Bernd Weikl im Gespräch mit Operus

  • Morgen Sonntag 27. November 2011 findet um 20.00 Uhr im Movimento, München, Kauffingerstraße ein Künstlergespräch des Opernclubs München mit dem berühmten Bariton Bernd Weikl statt, der von Operus interviewt wird. Bernd Weikl ist nicht nur Sänger sondern auch Regisseur, Schriftsteller, Wirtschaftswissenschaftler und einer der bekanntesten, engagiertesten Kritiker des heutigen Regietheaters. Weikl begründet auch wissenschaftlich warum Theater, das mit Provokation, Ekel, Schweinereien, Zerstörung als Ziel arbeitet niemals funktionieren kann. Das Gespräch mit dem universellen Feuerkopf Weikl wird sicherlich viele Einsichten bringen. Taminos sind herzlich eingeladen.
    Liebe Grüße
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Es wäre toll, würde das Interview in Textform hier bei Tamino erscheinen, da die allermeisten Mitglieder (auch ich) persönlich nicht teilnehmen werden können.


    Ich finde es jedenfalls eine ganz wunderbare Idee, daß einer meiner Lieblingssänger auf die Art und Weise zu Wort kommen darf.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mein lieber Hans!


    Das wird bestimmt ein interessantes Gespräch. Schade, das München so weit weg ist. Vielleicht kannst Du da AMFORTAS einladen.




    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Operus,


    falls dieses Gespräch aufgezeichnet wird, würde ich gerne die Quelle erfahren. Ich wünsche gutes Gelingen!


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Operus.
    mich würde auch interessieren ob man dieses Gespräch irgendwo nachlesen kann, da ich ein großer Fan von Weikl bin. Vielleicht macht ihr ja eine Tournee und kommt auch nach Düsseldorf :)


  • Herzlichst


    Operus

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  • Lieber Hans
    Danke, daß Du uns diesen interessanten Bericht und auch die Bilder zugänglich gemacht hast. Besonders nachdenklich stimmt, was ein erfahrener Künstler und Fachmann zur gegenwärtigen Aufführungspraxis zu sagen hat: Alle waren gespannt darauf, wie Weikl das heutige Unwesen „moderner“ Inszenierungen sieht. Kurz gesagt: er sieht es mit Unverständnis und mit tiefer Enttäuschung.
    Dem ist nichts hinzuzufügen und viele Mitglieder unseres Forums werden sich in dieser Aussage bestätigt und bestärkt fühlen.
    Nochmals vielen Dank und herzliche Grüße
    CHRISSY
    (PS.: Muß Dir auch noch ein Kompliment machen, Du siehst auf dem Bild richtig gut aus)

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Mein lieber Hans!


    Herzlichen Dank für Deinen interessanten Beitrag. Wie gerne wäre ich dabei gewesen. Aber auch so geht mir nahe, was so ein großartiger Künstler wie Bernd Weikl für eine Resignation gegenüber den dämlichen Regie-Inszenierungen zeigt. Schade, daß so ein großer "Fachmann für Regietheater, namens Amfortas" nicht anwesend war. Da wäre die Diskussion sicher noch intensiver geführt worden. Nochmals vielen Dank für diesen Beitrag.



    Herzlichst


    Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Operus,


    ich möchte mich auch für Deinen Bericht herzlich bedanken. Bernd Weikl spricht uns natürlich aus der Seele.


    Letztlich stimmen die Worte Weikl's aber traurig, weil man an der Situation, die auf den Opernbühnen herscht nichts ändern kann, schade.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Es ist wirklich traurig, das ein so grossartiger Künstler wie Herr Weikl, so niedergemacht wurde, da er sich getraut hat, die Wahrheit zu sagen! Ich habe grösste Hochachtung vor Herrn Weikl und ich denke, es lohnt sich trortdem den Mund auf zu machen und gegen das Regietheater zu kämpfen! Wieso sollte das nicht möglich sein - den allerwenigsten gefällt es und die Mehrheit wird, wie Herr Weikl treffend sagte, geohrfeigt!

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  • Vielen Dank auch von mir. Der bald "Siebzigjährige" sieht immer noch sehr gut aus mit seinem vollen Haar und ohne Bart. Seinen Aussagen
    ist nichts hinzuzufügen. Seine Winterreise mit H. Deutsch werde ich mir gleich mal anhören.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Liebe Freunde,


    Resignation und Aufgabe wären die schlechtesten Rezepte, wenn etwas geändert werden soll. Wir alle, die meinen, dass der Opernbetrieb in eine von uns nicht gewünschte Richtung läuft, müssen argumentieren, müssen unsere Meinung immer wieder artikulieren, müssen für unsere Auffassungen kämpfen.
    Dies war auch die härteste Diskussion zwischen meinem Freund Bernd Weikl und mir, weil ich mit mindestens der gleichen Vehemenz die These vertrat: Die Schraube der nicht tolerierbaren Regiearbeiten wird immer weiter gedreht und irgendwann überdreht. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo das Pendel zurückschwingt und wieder neue Sichten und Auslegungen der Oper gemäß der alten Weisheit "und neues Leben wächst aus den Ruinen" entstehen und geschaffen werden. Ich vermute, dass es dann auch Rückbesinnung auf alte Werte geben wird. Eine gewagte Formulierung: Es könnte so eine Art Öko-Opernbewegung entstehen, die zurück zur Einfachheit, Natürlichkeit, zur Harmonie des Erlebens führt. Eines glaube ich sicher prognostizieren zu können: Die Oper als die vollkommendste aller Kunstformen wird überleben, weil Musik, Gesang, Tanz, Darstellung, bildliche Vision elementare Kulturgüter der Menschheit sind und in der Oper zur höchsten Apotheose verschmelzen.
    Herzlichst
    Operus

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  • Ein schöner und trauriger Bericht. Vielen Dank. Weikl bestätigt mir den aggressiven Machtanspruch der Regietheaterliga, die ihre Ideologien mit allen Mittel zu verteidigen weiß. Könnte man ihn nicht doch als Schirmherren für eine Kampagne gewinnen? Es kann doch nicht angehen, dass so viele Opernfreunde leiden unter dem Verfremdungstheater und nichts dagegen unternommen wird.

  • Zitat

    Wir alle, die meinen, dass der Opernbetrieb in eine von uns nicht gewünschte Richtung läuft, müssen argumentieren, müssen unsere Meinung immer wieder artikulieren, müssen für unsere Auffassungen kämpfen.


    Wenn ich etwas durchsetzen, abschaffen oder zerstören will, dann muss ich überhaupt nicht argumentieren - sondern meine Möglichkeiten ohne Rücksicht auf Verluste voll ausnützen um das Ziel zu erreichen. Im konkreten Fall heisst das vorhandene Potentiale auszuschöpfen, Stimmung zu machen und zu versuchen dem Regietheater den Geldhahn der Subventionen möglichst abzudrehen. Resignation wäre Aufgabe.
    Das Traurige ist ja, daß natürlich jene,m die am Regietheater Geld verdienen mit wesentlich mehr Elan in die Schlacht gehen, als jene, die sich mit den Gegebenheiten seite Jahren - wenn auch zähneknirschend abgefunden haben.


    Dennoch - Es wird - den einen zur Freude - den anderen zum Verdruss - in Kürze einen neuen Thread zum Thema Regietheater geben. Man wird - einmal mehr - beanstanden - daß sich immer wieder alles wiederholt - und das es ohnedies sinnlos sei. Genau dort aber setze ich an: Steter Tropfen höhlt den Stein....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Danke operus für den interessanten und höchst aufschlussreichen Bericht. Mich würde nur interessieren ob Weikl auch bei Inszenierungen gesungen hat, wo ihm das Regiekonzept nicht gefallen hat.

  • Dennoch - Es wird - den einen zur Freude - den anderen zum Verdruss - in Kürze einen neuen Thread zum Thema Regietheater geben. Man wird - einmal mehr - beanstanden - daß sich immer wieder alles wiederholt - und das es ohnedies sinnlos sei. Genau dort aber setze ich an: Steter Tropfen höhlt den Stein....

    Im Voraus danke, lieber Alfred. Eine gute Idee. Es ist auch völlig richtig, von anderen hier auch schon gesagt, wir dürfen nicht aufgeben. Ich freue mich da auch schon auf meinen "Lieblingsdiskutanten Amfortas". Vielleicht kommt er da aus der Versenkung wieder hervor.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Natürlich würde ich es begrüßen, wenn Alfred den Thread wieder auffrischen würde. Doch bei mir überwiegt da die Scepsis, selbst wenn AMFORTAS wieder mitmischen würde. Ich kam mir in diesem Thread vor wie ein Hamster im Laufrad: Viel gelaufen (geschrieben), aber nicht von der Stelle gekommen.

    W.S.

  • Ja auch Bernd Weikl sang in Inszenierungen, die ihm nicht gefielen Es ging ja gar nicht anders, sonst hätte er bereits vor Jahren seinen Beruf aufgeben müssen. Nur er hat sein Missfallen wenigstens immer artikuliert und das zum Teil zu seinem Nachteil. Er handelte sich dadurch den Ruf eines Schwierigen und Rebellen ein. Dabei wußte er als praktizierender, erfolgreicher Regisseur genau von was er sprach und konnte Gegenbeweise antreten. Aber Sängerregisseure haben es ganz schwer, Anerkennung zu finden. Das war schon bei Hotters Ring-Inszenierung in London so, die Gottlob Frick als eine der genialsten bezeichnete, die er jemals erleben durfte.
    Ach, wenn wir doch nur mehr Weikls hätten.
    Herzlichst

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ja auch Bernd Weikl sang in Inszenierungen, die ihm nicht gefielen Es ging ja gar nicht anders, sonst hätte er bereits vor Jahren seinen Beruf aufgeben müssen. Nur er hat sein Missfallen wenigstens immer artikuliert und das zum Teil zu seinem Nachteil.


    1984 sang in der Premiere der "Meistersinger" in Hamburg Hans Sotin den Sachs, der dann in Reprisen von Bernd Weikl und Theo Adam übernommen werden sollte bzw. wurde. Theo Adam sagte seine Mitwirkung ab, da Herbert Wernickes Regiekonzept nicht mit seinen Vorstellungen vom Werk bzw. der Zentralpartie in Einklang zu bringen waren. Obwohl Weikl dieser Inszenierung genauso ablehnend gegenüberstand, entschloss er sich, nicht abzusagen, aber statt dessen die Regie zu "karikieren". Aus Gesprächen mit ihm weiß ich von seinem Vorhaben; da ich nicht in der betreffenden Vorstellung war, kann ich leider nicht berichten, wie dieses "Karikieren" aussah.


    Ich stelle einmal diese beiden Vorgehensweisen möglichst sachlich gegenüber. Wer von beiden hat sich "künstlerischer" verhalten? Einem Theo Adam hat die Absage sicher nicht geschadet, ebenso wenig, wie es für Weikl (außer ein finanzieller) ein Nachteil gewesen wäre. Aber: Kann sich ein Künstler eine eigene Meinung erlauben und sie auch noch öffentlich vertreten?

  • Aber : Kann sich ein Künstler eine eigene Meinung erlauben und sie auch noch öffentlich vertreten?


    Vor allem die Künstler! Sie können nicht nur, sondern sollten ihre Meinung vertreten und viel öfter "Nein" sagen. Und nicht charakterlos in Interviews von Werktreue schwafeln und sich dann in der Praxis in feiger Anpassungssucht selber Lügen strafen. Weikls Vorgehen war falsch, denn diese von ihm geplante Ironie dürften nur wenige mitbekommen haben. Damals war das Etikett "schwierig" aber offenbar noch kein Karrierestop.
    Fakt ist jedenfalls, dass der kontinuierliche Widerspruch der ausführenden Künstler - in welcher Form auch immer - die Basis bildet, um auf Dauer etwas im Opernbetrieb verändern zu können.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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  • Weikls Vorgehen war falsch, denn diese von ihm geplante Ironie dürften nur wenige mitbekommen haben.

    Möglich, aber aufstrebende Künstler können sich Geschmacksabsagen keinesfalls leisten.



    Zitat

    Damals war das Etikett "schwierig" aber offenbar noch kein Karrierestop.

    Aber selbstverständlich doch!



    Zitat

    Fakt ist jedenfalls, dass der kontinuierliche Widerspruch der ausführenden Künstler - in welcher Form auch immer - die Basis bildet, um auf Dauer etwas im Opernbetrieb verändern zu können.

    Das ist Wunschdenken. Ein Sänger, der ein Engagement für eine Neuinszenierung annimmt, weiß ja noch nicht, worauf er sich letztlich einlässt. Und danach gibt es kein Absagen mehr - Vertrag ist Vertrag. Nur Topstars können es sich leisten, zuerst zu fragen, wer das Leading Team bildet und gegebenenfalls dankend ablehnen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer ersprießlichen Zusammenarbeit gegen Null tendieren sollte...


    Der einzige Souverän, der prinzipiell eine Chance hat, eine Änderung zu bewirken, ist der zahlende Besucher. Bekanntlich funktioniert das aber nur schlecht, da sich die Leute viel zumuten lassen, bevor sie den Intendanten davonlaufen. Man müsste aber schon vorher Druck machen. Es liegen in den Häusern Kommentarmöglichkeiten auf, man kann häufige Beschwerdebriefe schreiben (eingeschrieben!), regelmäßige Leserbriefe unerfreulichen Inhalts in Lokalblättern machen sich auch nicht so besonders für's Renommé des Intendanten. Diese Dinge wirken aber nicht rasch, sondern benötigen ihre Zeit. Man muss also durchhalten können, und zwar auf breiter Basis...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Theophilus,


    Deine im vorstehenden Beitrag geäußerte Argumentation und die Schlussfolgerungen sind m. E. treffend. Wir, die bestimmte Vorstellungen zm wahren, werkgetreuen Kern der Oper und zur Ästhetik von Inszenierungen haben, müssen die Geduld, den langen Atem und die Aktivität aufbrigen, die Du anmahnst. Auch für die Systemveränderer aus der 68er-Generation war es ein langer Weg durch die Institutionen, bis sie Teile ihrer Ziele erreichten. Genau in ähnlichen Zeitzyklen wird das Pendel wieder zurückschwingen. Nur es muss ständig in Schwung gehalten werden.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Möglich, aber aufstrebende Künstler können sich Geschmacksabsagen keinesfalls leisten.

    Da hast du mich wohl missverstanden. Ich sprach keinesfalls von aufstrebenden Künstlern, die sich noch keine Bekanntheit aufbauen konnten. Ich bezog mich auf Stars wie Weikl und Adam, die es sich finanziell erlauben können, Widerspruch einzulegen. Und Adams Reaktion findet man heute auch unter den sogenannten Stars kaum noch. Die Finanzen können bestimmt nicht der Grund sein. :whistling:



    Zitat

    Das ist Wunschdenken. Ein Sänger, der ein Engagement für eine Neuinszenierung annimmt, weiß ja noch nicht, worauf er sich letztlich einlässt. Und danach gibt es kein Absagen mehr - Vertrag ist Vertrag. Nur Topstars können es sich leisten, zuerst zu fragen, wer das Leading Team bildet und gegebenenfalls dankend ablehnen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer ersprießlichen Zusammenarbeit gegen Null tendieren sollte...

    Ja, genau, und um diese Topstars geht es. Die haben genug Optionen, bevor sie einen Vertrag unterschreiben, und an Informationsmöglichkeiten über einen bestimmten Regisseur mangelt es nun wahrhaftig nicht.



    Zitat

    Der einzige Souverän, der prinzipiell eine Chance hat, eine Änderung zu bewirken, ist der zahlende Besucher. Bekanntlich funktioniert das aber nur schlecht, da sich die Leute viel zumuten lassen, bevor sie den Intendanten davonlaufen. Man müsste aber schon vorher Druck machen. Es liegen in den Häusern Kommentarmöglichkeiten auf, man kann häufige Beschwerdebriefe schreiben (eingeschrieben!), regelmäßige Leserbriefe unerfreulichen Inhalts in Lokalblättern machen sich auch nicht so besonders für's Renommé des Intendanten. Diese Dinge wirken aber nicht rasch, sondern benötigen ihre Zeit. Man muss also durchhalten können, und zwar auf breiter Basis...

    Natürlich ist der zahlende Besucher mit seinen Maßnahmen sehr wichtig. Natürlich braucht all das Zeit. Völlig klar. Ich finde es aber ebenfalls sehr wichtig, dass auch "von der anderen Seite" Druck gemacht wird. Die Presse wird kaum laut und deutlich über halbleere Opernhäuser berichten - auch wenn es sie denn gibt -, Buhkonzerte werden ebenso verschwiegen oder "abgemildert" und kritische Leserbriefe werden wohl kaum im Radio verlesen, wenn es um die Rezension einer bestimmten Inszenierung geht. Wenn aber ein bekannter Sänger, der an allen großen Bühnen der Welt tätig ist, wegen eines Regisseurs zurückträte, dann gäbe es schon mehr Echo. Vor allem dann, wenn er kein Einzelfall bliebe...

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Da hast du mich wohl missverstanden. Ich sprach keinesfalls von aufstrebenden Künstlern, die sich noch keine Bekanntheit aufbauen konnten. Ich bezog mich auf Stars wie Weikl und Adam, die es sich finanziell erlauben können, Widerspruch einzulegen.

    Nein, ich habe dich sehr wohl verstanden. Aber du hast nicht bedacht, dass Weikl 1984 als Star noch nicht auf der Stufe eines Adam stand und diese Absage nicht ohne möglicherweise gravierende Folgen riskieren konnte. Er hat selbst einmal in einer Dokumentation bestätigt, dass das nicht einmal später möglich war, ohne dass sich das nicht sofort in der Anzahl weiterer Angebote niederschlug. Man musste auch als Superstar mit Maß operieren. In dieser Beziehung sind sich die Intendanten sehr einig. 'Problemkünstler' werden einmütig gemieden, das Netzwerk funktioniert tadellos. Das Glück für die Betreffenden ist oft nur, dass für manche Rollen so wenige hochwertige Anwärter vorhanden sind, dass man um sie dennoch schwer herumkommt. Aber es ist noch keine zwanzig Jahre her, dass ein Superstar der Oper (und bekannter "Problemkünstler") nach einem Zerwürfnis mit einem Institut (allerdings aus anderen Gründen) über Nacht seine Opernkarriere beenden musste, da auf einen Schlag nicht ein einziges Engagement eines Spitzenhauses mehr erfolgte.



    Ja, genau, und um diese Topstars geht es. Die haben genug Optionen, bevor sie einen Vertrag unterschreiben, und an Informationsmöglichkeiten über einen bestimmten Regisseur mangelt es nun wahrhaftig nicht.

    Nun, diese Topstars machen davon auch durchaus Gebrauch. Nur steht das kaum jemals in der Zeitung, da von den Verantwortlichen niemand ein Interesse daran hat, dies publik zu machen. Du erfährst es also in der Regel nicht und es sind zu wenige, als dass diese für die Intendanten einen ausreichenden Druck darstellen (außerdem kann man auf die Wünsche der wenigen Topstars schon hin und wieder eingehen, ohne seine generelle Linie zu verlassen). Alle anderen können sich das als Grundeinstellung keinesfalls leisten.



    Natürlich ist der zahlende Besucher mit seinen Maßnahmen sehr wichtig. Natürlich braucht all das Zeit. Völlig klar. Ich finde es aber ebenfalls sehr wichtig, dass auch "von der anderen Seite" Druck gemacht wird.

    Nur das erste kann langfristig funktionieren. 'Von der anderen Seite' sind es nur wenige, die finanziell so ausgesorgt haben, dass sie völlig darüber stehen und ausschließlich nach persönlichen künstlerischen Erwägungen handeln können. Und von den vielen anderen zu verlangen, dass sie für das Anliegen des Publikums ihre Karrieren gefährden oder zumindest spürbare finanzielle Opfer bringen, ist schon ein starkes Stück. Wenn das Publikum eine Änderung der Lage anstrebt, soll es gefälligst selbst aktiv werden und nicht die Verantwortung und das Risiko auf andere abschieben.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Der Gesprächspartner fragte, ob Weikl nicht glaube, dass das Pendel einmal wieder zurück schwingen werde, aber Weikl antwortete mit Entschiedenheit: „Nein! Das ist vorüber! Das kommt niemals wieder!“ Er selbst habe jahrelang gegen diese neuen Tendenzen gekämpft, er habe sich damit unliebsam gemacht und sei nicht gehört worden und letztlich gescheitert.


    Hier möchte ich Bernd Weikl vollkommen zustimmen. Das Pendel wird nicht wieder zurück schwingen oder sich wenigstens einschwingen. Der Zug ist - leider - abgefahren. Meiner Meinung nach gibt es dafür diverse Gründe. Die Verantwortung liegt m. E. zum großen Teil bei der "schreibenden Zunft". Bei einer konventionellen Inszenierung (auch sofern es denn heute gut gemachte dieser Art gäbe) wird der Schreiberling sanft einschlafen und am Schluss zur Erkenntnis kommen : "Alles schon mal da gewesen"! Ein Todesurteil für einen von Marketing abhängigen Intendanten. Sollte aber (um einmal ein von mir viel benutztes Bild zu gebrauchen) Wotan an den Speer pinkeln, hat der Journalist genügend Stoff, sich mit den Inszenierungsideen des Regisseurs auseinander zu setzen - pardon, diese zu beschreiben, denn eine kritische Auseinandersetzung ist nicht gewünscht. Ich weiß, wovon ich schreibe. Ein heute sehr bekanntes Opern-Magazin, das früher einmal - analog zum Wiener "Merker" - als Publikumsmagazin gegründet worden war, hat vor über 10 Jahren einen Mitarbeiter mit der Begründung vor die Tür gesetzt, er sei nicht mehr einsetzbar, weil er offensichtlich das "Regietheater" ablehnte.... Wenn ein Journalist sich also heute kritisch mit dem, was ich "Regietheater" nenne, auseinander setzen würde, würde er Gefahr laufen, sich als Ewiggestriger zu outen.


    Davon abgesehen : Wo gibt es heute noch gut gemachte konventionelle Inszenierungen? Ich meine nicht Wiederaufnahmen alter Produktionen, sondern neue?


    Wie die Besipeile Ridderbusch und Weikl in der Vergangenheit zeigten, kann man mit öffentlich bekundeter Ablehnung heutiger Inszenierungen seine Karriere gefährden. Auch ein Weikl war bald als ewiger Nörgler verschrien. Als ich einen Kollegen Weikls damals bei den Hamburger Wernicke-Meistersingern in der Kantine lautstark über die Produktion herziehen hörte und ihn schließlich fragte, warum er, der sicherlich zu den Prominenteren gehörte, denn nicht konsequenterweise abgesagt hätte, bekam ich zur Antwort : "Schließlich muss ich doch auch meine Brötchen verdienen!" Das ist das Dilemma, und deshalb wird das Pendel nicht zurück schwingen.

  • Wie die Besipeile Ridderbusch und Weikl in der Vergangenheit zeigten, kann man mit öffentlich bekundeter Ablehnung heutiger Inszenierungen seine Karriere gefährden. Auch ein Weikl war bald als ewiger Nörgler verschrien. Als ich einen Kollegen Weikls damals bei den Hamburger Wernicke-Meistersingern in der Kantine lautstark über die Produktion herziehen hörte und ihn schließlich fragte, warum er, der sicherlich zu den Prominenteren gehörte, denn nicht konsequenterweise abgesagt hätte, bekam ich zur Antwort : "Schließlich muss ich doch auch meine Brötchen verdienen!" Das ist das Dilemma, und deshalb wird das Pendel nicht zurück schwingen.


    Ja, damals mochte das ja auch noch zutreffen. Interessant ist aber, dass es Weikl trotz seiner "Nörgelei" zu einer sehr beachtlichen Karriere gebracht hat, auf vielen Tonträgern zu hören ist und an allen großen Bühnen vertreten war. Gottseidank! Ich bin daher nach wie vor der Meinung, dass solche "Nörgler" dringend notwendig wären, und zwar gerade unter denen, die sich ihre Engagements aussuchen können. Viele sind das vielleicht nicht, aber das müssen sie auch nicht sein, wenn sie ausreichend bekannt, in den Medien vertreten und daher nicht so leicht austauschbar sind.
    Nein, es will mir absolut nicht in den Kopf, wieso es etwa eine Cecilia Bartoli nötig hat, in einer solchen Cesare-Produktion wie in Salzburg mitzuwirken. Sie dürfte ihre Brötchen ja nun schon lange in ausreichender Form verdient haben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Nein, es will mir absolut nicht in den Kopf, wieso es etwa eine Cecilia Bartoli nötig hat, in einer solchen Cesare-Produktion wie in Salzburg mitzuwirken. Sie dürfte ihre Brötchen ja nun schon lange in ausreichender Form verdient haben.


    Na ja, schließlich ist es "ihre" Produktion. Und man sollte die theoretische Möglichkeit nie von der Hand weisen, dass es ihr vielleicht sogar gefallen hat...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Na ja, schließlich ist es "ihre" Produktion. Und man sollte die theoretische Möglichkeit nie von der Hand weisen, dass es ihr vielleicht sogar gefallen hat...


    ;)


    Hast du mal die Inszenierung von Rossinis Otello mit ihr in Zürich gesehen? Musikalisch ohne Einschränkung grandios, allerdings nur mit geschlossenen Augen!


  • Na ja, schließlich ist es "ihre" Produktion. Und man sollte die theoretische Möglichkeit nie von der Hand weisen, dass es ihr vielleicht sogar gefallen hat...


    ;)


    Und schon sind wir bei des Pudels Kern. Es muss ihr gefallen haben, denn in ihrem Fall kann man wohl kaum von irgendwelchen wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen sprechen, die sie zwingen, in dieser Produktion aufzutreten. Ist ja auch ihr gutes Recht, nur sollte man dann nicht vorher widersprüchliche Interviews geben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Nachdem Bernd Weikl im Künstlergespräch mit mir, auf dem dieser Thread ja aufbaut, und Peter Schünemann recht apodiktisch die Meinung äußern: Das Pendel wird nicht wieder zurückschwingen und damit die Oper dem Regietheater mit häufig unverständlichen, unakzeptablen Regie(un)taten ausgeliefert sein und bleiben, meine ich: "Noch ist Polen nicht verloren!" Gewisse Interpretationsansätze werden so überzogen und damit überreizt, dass man allein dadurch ihrer überdrüssig wird. Ganz allmählich verliert der von Ekel-, Sex- und perversen Szenen übersättigte und oftmals angewiderte Besucher sein Interesse an diesen Entgleisungen und will nichts anderes als Oper wieder als Inkarnation der schönen Künste erleben.
    Meine Frau und ich waren gestern bei einem Gastspiel der Oper aus Augsburg mit Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" im Heilbronner Theater. Musikalisch und sängerisch auf gutem Niveau, darstellerisch lebendig und überzeugend. Regie gemäßigt modern mit einigen eindrucksvollen Einfällen. Leider sehr desillusionierend das Bühnenbid, ein Kellerraum, der als Sammelkeller für Schmutzwäsche diente und in dem sich große Gefühle und Liebesbeziehungen entwickeln sollten, was selbstverständlich in solcher Umgebung nur bedingt gelang. Auch die Straßenkleidung, die für die Kostüme gewählt wurden, brachten keinerlei positive Stimmung, eher das Gegenteil. Aber und das wollte ich ja belegen: Einige drastisch - nicht ordinär - ausgespielte Sexszenen wurden quasi interesselos hingenommen. Was früher ein Skandal gewesen wäre, wurde achselzuckend abgehakt und in nachfolgenden Diskussionen über die Aufführung überhaupt nicht mehr erwähnt. Überzogene Sexdarstellungen auf Opernbühnen sind Schnee von gestern und damit out!
    Ganz allmählich reagieren auch die Opernfreunde und die Abonnement- und Besucherzahlen stagnieren und sinken. Sinkende Auslastung und Einspielergebnisse sind die Alarmsignale für die Zuschussgeber, die darauf ganz schnell mit Kürzungen reagieren. Also muss schon von daher ein Umdenken erfolgen und Oper gemacht werden, wo der Köder dem Fisch schmeckt und nicht die Bedürfnisse des Anglers befriedigt.
    In der neusten Ausgabe der "Opernwelt" (Juni 2012), deren Leitung und Redaktion modernen Inszenierungen und dem Regietheater grundsätzlich freundlich gegenübersteht, ist zu lesen "Die Schwäne sind zurück" - Verlgleiche von "Lohengrin-Inszenierungen" in Berlin, Wiesbaden und Koblenz - Es soll Zeiten gegeben haben , in denen sich Regisseure lieber einen Finger abgetrennt hätten, als auf der Bühne einen Schwan zu zeigen. Konnte dieser doch als Sinnbild für naturalistischen Bühnenballast und unzählige Anekdoten herhalten. In den aktuellen Produktionen herrscht kein Schwanenmangel..." Also ein überaus traditionalistisches Requisit kehrt zurück und die Opernwelt findet diesen Ansatz, der allerdings mit modernen, technischen Mitteln realisiert wird, sogar uneingeschränkt gut. Das ist doch ein ermutigender Fingerzeig!
    Nun genau so apodiktisch formuliert : Das Pendel schwingt zurück. Die Oper wird eine Neubesinnung und Neuentwicklung hin zu bewährter, akzeptierter Ästhetik und den von der Mehrheit der Opernfreunde vertretenen Wertvorstellungen erleben.
    Voraussetzung dafür wird sein, dass wir den unter anderen von Theophilus geäußerten Ratschlägen folgen: Meinung äußern, argumentieren, protestieren, um der auch im Tamino-Klassik-Forum von der breiten Mehrheit geäußerten Meinung: Schluss mit den Experimenten - hin zu dem Geist des Werkes entsprechenden Inzenierungen, auf allen Ebenenen und mit allen Mitteln Nachdruck verleihen.
    Der Weg wird lang und steinig sein. Jedoch auch "die längste Reise fängt mit dem ersten Schritt an".
    In vielen Threads unseres Forums hat die Reise längst begonnen, wir sollten unsere Bemühungen weiter intensivieren, um die vollkommenste Kunstform - die Oper - zu erhalten und ihr im von der Mehrheit der Opernliebhaber gewünschten Sinn, neues Leben einzuhauchen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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