Kaikhosru Sorabji

  • “Sorabji ist ein Komponist, Pianist und Denker sui generis; sein gewaltiges pianistisches Universum ist unwiderstehlich und auf eigenartige Weise anders als alle Musik vor oder nach ihm.” So steht es im Beiheft der CD “100 Transcendental Studies” (1-25, Frederik Ullén (piano), BIS-CD-1373). Diese CD enthält 25 in Charakter und Aufbau sehr variable Stücke. Ich höre sie lieber “häppchenweise” und konzentriert. Es gibt darauf Stücke, die erstaunlich und hochvirtuos sind, aber auch etwas bizarr, weshalb mich dann bald ein Gefühl der Ungastlichkeit beschleicht. Andere Stücke sind dagegen betörend schön, und laden zum Träumen ein. Z.B. gefallen mir sehr Nr. 14 “Tranquillamente soave” und Nr. 20 “Con Fantasia”: (zu Nr. 14 im Beiheft:) “Ein orientalischer Teppich aus endlosen, ziellos strömenden Melodielinien. Sorabjis grosse Originalität – auch im Vergleich zu den Kompononisten des Westens, die er tief bewunderte – zeigt sich in Stücken wie diesem: Musik aus hochkomplexen, unablässig sich wandelnden Mustern, der jegliche Dramaturgie oder innere Gerichtetheit fehlt.”
    Dieses feinwebige Mäandern kann Sorabji auch in ganz Gross: “Fantasia ispanica” (Jonathan Powell (piano), Altarus AIR-CD-9084) empfinde ich als eine sehr angenehme Stunde Klaviermusik, die für mich keine Wünsche offen lässt. Ob darin “Dramaturgie oder innere Gerichtetheit” fehlen? Für mich ist das keine wichtige Frage, ich bin froh, Sorabji entdeckt zu haben. Von den “Transcendental Studies” ist ein zweiter Teil eingespielt. Ob ich ihn mir kaufen werde? Vielleicht. Sicher. Wünschend: “Sieh mal, der zweite Teil, da sind vielleicht noch mehr dieser subtilen, mysteriösen Nocturnes dabei.”


    Viele Grüsse
    Julius

    Julius


  • Hallo, Julius!


    Du beziehst Dich bei Deinem Zitat auf obige CD, die ich auch besitze. Mittlerweile (seit Juli 2009) gibt es die folgende Fortsetzung, während die Nummern 44 bis 100 offensichtlich noch nicht erschienen sind.



    Auch einige weitere der gigantischen Klavierzyklen mit ihrem mystizistischen Anspruch, wie wir ihn von Scriabin her kennen (der sich aber zumeist deutlich kürzer gefasst hat :D), sind auf CD erschienen.


    Ich könnte mir vorstellen, die zweite obige CD zu erwerben, und hätte dabei ähnliche Wünsche wie Du - wobei ich mir streng genommen keine wesentlichen Überraschungen mehr erhoffe.


    Wenn auch klanglich anders geartet, so erinnert mich Sorabji in gewisser Weise an die experimentellen Studien von Conlon Nancarrow. Ein kaum mehr zu steigernder technischer Anspruch wird zwar nicht mehr mit primär romantischen oder impressionistischen Figurationen erreicht, auch nicht im Sinne eines paradoxen Über-Jazz wie bei Nancarrow, es bleibt aber auch in dieser recht modernen Musik der Eindruck des Überzüchteten, Selbstzweckhaften hinter einer genialischen Attitüde, die sich vielleicht doch eher in den philosophischen Ideen als in der musikalischen Umsetzung artikuliert.


    Eine neue, raffinierte Hörerfahrung stellt die erste CD allenthalben dar. Mal abwarten!


    Besten Gruß!


    Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ein absolutes Muss gerade auch für Sorabji-"Einsteiger" ist die erste Klaviersonate in einem Satz. Scriabinesk, sehr dicht, in spätromantischer chromatischer Tonalitätsauflösung und lüstern dyonysisch noch sehr "europäisch". Die Art der Themenverarbeitung ähnelt sehr die der 4. Sonate Scriabins.



    Es gibt eine Aufnahme von Marc-André Hamelin (damals noch nicht bei Hyperion) und auch einen Livemitschnitt (erhältlich bei mir auf Anfrage ;) )


    Guten Rutsch!

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Die habe ich auch - genau in dieser Aufnahme.
    Sehr effektvolles Geklimper.
    :D
    Höre ich aber nur sehr selten, da es sich doch etwas rasch abnutzt.


    Bei all der Vergleicherei - ich würde am ehesten Havergal Brians "wilde" Phase der 30er Jahre (z.B. 3. Sinfonie, Violinkonzert) dagegensetzen - auch dort viel ausufernde Phantasie, großer Effekt, post(?)romantischer Stil aber etwas ohne Ziel und Architektur.
    :hello:

  • Nunja, ich kann mich deiner Einschätzung des effektvollen Geklimpers, das sich etwas rasch abnutzt nun wirklich nicht anschließen. Ich finde insbesondere die erste Klaviersonate ein sehr, sehr gehaltvolles Stück. Was ich verstehen kann, ist daß es vielleicht nicht jedermanns Hörerwartung trifft.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

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  • Zitat

    Original von bubba
    Nunja, ich kann mich deiner Einschätzung des effektvollen Geklimpers, das sich etwas rasch abnutzt nun wirklich nicht anschließen. Ich finde insbesondere die erste Klaviersonate ein sehr, sehr gehaltvolles Stück. Was ich verstehen kann, ist daß es vielleicht nicht jedermanns Hörerwartung trifft.


    Na, das mit dem Geklimper war nicht abwertend gemeint. Aber die Abnutzung befürchte ich wirklich.


    Dafür verstehe ich die Hörerwartung nicht ;) wie soll die denn aussehen?


    Wie gefallen Dir denn die Klaviersonaten von Ives, die Klavierstücke von Schönberg, Bartok, Cowell, Rosslawetz, etc?


    Vielleicht ergibt diese meine Frage ja so etwas wie meine Hörerwartung für ein Stück, das 1919 von einem relativ jungen Komponisten geschrieben wird ... aber ich erwarte nicht von jedem, zur "Speerspitze der Avantgarde" zu gehören, Korngolds Klavierkonzert von 1922 schätze ich durchaus - aber das läuft ja nicht Gefahr, als formlose Effektansammlung kritisiert zu werden. Und die Sorabji-Sonate schätze ich ja auch, nur bin ich doch ein klein wenig skeptisch ...

  • Von Schönberg kenne ich nur op.11, op.23 und op.25 - und ich schätze sie sehr. Insbesondere die Glenn Gould Einspielung ist grandios.


    Von Ives kenne und habe ich die beiden Einspielungen von Marc-André Hamelin der Concord-Sonate, wobei mir die erste Einspielung sehr viel besser gefällt. Außerdem habe ich mir die CD "Ives Plays Ives" (Aufnahmen von 33-44) vor langer Zeit gekauft und finde diese höchst beeindruckend.


    Von Roslavets habe ich ausschließlich die wohlbekannte CD mit Marc-André Hamelin. Da diese CD dir wahrscheinlich bekannt sein dürfte, erübrigt sich jeder Kommentar außer :jubel:


    Cowell Kenne ich von einer Schallplatte mit der Pianistin Sorrel Doris Hays. Darauf ist leider keine Sonate. Aber was man mit einem Klavier für Klänge machen kann, ist schon sehr beeindruckend.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Zitat

    Wenn auch klanglich anders geartet, so erinnert mich Sorabji in gewisser Weise an die experimentellen Studien von Conlon Nancarrow. Ein kaum mehr zu steigernder technischer Anspruch wird zwar nicht mehr mit primär romantischen oder impressionistischen Figurationen erreicht, auch nicht im Sinne eines paradoxen Über-Jazz wie bei Nancarrow, es bleibt aber auch in dieser recht modernen Musik der Eindruck des Überzüchteten, Selbstzweckhaften hinter einer genialischen Attitüde, die sich vielleicht doch eher in den philosophischen Ideen als in der musikalischen Umsetzung artikuliert.


    Danke Wolfgang, das war ein interessanter Vergleich. Ich fand eine CD mit Conlon Nancarrow-Stücken in der Bibliothek, lieh sie mir aus, und stimme voll zu, dass K. Sorabjis und C. Nancarrows Klaviermusik Gemeinsamkeiten haben. Die Musik beider ist anspruchsvoll und fordernd. Nancarrow schreibt ja gleich fürs mechanische Klavier, und die –wozu eigentlich unternommene?- Realisierung für vierhändiges Klavier (die Bibliotheks-CD) erfordert “präzise Hand- und Armkoordinationen”. Es sind kurze Stücke, die ich mir nur schwer länger vorstellen kann: das wäre, wie wenn man einen einstündigen Witz ersinnen wöllte. Für meinen Geschmack bin mit der einen Nancarrow-CD etwas überversorgt. Anders mit Sorabji. Ich hatte dann die “Fantasia ispanica” nochmal mir angehört, und befunden, dass dies eine entspannt anhörbare, regelrecht schön zu nennende Schöpfung ist, die – so las ich im Textheft – mehr an authentischer spanischer Musik gehalten ist, mehr an Albéniz “España” als an die Spanienimpressionen von Debussy. Albéniz hatte ich mir nur wenig angehört, also stelle ich doch mal Albéniz an, dachte ich, und wirklich, Sorabji hat´s voll getroffen. Sorabji klingt wie Albéniz, und um die beiden auseinanderzuhalten, musste ich etwas länger hinhören. Denn Sorabjis Musik hat ja noch das Sorabjihafte, welches eine Art Flechtkunst ist, die auf scheinbar natürlichste Weise ein Muster auflöst und ein neues bildet. Und dahinein hat Sorabji hier Albéniz geflochten. Es gibt z.B. eine “Quasi Habanera”, 24 Minuten lang.
    Während ich diese Zeilen schrieb, wurde ich gebeten, die “Quasi Habanera” abzustellen. Es sei doch nicht auszuhalten. Das hätte aber genausogut Albéniz getroffen. Selber bin ich seit Wochen in einem schweren Brucknerrausch und obwohl ich die Transzendental Studies in der Hand hielt, kaufte ich sie nicht. Aber trotzdem: Sorabji gefällt mir.


    Viele Grüsse
    Julius

    Julius

  • Für alle an Details interessierten sei hier der Link zum englischsprachigem Sorabji-Archiv samt aktivem (tatsächlich hochkompetenten - dort gibt es Komponisten, Musikwissenschaftler und keinen geringeren als Jonathan Powell) Forum.


    http://www.sorabji-archive.co.uk


    (Nein, Moderation, das ist nun wirklich kein Feindforum.)

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Hallo,




    Sorabij's Klavierwekre sind wirklich nichts für das normal Ohr! Selbst einem eingefleischten Klavier-Fanatiker wie mir ist der Zugang schwer! Dabei ist seine Musik wirklich "pianistische" angelegt....und bschäftigt sich mit der ROmantischen-Spätromantischen-angehende Modernen Klaviermusik! Dazu kommen noch "indische" Gewürze; eine bizzare Tonsprachen die in mehreren Schichten und Ebenden Musikalische Themen verarbeitet.


    Den größten Einlfuss ...so emfpinde ich es....hat die Tonwelt Scriabins in Sorabji Schaffen! Wobei er ihn nicht kopiert...wie viele andere sondern sich die Behandlungs des Kalvierpartes zu eigene gemacht hat....und sie mit seiner eigen Tonsprache verbindet!


    Beim Anhören von "Gulistan", einem fast 1 Stündigen Werk, bekommt man einen Schauer: Alles zerfließt und scheint sich aufzulösen...aber wohin? Die Musik strömt ins "Nichts"....


    ICh frage mich, ob da nicht doch vielleicht einen Art "Droge" im Spile ist. Mir komtm es so vor, als wäre sich der horbare Genuss dieser Musik erst unter einem "Bewusstseins-erweiternde" Einfluss wirklich erschlißen!!!


    Hm sicherlich ein weiters Feld der Spekulation: klingt musik unter Drogeneinfluss anderes!?


    Sorabji Musik....wirkt auf mich wie eine Droge an Tönen und verschwommenen Melodien! Interessant...und am Ende doch zu bizzar um sich noch daran richtig zu erinnern!




    Für Pianisten sicherlich ein Prüfstein an Geduld, Ausdauer, Beherrschung und Nerven! Für den Zuhörer eine Hrausforderung an seine Aufnahemfähigkeit! In jeden Fall aber exotisch pianistisch:-)




    Gruß NIko




    P.S. ich höre gerade "Gulistan"....

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  • Liebe Klaviermusikfreunde,


    in meiner unermüflichen Entdeckungsreise durch den Klavierkosmos stoße ich in letzter Zeit immer wieder auf Sorabij. Meine letzte Meinung/Impression (siehe oben) muss ich etwas revidieren. Daher ein neuer Höreindruck in jüngster Zeit:


    Piano Transcriptions von Ravel/Bach/Chopin Pianist Michael Habermann.


    Diese interessante CD beschäftigt sich mit einigen der Transkriptionen einiger Werke von Ravel, Bach und Chopin. Sowie der Passeggiata Veneziana, einer 6 teiligen Homage an die Italienische Musik. Gerade in seinen Transcriptionen zeigt Sorabij sich als bekennder Liebhaber nicht nur einiger Werke von Ravel, Bach oder Chopin, sondern als durch und durch getriebener Pianophieler Meister, der seine persönliche Referenz den älteren gegenüber Kollegen erweist.


    Kaum einer käme auf die Idee, die Rapsodie espagnole von Ravel von der wunderbaren 4 händigen Fassung Ravels auf eine 2 händige Fassung zu reduzieren? Warum auch? Ravel schreibt einen perfekten Klavierpart....der keine Wünsche offen lässt. Und gerade da scheint Sorabij den Reiz zu verspühren seinen persönliche Version von diesem Werk darzulegen. Was dabei rauskommt ist eine schräge faszinierende Fassung, die einen verstörten Ravel presentiert....und einen siegreichen pianistischen Sorabij zu Tage bringt.




    Sicher kein Fall für Puristen. Die Reduktion auf zwei Hände gelingt Sorabij nur durch Verwendung seines "überdimensionalen" Klaviersatz, der "mehrschichtig" die Klangentfaltung der Ravelschen Musik zerr-gliedert in Melodie-Linien aber auch in Ryhtmische Fragmenten. Besonders in der "Freia", dem brillianten Endstück gefällt sich Sorabij in der Rolle des genialen Improvisators, der die Motive des Stückes herumwirblt....meist nur noch Bruchstückhaft Ravel durchklingen kässt. Es lässt sich nur noch Vermuten, welchen Anstrengungen es dem Pianisten kosten muss, sich durch den Wust an Stimmen zu kämpfen.


    Habermann, ein versierter Sorabij Kenner und Interpret gelingt es nicht immer zweifelsfrei zu überzeugen. Klavieristische scheint er wenige Mühe zu haben, sich durch zu kämpfen. An manchen Stellen geht ihm aber der natürliche " Impuls" der Musik verlohren. Die Rythmischen Verzerrungen, die sich aufgrund der Komplexität der verschiedenen Klangeben ergeben, gehen zu Lasten der Klaren Struktur des Werkes von Ravel. Immerhin bleibt die persönliche Homage an Ravel......Sorabij hat seinen Kollegen und dessen Klaviermusik verehrt.


    Indessen gelingt ihm die Transcriptions des "Finales aus Chopin b-moll Sonaten erstaunlich gut. Diese verrückte Stück ist schon in der original Fassung von Chopin etwas rätselhaft. Sorabij versteht es hier, den düsteren Charakter ganz für sich zu verwenden....und macht daraus einen Geisterritt der dem Grundcharakter der Musik sehr nahe kommt.




    Als letztes wird noch die Chromatische Phantasie und Fuge von Bach durch Sorabij presentiert. Auch hier ist das Ergebnis eher eine Sorabij der im Stile Bachs improvisiert als eine tatsächliche Transcription....wie sie ja Busoni in einigen Werken Bachs erfolgreich geschafft hat.


    Was bleibt ist einen durch und durch pianistische Grenzerfahrung in jeder Hinsicht, die sicherlich nur einem absoluten Kenner und Liebhaber der klaviermusik gefallen dürfte. Fraglich, ob dieses Randrepertoire jeh den Konzertsaal erreichen wird!!! Vielleicht muss es das auch nicht......!
    :whistling:



    GrußNiko

  • Ich habe Habermanns Album auch und habe im großen und ganzen einen ähnlichen Eindruck gehabt. Unter dem Strich kenne ich jedoch nichts von Sorabij, das mich so sehr überzeugt hätte, dass ich es öfters hören wollte... Vielleicht brauche ich auch einfach noch mehr Zeit für ihn.