Earl Wild verstorben - Ein grandioser Virtuose ist abgetreten

  • Im Alter von 94 Jahren ist am 23.01.2010 der amerikanische Pianist Earl Wild verstorben.


    Mir scheint, daß dieser große Meister hier in Deutschland bei weitem nicht die Wertschätzung erfahren hat, die ihm zugestanden hätte. Bekannt wurde er durch die Uraufführung der Rhapsodie in Blue unter der Stabführung von Toscanini. Zugegeben, ein Hybridwerk, mit dessen Interpretation man sich in bestimmten "durchgeistigten" Kreise nicht unbedingt Freunde sammelt (zumal in Deutschland).


    Unstreitig aber auch dies: Earl Wild verfügte über eine nahezu unglaubliche Technik und Virtuosität, die ihresgleichen suchte.In den 1960er Jahren enstanden viele Aufnahmen für Readers Digest. Solche Plattenclub-Aufnahmen haben es freilich schwer, eine vergleichbare Popularität zu erreichen wie jene der großen Label, die in den meisten Plattenläden zu finden waren.


    Das ändert nichts daran, daß die Aufnahme der Klavierkonzerte Rachmaninovs unter dr Leitung von Jascha Horenstein zum Fulminantesten in der Diskographie dieser Werke gehört. Das Label Chandos hat die Aufnahme ausgegraben und als CD verfügbar gemacht.



    Somit eröffne ich hiermit einen Thread zu Earl Wild, aus traurigem Anlass, verbunden aber mit der Hoffnung, diesen grandiosen Pianisten in Erinnerung zu halten.


    R.I.P


    Liebe Grüße vom Thomas :(

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Danke Thomas für die Eröffnung eines Threads über diesen sicher bedeutenden Pianisten, wenn auch aus traurigem Anlass.


    Als ich es las, musste Max Lorenz leider aus dem Player raus und meine einzige Earl-Wild- Aufnahme kam hinein:



    Earl Wild selber ist mit mit Benny Goodman bei der Rhapsodie und dem "Amerikaner" vertreten.


    Zusammen mit Toscanini ein hochklassiges Trio. Hier halten sie genau die Waage zwischen Klassik und Jazz und finden dadurch einen neuen (amerikanischen) Weg und demonstrieren einmal mehr die große Klasse Gershwins. Solch ein Crossover lasse ich mir gefallen.


    Auf der offiziellen Website von Earl Wild findet man übrigens Angaben zu seiner sehr umfangreichen Diskographie, vieles bei Ivory Classics verlegt. Da er noch mit 90 Jahren Konzerte gegeben hat, kommt da ja einiges zusammen.


    :hello: Gustav

  • Kennengelernt habe ich Earl Wild mit seiner tollen Medtner-CD.

    :jubel:


    Danach habe ich "The art of transcription" aus der Reihe "great pianists of the 20th century" gehört. Auch dort ist er voll in seinem Element.
    Er war einer der wenigen Pianisten, die sich zeitlebens mit abseitigem Repertoire beschfätigen. Aus dieser Tradition enstehen Festivals wie Husum oder Schwetzingen. Hoffen wir, daß sie nicht ausstirbt - momentan sieht es gut aus, Stephen Hough und Marc-André Hamelin seien genannt.

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Lieber Thomas ,


    lieber Gustav :



    " Wie kann ein Pianist , der Gershwins F-Dur.Konzert spielt und die'Rhapsody in blue' spielt , ernst genommen werden ?" fargte sich Harold C Schonberg 1978 .


    In Deutschland war gershwin auch bei Karajan eher ein "no go" , wie wir durchweg seinen Biographen entnehmen können , obwohl Karjan sonst Neuem keinswegs gegenüber verschlossen war . In Ozawa hatte er einen Schüler für solche Kompositionen ( etwa in dem Berliner konzert wie der Verfilmung und Aufnahme mit Alexis Weissenberg ).


    Thoma s hat hier Recht ,wenn er schreibt , dass ein Werk wie die 'Rhapsody in Blue' besonders und gerade in Deutschland das sog. Klassikpublikum eher dazu verleitet , die Nase zu rümpfen .


    Ich selbst gestehe sehr nachdenkleich, dass ich das Werk auch nur zweimal in langen Jahren live erleben konnte .


    Und bei manchem Pianisten, der es gespielt hat , wird es auch besser nicht einmal erwähnt . Dabei istes rein technisch schwierig . 1942 war Earl Wild 27 Jahre jung als er unter der Stabführung ausgerechnet von Arturo Toscanini das Konzert spielte und so schlagartig zu Ruhm kam - als Gershwin - "Spezialist" , was einmal mehr beweist, wie vorsichtig wir mit jeder Etikettierung sein müssen .


    A b e r : Earl Wild hatte , ähnlich Jorge Bolet , lange vor der allgemeinen Liszt - Renaissance mit grossratigen Liszt - Abenden begonnen , dessen Werke öffentlich bekannt zu machen ! Dies war in den grossen Jahren von Wild nicht ohne Risiko , weil ein Künstler somit schnell ein weiteres Etikett bekam . Seine Interpretation der h - Moll - Sonate von Franz Liszt ist sehr hörenswert ( Ivory Classics ) .


    Auch den Solopart in Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert interpretierte er so, dass Kenner gerne zu dieer Aufnahme greifen , wenn sie verschiedene Aufnahmen vergleichen möchten ( Label : Ivory Classics / Reader's Digest ). Die grosse Verbreitung von "Reder's Digest" machte Earl Wild einem breiten publikum bekannt .


    Herauszuheben aus der Diskographie sind das Klavierkonzert Nr. 1 von Scherwenka mit Erich Leinsdorf und das a - Moll - Klavierkonzert von Paderewsky mit Fistoulari als Dirigent und dem london Symphony Orchestra .


    Sehr lange musste der Musikfreund in Deutschland warten bis die Gesamteinspeilung der 4 Rachmaninov - Klavierkonzerte hier zugänglich waren . Es waren tatsächlich direkt Liebhaber- und Sammlerpreise , die man zahlen musste .


    Ich bin damals extra zu "saturn" nach Köln , Hansaring , gefahren , weil damals nur dort je eine Aufnahme lagerte .


    Wild war ein Schüler eines Schülers von Scherwenka und d'Albert gewesen . Stunden in New York hatte er bei EgonPetri und F. Busoni . Er besuchte in NYC alle Konzerte der Grossen der damaligen Zeit, wovon ihn Josef Hofmann , J. Lhévonne , Schnabel und Gieseking nach seinen Aussagen am stärksten mit ihrem Spiel beeindruckt haben .


    Anders als etwa Artur Schnabel war Wild ganz in der Interpretationskultur des 19. Jahrhunderts verwurzelt geblieben .


    Wild war im Zweiten Weltkrieg in der US - Armee als Soldat aktiv .


    Später war er 8 Jahre lang Lehrer an der Juillard School of Music in New York .


    Nachteilig für ihn und seine Karriere war immer, dass er - wie Byron Hanis - nie einen der bedeutenden Klavierwettbewerbe gewonnen hat , obwohl diese im grunde nicht sehr viel über eine Karriere aussagen müssen .


    Eine Anmerkung : Wer Earl Wild anhand des CD - Sets in der Edition "Great Pianists of the 20th Century" ( Februar 1999 ) kennt, der wird zu Recht sagen , das solch ein Pinaist mit solchen Werkzusammenstellungen sicherlich nicht in diese Reihe gehört hätte .


    Wild selbst hatte bei dieser Zusammenstellung auch aus rechtlichen Gründen das letzte Wort .


    Zufällig habe ich an anderer Stelle einen us - amerikanischen Musikfreund kennengelernt, der Wild im Konzert mehrfach , auch gerade mit Rachmaninov , erlebt hat. Sein Eindruck war der , dass er seine pianistischen Leistungen mit den von Byron Janis ( ebenfalls bei Rachmaninovs Klavierkonzerten) verglich . Da unsere Diskussion noch nicht abgeschlossen ist , kann ich aktuell nicht mehr dazu schreiben.



    Beste Grüsse



    Frank



    __________________________________________



    @ Gustav :


    Matthias Kornemann


    Johannes Brahms


    Ellert & Richter Verlag , 2006


    Mit einer CD


    Reihe . Hamburger Köpfe


    Edition "ZEIT-Stiftung" Gerd Bucerius


    Mitinitiator : Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank!


    Vielen Dank für deine weiteren Informationen zu Earl Wild. Erstaunlich, dass das Vorurteil gegen Jazz und Gershwin (Porter etc. wohl ähnlich) sich in deutschen Klassikkreisen immer noch hält und wenn nicht, dass die einmal gefassten Vorurteile immer noch nicht überprüft werden.


    Die Rhapsodie habe ich übrigens immer sehr geliebt. Für mich ist sie, vor allem mit der Klarinette zu Beginn, immer Inbegriff der modernen amerikanischen Städte und ihres Lebens, des amerikansichen "Way of Live" im 20.Jhrdts. gewesen. John Dos Passos Amerika-Trilogie und die Rhapsodie gehören für mich untrennbar zusammen.


    (Auch wenn es eigentlich in diesen Thread nicht gehört: Besonderen Dank für deine Angaben zu Kornemann. Damit wird es jetzt wohl klappen.)


    :hello: Gustav

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  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Bekannt wurde er durch die Uraufführung der Rhapsodie in Blue unter der Stabführung von Toscanini. :(


    Vielleicht darf ich anmerken, dass es weder Earl Wild als Pianist noch Arturo Toscanini als Dirigent waren, die die "Rhapsody in Blue" uraufgeführt haben. Die Uraufführung vom 12. Februar 1924 bestritten George Gershwin am Klavier und Paul Whiteman als Dirigent des Palais Royal Orchestra in New York. Der am 26. November 1915 geborene Earl Wild war am Tag der Uraufführung acht Jahre alt. Den Klavierpart in Gershwin Rhapsody in Blue spielte er erst etwa 17 1/2 Jahre später mit Toscanini und dem NBC Symphony Orchestra (mit dem Gastsolisten Benny Goodman) am 1. November 1942 in New York. Das Konzert wurde im Rundfunk übertragen und ist auf der von Gustav abgebildeten CD erhältlich.

  • [quote]Original von Frank Georg Bechyna


    Auch den Solopart in Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert interpretierte er so, dass Kenner gerne zu dieer Aufnahme greifen , wenn sie verschiedene Aufnahmen vergleichen möchten ( Label : Ivory Classics / Reader's Digest ).
    Wild war ein Schüler eines Schülers von Scherwenka und d'Albert gewesen . Stunden in New York hatte er bei EgonPetri und F. Busoni . Er besuchte in NYC alle Konzerte der Grossen der damaligen Zeit, wovon ihn Josef Hofmann , J. Lhévonne , Schnabel und Gieseking nach seinen Aussagen am stärksten mit ihrem Spiel beeindruckt haben .


    Anders als etwa Artur Schnabel war Wild ganz in der Interpretationskultur des 19. Jahrhunderts verwurzelt geblieben .



    Hallo Frank,


    es wird an diesem Forum- aus meiner Sicht -immer dann besonders interssant und auch spannend, wenn unsere subjektive Wahrnehmung Blüten treibt...auf Deutsch gewichtige Gegensätze und Meinungsunterschiede auftreten.


    Für Earl Wild spricht: daß ich ihn nur einmal LIVE erlebt habe.


    Für MICH war es absolut grauenhaft:


    Es war vor ca 30 Jahren in NY mit den NY Philh Orch. unter Sergiu Commissiona.... es gab das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky.......
    und ich habe nur eine einziges Draufgedresche in Erinnerung....es war grauenhaft!!!
    Selten gab es ein so NEGATIVES Konzerterlebnis in meinem Kopf zu verzeichnen.
    Natürlich weiß ich nicht, ob der Pianist einen schlechten Tag erwischt hatte.......
    aber "musikalisch " konnte ich NICHTS genießen.


    Auch ein Virtuose muß das Klavier nicht vergewaltigen...aber genau so hab ich Earl Wild mit seinem oberflächlichen, effekthascherischen Klavierspiel erlebt.


    Es war richtig SCHLECHT.


    Gruß........."Titan"

  • Zitat

    Original von Titan
    Für MICH war es absolut grauenhaft:


    Es war richtig SCHLECHT.


    Den Klavierpart der Rhapsody in Blue spielte Wild auch meiner Meinung nach nicht gerade berauschend. Kein Vergleich mit den zahlreichen Referenzaufnahmen des Werks (z.B. mit den Pianisten Julius Katchen oder Leonard Bernstein).


    Ich möchte aber niemandem Earl Wild schlechtreden, der ihn gut findet und deswegen jetzt seinen Tod betrauert. Fans bitte ich daher, meine Meinung zu überlesen.

    Einmal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()

  • @ T i t a n :



    Ich hatte nur Earl Wild selbst zitiert .


    Dein Eindruck in einem Livekonzert wurde auch von Dr. Matthias Kornemann in seiner Besprechung der Edition "Great Pianists of the Century" geteilt ( RONDO ; Archiv ) .



    Genau kann ich mich an die Aufnahmen der Rachmaninov - Klavoierkonzerte erinnern , weil sie lange nicht und dann plötzlich bei "Saturn" in Köln , Hansaring , erhältlich waren .



    Die Aufnahmen werden auch heute noch in den USA und Canada sehr unterschiedlich besprochen . Insgesamt aber eher positiv .


    Da ich damals eine kline Sammlung der Rach - Klavierkonzerte hatte , war ich nach Köln gefahren ; und muss sagen , dass es wesentlich bessere Aufnahmen der einzelnen Konzerte gibt .


    Grundsätzlich bin ich schon dafür , dass man Aufnahmen schon Ruhe zu Hause - oder ggf. zunächst bei Bekannten in Köln - hören sollte, um etwas über eine Interpretation sagen kann .


    Nicht jeder , der bei Josef Hofmann Stunden gehabt hatte ( grosse Ausnahme war Cherkassky ) , hat auch nur annähernd das Format des Meisters gehabt .



    Artur Schnbael war ein ganz andeer Typ von Musiker wie auch Pianist als Earl Wild .


    Und wer mit , besser unter, Toscanini gespielt hat, der konnte , besser durfte , auch sein ganzes künstlerisches Poteial am Auführungsabend beweisen .


    Das beste Besipiel für mich ist Ania Dorfman .


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin