Liebe Opernfreunde
Lortzings Opern geniessen heute nicht mehr jenen Stellenwert, der ihnen eigentlich zukommt, aus diesem Grund, daher möchte ich sie an dieser Stelle gerne ein wenig in Erinnerung rufen.
Heute habe ich mich für "Zar iund Zimmermann", ein (scheinbar) durchwegs freundliches Werk in deutscher Sprache entschieden, das am 22. Dezember 1837 in Leipzig uraufgeführt wurde, mit Lortzing selbst in der Rolle des Peter Iwanow.(andere Quellen sagen er habe den Zaren gespielt, aber das glaube ich nicht, Lortzing hatte einen Tenor)
Die Aufnahme des Werkes war freundlich, aber nicht enthusiastisch.
Erst zwei Jahre später, in Berlin gelang der Durchbruch.
Lotzing hat nicht nur die Musik geschrieben, sondern auch das Libretto, allerdings auf der Basis bereits bestehender Vorlagen ("Le Bourmestre de Sardam ou Les Deux Pierres" von Duveyrier, Boirie und Merle..)
Es gab zu jener Zeit auch bereits eine Oper die diesen Stoff verarbeitete, nämlich "Frauenwert oder der Kaiser als Zimmermann"
Lortzing nimmt jedoch als Vorlage die deutsche Übersetzung des Sprechstücks in einer Übersetzung von Georg Christian Römer.- Der 3. Akt ist Lortzings völlig freie Erfindung.
Das Stück war zu Lortzings Zeiten so berühmt, daß es auch in Russland gegeben wurde, obwohl die Zensur das Erscheinen der Figur des Zaren auf einer Opernbühne verbot. So wurde die Rolle für "Kaiser Maximillian I" umgeschrieben. Daß damit Zeit und Aussattung nicht mehr stimmten,
scheint schon damals keine Rolle gespielt zu haben, wie es scheint. Zu dem wurde der Oper damit die "historische Grundlage" entzogen. (Der Zar weilte 1697 tatsächlich für einige Tage anonym in Zardaam, und es entspricht auch der Tatsache, daß er sich für Schiffbau interessierte. Lefort ist ebenso eine historische Persönlichkeit, er war Berater des Zaren von jungen jahren an. Der in der Oper angesprochen Aufstand, hat ebenfalls stattgefunden.
In Lortzings Oper paart sich französischer Esprit mit italienischer "Opera Buffa" und deutscher Romantik, Dinge die eigentlich nicht zusammenpassen wollen - Lotzing der erprobte Theatermann bringt alles unter einen Hut.
Heute wirft man dem Werk gelegentlich Oberflächlichkeit (in Deutschland wurde Leichtigkeit schon immer gern mit Oberflächlichkeit gleichgesetzt ) und "Altväterlichkeit" vor, in einer Zeit die es scheinbar verlernt hat, sich an volkstümlichen wunderbaren Melodien zu erfreuen und - zu lachen.
Und wer das sucht, der wird von Lotzings Werk hier bestens bedient.
Doppelten Genuß hat jener, der auch die scheinbar so simpel gestrickten Charaktäre näher betrachtet, die bekommen dann quasi etwas doppelbödiges: Nehmen wir nur den "schwachköpfigen Bürgermeister (Originazitat!), der mit Fremdwörtern nur so um sich wirft, die er selber nicht versteht, und versucht allen nach dem Mund zu reden. Wer fühlt sich hier nicht an manche Politiker (nicht nur deutsche) der Gegenwart erinnert ? Auch der Zar, der am Schluß des Stückes ausgerechnet einen Deserteur zum "Kaiserlichen Oberaufseher" (wies scheint, ein Titel ohne Funktion, nur zum Abkassieren geschaffen) macht, ist ein Gustostücken für Freunde der Ironie.
Weil wir gerade bei Ironie sind: Auch die Kavatine der Marquis de Chatenauneuf enthält, bei aller Poesie, ironische Momente.
Wie man gesehen hat, widme ich mich hier zu Threadbeginn vorwiegend dem Libretto, weniger der Musik, die allein für sich spricht.
Ob es sich num den "Holzschuhtanz" oder um das "Diplomatensextett"
Die Arie des Van Bett (mit Anklängen an italienische Baßbuffo-Rollen) oder die total aus allen Fugen geratende Kantate am Schluß der Oper handelt, alles sind Meisterstücke, die aber dennoch, oder gerade deshalb die manchmal geradezu höhnischen Textstellen noch unterstreichen, da braucht es keine Hinweise von meiner Seite.
Sogar Wagner hat das Werk geschätzt.
Zu den scheinbar so simplen Texten:
"Schon seit geraumer Zeit entdeck ich hier Gesichter,
die mir ganz unbekannt,
und die gehören sicherlicht zu dem Gelichter
das sie soeben hier genannt"
(Für jene die die Oper nicht kennen: Das "Gelichter" das Van Bett
hier anspricht entpuppt sich dann als der französische Gesandte, der englische Botschfter und der Zar persönlich)
Hier sei noch eine Arie genannt, die gern gestrichen wird, weil
sie "so ernst" ist, und gar nicht in die Oper passt.(!!! :D)
Es handelt sich um :"Verraten, ach Verraten" eine Arie, die der Zar singt, als er erfährt, daß Unruhen im Moskau sind.
Die Arie ist über alle Maßen pathetisch und aus meiner Sicht
eine Verspottung etlicher bereit damals bekannter Opern
Hier der Text (aus dem Gedächtnis) einer Passage
"Verräterblut soll färben
das blanke Henkerbeil
damit sie sühnend sterben
dem Vaterland zum Heil"
Aus meiner Sicht, im Kontext mit dem restlichen Werk, als pure Parodie zu werten. Beweisbar ist das natürlich nicht, aber wenn man sich Lortzings Humor, durch die Texte all seiner Werke ansieht, ist dieser Schluß schon naheliegend. Andrerseits haben wir hier ein Problem: Der Zar war nun mal eine historische Persönlichkeit, und so harmlos freundlich wie er in der Oper geschildert wird war er ja nun wirklich nicht.
Ansonst - Lachen pur - vor allem für jene, die auch Sinn für Doppelbödiges haben. Leider ist das Werk eher auf der Bühne
optimal zu realisieren, als auf Tonträger, deshalb gibt es auch nicht allzuviele.
Aus meiner Sicht ist schon allein die Rolle des van Bett schwierig zu besetzen, er sollte ein Baßbuffo von hohen Gnaden sein.
Solche gibt es natürlich - aber leider meist nicht im deutschen Sprachraum, wo Lachen selbst bei komischen Opern als unanständig gilt.
mit freundlichen Grüßen aus Wien
Alfred