ZitatOriginal von ben cohrs
Zeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Ausgabe: Dezember 2004
Alexander Poznansky ... Seine 1998 als Taschenbuch veröffentlichte Studie “Tschaikowskys Tod” wurde ebenfalls kaum zur Kenntnis genommen.
Dieses Buch habe ich vor einiger Zeit gelesen. Und kann es empfehlen, weil die Überlieferungen untersucht und gegenübergestellt werden, was Tschaikowskys angeblichen Selbstmord betrifft. P. kommt (wie ja hier bereits erwähnt) logisch zu dem Schluß, daß Tschaikowsky keinen Selbstmord begangen hat. Im Gegensatz dazu Edward Garden, der in seiner Biographie behauptet "Inzwischen läßt sich nachweisen, daß Tschaikowsky Selbstmord begangen hat" (S.229 der Ausgabe im Insel Taschenbuch).
Aufnahmen dieses Komponisten besitze ich kaum: den "Onegin" mit Bychkov, die 5. Symphonie mit Barenboim und diese 6. mit Norrington. Aufmerksam wurde ich darauf durch ein Interview mit Norringten in der Fono-Forum vor einigen Monaten. Die Anschaffung lohnt sich schon wegen des ausführlichen Textes von Norrington im Beiheft. Was mich an der Symphonie immer noch berührt, ist der seltsame Aufbau. Mit dem lebhaften und marschähnlich jubelhaften 3. Satz müßte diese Symphonie ja eigentlich aufhören... Und dann folgt der letzte Satz, ein "Adagio lamentoso". Das Ende seines Lebens wird Tschaikowsky hier wohl kaum gemeint haben, schreibt er doch im Februar in einem Brief an Bob Dawydow: "Auf meinen Reisen hatte ich einen Einfall zu meiner neuen Symphonie, diesmal einer Programmsymphonie, doch mit einem Programm, das für jedermann Geheimnis bleiben soll - laß sie sich nur die Köpfe darüber zerbrechen, die Symphonie wird nur "eine Programmsymphonie" heißen. [...] Was die Form angeht, wird in dieser Symphonie vieles neu sein - unter anderem wird das Finale kein lautes Allegro, sondern - ganz im Gegenteil - ein sehr gemächliches Adagio sein. Du wirst kaum verstehen können, wie sehr mich mit Glück erfüllt, davon überzeugt sein zu können, daß meine Zeit noch nicht vorbei ist, sondern daß ich noch arbeiten kann." (Garden, S. 223/224). Die Musik scheint am Ende doch in eine nicht mehr zu erfüllende Sehnsucht abzugleiten. In einem anderen Zitat von Garden heißt es im Zusammenhang mit dem Schlußsatz der 6. Symphonie "Seine Arbeit hatte ihn dermaßen begeistert, daß ihn nicht einmal Todesanzeigen naher Freunde niederwerfen konnten; sein früherer Kollege Albrecht, der Dichter und Schulfreund Apuchtin und Waladimir Schilowsky waren gestoreben. Großfürst Konstantin schlug Tschaikowsky vor, Apuchtins "Requiem" zu vertonen; Tschaikowsky winkte jedoch ab, denn `meine letzte Symphonie (besonders ihr Finale) ist von ähnlichem Geist durchdrungen`."
Sophia