Valery Gergiev - ein russischer Dirigent

  • Der Münchner Stadtrat hat eine Vertragsverlängerung des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Valery Gergiev bis zum Ende der Spielzeit 2024/25 abgesegnet. Die Grünen im Stadtrat kritisieren die Verlängerung aufgrund "Gergievs Propaganda für Wladimir Putin und dessen 'menschen- und völkerrechtswidrige Politik'". Der russische Dirigent steht den Münchner Philharmonikern seit 2015 vor.


    Quelle: https://www.br-klassik.de/aktu…r-philharmoniker-100.html

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Warum muss ein Dirigent immer so lange bleiben? Lieber Joseph, kannst Du Dir das erklären?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Warum muss ein Dirigent immer so lange bleiben? Lieber Joseph, kannst Du Dir das erklären?


    Es scheint so, als habe es Orchester selbst von sich aus gewollt und erachte die Vertragsverlängerung als "künstlerisch zwingend" (siehe Link oben).


    Nun, eine künstlerisch fruchtbare Zusammenarbeit sollte m. E. nicht unbedingt auf einen kurzen Zeitraum beschränkt sein. Zehn Jahre sind in dem Sinne sicherlich nicht kurz, allerdings gibt es nun doch auch viele Beispiele, gegen die sie nicht besonders lang anmuten. Nehmen wir beim konkreten Fall der Münchner Philharmoniker Sergiu Celibidache, der das Chefdirigentenamt 17 Jahre lang versah (und wäre er nicht gestorben, wohl noch deutlich länger versehen hätte).


    Liest man zwischen den Zeilen, dann scheint es dem Orchester gerade auch auf die "mediale Wahrnehmung" anzukommen. Die ist ihnen mit einem streitbaren Chefdirigenten wie Gergiev jedenfalls sicher. Der kommerzielle Faktor sollte nicht unterschätzt werden bei derartigen Entscheidungen. Gergiev ist für mein Dafürhalten ein im russischen Repertoire heutzutage führender Dirigent. Im Kernrepertoire der Münchner Philharmoniker, das aus der deutsch-österreichischen Klassik und Romantik und besonders aus Bruckner besteht, hat Gergiev bisher eher nicht so von sich reden machen.


    Womöglich wollen die Münchner Philharmoniker ihren Horizont mit Gergiev auch etwas erweitern. Nach mehreren verhältnismäßig kurzen Chefdirigenten (Levine 5 Jahre, Thielemann 7 Jahre, Maazel 1 Jahr) will man vielleicht wieder so etwas wie Kontinuität.

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    – Luís de Camões

  • Ich hatte mehrmals die Gelegenheit, unter ihm als Solist zu musizieren: Benjamin Britten Klavierkonzert, Mozart: Klavierkonzerte A-Dur KV 488 und d-Moll KV 466 sowie Prokofievs 3. Klavierkonzert, sowohl mit "seinem" Mariinsky-Orchester als auch mit den Wiener Philharmonikern. Es war jedesmal ein ganz besonderes Erlebnis, seine Aura ist enorm und er ist ein wirklich unglaublich guter Begleiter, der den Solisten NIE zudeckt. Mitunter wird ihm ja von Kritikern vorgeworfen, dass seine Interpretationen klanglich übermässig massiv sind, ich kann das definitiv nicht bestätigen, im Gegenteil, ich habe mich bei seinen Dirigaten wirklich wohl gefühlt, vor allem auch bei den beiden Mozartkonzerten, also durchaus bei einem Repertoire, bei welchem man nicht in erster Linie an Gergiev denken würde. Proben scheint er nicht so sehr zu lieben, im Konzert selbst aber gibt er und seine von ihm angespornten MusikerInnen 1000%. Ein fabelhafter Musiker.

    Bei diesem insgesamt positiven Statement des Pianisten Markus Schirmer über den so sehr polarisierenden Valery Gergiev fiel mir ein Satz auf : "Proben scheint er nicht so sehr zu lieben....". Diese Behauptung trifft generell NICHT zu, wohl aber in der Zusammenarbeit mit Solisten, die bei Gergiev in der Probenarbeit tatsächlich zu kurz kommen. Um nicht in den Verdacht zu geraten, dies gut zu heißen : Wie so vieles wirkt auch dies befremdlich, sogar unprofessionell. Aber letztendlich - wie auch Markus Schirmer sagt - kommt es auf das Ergebnis im Konzert an.


    Im Jahre 1997 gastierte der finnische Geiger Pekka Kuusisto, der 1995 als erster Finne des Sibelius-Wettbewerb gewonnen hatte, bei Gergievs Mikkeli Music Festival. Auf dem Programm stand Bruchs Violinkonzert, und ich erinnere noch gut, wie sich der junge Geiger hinterher über die Kürze der Probenzeit beschwerte. "Probe" ist mit Sicherheit etwas euphemistisch, denn Gergiev war mit Kuusisto nur die Passagen des Solisten durchgegangen, ohne wenigstens - auch das würde den Namen "Probe" nicht verdienen - das ganze Werk durchgespielt zu haben. Gergiev verstand Kuusistos Vorwurf nicht. "Was beklagt er sich? Wir sind ihm doch gefolgt!"


    Ein ähnliches Beispiel verdeutlicht Gergievs Denkweise. Die finnische Sopranistin Soile Isokoski, die 2005 unter ihm Desdemona in Paris sang, fragte den Maestro, welche Tempi er für eine bestimmte Passage haben wollte. Seine Antwort : "Singen Sie, wie es für Sie am besten ist. Ich folge Ihnen!"


    Verständlich also, dass Gergiev Solisten bevorzugt, die mit seiner Arbeitsweise vertraut sind und sich nicht daran stören. Dass eine solche Vorgehensweise auch einmal ganz gewaltig in die Hose gehen kann, zeigt eine Begebenheit wieder aus Mikkeli, diesmal aus dem Jahre 2018. Auf dem Programm stand Skriabins Klavierkonzert mit Gergievs 18jährigem Sohn Abisal Gergiev als Solisten. Es war nicht Abisals erster Auftritt unter Leitung seines Vaters, er hatte nicht nur dieses Konzert, sondern auch welche von Poulenc und Prokofiev (Nr. 1) mit ihm aufgeführt. Auch Abisal erhielt eine sog. Probe, ca. 18 Minuten waren genug. Im Konzert kam es dann während des 3. Satzes zum Eklat. Nun kenne ich dieses Konzert nicht so gut, um bemerkt zu haben, an welcher Stelle das Desaster begann. Ich stellte nur fest, dass Gergiev plötzlich nervös in den Seiten der Partitur zu blättern begann, ohne zu finden, wo sein Sohn sich gerade befand, während dieser spielte, was nach Skriabin klang. Nun, man beendete diesen Satz, wie man ihn begonnen hatte, nämlich gemeinsam, aber zwischendurch ging es nach dem Motto "Sie konnten zueinander nicht kommen". Ich bin sicher, die Mehrzahl des Publikums hatte nur an der konsternierten Reaktion des Pianisten festgestellt, dass etwas nicht stimmte, doch dieses Malheur war dem Kritiker der Hauptstadtpresse nicht verborgen geblieben, der es am nächsten Tag genüsslich ausbreitete. Hier stieß Gergievs Methode, die Solisten eines Solokonzerts quasi nebenbei abzuspeisen, einmal an ihre Grenzen, egal, ob es nun seinen eigenen Sohn oder einen anderen Solisten betraf.


    Eine "Probe" der 1. Sinfonie von Brahms, Mikkeli 2013 (Foto : Peter Schünemann)


    Dieses Foto, diesmal keinen Solisten betreffend, ist ein weiteres Beispiel für Gergievs sehr "gewöhnungsbedüftige Probenmethode", um es einmal milde auszudrücken. Bei seinem Mikkeli-Festival stand 2013 erstmalig die 1. Sinfonie von Johannes Brahms auf dem Programm. Gewöhnlich vertreten sich die Musiker in den Konzertpausen draußen vor der Konzerthalle die Beine, doch an diesem Abend war niemand dort zu finden. Laut Gergievs Begründung habe er in der Probe vor dem Konzert festgestellt, dass die Hälfte seiner Musiker dieses Werk noch nie gespielt hatte. Also "bat" er sie in der Konzertpause in den kleinen Kammermusik-Saal, um einige Stellen dieser Sinfonie anzuspielen. Man beachte die etwas ungewöhnliche Sitz- bzw. Stehordnung (wo waren die Konrabässe?). Also war Teodor Currentzis nicht der erste Dirigent, der seine Musiker stehen ließ!!!


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter

  • Ein ähnliches Beispiel verdeutlicht Gergievs Denkweise. Die finnische Sopranistin Soile Isokoski, die 2005 unter ihm Desdemona in Paris sang, fragte den Maestro, welche Tempi er für eine bestimmte Passage haben wollte. Seine Antwort : "Singen Sie, wie es für Sie am besten ist. Ich folge Ihnen!"


    Da hatte Gergiev recht, denn es ist der Solist, der über Fragen der Interpretation entscheidet und Dirigent und Orchester folgen ihm. Es gibt ein prominentes Beispiel, das diese Haltung verdeutlicht: 1. Klavierkonzert von Brahms mit Glenn Gould und Leonard Bernstein. Bernstein distanziert sich im Beiheft der Aufnahme von Goulds Interpretation.

  • Da hatte Gergiev recht, denn es ist der Solist, der über Fragen der Interpretation entscheidet und Dirigent und Orchester folgen ihm.

    Das ist oder war nicht immer so. :no: Manchmal kommt es mir so vor, als würden die Dirigenten die Sänger nur deshalb sich selbst überlassen, weil sie vornehmlich ihre Interessen verfolgen - oder aber zu wenig Ahnung haben von Gesang und von Stimmen. Gergievs Bemerkung klingt zwar sehr demokratisch, ob dabei am Ende auch ein Höchstmaß an Kunst zustand kommt, wage ich zu bezweifeln.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Da hatte Gergiev recht, denn es ist der Solist, der über Fragen der Interpretation entscheidet und Dirigent und Orchester folgen ihm. Es gibt ein prominentes Beispiel, das diese Haltung verdeutlicht: 1. Klavierkonzert von Brahms mit Glenn Gould und Leonard Bernstein. Bernstein distanziert sich im Beiheft der Aufnahme von Goulds Interpretation.

    Lieber Novalis,


    in der Praxis war es aber völlig anders. Gould/Bernstein ist eine absolute Ausnahme! Karajan z.B. hat beim Tschaikowsky-Konzert seine eigenen Vorstellungen - gerade hinsichtlich des Tempos - gehabt und sie auch durchgesetzt. Da haben dann die Solisten oft Zähne knirschend mitgemacht (zu lesen etwa bei Svjatoslav Richter). Aber: Karajan konnte sich sehr wohl auf die verschiedenen Solisten einlassen - er dirigiert das 1. Tschaikowsky-Konzert merklich anders mit den jeweiligen prominenten Solisten - was sehr für Karajans überragende Qualitäten in der Zusammenarbeit mit Solisten spricht (sowohl mit Glenn Gould als auch Maurizio Pollini, also ganz unterschiedlichen Musiker-Typen, konnte er es, obwohl man seine Handschrift immer deutlich erkennt!) Anderes Beispiel: Claudio Abbado, der einer der besten und begehrtesten Partner von Solisten war. Hier haben sich die Solisten von Abbado sehr gerne inspirieren lassen. Auch hat er nicht alles akzeptiert, was die Solisten wollten. Lange Jahre hat er mit Helene Grimaud zusammengearbeitet. Dann haben sie sich zuletzt über die Wahl einer Kadenz bei Mozart zerstritten - Abbado wollte das nicht akzeptieren. Also ist die Aufnahme geplatzt und Grimaud hat sie alleine gemacht.


    Grundsätzlich sind die großen romantischen Klavierkonzerte wie z.B. die von Brahms ja nicht einfach Soloistennummern mit begleitendem Orchester, sondern eine Art Symphonie mit beteiligtem Klavier. Bei der musikalischen Bedeutung des Orchesters, die eben über die einer marginalen Begleitung weit hinaus geht, versteht es sich von selbst, dass der Dirigent in Interpretationsfragen ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Es ist schon etwas befremdlich, wenig gewissenhaft um nicht zu sagen unprofessionell, wie sich Gergiev hier verhält. Der musikalischen Bedeutung des hoch komplexen Zusammenwirkens von Solist und Orchester wird das jedenfalls nicht gerecht. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Es ist schon etwas befremdlich, wenig gewissenhaft um nicht zu sagen unprofessionell, wie sich Gergiev hier verhält. Der musikalischen Bedeutung des hoch komplexen Zusammenwirkens von Solist und Orchester wird das jedenfalls nicht gerecht. :hello:

    Dem kann ich nur zustimmen. Ich möchte Gergievs Begleiterqualitäten nicht in Abrede stellen (die er meiner Meinung nach durchaus hat), aber auch ich denke, dass gerade bei einem Solokonzert eine Interpretation bzw. Kunst in der Auseinandersetzung zwischen dem Solisten und dem Dirigenten entsteht. Gergievs Solisten scheinen damit zufrieden zu sein bzw. sich dem zu beugen, und es sind ja nicht die Unbekanntesten, mit denen er konzertiert. Ich denke da nur an Kavakos, Zukerman, Repin, Khachatryan bei den Geigern, Matsuev, Trifonov, Toradze bei den Pianisten usw.


    Ich kann mich allerdings auch an eine Begebenheit aus den frühen 90er Jahren erinnern, als Gergiev die Berliner Philharmoniker dirigierte und der Solist Krystian Zimerman war. Es war auch eine Rundfunkübertragung dieses Konzerts vorgesehen, die aber auf Betreiben Zimermans nicht zustande kam. Mag sein, dass er sich nicht mit dem üblichen Minimum an Proben abspeisen lassen wollte.


    Aus langjähriger (30jähriger) Kenntnis dieses Dirigenten möchte ich eine These aufstellen und damit all denjenigen, die an einer Diskussion interessiert sind, eine Steilvorlage liefern : Generell ist für Gergiev eine Probe nicht dazu da, eine Interpretation zu erarbeiten und sie im Konzert abzurufen. Letztendlich entsteht bei ihm die Interpretation im Konzert.


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

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  • Generell ist für Gergiev eine Probe nicht dazu da, eine Interpretation zu erarbeiten und sie im Konzert abzurufen. Letztendlich entsteht bei ihm die Interpretation im Konzert.

    So eine Art Jam Session? Das geht aber sicher nur mit den richtigen Musikern. Das klappt ja sogar im Jazz nicht so häufig :(

  • So eine Art Jam Session? Das geht aber sicher nur mit den richtigen Musikern. Das klappt ja sogar im Jazz nicht so häufig :(

    Lieber astewes!


    Dem werde ich generell nicht widersprechen, aber "mit den richtigen Musikern" funktioniert es. Für das Mariinsky-Theater, also generell nicht nur für Sänger oder Orchestermusiker, sondern für alle, die dort arbeiten, gibt es ein "Zauberwort", das da heißt : FLEXIBILITÄT. Seine Musiker kennen es nicht anders, als dass Proben dazu da sind, "um die Noten wenigstens einmal vorher zu spielen". Sie sind die wahren Helden des Mariinsky, die unter diesen auch die Nerven belastenden Bedingungen Höchstleistungen erbringen. Mit Orchestern, die nicht an dieses "System" gewöhnt sind, stößt es und damit auch Gergiev schnell an seine Grenzen.


    Vor vielen Jahren dirigierte Gergiev nachmittags Mahlers Neunte in Stockholm (nicht mit seinem Orchester) und flog dann nach Helsinki, um am Abend im Dom ein bunt gemischtes Programm zu leiten, bei dem ein Hauskapellmeister die Probe geleitet hatte. Er hätte nach diesem Konzert eigentlich nach St. Petersburg zurückkehren sollen, weil er am nächsten Tag dort ein Programm zu dirigieren hatte, das es in sich hatte : nur zeitgenössische Kompositionen, u. a. von Thomas Ades.


    Gergiev entschied sich jedoch, über Nacht in Helsinki zu bleiben, und reiste erst am folgenden Tag zurück, rechtzeitig, um eine Einspielprobe zu leiten. Die eigentliche Vorbereitung der Musiker auf diese ungewöhnlichen Werke hatte ein weiterer Assistent übernommen. Genau, wie Gergiev ein perfekter Vom-Blatt-Leser ist, sind es auch seine Musiker.


    Wem dieses "System" unseriös vorkommt, dem würde ich nicht widersprechen. Trotzdem : Von allen Aufführungen und Konzerten, die ich seit 1989 gehört habe, wurden nur wenige Gergievs Ruf und Ruhm NICHT gerecht. Wie heißt es doch so schön im Fußball : Entscheidend ist, was auf dem Platz, was im Spiel, nicht im Training geschieht.


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

  • Im Bayreuther Tannhäuser 2019 ging es in die Hose.

    Er kam mit dem „Graben“ und den Musikern, bedingt durch wohl nur eine Probe, nicht zu recht.

    Ich war damals in der Premiere dabei.

    War schlimm ...und das Publikum ließ es ihn auch spüren.

    "Es ist nicht schwer zu komponieren.
    Aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen"
    Johannes Brahms

  • Die Zeiten ändern sich, auch hier.

    In den 50er und 60er Jahren war ein proben(verab)scheu(end)er Dirigent wie Knappertsbusch beim Bayreuther Publikum noch der Heilsbringer.
    Einstudiert haben das oft Korrepetitoren und der "Kna" kam erst abends zur Vorstellung selbst.
    Ab und an hat aber selbst er geprobt, wie aus der Anekdote mit Webers "Euryanthe"-Ouvertüre in Köln hervorgeht, die sich auch in einem Mitschnitt erhalten hat.

    Nach Beendigung der Probe meinte der Dirigent zum Orchester in seiner unnachahmlich direkten Art: "Sch...stück!" Als man ihm daraufhin vorschlug, etwas ganz anderes zu machen, meinte er indes: "Nö, jetzt ist es schon probiert."

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Im Bayreuther Tannhäuser 2019 ging es in die Hose.

    Er kam mit dem „Graben“ und den Musikern, bedingt durch wohl nur eine Probe, nicht zu recht.

    Ich war damals in der Premiere dabei.

    War schlimm ...und das Publikum ließ es ihn auch spüren.

    Lieber HolgerB,


    ich denke, Gergiev hatte nicht "nur eine Probe", aber sein Misserfolg war - so sehe ich das - eine Mischung aus vielen Gründen. Die Probleme mit dem "Graben" waren sicherlich einer davon; seine "gewöhnungsbedürftige" Schlagtechnik hat es auch nicht einfacher gemacht, Bühne und Graben zusammen zu halten. Zudem gehörte der "Tannhäuser" nicht zum Kanon der Wagner-Werke, die zu seinem Repertoire gehören. Er hatte diese Oper erst kurz vor Bayreuth erstmalig dirigiert, nicht in einer seiner Mariinsky-Bühnen, sondern in der für große Opern bedenklichen Akustik der Konzerthalle. Vielleicht könnte auch seine "Nähe zu Putin" eine Rolle für die Ablehnung gespielt haben. Kurz : sein "Tannhäuser"-Engagement war ein Irrtum, sowohl von der Festspielleitung in der Absicht, sich mit einem berühmten Namen zu schmücken, als auch von Gergiev, der die Bayreuth-"Essentials" wie Pünktlichkeit und ausgiebige Probenarbeit unterschätzt hat, was man auch an seinen Engagements in Salzburg und Bayreuth zur selben Zeit ablesen kann.

    Die Zeiten ändern sich, auch hier.

    In den 50er und 60er Jahren war ein proben(verab)scheu(end)er Dirigent wie Knappertsbusch beim Bayreuther Publikum noch der Heilsbringer.
    Einstudiert haben das oft Korrepetitoren und der "Kna" kam erst abends zur Vorstellung selbst.

    Ja, lieber Joseph II., an "Kna" denke ich im Zusammenhang mit Gergiev auch oft. In meinem ersten Jahr als Bayreuth-Besucher 1960 kam "Kna" auch erst zur "Parsifal"-Generalprobe und hatte die Einstudierung dem Grazer Kapellmeister Maximilian Kojetinsky überlassen. Aber die Zeiten ändern sich, und was am Mariinsky möglich ist, sollte Gergiev sich in Bayreuth verkniffen haben. In St. Petersburg ist es Usus, dass grundsätzlich ein anderer Dirigent (selten sind es unter diesen Bedingungen Gäste) die Einstudierung vornimmt, Gergiev erst zur Generalprobe erscheint (die häufig am selben Tag wie die Premiere stattfindet), sich das Dirigat der Premiere als "ius primae noctis" sichert und die Reprisen dem Dirigenten überlässt, der die Vorbereitung geleitet hatte.

    Auf diese Weise hat schon so mancher der Einstudierungsdirigenten Karriere gemacht. Ich denke da an Michael Güttler, der den "Siegfried" für den Mariinsky-Zaren vorbereitete und die Premiere aber wegen dessen Unpässlichkeit (oder anderweitiger Unabkömmlichkeit) mit großem Erfolg übernahm. Auch das gibt's!


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

  • Ein schönes Beispiel dafür, dass eine zugespitzte Aussage zur Diskussion anregen kann.


    Mich hat diese Frage nach dem Primat von Dirigent oder Solist vor Jahren beschäftigt und ich habe sie mit Musikern aus meinem Bekanntenkreis erörtert [alles Instrumentalisten]. Es ging dabei um Konzerte für Soloinstrument und Orchester. Der Tenor lautete, dass die letzte Entscheidung beim Solisten liegen sollte. Natürlich wäre im Vorfeld das Stück gemeinsam zu erarbeiten und zu proben, über die strittigen Passagen zu diskutieren. Aber das letzte Wort in Fragen der Interpretation sollte der Solist haben. So die Theorie.


    In der Praxis lässt sich das nicht konsequent leben und umsetzen. Das hängt sehr stark von den unterschiedlichen Charakteren ab, die da aufeinander treffen. Ob Gergiev diesem Postulat folgt oder eine andere Ursache für sein Verhalten maßgeblich war, vermag ich nicht zu beurteilen.


    Karajan hingegen bildet aus meiner Sicht einen Sonderfall, den man hier nicht exemplarisch anführen kann. Er hat ja sehr großen Wert darauf gelegt, dass seine musikalischen und künstlerischen Vorstellungen umgesetzt werden [ein imposantes Beispiel sind seine Musikvideos]. Der Karajan-Sound, seine ganz spezifische Ästhetik waren das Maß der Dinge. Jeder hatte sich einzuordnen. Da gab es keine zweite Meinung.


    Genau das Gegenteil hierzu bildet das von mir erwähnte Beispiel Gould/Bernstein. Auch ein Sonderfall, der das andere Ende des möglichen Spektrums markiert. Der Regelfall liegt sicherlich zwischen diesen Polen.

  • Vor 15 Jahren beschrieb Gergievs Kollege und Freund Esa-Pekka Salonen dessen (euphemistisch ausgedrückt) "Probenmethode" wie folgt:


    “Most other conductors hear the orchestra produce a certain type of sound, then react to it. Valery has a preconceived idea, and he works toward that goal until he reaches it. In the rehearsal, he micro-manages, works very hard on one particular phrase or passage. He leaves the macro-managing to the concert. Sometimes the whole form of the interpretation is revealed only in the concert. This keeps the orchestra on its toes.” (Hervorhebungen von mir).


    Wie dies funktioniert, beschrieb John Ardoin in seinem Buch "Valery Gergiev and the Kirov - A Story of Survival" sehr anschaulich. In Vorbereitung auf das Martti-Talvela-Gedenkkonzert 1995 (dessen 60. Geburtstag) in Mikkeli, hatte Gergiev Beethovens Neunte in seinem St. Petersburger Festival "Stars der Weißen Nächte" auf das Programm gesetzt. In der Probe beschäftigte er sich ausgiebig mit den ersten beiden Sätzen und ließ die anderen beiden ungeprobt. Er überließ es also dem Orchester und den übrigen Mitwirkenden, seine in den ersten beiden Sätzen erarbeiteten Intentionen auf den Rest der Sinfonie zu übertragen.


    Nicht ganz unerwartet, wandte Gergiev diese Methode auch in Mikkeli an. Ich war anwesend, als er wieder nur die ersten beiden Sätze, diesmal unter total anderen akustischen Vorzeichen eines Konzerts in der drittgrößten Holzkirche Finnlands, erarbeitete. Doch das Malheur geschah während der Aufführung. Wie bei ihm üblich, beendete er die Probe erst bei oder nach dem angesetzten Beginn des Konzerts. Es war an diesem Tag sehr warm in Mikkeli, und in der Holzkirche herrschte eine stickige Luft, hatte sich die Kirche doch stark erwärmt. Wegen des verspäteten Beginns wurden die Zuhörer sofort hinein gelassen, ohne vorher für etwas Luftaustausch zu sorgen. Die ersten beiden Sätzen gelagen anstandslos, doch im 3. Satz fiel unüberhör- und sehbar Gergiev in ein tiefes Loch, in das der Dirigent bis zum Ende verblieb. Seine ganze dynamische Körperspannung, die wenigstens früher für ihn typisch war, war verpufft, was man auch am Spiel der Musiker hörte. Wie Gergiev später sagte, sei er während dieses Konzerts Tode gestorben.


    Dass es bei Gergiev auch andere Methoden als das von Salonen so genannte Micro- und Macro-Managing gibt, darüber mehr in einem weiteren Beitrag (sofern Interesse besteht).


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

  • Lieber Peter!

    ...darüber mehr in einem weiteren Beitrag (sofern Interesse besteht).

    Solche Eindrücke, durch die man etwas über das 'Musikmachen' erfährt, sind für mich ausgesprochen interessant.


    Also: Berichte weiter! Und vor allem do detailliert und anschaulich wie das Dein Markenzeichen ist!


    Liebe Grüße

    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Also: Berichte weiter! Und vor allem do detailliert und anschaulich wie das Dein Markenzeichen ist!

    Lieber Caruso41!


    Danke für Deine freundlichen Worte, die mir Mut machen, hier fortzusetzen, diesmal mit einer Geschichte, die zu meinen liebsten gehört. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich durch derlei "Stories" Wasser auf die Mühlen derjenigen gieße, die Gergiev für einen Scharlatan, für unprofessionell oder unseriös halten. Sei's drum : Das Ergebnis muss stimmen!!!


    Für das Mikkeli Music Festival von 2003 wurden den finnischen Administratoren Gergievs Wünsche für dieses Jahr übermittelt : u.a. Don Carlo, Samson et Dalila und das Berlioz-Requiem. Die Berliner würden jetzt sagen : "Nachtigall, ick hör dir trappsen!". Das waren genau die Werke, die Gergiev beim Salzburg-Festival dirigieren sollte - Mikkeli als Generalprobe für Salzburg! Warum nicht? Trotzdem war man in Mikkeli nicht froh ob dieser Programmauswahl. So interessant das Berlioz-Requiem auch sein möge, aber wo spielen? Beide Kirchen waren zu klein, die Konzerthalle mit nur knapp 700 Plätzen sowieso. Beim Carlo entgegnete man, diese Oper sei wegen der vielen Solisten zu teuer, obwohl man insgeheim der Meinung war, das Mariinsky hätte zu diesem Zeitpunkt keine guten Sänger dafür. Beide Einwände wurden vom Mariinsky akzeptiert - also weder Carlo noch Berlioz-Requiem. Bei Samson et Dalila wurde Gergievs Wunsch-Samson moniert - Giuseppe Giacomini, der kurz zuvor in Helsinki als Otello in so bedenklicher Verfassung gastiert hatte, dass man fürchtete, die Besucher aus Helsinki, auf die man angewiesen sei, würden ausbleiben.


    Also Samson et Dalila - für den Samson wurde ein Tenor gefunden, der erst kurz zuvor am Mariinsky debütiert hatte (Avgust Amonov), nachdem Gergiev kurzzeitig die Idee hatte, seinen Schwager (Grair Khanedanian, den Mann seiner Schwester Larisa) mit dieser Aufgabe zu betrauen. Zwei Tage vor der wieder für die Holzkirche geplanten Aufführung setzte Gergiev vor der ersten Probe mit Orchester eine Klavierprobe an. Schließlich seien diese Rollen für alle seiner Sänger neu. Zur angesetzten Zeit warteten alle Sänger brav, doch weder Gergiev noch ein Pianist ließen sich blicken. An den Gesichtern der Solisten konnte man nicht ablesen, was sie davon hielten, denn neben Flexibilität gehört ein undurchdringlicher Gesichtsausdruck zum essentiellen Repertoire jedes Mariinsky-Mitarbeiters. Lediglich der Samsung-Sänger Amonov (er war noch neu) konnte nicht an sich halten und unterhielt seine Kollegen am Klavier von der Mondschein-Sonate bis Jazz.


    Die Orchesterprobe war wieder so eine Probe, die diesen Namen eigentlich nicht verdient. Auch für Gergiev, das Orchester und den Chor war dieses Stück neu, und so ließ er es 1 1/2 Akte lang durchspielen, ohne es trotz chaotischem Zusammenspiels nur ein einziges Mal abzubrechen. Teil 2 folgte am nächsten Tag, wie bei Gergiev üblich unmittelbar vor der Aufführung. Wegen eines während dieser Probe stattfindenden Hvorostovsky-Konzerts war keiner der finnischen Administratoren anwesend, und so wurde erst kurz vor Beginn bemerkt, dass mit Ausnahme der beiden Titelrollen-Sänger alle anderen in der ersten Kirchenreihe stehen sollten. Die aber war an Publikum verkauft. Was also tun? Gergiev fand dann folgende "salomonische" Lösung : Samson und Dalila standen neben ihm, der Oberpriester des Dagon neben der Harfe hinten im Orchester (er hat bekanntlich im 2. Akt ein Duett mit Dalila) und die Sänger der anderen Rollen neben dem Chor!!! Man stelle sich den akustischen Eindruck einmal vor!


    Trotz all dieser unseriösen und unprofessionellen Vorbereitung gelang eine mitreißende Wiedergabe, was Gergiev damit erklärte, dass der Adrenalspiegel besonders hoch gewesen sei. Typisch für ihn - dieser Mann liebt das Risiko.


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

  • Auch ich danke für die überaus anschaulichen Berichte, die einem den Dirigenten (und Menschen) Gergiev näherbringen.

    Persönlich habe ich Gergiev nur einmal live erlebt. Das liegt über ein Jahrzehnt zurück (Mai 2010) und war im alten Kulturpalast in Dresden, mäßige Akustik inklusive (das soll jetzt bedeutend besser sein, was man so liest). Es war ein Gastkonzert des Mariinski-Orchesters, bei dem Tschaikowskis "Pathétique" den Höhepunkt bildete. Zuvor gab es Rachmaninows "Rhapsodie über ein Thema von Paganini" mit Denis Matsuev und als Einleitung die "Tannhäuser"-Ouvertüre. Dass ich da etwas ganz Großes hörte, war mir seinerzeit gar nicht voll bewusst. Es gab eine Rundfunkübertragung, die ich aber leider nicht mehr besitze.


    Mein Eindruck ist, dass beim Ressentiment gegenüber Gergiev oft eher politische als künstlerische Gründe im Vordergrund stehen. Ich persönlich mag solche Exzentriker, wie er unzweifelhaft einer ist und die auf dem Podium auch immer seltener werden. Ein Dirigent, der auf volles Risiko geht und dabei auch mal ein Fiasko in Kauf nimmt, ist mir sympathischer als einer, der immer auf Nummer sicher geht und betulich-bräsige Darbietungen en masse abliefert (ich verkneife mir aktuelle Beispiele).

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    – Luís de Camões

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  • Im Bayreuther Tannhäuser 2019 ging es in die Hose.

    Er kam mit dem „Graben“ und den Musikern, bedingt durch wohl nur eine Probe, nicht zu recht.

    Ich war damals in der Premiere dabei.

    War schlimm ...und das Publikum ließ es ihn auch spüren.

    Als Katharina Wagner später bei den "Freunden" mitteilte, daß Gergiev den Tannhäuser nicht weiter dirigieren werde, gab es tosenden Applaus

  • Da wäre er wahrlich nicht der erste Dirigent, der aus Bayreuth nach nur einer Spielzeit wieder verschwunden ist. Aus dem Stegreif: Josef Krips (nur 1961, "Meistersinger"), Thomas Schippers (nur 1963, "Meistersinger"), Carl Melles (nur 1966, "Tannhäuser"), Sir Mark Elder (nur 1981, "Meistersinger"), Sir Georg Solti (nur 1983, "Ring"), Christoph Eschenbach (nur 2000, "Parsifal"). Eigentlich alles renommierte Dirigenten, würde ich sagen.

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    – Luís de Camões

  • Interessant, dass Du das schreibst, lieber Stimmenliebhaber. Das kann gut stimmen. Die Bayreuther Datenbank würde das wohl auch gar nicht verzeichnen.

    Robert Heger war auch nur einen Sommer auf dem Grünen Hügel (1964, "Meistersinger"), wobei Böhm zwei der acht Vorstellungen übernahm und auch bei der Rundfunkübertragung dirigierte.

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    – Luís de Camões

  • In gewissem Sinne ist Bayreuth schon ein "Dirigentenfriedhof". Wenn man weiter zurückgeht waren Fritz Busch, Victor de Sabata auch nur eine Saison da

  • Wer auch immer Valery Gergiev engagiert hatte, ob Katharina Wagner oder schon früher durch Eva Wagner-Pasquier, muss sehr blauäugig gewesen sein. "Wo Gergiev d'raufsteht, ist auch Gergiev d'rin", soll heißen, dass ein Dirigent, zu dessen "Markenzeichen" seine notorische Unpünktlichkeit gehört, für Bayreuth ein Risiko darstellt. Auch dass er Proben häufig einem Assistenten überlässt, müsste bekannt gewesen sein.


    Dass er auf Grund seiner dirigentischen Qualität nach Bayreuth gehört(e), möchte ich nicht in Abrede stellen. Bisher fehlten zu seinem kompletten Wagner-Kanon noch die "Meistersinger", doch die wurden jüngst in der Coronazeit am Mariinsky konzertant aufgeführt, was normalerweise ein Zeichen dafür ist, dass eine szenische Realisierung geplant ist. Ansonsten gehören die Wagner-Werke zu seinem Standardrepertoire, die er in St. Petersburg niemandem überlässt und die er meines Erachtens durchaus kompetent und für Bayreuth im Prinzip würdig interpretiert. Doch sollten jedem im Opernbusiness Verantwortlichen die Vorkommnisse an der MET, in Paris oder Wien bekannt gewesen sein, als er wegen zu starker Verspätung einem "Stand-by" - Dirigenten das Dirigat hatte überlassen müssen.


    Die ganze Angelegenheit war von beiden Seiten ein Fehler. Weder brauchte Bayreuth einen Gergiev noch dieser Bayreuth, obwohl man sich gut mit berühmten Namen schmücken kann. Was Gergiev sich in St. Petersburg und andernorts erlaubt, sollte sich in Bayreuth aus Respekt vor diesem renommierten Festival, vor den Mitwirkenden und vor dem Publikum eigentlich verbieten, doch wenn selbst die Wiener Philharmoniker sein Verhalten hinnehmen......


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

  • Aber das letzte Wort in Fragen der Interpretation sollte der Solist haben. So die Theorie.

    Lieber Novalis,


    ein Beispiel (ich hatte schon vor Jahren hier berichtet): In Gera gastierte Bernd Glemser mit unserem Orchester, dirigiert hatte Eric Solen. Es gab Rachmaninows 2. Klavierkonzert. Mitten im wunderbaren langsamen Satz sprang Glemser vom Klavier auf, tippte ziemlich erregt auf die Partitur beim Dirigenten, setzt sich wieder hin und es ging weiter. Das Ganze dauerte keine 3 sec, das Konzert ging ohne Panne weiter, aber die Unruhe im ausverkauften Konzertsaal war riesig. In der Rezension wurde nicht auf die Ursache des Fauxpas eingegangen, der Rezensent sprach nur von offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten. Was mag da passiert sein?

    Ein mir gut bekanntes Orchestermitglied sprach, daß Solen anders dirigiert hatte als in der Probe. Mehr hat sie auch nicht verraten. Übrigens war Glemser danach noch öfter in Gera, Solen war nach Ablauf seines Vertrages weg.

    Hat zwar nichts mit Gergiew zu tun, aber der Vorrang Dirigent oder Solist stand auch zur Diskussion.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Reinhard

    Hat den Titel des Themas von „Valéry Gergiev - Der russische Pultstar“ zu „Valery Gergiev - Der russische Pultstar“ geändert.
  • Wäre es möglich den (falschen) Akut im Vornamen des Dirigenten aus dem Threadtitel zu entfernen?

    Aber klar doch.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Für mich war der (falsche) Akut im Vornamen zu Beginn meiner Zeit in Finnland willkommen, um mich von den Finnen abzuheben. Bekanntlich wird im Finnischen (fast) alles auf der ersten Silbe betont, was dazu führt, dass sich Gergievs Vorname stark nach einer weiblichen Person anhört. Auch die Aussprache seines Nachnamens lädt zu manchen Variationen ein. So erinnere ich mich, dass sein Freund Justus Frantz immer von "Gergejew" sprach, mit der Betonung auf der zweiten Silbe.


    Beste Grüße aus Finnland


    Peter Schünemann

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