel-Aufführung erleben konnten, stand am 23. Januar die zweite Vorstellung des neuinszenierten Wildschützes auf unserem Programm... leider ein in großen Teilen verlorener Abend.
Über quälende fast 3 Stunden (inkl. Pause) zog sich die Inszenierung von Georg Schmiedleitner, in einem Einheitsbühnenbild von Harald B. Thor, von dem die beiden Fotos ein anschaulichen Eindruck geben. Nach hinten wurde die Bühne im Halbrund von transparenten Kunststoffbahnen abgeschlossen (die unterschiedlich beleuchtet wurden), über der ansonsten leeren und grün ausgelegten Bühne schwebte nur eine übergroße Zielscheibe, mal senkrecht, mal wagerecht, mal angeschrägt. Die Kostüme - es versteht sich fast von selbst - Einheitsstil der Neuzeit.
© Christian POGO Zach
© Christian POGO Zach
Da das Inszenierungsteam mit dem Stück wohl nicht viel anfangen konnte, beschränkte man sich auf die Inszenierung der gefühlte Metaebene: Aus der Lortzingschen Verwechslungkomödie wurde ein Spiel von sexuell obsessiv Getriebenen, gespickt mit Klamaukelementen, die zwischen zotig-pubertär und ganz einfach ordinär hin und her wechselten z.B.
- die Baronin und ihre Zofe treten im Pelzmantel auf, ziehen diesen an der Rampe aus, die Baron singt im Unterrock ihre Arie und wird dabei von der Zofe in einen Jogging-Anzug gesteckt; nachdem auch die Zofe ihren Jogging-Anzug anhat, machen beide einen ordnenden Griff in den Schritt - also ins Leere - und um dies zu beheben - ein erster Höhepunkt an Witzigkeit wird erreicht - stecken sich beide nun eine Banane in den Hosenschritt, um die Verwandlung in einen Studenten zu verdeutlichen
- wenn Baculus in der Billardszene, nachdem das Licht wieder angegangen ist, sein Gesicht in unverkennbarer Haltung im Schoße des Baron Kronthal wiederfindet oder
- wenn Baron und Graf die übergroßen Billardqueues wie einen großen Phallus tragen und masturbierende Bewegungen daran ausführen.
Ansonsten nur banaler Aktionismus gepaart mit sinnentleerten Stereotypen:
- fast ständig liegt jemand auf dem Boden oder auf der Zielscheibe und wälzt sich umher;
- im Finale wird ständig eine Schubkarre mit dampfendem Mist von links nach rechts und wieder zurück geschoben
- zur Belebung des Stückes führt man zu Beginn des dritten Aktes ein Wischballett von fünf Herren im grauen Arbeitskittel mit Eimern und Mop auf
- die Drehbühne ist fast ständig in Aktion, d.h. alle Akteure müssen dementsprechend laufen, um ihre Position zum Zuschauerraum zu behalten
- die Hubpodien fahren rauf und runter, das es eine Freude ist
- dazu viel Singen an der Rampe
Unverständlicherweise gab es einen Schnitt mitten im 2. Akt mit eingefrorener Szene, die nach der Pause mit ein paar Takten Wiederholung fortgesetzt wurde...
Auch musikalisch war dieser Abend leider kein besonderes Highlight. Oleg Ptashnikov dirigierte das Orchester des Gärtnerplatztheaters über weite Strecken souverän, zuweilen gab es aber Probleme mit der Synchronisaion zwischen Orchestergraben und Bühne. Sehr gut der Chor (Einstudierung Felix Meybier), nur leider entschied man sich, sowohl Chor, Extrachor und Kinderchor für diese Inszenierung aufzubieten. Dieser übermächtige Chor von bis zu 60 Personen ließ die ohnehin nicht sehr großen Stimmen der Solisten noch winziger erscheinen. Zudem sorgten die 120 Beine bei den ständigen Auf- und Abtritten und den sonstigen verordneten Bewegungen für eine permanente Lärmquelle.
Die Rollen waren allesamt sehr jungen Sängern anvertraut:
Graf von Eberbach - Liviu Holender
Die Gräfin - Anna Agathonos
Baron Kronthal - Alexandros Tsilogiannis
Baronin Freimann - Sophie Mitterhuber
Nanette - Valentina Stadler
Baculus - Christoph Seidl
Gretchen - Jasmina Sakr
Aus den durchaus stimmschönen Darbietungen ragten am ehesten die von Sophie Mitterhuber und Liviu Holender heraus, die ihre Rollen auch für das Publikum hörbar gestalten konnten. (L. Holender mußte große Teile seiner Arie "Heiterkeit und Fröhlichkeit" nur mit grüner Unterhose und Socken bekleidet an der Rampe singen...) Anna Agathonos gab der überdrehten hysterischen Gräfin eine wohlkingende Mezzostimme. Den anderen Solisten fehlte zum Großteil schlicht das Volumen und die Tragfähigkeit der Stimme, um über das ohnehin nicht große Orchester zu kommen.
Da dieser Abend das Rollendebüt für alle Solisten war, bleibt zu wünschen, das sich dies in den weiteren Aufführungen bessert und jeder einen individuellen Zugang zu seiner Rolle findet, in diese hineinwächst und sein Potential entfalten kann - auch wenn diese Inszenierung es ihnen nicht leicht machen dürfte...