Manchmal kommt man zu einer Konzertkarte wie die Jungfrau zum Kind.
In einem Gespräch am vergangenen Sonntag teilte mir ein Sangesfreund nach dem Choralamt zum 1. Fastensonntag mit, dass er am Miittwoch zuvor sich auf ein Sinfoniekonzert in unserem Konzerttheater mit o. a. Orchester gefreut habe, und als er dann mit seiner Frau am Theater angekommen sei, sei dort nichts los gewesen, und so hätten sie ihre Karten erstmal in Augenschein genommen, und da hätte sich herausgestellt, dass das Konzert genau eine Woche später stattfände, also heute. Ich hatte ursprünglich auch dieses Konzert buchen wollen, habe aber davon Abstand genommen, wel sich dies mit meinem geplanten Langzeiturlaub gekreuzt hätte. Da ich aber in der Zwischenzeit aus anderen Gründen diesen Urlaub gecancelt hatte, nahm ich das Angebot an, eine Karte zum Nulltarif von ihm zu bekommen. Ich habe es nicht bereut. Folgende Musiker waren an folgendem Programm beiteiligt:
Ludwig van Beehoven: Leonorenouvertüre Nr.. 3 op. 72 a
Franz Liszt, Klavierkonzert Nr. 2 A-dur
Robert Schumann, Sinfonie Nr. 1 B-dur op. 38 "Frühlingssinfonie"
Beethoven Orchester Bonn
Joseph Moog, Klavier
Dirk Kaftan, Leitung
Das Beethoven Orchester trat schon bei der Leonorenouvertüre in gehöriger Besetzung auf, mit 4 Hörnern, 2 Trompeten, 3 Posaunen, 16 Geigen, 12 Bratschen, 6 Celli und 4 Kontrabässen sowie Pauke (wenn ich richtig gezählt habe), aber ich hatte hinten einen guten Überblick und konnte trotz des relativ großen Abstands zum Podium hervorragend hören dank der ausgezeichneten Akustik des Konzertheaters:
Viel Holz, raffineirt verarbeitet, viel Klang!
Es war das erste Mal, dass ich das Beethoven Orchester live hörte, es wird nicht das letzte Mal sein. Das Orchester bestach schon bei der Leonoren-Ouvertüre durch homogenen Streicherklang, einen bravourösen Paukisten, waghalsige Hornisten und eine bravourösen Solo-Flötistin (leider habe ich keine Abbildungen gefunden).
Seit dieser Spielzeit hat das Orchester einen neuen Chefdirigenten, Dirk Kaftan:
der durch einen sehr extrovertierten, kraftraubenden Dirigierstil auffiel, sein Orchester unaufhörlich antrieb. Das ist sicher nach dem Geschmack unseres lieben Taminos Wolfgang (Teleton) aus der Nähe von Bonn, für den das Beethoven Orchester sicher so etwas wie ein Hausorchester sein dürfte und der ein großer Freund solcher atemberaubenden Tempi ist, die Kaftan heute vorlegt. So ist ihm ein langes Accelerando in der Coda der Leonorenouvertüre nicht fremd, und so, wie das Orchester ihm folgte, machte das Ganze auch großen Effekt. Bei der Ouvertüre spielte der Signaltrompter natürlich außerhalb des Konzertsaals. Auch er spielte sehr waghalsig.
Nach dieser grandiosen Ouvertüre, die ich Kaftans Lesart nur gut 13 Minuten dauerte, folgte Liszts zweites Klavierkonzert, am Flügel Joseph Moog:
den ich auch zum ersten Mal live erlebte. Auch er, der ungeheures virtuoses Potential hat, wird nicht zum letzten Mal meinen Weg gekreuzt haben. Er glänzte mit dem Liszt-Konzert, das aus vier miteinander verbundenen Sätzen besteht, in denen der Solist sein ganzes Können zeigen kann, was bei einem der größten Virtuosen aller Zeiten am Klavier schon fast logisch ist, wenn er so ein Konzert als Komponist vorlegt (gut 20 Minuten Dauer)..
Auch hier llief das Stück, wie schon die Leonorenouvertüre, in einer atemberaubenden Coda aus.
Jospeh Moog gab dann noch eine veritable Zugabe, aus den Études-Tableaux op. 33, wenn ich nicht irre, die Nr. 7 in g-moll, ebenso gekonnt wie vorher das Liszt-Konzert.
Nach der Pause gab es dann Schumann, die Symphonie Nr. 1. Bei Schumann waren dann wie vorher bei Beethoven wieder 4 Hörner aufgeboten, nachdem es bei Liszt nur zwei waren, wofür aber ein Basstubist und ein leibhaftiger "Triangelist" einsprangen. Erstaunlicherweise dirigierte Dirk Kaftan den Schumann nicht als Ritt auf der Rasierklinge, sondern kostete das Larghetto durchaus aus und nahm auch im Finale die Satzbezeichnung "Allegro animato e grazioso" durchaus ernst, um aber dennoch auch hier eine mitreißende Coda zu dirigieren.
Das alles hatte ihn aber doch so mitgenommen, dass er sich außerstande sah, noch eine Zugabe zu geben (oder reichte die Gage nicht?)
Liebe Grüße
Willi