Streichquartett -Ensembles : Vol 5 - Die Historischen

  • Dieser Thread verdankt seine Existenz einer Frage welche im Thread


    Streichquartett -Ensembles : Vol 1 - Die Verblichenen


    gestellt wurde: "Wie weit darf man denn zeitlich zurückgehen ?
    Diese Frage wird im einzelene von jedem anders gesehen und beantwortet werden. Dennoch gibt es eine Zäsur - oder meinetwegen zwei - in der Geschichte der Tonaufzeichnung. Die eine bezieht sich auf jene zwischen MONO- und STEREO-Aufnahmen, die andere auf HIFI (mono) und Schellackklang. Eine weitere Zäsur, nämlich jene zwischen elektrischer und akustischer Aufnahme (etwa um 1925) wird in der Regel nicht mehr beachtet.
    Ich bin also dafür, daß in diesem Thread vorzugsweise jene Streichquartett-Ensembles Erwähnung finden, welche ihre Aufnahmen VOR 1945 (nur ein Richtwert) gemacht haben, wo das Klangbild als schon als "ausgeprägt historisch" zu sehen ist - etwa im Gegensatz zu "verblichenen " Streichquartetten, deren Klang uns in HIFI Stereo überliefert ist, wenn nicht gar in Digitaltechnik....


    Im Falle von MONO Aufnahmen wird es wohl immer ein Grenzfall sein, ih würde meinen, man sollte die Grenze hier einerseits flexibel sehen - vielleich abhängig von der Unverfärbtheit des Klanges.....


    Hier ergibt sich schon die erste Frage dieses Threads:


    Während Stimmen mehr oder weniger einzigartig sind und nicht durch "neuere Aufnahmen" obsolet werden - ich denke hier etwa an Caruso - stellt sich die Frage inwieweit Streichquartettformationen aus der Steinzeit der Tonaufzeichnung heute noch musikalische Ansprüche abdecken können, bzw es nicht können. Gehen "musikalische Feinheiten" im Grundrauschen der Aufnahme unter, macht ein eingeschränkter Frequenzumfang die Bemühungen der Ausführenden zunichte???


    mfg aus Wien


    Alfred



    Weitere Threads aus dieser Serie:


    Streichquartett -Ensembles : Vol 1 - Die Verblichenen
    Streichquartett -Ensembles : Vol 2 - Die Etablierten
    Streichquartett -Ensembles : Vol 3 - Die Newcomer
    Streichquartett-Ensembles - Vol 4: Personelle Umbesetzungen in Streichquartetten
    .

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Und hier ist schon unser 1. Kandidat, das Wiener Konzerthaus-Quartett.
    Da es schon über einen eignen Thread verfügt, ist es angebracht, daß ich mich kurz fasse.


    Wiener Konzerthaus-Quartett - Blick in die Vergangenheit


    Denoch gehört es hierher, weil es alle Kriterien erfüllt.
    Einerseits ist es bereits historisch, die Aufnahmen stammen durchwegs aus der Mono-Zeit
    Andererseits sollte man Aufnahmen davon kennen, auch wenn Wikipedia das Ensemble nicht
    aufgelistet hat.


    Die Aufnahme der Schubert Streichquartette zählt vermutlich zum Schönsten überhaupt, was hievon aufgenommen wurde.



    Liehaber des melancholisch, lieblichen Klanges, denen heutige Formationen Schubert zu "harsch" spielen, werden vermutlich voll auf ihrer Rechnung kommen.


    Die Aufnahme ist ein Musterbeispiel dafür, daß historische Aufnahmen nicht nur mit ihrem musikgeschichtlichem Wert punkten können, sondern auch gut klingen zu vermögen. Denn das ist hier duichaus der Fall. Die Aufnahme ist MONO - aber nicht flach, und zudem sehr präsent, der Klangcharakter der Instrumente ist sehr natürlich eingefangen, die Transparenz ist ausgezeichent - ohne überanalytisch zu sein.


    Man kann in die Klangbeispiele hineinhören, wobei ich anmerken möchte, daß die CDs etwas farbiger und transparenter klingen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieses Ensemble - ich besitze Aufnahmen von 1950 bis 1956 - besticht durch die Realisierung vor allem der Wiener Klassik bis hin zu Schönbergs ,,Verklärter Nacht" in der Streichsextettfassung, aufgenommen 1950, wahrscheinlich unter der Patronanz des Komponisten, der ja 1951 in Holywood einer Herzattacke erlag, sowie das 2. Brahms-Quartett und vor allem das Schubert-Streichquintett mit Kurt Reher am 2. Cello - für mich Interpretationen von eindringlicher Dramatik, aber auch von großer Ausdruckskraft und Schönheit in den lyrischen Passagen.


    Weit über die Klassik-Szene hinaus wurde das Hollywood String Quartett durch seine Zusammenarbeit mit Frank Sinatra im Tonstudio bekannt.


    Schöne Grüße aus Wien
    Fritz

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Eines der bedeutendsten Streichquartette des 20. Jahrhundert war sicher das Budapest Streichquartett, dass zum Ende hin ausschließlich aus russischen Emigranten bestand :D . Ihre Beethoven Aufnahmen gelten nach wie vor als ein Meilenstein der Plattengeschichte, vor allem die Monoaufnahmen von Anfang der 50er Jahre.



    Guterhaltene Schallplatten mit diesem Quartett zu finden, ist relativ schwierig. Die meisten Platten der 50er Jahre wurden durch mangelhaftes Equipment und schlechte Pflege relativ schnell ruiniert. Da gab es 10er Wechsler, wo die Platten zigfach aufeinanderliegend drehten und statt Diamanten Saphire, die nach kurzer Zeit abgeschliffen waren und die Rillen beschädigten. :cursing:
    Heute hatte ich aber Glück und habe für wenig Geld eine solche Schallplatte gefunden. Eine alte Philips Minigroove, Mozarts Streichquintette KV 516 und 614 sind drauf mit Milton Katims als 2. Violaspieler. Das Quartett bestand zu dieser Zeit aus Roisman, Gorodetzky, Kroyt und Schneider.
    Es macht immer wieder Freude solche alten Scheiben zu hören, wenn sie quasi im Mint Zustand sind. Die Aufnahme ist zwar Mono, aber trotzdem sehr transparent und wenn man dieses Quartett spielen hört, denkt man oft, so und nicht anders. :)

  • Lieber Lutgra,


    schön, dass Dir der Beethoven vom Budapester SQ auch so zusagt! Mich begeistert die Leidenschaft ihres Spiels immer wieder. Das gilt auch für ihre Aufnahme von Haydns op. 76, die mir vielleicht die liebste dieses Zyklus ist:


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  • Ich meine, ich hätte in einem anderen Streichquartett-Thread schon mal einen Beitrag zu dem Ensemble geschrieben, finde aber momentan nichts. Wie bei vielen Kammermusikensembles der Vergangenheit ist das praktische Problem, dass sehr viel nur kurz auf CD erhältlich war, teils auch bei dubiosen Labels. Dazu kommt hier, dass das Quartett manche Werke drei bis viermal in unterschiedlichen Besetzungen aufgenommen hat.
    Bei Beethoven gibt es zB eine Reihe Vorkriegsaufnahmen, die Biddulph wieder herausgebracht hat, dann 4 CDs mit Aufnahmen der 1940er (Sony Masterworks Heritage), die oben gezeigte rote Box und die "Spätaufnahme" um 1960. Dazu kommen Live-Mitschnitte aus der Library of Congress. Bei Mozart, Schubert, Brahms usw. mag es nicht ganz so unübersichtlich sein (nicht ganz so viele Aufnahmen), aber dafür ist noch weniger problemlos erhältlich.
    Kein Ruhmesblatt für Sony; das Ensemble dürfte von den 1930ern bis 1950ern das berühmteste Quartett der Welt (und vielleicht das erste solche Ensemble, das als internationaler Star bezeichnet werden kann) gewesen sein.



    wikipedia
    Diskographie (unvollständig)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mich wundert, dass in dieser Aufzählung auf das LaSalle Quartet verzichtet wurde (1946-1988). Repertoire war überwiegend zeitgenössisch, aber auch die späten Quartette von Beethoven (z.Zt. spottbillig beim Werbepartner mit a) und die Werke von Brahms zählen zu den berühmten Aufnahmen.


    Interessanter - wenngleich schon älterer - Beitrag: www.klassikinfo.de/Portraet-Walter-Levin.338.0.html



    Die Liste ist noch nicht ganz komplett. Sehr interessant auch die Einspielung von Streichquartetten von Michael Gielen und Arthur Schnabel, die ich nicht verlinken konnte.


    Zugang zu den LaSalles erhielt ich, indem ich zufällig auf die Zemlinsky / Apostel - Einspielung aufmerksam wurde, als sie raus kam und sie damals als LP-Box kaufte. Anschl. Nono...

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Zitat

    Mich wundert, dass in dieser Aufzählung auf das LaSalle Quartet verzichtet wurde


    Die Ursache ist, daß es bei den "Verblichenen" eingeordnet wurde. An sich habe ich - ziemlich willkürlich - die Grenze zwischen "verblichen" und "historisch" so gezogen, daß ein "historisches " Quartett noch aus Mono-Schellack-Tagen stammt, aufgelassene Quartette, welche schon in Stereo aufnahmen indes als "verblichen" eingestuft werden. Dies ist sehr willkürlich und zudem verschwommen, wenn ein Quartett beide Bereiche abdeckte. Daher sehe ich kein Problem mit einer parallelen Erwähnung - Wichtig ist ja nur, daß die betreffenden Formationen nicht vergessen werden.
    Hier eine Liste von einigen Threads aus dieser Serie....


    Streichquartett -Ensembles : Vol 1 - Die Verblichenen
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    Streichquartett-Ensembles - Vol 4: Personelle Umbesetzungen in Streichquartetten


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das BUDAPEST STRING QUARTET in der Besetzung JOSEPH ROISMAN, 1. Violine, JAC GORODETZKY, 2. Violine, BORIS KROYT, Viola und MISCHA SCHNEIDER, Cello zählte ganz sicher zu den allerbesten Quartett-Ensembles der Welt, und mit ihrer Interpretation der BEETHOVEN-Quartette waren sie in ihrer Zeit wohl second to none. Nach Einspielung der 16 Quartette überboten sich die Pressestimmen der "Time", der "New York Times" (Harold C. Schonberg!!), der "Saturday Review", und auch die "HiFi/Stereo Review, an Superlativen über die hohe Interpretationskunst, ihre vollendete Tongebung, die Verinnerlichung des Ausdrucks und die Harmonie und Geschlossenheit ihres Zusammenspiels von der ersten bis zur letzten Note. Natürlich spielte auch der wunderbare Klang der edlen Instrumente, auf denen musiziert wurde, eine Rolle für die Steigerung des Hörerlebnisses. Alle vier Mitglieder des Quartetts spielen auf kostbaren Stradivaris, ROSEPH ROISAN auf der "Betts", JAC GORODETZSKY auf der "Castelbarco, BORIS KROYT auf der "Cassavetti" und MISCHA SCHNEIDER auf dem "Castelbarco" Cello!


    Auch für mich ist ihre Aufnahme von 1951, insbesondere der Quartette op. 18, unübertrefflich, wobei mein liebstes Quartett das in G-dur Nr. 2 ist.



    wok

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  • Auch für mich ist ihre Aufnahme von 1951, insbesondere der Quartette op. 18, unübertrefflich, wobei mein liebstes Quartett das in G-dur Nr. 2 ist.


    Ich habe gestern abend im Vergleich die Aufnahme von 18.2 mit den Budapestern und den Koeckerts gehört, die ja auch zur gleichen Zeit entstanden sind. Beides sind sehr schöne und perfekt gespielte Einspielungen, die Budapester spielen das runder und abgeklärter, die Koeckerts sind etwas aggressiver im Ton, was ja zum jungen Beethoven durchaus passt. Ich kann nicht sagen, welche mir besser gefällt.

  • Ich habe gestern abend im Vergleich die Aufnahme von 18.2 mit den Budapestern und den Koeckerts gehört, die ja auch zur gleichen Zeit entstanden sind. Beides sind sehr schöne und perfekt gespielte Einspielungen, die Budapester spielen das runder und abgeklärter, die Koeckerts sind etwas aggressiver im Ton, was ja zum jungen Beethoven durchaus passt. Ich kann nicht sagen, welche mir besser gefällt.


    Das sehe ich auch so. Beide Einspielungen sind vortrefflich, und es ist schwierig, sich für eine der beiden zu entscheiden, obwohl das auch von mir von jeher hoch eingeschätze KOECKERT-QUARTETT eigentlich vor allem für seine Interpretation der MOZART-QUARTETTE berühmt ist. Die "Kockerts" spielen BEETHOVEN im Vergleich zu den Budapestern vielleicht etwas musikantischer, während die Virtuosität letzterer wohl kaum zu überbieten ist.


    wok

  • das auch von mir von jeher hoch eingeschätze KOECKERT-QUARTETT eigentlich vor allem für seine Interpretation der MOZART-QUARTETTE berühmt ist


    Gibt es denn davon Einspielungen, ich kenne nur eine einzige Aufnahme?

  • Gibt es denn davon Einspielungen, ich kenne nur eine einzi


    Hallo lutgra,


    Obwohl die Auftritte des KOECKERT-QUARTETTs mit Werken MOZARTs immer besonders mit Lob bedacht wurden, besteht an Aufnahmen von MOZART-Quartetten durch dieses exzellente Ensemble tatsächlich ein großes Manko. Soweit ich weiß, wurde auf jeden Fall das Quartett Nr. 21 KV 575 aufgenommen, auf das Du Dich vermutlich auch beziehst. Ferner andere Werke von MOZART, wie z. B. die Haffner-Serenade, die ich 1962 mit RUDOLF KOECKERT als Solisten auch in Würzburg anläßlich des WÜRZBURGER MOZARTS FESTES mit ihm unter KUBELIK hörte, mit dem das Werk auch aufgenommen wurde, ferner das FLÖTENQUARTETT mit WERNER BERNDSEN. Flöte. SCHUBERT's Forellenquintett hat man mit dem jungen CHRISTOPH ESCHENBACH eingespielt, und aufgenommen wurde auch SCHUBERT's Streichquartett Nr. 14, "Der Tod und das Mädchen." Schließlich wohl auch noch eine ganze Reihe von Werken zeitgenössischer Komponisten, und nicht zuletzt das Quartett von BRUCKNER, das RUDOLF KOECKERT entdeckte.


    Es ist außerordentlich bedauerlich, daß so wenig von MOZART aufgenommen wurde, da sich das MOZART-Spiel dieses Quartetts durch seltene Innigkeit und Homogenität auszeichnete. Ich erlebte die Koeckerts wiederholt in den 1960er Jahren in Weiden mit MOZART's Streichquartett KV 458 und dem KV Anhang 212, und dann später 1962 vor allem beim WÜRZBURGER MOZARTFEST mit den Quartetten KV 160, 173, 387, 589 und 590, sowie dem Divertimento D-dur KV 205 für Violine, Viola, Cello, Kontrabaß und 2 Hörner mit KURT RICHTER und WILLY BECK, Horn und FRANZ HÖGER, Kontrabaß, als man im Kaisersaal der Residenz an zwei Abenden diese Quartette zu Gehör brachte und dabei mit größten Ovationen bedacht wurde. Schließlich gab es dann auf der Feste Marienberg nochmals einen Kammermusikabend mit Quartetten von MOZART. Insofern habe ich dieses Ensemble schon wiederholt in Konzerten erlebt, und mein sehr positives Urteil über das Spiel dieses Quartetts deckte sich mit der unisono begeisterten Zuhörerschaft und auch Presse.


    Viele Güße
    wok

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  • Freunde historischer Streichquartett-Aufnahmen wird es freuen, zu hören, dass das Scribendum-Label eine 22 CD umfassende Box mit den Westminster-Aufnahmen des Wiener Barylli Quartetts herausbringt für vergleichsweise kleines Geld (€ 35). Die japanische Ausgabe nur der Beethovenquartette (die natürlich in der neuen Box mit drin sind) kostete das vierfache.

  • Im Rahmen meiner Recherche über die Streichquartette von Rubbra konnte ich zwar die gesuchte Uraufführungs-Aufnahme des Streichquartett Nr 2 von ihm aus dem Jahre 1952 nicht mehr finden (bzw ich fand sie - allerdings als bereits nicht mehr lieferbar gemeldet) aber ich sah zu meinem Erstaunen zahlreiche andere - noch im Katalog befindliche Aufnahmen des Griller Quartetts, welches zwar bis Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts aktiv war, indes bereits früher seine Aufnahmetätigkeit eingestellt hat, so das es meines Wissens nach keine einzige Stereoaufnahme dieses Ensembles gibt. (Bei der letzten Aufnahme mit den Streichquartetten 69-74 von Joseph Haydn ist die Klangfülle gegenüber den älteren Aufnahmen beeindruckend - hier will ich mich nicht festlegen, vermutlich aber doch "edles mono"


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !