Opernaufführungen als Übertragungen per Rundfunk und Fernsehen

  • Die Mailänder Scala achtet auf ihren Ruf und setzt zuweilen auch Mozarts Opern auf den Spielplan. Das gelingt zuweilen sogar, wenn auch mit kleinen Schönheitsfehlern.
    Diesmal versprach die Besetzung der Hauptpartien sogar ein Fest der Stimmen. Und der Dirigent war Garant einer stilgerechten Produktion. Es gab also vor dem Fernseher einige Hoffnung auf eine hochkarätige Aufführung. Wurde sie auch erfüllt?
    Die spritzige Ouvertüre zu diesem Tollen Tag hätte eine adäquate Einstimmung werden lönnen; denn Franz WELSER-MÖST führte das Scala-Orchester federleicht durch ihre viereinhalb Minuten. Wenn... ja, wenn sie nicht nicht von der Regie total optisch ergänzt worden wäre: Frederic WAKE-WALKER traute dem erlesenen Publikum offenbar keinerlei Fantasie zu. Er ließ die Darsteller während des spannenden Orchesterflugs die Kulissen für den 1.Akt aufbauen, teilweise choreographisch im Takt der Musik. Schade!
    Nach dem Öffnen des Vorhangs ging es dann recht zivilisiert zu, bis zu Figaros erster Cavatine: Er musste den imaginierten Grafen plötzlich direkt ansingen, denn er saß neben ihm und spielte mit, damit die Fernsehzuschauer das Ganze besser verstehen. Ähnliche Schulmeistereien wiederholten sich endlos den ganzen Abend über. Dabei war das Geschehen sonst ganz einleuchtend und flüssig dargestellt. Aber ganz ohne Mätzchen geht es wohl inzwischen auch in Italien nicht mehr. Vielleicht sollte es Commedia dell´arte sein, wenn pausenlos ominöse tänzelnde Intrigant(inn)en vorbeihuschten. Aber es erinnerte eher an Kasperletheater. Immerhin erinnerte das Bühnenbild von Anthony Mc Donalds an die Atmosphäre eines gräflichen Schosses.
    Zum Glück ließen sich die Sänger durch die zusätzlichen Figuren wenig von ihrem Tun ablenken:
    Diana DAMRAU sang die Gräfin mit makellosem Ton und perfekter Phrasierung. Ihre Darstellung blieb dagegen im Konventionellen stecken - sie musste gegen ihren Typ anspielen. Ihr Bühnengatte Carlos ALVAREZ dagegen war ein Graf Almaviva vom Scheitel bis zur Sohle - und präsentierte sich auch stimmlich mit virilem Bariton als erste Wahl.
    Beim Dienerpaar stellte Markus WERBA einen Figaro wie aus dem Bilderbuch dar und setzte seinen schlanken, flexiblen Bariton wirkungsvoll ein. Und Marianne CREBASSA, als Cherubin von ungewohnt schlaksiger Gestalt, lieh dem Pagen ihren wohltönenden Mezzosopran. Die kleineren Partien waren allesamt zufriedenstellend besetzt.
    Insgesamt eine musikalisch solide bis hervorragende, szenisch eine eher gemischte Produktion, meint - mit herzlichen Grüßen - Sixtus

  • Lieber Sixtus,


    Du hast das ausgedrückt, was ich bei dieser Aufnahme (aus 2016) auch empfunden habe: Sängerisch und orchestral eine gute bis sehr gute Aufführung, szenisch jedoch (Achtung: Kein Verunstaltungstheater!) Rätsel aufgebend und mich nicht befriedigend.


    Exemplarisch für die mich unbefriedigend zurücklassende Regie ist das Schlusstableau, das ja in einem Pinienwald mit verschiedenen Lauben spielen soll (was im Libretto sogar explizit erwähnt wird) und die 'Irrungen und Wirrungen' der handelnden Personen erst möglich macht, hier jedoch durch die Helligkeit der gesamten Bühne ad absurdum geführt wird.


    Das war eine Aufzeichnung, die bei geschlossenen Augen gut zu ertragen war, ideal also für's Radio...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Als Nachtrag zweierlei:
    Bei der Charakterisierung des Dienerpaares hatte ich die Susanna vergessen. Dabei war sie eine der besten im Ensemble der Protagonisten: Golda SCHULZ, apart anzuschaun mit ihrem afrikanischen Anstrich (in Andalusien gab es sicher schon in feudalen Zeiten interkontinentale Seitensprünge!) und ihrem entwaffnenden Charme hätte sie schon Furore gemacht; sie setzte aber noch eine stimmliche Leistung drauf, die über alle Facetten von der Soubrette bis zum lyrischen Sopran abdeckte.


    Sodann: Lieber Musikwanderer, ich stimme dir zu, wenn dich die Kreißsaal-Helligkeit des Finales im nächtlichen Park gestört hat. Mir ging es ähnlich. Aber dergleichen kennen wir ja seit Jahrzehnten.
    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Musikalisch wirklich toll, da muss ich euch beipflichten. Was auch hier wieder deutlich wurde: welch genialer Komponist Mozart bei Ensemblesätzen war, etwa das Finale des 2. Aktes, was ja eigentlich nur aus ein paar banalen Tönen besteht.
    Zur Regie habt ihr alles gesagt, dieses Rumgehampel von erfundenen Personen und die künstlichen Bewegungen des Chores waren einfach nur lächerlich. Auf ZDF-neo lief die grandiose Doku-Soap "Die Mafia in New York", da habe ich dann hingeschaltet. Einige wissen vielleicht, dass ich die wunderbare Arie der Barbarina (l´ho perduto) für eine der schönsten Mozarts halte (die sorfinierten Geigen - zum Hinschmelzen). Wie war die Barbarina hier (ich war ja schon bei der Mafia!)?

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Dem Mann kann geholfen werden:


    Lieber Dr.Pingel, die Barbarina war wie die meisten ihrer Kolleginnen: eine typische Nachwuchssängerin, jung, hübsch, mit vielversprechendem zarten Sopran, wie es sich für eine Lieblingsarie gehört. Aber wie du gemerkt hast, war ich in Eile und habe sogar zunächst die Susanna vergessen. Ich bitte um "gnädigen Pardon".
    Meine "Lieblingsarie" ist übrigens das Briefduett im 3.Akt, das du hoffentlich nicht wegen einer trivialen Alternative versäumt hast. Selten so schön gehört wie hier.
    Jetzt ziehe ich aber den Kopf ein.
    S.

  • Ich habe die Übertragung auch gesehen und muss sagen, dass sie mich sängerisch voll überzeugt hat.
    Was die Inszenierung betrifft, war ich allerdings geteilter Meinung. Der Regisseur hat sich an die Handlung gehalten, insofern möchte ich es nicht ausdrücklich als Regisseurstheater nennen. Es gibt aber Elemente des Regisseurstheaters, ohne die wohl heute kein Regisseur mehr zu inszenieren vermag. Schon, dass die kurze Ouvertüre nicht vor geschlossenen Vorhang gespielt werden durfte, sondern unbedingt mit dem Aufbau der Kulisse belebt werden musste, ist eines dieser Elemente, die störend wirken. Im ersten und zweiten Akt war ich davon angetan, dass die Kulisse passend war. Aber dann kamen die üblichen, nicht vorgesehenen "Zutaten", mit denen die Oper unbedingt "angereichert" werden musste, Frauen mit Hochschlagfrisuren, die durch drei Akte immer wieder im Vorder- oder Hintergrund herumhopsten und deren Sinn sich mir nicht erschlossen hat. Im dritten Akt mussten sie die schon weißen Wände noch einmal mit einer Rolle streichen (?). Im 4. Akt, wenn Figaro seine Arie "Aprite un po' quegl'occhi" durften sich dann Frauen in hellen Gewändern steif hinter ihn postieren und die Arme ausstrecken (?). Im vierten Akt ist dann dem Team auch nicht Besseres eingefallen, als die sonst leere Bühne - wie vielfach im Regisseurstheater - mit leeren Stühlen vollzustellen.
    Die Kostüme waren teils passend, teils aber auch richtig lächerlich. Genau so wenig hat sich mir der Sinn erschlossen, warum bei Figaros Cavatine "Se vuol' ballare" der Graf auf der Bühne sitzen musste und angesungen wurde, und umgekehrt bei des Grafen"Vedrò mentre io sospiro" derselbe Einfall (ohne jeden Sinn) sich mit Figaro wiederholte. Auch viele veralbernde Gesten verwässerten in meinen Augen den Ansatz zu einer sonst werkgerechten Inszenierung. Hätte der Regisseur alle diese unnötigen Zutaten weggelassen, hätte es durchaus eine akzeptable Inszenierung werden können.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Genau so wenig hat sich mir der Sinn erschlossen, warum bei Figaros Cavatine "Se vuol' ballare" der Graf auf der Bühne sitzen musste und angesungen wurde, und umgekehrt bei des Grafen"Vedrò mentre io sospiro" derselbe Einfall (ohne jeden Sinn) sich mit Figaro wiederholte.

    Die Idee mag ja plakativ sein, aber sie klingt nicht notwendig unplausibel bzw. sinnlos!?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die Idee mag ja plakativ sein, aber sie klingt nicht notwendig unplausibel bzw. sinnlos!?


    Na dann mach sie mir doch mal plausibel!

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Na dann mach sie mir doch mal plausibel!

    Sorry, einfach mal die jeweiligen Texte der Canzone bzw. Arie lesen und sich überlegen, welchen Adressaten sie jeweils haben. Das dürfte vieles erklären.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Lieber Michael, natürlich kenne ich den Text. Ich gehe auch davon aus, dass Figaro den Grafen dabei vor sich sieht, allerdings vor seinem innerenAuge.
    Ihn nun auch noch leibhaftig dahinzusetzen, ist, wie so oft, zu viel des Guten.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich bin einigermaßen überrascht über die positiven Eindrücke zum gestrigen Figaro aus Mailand. Ich war überhaupt nicht begeistert. Mozart’s Figaro gehört zu meinen liebsten Opern und ich gebe zu, dass mein Anspruch da sehr hoch ist, habe ich doch schon so einige Figaros gehört. Aber dieser war doch ernüchternd.


    Schon angefangen mit dem straffen und sehr analytischen Dirigat Welser-Mösts. Aber mit Mozart hat er noch nie wirklich begeistert.
    Von den Sängern hinterließen Markus Werba und Golda Schultz mit Abstand den besten Eindruck. Werba war mit seinem elastischen und passenderweise erdigen Bariton ein spielfreudiger Figaro. Dank seines engagierten Einsatzes glaubte man Werba den Revoluzzer sofort. Schultz sang die Susanna mit klangschönem Timbre und in der Höhe silbrigem Ton. Doch reicht ein gut disponiertes Dienerpaar aus, um eine hervorragende Figaro-Aufführung zu garantieren? Natürlich nicht.


    Diana Damrau liegt Mozart nun wahrlich nicht mehr in der Kehle. Zu Beginn schepperte die Stimme arg. Sie bekam das mit Andauer der Vorstellung zwar in den Griff, doch ist die Stimme inzwischen generell zu scharf und hart für Mozart. Die Melancholie ihrer Figur konnte sie nicht vermitteln, den beseelten Mozart-Ton traf sie nie. An eine Lucia Popp oder Kiri Te Kanawa darf man da nicht denken. Tiefpunkt war eindeutig der Graf von Carlos Alvarez. Dass der Bariton seit seiner Stimmkrise vor einigen Jahren nicht mehr an seine alte Form anschließen konnte, ist weitgehend bekannt. Ich erinnere mich an einen Giorgio Germont vor etwa zwei Jahren wo ihm am Ende seiner Arie die Töne nur so wegrutschten. So was ist ihm hier zum Glück nicht passiert, aber es war nicht zu überhören wie viel Mühe ihm der Conte machte. Kam hier auch noch eine nicht optimale Tagesverfassung hinzu? Schon nach wenigen Minuten liefen dem Sänger die Schweißperlen über das Gesicht. Vor mehr als zehn Jahren war er noch ein guter Figaro, aber sein Timbre ist inzwischen zu hart und unflexibel für Mozart. Und Legato? Fehlanzeige. Er schnappte auch in diesem Figaro an so mancher Stelle nach Luft, wo man das nicht erwartet, und zerstörte damit jeden musikalischen Fluss. Und was sollte das abgehackte Singen im Duett mit Susanna im dritten Akt? Dun-que-in-giar-din-ver-rai. ?(
    Das muss doch wirklich jeder hören, da gibt es einfach nichts schön zu reden.
    Auch von Marianne Crebassa war ich enttäuscht, von der ich bisher sehr Schönes gehört habe. Doch als Cherubino klang ihr Mezzo sehr eindimensional, ohne jegliche Farben. Überhaupt eigenartig - die Stimme klang hier ganz anders als ich sie bisher wahrgenommen habe. Als wäre das eine andere Sängerin gewesen. Auch in ihrem Spiel merkte man überhaupt nicht, dass sie einen pubertierenden männlichen Teenager spielt, der sich dann als Frau verkleidet. Sie spielte alles irgendwie gleich.


    Homogenität konnte ich auch nicht erkennen. In den großen Ensembles fanden die Stimmen nur selten harmonisch zusammen. Das große Finale im zweiten Akt war da symptomatisch.
    Ich mag mich nicht mal mehr zu den restlichen Sängern äußern, so enttäuscht war ich von der Darbietung einer meiner Lieblingsopern.


    Diese Neuinszenierung sollte zum Teil eine Reminiszenz an die legendäre Strehler-Inszenierung der Scala sein, aber auch dem Regisseur die Möglichkeit geben, neue Ideen einzustreuen. So weit so gut. Aber warum sah Basilio in seinem Kostüm aus als wäre er Mefistofele? Und warum ziehen die Damen im Schloss des Conte so gerne ihre Reifröcke hoch und tanzen als wären sie im Pariser Moulin Rouge? :rolleyes:
    Okay, eine Inszenierung die niemandem weh tut, aber nach dem Sinn so mancher Einlagen sollte man wohl nicht fragen.
    Fazit: Enttäuschend!


    Gregor

  • Lieber Michael, natürlich kenne ich den Text. Ich gehe auch davon aus, dass Figaro den Grafen dabei vor sich sieht, allerdings vor seinem innerenAuge. Ihn nun auch noch leibhaftig dahinzusetzen, ist, wie so oft, zu viel des Guten.

    Wie gesagt: Womöglich plakativ, aber nicht unplausibel, bzw. so vollkommen unerklärlich, wie es oben von Gerhard dargestellt wird. - Mehr wollte ich ja auch nicht zum Ausdruck bringen ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wer es verpasst - davon gibt es auch seit Jahren eine DVD. Allerdings wird dort 1963 angegeben.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Leider kann ich ORF III nicht empfangen. Ich habe schon öfter hier gelesen, dass dieser Sender auch vernünftige Inszenierungen bringt. Wie schön und beneidenswert, dass es dort noch so etwas gibt. Die in Deutschland empfangbaren Sender bringen in der Regel nur noch die entstellenden Inszenierungen. Selten ist mal ein Glücksfall dabei.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Leider kann ich ORF III nicht empfangen. Ich habe schon öfter hier gelesen, dass dieser Sender auch vernünftige Inszenierungen bringt. Wie schön und beneidenswert, dass es dort noch so etwas gibt. Die in Deutschland empfangbaren Sender bringen in der Regel nur noch die entstellenden Inszenierungen. Selten ist mal ein Glücksfall dabei.



    "Erlebnis Bühne", jedes Sonntag um 20:15. Plus eine Operette in dem Nachmittag, die Dokus (Sänger-Portraits u. ähnliches) Vorabends oder in der Matinee.


    Man kann es mit dem Satellitenschüssel und ein "Card-Sharing" Signal für verschlüsselte Kanäle empfangen :jubel:

  • Ich muss nachtragen, dass ich Gregor in einem Punkt zustimme. Diana Damrau als Gräfin war eine glatte Fehlbesetzung. Nicht nur der Regisseur konnte mit ihr nichts anfangen, sängerisch gefiel mir ihr Vibrato nicht.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Eigentlich wollte ich hier etwas über den "Oberon" aus München schreiben. Am Anfang undurchschaubares Gewusel, alle in den weißen Anzügen der Forensiker. Wahrscheinlich wurde gerade die Oper seziert. Dann eine matte Ouvertüre. Jetzt wisst ihr, warum ich nichts schreiben kann, der Abschaltknopf leuchtete noch roter als sonst!

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich war von Sixtus sehr positiven Besprechung der "Nozze di Figaro" einigermaßem konsterniert. Ich habe allerdings nur die Hörfunkübertragung gehört und deshalb angenommen, dass er durch das Schauen so abgelenkt war, dass er nicht so genau hingehört hat!


    Deshalb war ich sehr dankbar, dass nun auch Gregor massive Kritik an der musikalischen Qualität der Auffühung geäußert hat. Ich stimme ihm voll zu, wenn er feststellt, dass Markus Werba und Golda Schultz die überzeugendsten Solisten waren. Zwar würde ich für den Figaro eine Stimme mit etwas mehr Gewicht, Rundung und mit einem dunkleren Fundament bevorzugen (etwa die von Davide Luciano), aber gegen seine gesangliche Leistung und Darstellung der Figur gibt es nichts einzuwenden.
    Die übrigen Solisten aber fand ich auch für heutige Verhältnisse nicht befriedigend. Den Grafen kann eigentlich jede mittlere Bühne besser besetzen. Die ausgemergelte Stimme ist schon eine Zumutung aber wie er immer wieder an technische Grenzen stößt und damit auch dem musikalischen Text nicht mehr gerecht werden kann, das ist schon traurig!
    Eine Enttäuschung war für mich auch Diana Damrau, die mit ihrer viel zu leichten und zu wenig runden Stimme den herrlichen Bögen der Gräfin, die man ja auch mit einem Silberstift zeichnen könnte, überhaupt nicht gewachsen war. Eine Stimme im falschen Fach!
    Im richtigen Fach ist natürlich Marianne Crebassa als Cherubino! Dass sie eine wunderbare Stimme hat und eine vielversprechende Sängerin ist, war aber in dieser Aufführung wirklich nicht zu hören! Auch da gebe ich Gregor recht: sie klang merkwürdig farblos, oft sogar fahl. In der Berliner Staatsoper hatte sie die Partie viel nuancierter und farbiger gesungen. Gestalterisch war das in Mailand nur eine routinierte Kopie ihres klug durchgearbeiteten, sehr lebendigen Portraits, das in Berlin das Publikum so mitgerissen hat. Ein schlechter Tag? Oder konnte sie Welser-Moest nicht inspirieren?
    Ja überhaupt Welser-Moest! Ohne Frage für mich die größte Enttäuschung des Abends!! Was er aus dieser genialen Partitur machte, war schon sehr ungeschliffen und uninspiriert.

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Eigentlich wollte ich hier etwas über den "Oberon" aus München schreiben. Am Anfang undurchschaubares Gewusel, alle in den weißen Anzügen der Forensiker. Wahrscheinlich wurde gerade die Oper seziert. Dann eine matte Ouvertüre. Jetzt wisst ihr, warum ich nichts schreiben kann, der Abschaltknopf leuchtete noch roter als sonst!

    Lieber Dr. Pingel,


    ich habs aufgenommen, kam ja zur nachtschlafenden Zeit. Angekündigt im Videotext war eine farbige, bunte Inszenierung.


    Irgendwann schaue ich mal rein. Wenn Dein erster Eindruck sich fortsetzt, dann nehme ich meine rote Löschtaste und Hui... ist der Elfenspuk wieder weg!!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Noch eine Anmerkung zur Anmerkung von Caruso:
    Du hast beinahe ins Schwarze getroffen, lieber Caruso, aber etwas anders war es doch:
    Ich war weniger abgelenkt durch die alberne Inszenierung, sondern ich war einfach in Eile, als ich den Text schrieb. (Das kannst du weiter oben schon nachlesen.) Dadurch ist mein Text etwas flüchtig geraten. Hier die Korrektur:
    Diana Damrau sang eine Partie, die ihr nicht lag. Ihre Gesangsleitung war professionell, aber nicht rollendeckend. Sie wirkkte auch verkrampft. Aber Carlos Alvarez war genau richtig besetzt mit seiner zwar nicht mehr ganz frischen, aber virilen Stimme und seinem vollen Einsatz. Seine große Arie war beeindruckend und ausdrucksstark.
    Und Welser-Möst war, das gebe ich zu, nicht überragend, aber solide. Beckmessern kann man immer, aber man kann auch mal fünfe grade sein lassen - selbst Sixtus.

  • Zitat

    Zitat von Dr. Pingel: Jetzt wisst ihr, warum ich nichts schreiben kann, der Abschaltknopf leuchtete noch roter als sonst!

    Leider konnte ich den Abschaltknopf nicht rot leuchten sehen, aber es tut mir leid um den Strom, den ich diese Nacht mit der Aufnahme vertan habe. Da in meier Rundfunkzeitschrift eine poetische Inszenierung angekündigt wurde (welcher Ahnungslose mag solche Texte wohl verfassen?) und ich mir die Nachruhe nicht nehmen wollte, habe ich also programmiert. Den Mist habe ich mir heute zunächst eine Viertelstunde angesehen und dann auf schnellen Durchlauf (der mir ja auch die ganze Szenerie zeigt) geschaltet, um nur noch in einzelne Teile im Normallauf hineinzuschauen. Aber leider hat mir jeder dieser Versuche die schönen Melodien verdorben.
    Eine solche Anhäufung von Schwachsinn habe ich selten gesehen. Nichts, aber auch garnichts (abgesehen von einer vorübergehenden Projektion einer Moschee auf die Leinwand im Hintergrund des Versuchslabors oder Krankenhauses bzw. der im Regisseurstheater so beliebten Irrenanstalt(?), das während der ganzen Aufführung das Bühnenbild war, bzw ein paar von Rezia bewegten Pappwellen) hatte überhaupt etwas mit "Oberon" zu tun. Die wirklich poetischen Texte der Oper wurden durch völlig unpoetische und irre Aktionen der in der Anstalt tätigen "Götter in Weiß" konterkariert.
    Glücklicherweise konnte ich diese Oper einmal in einer wirklich poetischen Inszenierung erleben. Hätte ich sie in solch einer Inszenierung gesehen, hätte es mir jeglichen Geschmack an der Oper mit ihren schönen Melodien, die hier leider wie Parodien wirkten, verdorben. Es war entnervend langweilig, so dass ich das wohl kaum drei Stunden durchgehalten hätte.
    Nun bin ich noch auf die Beurteilung durch LaRoche gespannt, der die Oper ja auch aufgenommen hat.
    Wann gibt es endlich mal wieder die Aufzeichnung einer vernünftigen Inszenierung im deutschen Fernsehen?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich habe allerdings nur die Hörfunkübertragung gehört [...]


    Wobei ich mir vorstellen kann, dass bei der reinen Radioübertragung diese Defizite ja noch stärker ins Gewicht gefallen sind. Beim Zuschauen im TV ist man ja vielleicht doch noch auch vom visuellen Eindruck etwas abgelenkt.


    Zwar würde ich für den Figaro eine Stimme mit etwas mehr Gewicht, Rundung und mit einem dunkleren Fundament bevorzugen (etwa die von Davide Luciano), aber gegen seine gesangliche Leistung und Darstellung der Figur gibt es nichts einzuwenden.
    Die übrigen Solisten aber fand ich auch für heutige Verhältnisse nicht befriedigend. Den Grafen kann eigentlich jede mittlere Bühne besser besetzen. Die ausgemergelte Stimme ist schon eine Zumutung aber wie er immer wieder an technische Grenzen stößt und damit auch dem musikalischen Text nicht mehr gerecht werden kann, das ist schon traurig!


    Ich verstehe deinen kleinen Einwand bei Werba, denn auch ich ziehe da eine etwas dunklere Stimme beim Figaro vor. Dieser wird ja in der Regel doch eher von Bass-Baritonen oder sogar Bässen gesungen, während Werba ein "reiner" Bariton ist. Ich hätte ihn mir auch problemlos als Conte vorstellen können. Er hat die Partie ja wohl auch in seinem Repertoire. Denn das was Carlos Alvarez da als Almaviva hören ließ war gesangstechnisch geradezu desaströs. Anders kann man das nicht beschreiben.


    Ja überhaupt Welser-Moest! Ohne Frage für mich die größte Enttäuschung des Abends!! Was er aus dieser genialen Partitur machte, war schon sehr ungeschliffen und uninspiriert.


    Uninspiriert könnte man auch sagen, manche nennen es schlichtweg langweilig. Überhaupt ein eher langsames Dirigat. Da fehlte das revolutionäre Feuer!


    Gregor

  • Nun bin ich noch auf die Beurteilung durch LaRoche gespannt, der die Oper ja auch aufgenommen hat.

    Lieber Gerhard,


    einige hier im Forum hatten ja schon darauf hingewiesen, daß eine Anti-RT-Impfung für diesen Oberon empfehlenswert sei, wenn man RT nicht mag. Keinesfalls wäre diese Inszenierung poetisch, bunt und farbig, wie es in Programmzeitschriften oder EPG angekündigt war. Ich habe nur keinen Mediziner gefunden, der in der Lage wäre, mir diese Spritze zu geben. Dr. Dulcamara wohnt zu weit weg und ist wohl auch schon zu alt für neue Wundertränke.


    Das hat meinen Widerwillen natürlich vertieft, was mancher hier im Forum nicht verstehen mag oder will. Für die ca. 3 Stunden Oper hatte ich daraufhin nur ca. 1 Stunde eingeplant. Leider habe ich nicht einmal diese eine Stunde durchgehalten, trotz Schnelldurchlauf, gelegentlichem Stop (z.B. bei der Rezia-Arie "Ozean Du Ungeheuer" oder Hüons Arie "von Jugend auf") usw. Gesanglich war ich durchaus nicht unzufrieden, aber die Kostümierung, die Krankenhauskulisse mitsamt Rollstuhlfahrer war keinesfalls dazu angetan, romantische Gefühle zu erzeugen. Ich hatte nach knapp einer Stunde (wie geplant) die Faxen dicke und habe den roten Löschknopf betätigt.


    Ich war umso enttäuschter, da ich diese Oper noch nie live gesehen habe und mir die Musik sogar mehr zusagt als im Freischütz. Aber man kann mich nicht zwingen, etwas zu sehen, wogegen sich mein Inneres sträubt. Auch wenn mir dadurch das schon lange vermißte Kennenlernen einer für mich neuen Oper versagt geblieben ist. Leider kann niemand Herrn Weber fragen, wie ihm die Aufführung gefallen hätte. Und auch wenn Amfortas jetzt wieder beklagt, daß der Regisseur nicht "Oberon" inszeniert hat, wie La Roche es gewollt hätte. Ich muß mir überlegen, meine Bühnenrolle als La Roche zu ändern, denn als Theaterdirektor hätte ich das nicht zugelassen. Als Mephisto oder als Sir Morosus hätte ich andere Möglichkeiten - entweder meinen Bann über bestimmte Inszenierungen zu legen oder Musik als lauten Lärm völlig zu meiden.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber LaRoche,


    danke für deine Einschätzung. Ja, schade dass du nicht Theaterdirektor geworden bist. Bei dir wäre solch ein Unsinn nicht auf die Bühne gekommen.
    Schade auch, dass es auf DVD keine Aufzeichnung einer Oberon-Inszenierung gibt. Da bin ich glücklich, dass ich diese schöne Märchenoper auch in eine sehr poetischen Aufführung erleben durfte. Auch mir hat sie noch besser gefallen als der Freischütz, den ich in mehreren werkgetreuen Inszenierungen gesehen habe.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Das ist ja das Perverse am RT, dass sie uns Entdeckungen von schönen unbekannten Opern so verleidet!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Das ist ja das Perverse am RT, dass sie uns Entdeckungen von schönen unbekannten Opern so verleidet!

    Wer ist "uns" ?
    Mir wurden jedenfalls durch das RT keinesfalls Entdeckungen von schönen unbekannten Opern verleidet. Iim Gegentum.

  • Wer ist "uns" ?

    ein Personalpronomen, Mehrzahl. Du kannst aber anführen, daß Deine Frage nicht "was ist uns" lautete, sondern "wer ist uns". Das Personalpronomen bleibt "uns" aber trotzdem. "Wer" ist ein Interrogativpronomen.


    La Roche

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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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