Erinnerung zum heutigen Todestag des großen Musikers
Das Richard-Wagner-Museum in Graupa verwahrt eine Gedenktafel an Hans von Bülow, die aus den Trümmern seines Geburtshauses geborgen wurde.
Hans von Bülows Grabmal entwarf Adolf von Hildebrand, der auch das Brahmsdenkmal in Meiningen gestaltet hat.
Mit vollem Namen Hans Guido Freiherr von Bülow; er entstammte einer Familie mit Jahrhunderte zurückreichender Familientradition. So richtig Kind zu sein, wie man sich das heute vorstellt, dufte Hans Guido nicht. Er war der Erstgeborene, drei Jahre später kam noch ein Schwesterchen nach, aber dass die Kinder miteinander spielten war nicht vorgesehen, die Eltern forderten stets, dass etwas Ernsthaftes getan werden musste. In der Literatur findet man eine vielsagende Beschreibung von Hans Bülows Eltern:
»Die hohe literarisch-musikalische Kultur prägte die Ehe von Eduard und Franziska von Bülow.«
Mit der Liebeskultur der Eltern scheint es nicht so gut bestellt gewesen zu sein, denn im Hause Bülow herrschte meist eine angespannte Atmosphäre; schließlich ließen sich die Eltern 1849 scheiden, da hatte ihr Sohn gerade in Stuttgart sein Abitur gemacht, denn dorthin waren die Bülows inzwischen übersiedelt.
Schon im Alter von vier Jahren war der Junge angehalten Gedichte und Fabeln auswendig zu lernen, mit der Auflage, dass das Neuerlernte den Eltern jeweils zum Ende der Woche vorgetragen werden musste. Dabei war das Kind alles andere als gesundheitlich stabil, schwere Erkrankungen, unter anderen auch fünf Hirnhautentzündungen, waren für das Kind große Belastungen. Schon im frühen Alter begann für den Knaben das Erlernen der französischen Sprache, Reiten und Tanzen kamen noch hinzu. Von Kindesbeinen an war Hans von Bülow an ein rastloses Studieren gewöhnt.
Für den Knaben war das Erlernen des Klavierspiels nur eine von vielen Tätigkeiten, eine künstlerische Betätigung als Beruf war nicht vorgesehen. Den ersten Klavierunterricht bekam der Junge im Alter von sieben Jahren. Bereits zwei Jahre später konnte dieser Lehrer dem hochbegabten Schüler nichts mehr beibringen und er wechselte zu Cäcilie Schmiedel, die ihn fünf Jahre lang am Klavier unterwies, und derer er stets dankbar gedachte. Als seine Klavierlehrerin 1848 starb, wechselte der nun 14-Jährige zu Friedrich Wieck; allerdings nur in den Sommermonaten, wenn Hans bei Verwandten in Leipzig wohnte, wo es etwas lockerer zuging als im Elternhaus. In dieser Zeit arbeitete er auch bei Louis Plaidy an einer besseren Anschlagtechnik.
Als die Bülows nach Stuttgart übersiedeln, findet der junge Bülow dort keinen adäquaten Klavierlehrer, wird aber die letzten zwei Jahre am Gymnasium von so bedeutenden Lehrern wie Gustav Schwab und Wilhelm Hauff unterrichtet und es ergaben sich Kontakte zu dem Musikdirektor Bernhard Molique und dem Komponisten Joachim Raff, mit dem ihn dann eine lebenslange Freundschaft verbindet.
Nach dem Abitur beginnt Hans Bülow - auf Wunsch der Eltern - ein Jurastudium in Leipzig, das 26 Vorlesungsstunden pro Woche erfordert, was den jungen Mann in die Lage versetzt noch Klavier zu üben und Kompositionsunterricht zu nehmen. Und weil er nun schon mal da ist, spielt er auch der berühmten Clara Schumann vor; ihr Tagebuch vermittelt folgenden Eindruck:
»Dieser Tage besuchte mich auch der junge Herr von Bülow und spielte mir Mendelssohns d-moll Variationen vor; er hat bedeutende Fortschritte gemacht und spielte ganz vortrefflich, musikalisch, nur schien mir sein Anschlag zuweilen etwas hart und fehlt seinem Spiele noch der poetische Hauch ...«
Einige Tage später, nachdem er eine Sonate von Beethoven gespielt hatte, meinte sie, dass ihm hierfür noch das rechte Verständnis fehle:
»Etwas, denke ich, wird sich das noch finden, wenn er erst zum Manne heranreift«
Und wie Hans von Bülow heranreift - durch die Scheidung der Eltern bedingt, zog die Mutter mit Sohn Hans und dessen Schwester nach Berlin, wo der fast unermüdliche Hans von Bülow fortan an vielen musikalischen Fronten arbeitete. Er studierte zwar zunächst in Berlin weiter, aber die Musik ließ ihn auch da nicht los. Er schrieb Rezensionen für die »Berliner Abendpost« und spielte Giacomo Meyerbeer vor, der ihn für ein Konzert am königlichen Hof empfahl, das dann allerdings nicht zustande kam.
Bereits als Schüler in Dresden begann für Hans Bülow die Bewunderung, ja Vergötterung Richard Wagners, wo er von einer »Rienzi«-Aufführung ganz hingerissen war und er Meister Wagner auch als Dirigent von Beethovens »Neunter« bewundern konnte. Schon 1846 gelang es dem jungen Mann im nahen Pillnitz an Richard Wagner heranzukommen. Als ihm dann vier Jahre später Wagner anbot als dirigierender Assistent zu ihm nach Zürich zu kommen, war es um den angehenden Juristen geschehen, seine Eltern waren entsetzt; Bülow bat seinen Vater kniefällig, Musiker werden zu dürfen, was ihm dann auch gestattet wurde; 1853 stirbt der Vater, noch bevor der Sohn seine ganz großen Erfolge als Musiker hatte, was den Sohn sehr betrübte.
Unter der Aufsicht Wagners widmete sich Bülow intensiv dem Dirigieren und vernachlässigte in dieser Zeit sein Klavierspiel, wenn man mal davon absieht, dass er in einem gemeinsamen Konzert mit Wagner die Tannhäuser-Ouvertüre in der Klavierfassung von Franz Liszt vortrug. An dieser Stelle kann man gleich anfügen, dass Bülow neben Wagner noch einen zweiten »Hausgott« hatte, das war Franz Liszt, dem Bülow in Dresden schon als Zwölfjähriger vorgespielt hatte und dann 1849, auf Anstoß der Mutter, bei einem Besuch in Weimar wieder Kontakt suchte, der dann später auch sehr intensiv zustande kam. Im Sommer 1851 war Bülows Lehrzeit bei Richard Wagner beendet und nun wandte er sich wieder dem Klavierspiel zu; er reiste zu Liszt nach Weimar, der sich dort mit seiner Fürstin niedergelassen hatte, wurde aber von seinem alten Freund Raff betreut, weil Meister Liszt mal wieder auf Reisen war und erst in einigen Wochen zurückerwartet wurde, konkret waren das dann vier Monate Wartezeit, die natürlich ein Hans von Bülow nicht verplemperte, sondern fleißig jeden Tag am Klavier übte, aber auch die spanischen Sprache studierte und Artikel für die »Neue Zeitschrift für Musik« schrieb, und - man ahnt es - sich schreibend für Richard Wagner einsetzte.
Als dann Liszt endlich im Oktober erschien und Bülow in dieser Phase seiner Entwicklung spielen hörte, prognostizierte Liszt, dass sich Bülow schon in acht Monaten in allen Musikzentren Europas als Liszt-Nachfolger präsentieren könne. Als Dreiundzwanzigjähriger gab Hans Guido von Bülow, Pianist aus Weimar - so die Ankündigung - am 15. März 1853 sein erstes Solokonzert im Saale der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Die Veranstaltung war für Bülow ein künstlerischer und finanzieller Misserfolg, in allen Wiener Zeitungen waren die Kritiken schlecht.
Liszt spendete Trost und ermunterte den jungen Künstler zur Weiterreise nach Ungarn, wo sich dann das Publikum zum Teil enthusiastisch gebärdete; die Presse nannte den Pianisten groß und genial und es war sogar etwas von einem »zweiten Liszt« zu lesen.
Es folgen Auftritte beim Musikfest in Karlsruhe, sein erstes Konzert in Berlin und ein längerer Aufenthalt in Hamburg. Schließlich wird er Klavierlehrer der Töchter eines Grafen; das war ein hartes Brot, wenn man bedenkt, dass Bülow zu diesem Zeitpunkt schon mit vielen Musikgrößen seiner Zeit musiziert hatte, die Grafentöchter waren völlig unbegabt. Aber höhere pädagogische Aufgaben warteten auf ihn in Berlin; am Stern´schen Konservatorium fand er eine materielle Basis, die zwar kein Leben auf hohem finanziellen Niveau erlaubte, aber ihm eine stete Grundsicherung bot; in den reich bemessenen Ferien konnte er auf eigene Faust konzertieren.
Kaum hatte er die unbegabten Grafentöchter in der Provinz hinter sich gelassen, wurde er mit dem Musikunterricht zweier junger Damen betraut, bei denen man etwas besseres Genmaterial vermuten durfte, es waren die beiden Töchter von Franz Liszt, Blandine und Cosima. Der Rabenvater - damit tut man Liszt kein Unrecht an - hatte Frau von Bülow gebeten, die Mädels in ihren Haushalt in Berlin aufzunehmen. Es wurde ein extra Klavierzimmer eingerichtet. Der in dieser Sache zu naive Klaviervirtuose war davon überzeugt, dass Mutter Bülow das alles fest im Blick hatte und schrieb an Frau von Bülow:
»Was Ihren Herrn Sohn betrifft, so wissen Sie, verehrte Frau, mit welcher Aufrichtigkeit und Lebhaftigkeit ich ihm zugetan und ergeben bin ... aber soweit ich ihn kenne, dürfte eine Ehe weder nach seinem Geschmack noch auch im Interesse seiner Laufbahn sein und wenn er sich wirklich später dazu entschließt, so wird es ihm nicht schwer fallen, weit vorteilhaftere Partien zu finden, als meine Töchter sind.«
Wer etwas Lebenserfahrung mitbringt weiß, dass auch der eifrigste Pianist von einer knapp 18-jährigen Schülerin von seiner rein künstlerischen Aufgabe abgelenkt werden kann, der Herr Klavierlehrer war 25 Jahre alt; schon zwei Jahre später, am 18. August1857, heirateten die beiden nach katholischem Ritus in der St. Hedwigskirche in Berlin.
Sowohl Cosimas Mutter Marie d´Agoult als auch Franz Liszt hatten vor dieser Verbindung gewarnt; als Hans Bülow bei Liszt um die Hand seiner Tochter anhielt, verlangte dieser ein Jahr Wartezeit. Nun war also die Ehe besiegelt; die Hochzeitsreise der beiden Wagner-Verehrer ging nach Zürich, wo Wagner im Exil lebte. Cosima war Wagner bereits 1853 schon einmal begegnet. Für die Jungvermählten war das ein ganz außergewöhnlicher Besuch, denn sie lernten dort die Entwürfe der »Walküre« und des »Siegfried« - von Wagner gesungen - kennen, Bülow begleitete am Flügel. Wagner rezitierte auch aus »Tristan und Isolde«, Cosima brach in Tränen aus ... man darf vermuten, dass hier bereits eine innere Zuwendung zu Wagner erfolgte. Als die Bülows ein Jahr darauf wieder nach Zürich kamen, hing dort der Haussegen schief; Wagner hatte in einem Brief geschrieben: »Nimm meine ganze Seele zum Morgengruße«, aber der war nicht an Minna Wagner adressiert, sondern an Mathilde Wesendonck; Minna Wagner hatte den Brief abgefangen und war sauer, entsprechend war die Stimmung im Hause Wagner.
In seinen zehn Berliner Jahren empfindet Bülow seine Lehrtätigkeit am Stern´schen Konservatorium als ungeliebte Fronarbeit, aber er konzentriert sich in den Konzertsälen Europas vorrangig auf die Verbreitung der Kompositionen von Franz Liszt und Richard Wagner. Dabei zog er sich die Feindschaft der Konservativen Musiker und eines Teils der Presse zu. So wurde mitunter sein exzellentes Klavierspiel kaum beachtet, weil sich die Kritik primär über den neudeutschen Musikstil ausließ, Bülow keilte dann entsprechend zurück.
Natürlich musste ein Virtuose, der Karriere machen wollte, auch in Paris erfolgreich gewesen sein; die Bülows reisten nach Paris und brachten für einen Aufenthalt dort die besten Voraussetzungen mit. Cosima war dort aufgewachsen und auch Hans beherrschte die Landessprache. Bülow ließ da auch nichts anbrennen und bereitete seinen Auftritt nicht nur künstlerisch vor. Innerhalb von vier Tagen besuchte Bülow in Paris 43 Journalisten und Kollegen, wie er seiner Mutter nach Berlin berichtete, und noch sei er mit seiner Besuchstour nicht ganz durch. Beim Konzert saßen dann unter anderen auch die Herren Berlioz und Meyerbeer im Saal. Seine Konzerte waren in Paris so erfolgreich, dass er im folgenden Jahr wieder nach Paris kam. Natürlich war Bülow auch 1861 in Paris als dort unter skandalösen Umständen »Tannhäuser« aufgeführt wurde.
Bülow hatte als Pianist und Dirigent jede Menge Verpflichtungen, aber dies belastete ihn auch, weil er meinte immer noch besser werden zu müssen. Und wieder werden Ferien im Dunstkreis von Richard Wagner verbracht, diesmal in Biebrich am Rhein - Ferien? Neben anderen musikalischen Aktivitäten lernen sie die Skizzen der Meistersinger-Komposition kennen, und Hans Bülow kopiert die 145 Seiten des Manuskripts; in Zahlen ausgedrückt, waren das fünf Tage lang jeweils acht Stunden. Etwas Freizeit blieb dennoch, man besuchte Bingen, Rüdesheim, Rolandseck und bestieg gemeinsam den 320 Meter hohen Drachenfels.
In diesen Urlaubstagen zeichnete sich die wohl entscheidende Hinwendung Cosimas zu Richard Wagner ab, als dieser sie beinahe mit einer Schubkarre zum Hotel gefahren hätte. Cosima bewunderte den schöpferisch tätigen Wagner und sah in ihrem Mann nur den Diener zweier Herren. Hans von Bülow setzte sich nicht nur künstlerisch unterstützend für Wagner ein, er versorgte den meist klammen Meister auch mit Barem, das er erspielte. Einmal versetzte er sogar einen Ring, den ihm die Großherzogin von Baden geschenkt hatte, und sandte den Erlös von 200 Talern an Wagner.
Im März 1863 wurde Hans Bülow zum zweiten Mal Vater, Cosima hatte die zweite Tochter Blandine geboren. Hans von Bülow war nun praktisch überall anerkannt, bekam Anerkennung von seinem früheren Klavierlehrer Friedrich Wieck und dessen Tochter Clara Schumann und die philosophische Universität Jena verlieh ihm 1864 den Dr. honoris causa; mit diesem Titel wollte sich Bülow auf künftigen Konzertprogrammen gedruckt sehen.
Nach dieser akademischen Ehrung folgte eine sehr erfolgreiche Rußlandreise, in deren Verlauf man ihm auch gut dotierte Positionen anbot, aber er konnte sich nicht zu einer Übersiedlung entschließen. Das war nun auch nicht mehr nötig, denn noch Lukrativeres war im eigenen Land geboten; Richard Wagner rief zum Willkomm an den Starnberger See: »Bevölkert mein Haus, nur Ihr fehlt noch zu meinem Glücke.« Wagner hatte in Bayern König Ludwig II. einen potenten Bewunderer gefunden, Geld war vorhanden und der König hatte für einen dem großen Komponisten adäquaten Wohnsitz gesorgt, Cosima war in greifbare Nähe gerückt - Richard Wagner war glücklich. Cosima reiste mit den beiden Kindern voraus und zog zu Wagner in die Starnberger Villa. Hans von Bülow schloss seine Verpflichtungen am Konservatorium in Berlin ab und folgte eine Woche später.
Die internationale Pianisten-Karriere war unterbrochen, Bülow hatte an der Hofoper zu dirigieren und dem König vorzuspielen, der vorwiegend Bühnenwerke von Wagner hören wollte. Amtlichen Unterlagen zufolge wurde Hans von Bülow am 10. April 1865 eine Tochter Isolde geboren; der biologische Vater war Richard Wagner. Genau zu diesem Termin begannen die Orchesterproben für die Uraufführung von »Tristan und Isolde«, das Bülow als das wichtigste künstlerische Ereignis des Jahrhunderts bezeichnete. Inwieweit Bülow über die Beziehung zwischen Cosima und Wagner Bescheid wusste ist nicht bekannt, aber es ist anzunehmen, dass er manches nicht gar zu genau wissen wollte. Cosima fungierte inzwischen als Sekretärin Wagners, die Sache war auch Gegenstand von Zeitungsberichten, gegen die Bülow gerichtlich vorging und von »Verleumdungen« sprach. Am 12. April 1866 konnte er sich wohl nicht mehr selbst täuschen, als ihm ein eindeutiger Liebesbrief Wagners an Cosima zu Gesicht kam - da war Bülow am Boden zerstört und wollte unter einem anderen Himmel möglichst unbehelligt weiterleben, wie er seinem Freund Raff anvertraute. Am 6. Juni bat er den König um seine Entlassung, die ihm umgehend bestätigt wurde. Er löste den Münchner Hausstand auf und begab sich nach Basel, wo er zunächst bescheiden als Klavierlehrer leben wollte.
Hier kam es dann auch zu einer Aussöhnung mit dem Geiger Joachim, aber zu Brahms konnte Bülow trotz ehrlichen Bemühens immer noch keinen Zugang finden. Er besorgte sich zwar alle bisher erschienenen Werke von Brahms, um diese vorurteilslos zu studieren, kam jedoch zu dem Ergebnis: »das ist für mich keine Musik«.
Auch mit Cosima und Wagner blieb er in ständigem Kontakt und Cosima führte immer noch Buch über die Konzertauftritte ihres rechtmäßig angetrauten Mannes. Cosima kam gelegentlich auch zu Besuch und sprach gegenüber König Ludwig vom getreuen Hans. Der Getreue erschien dann auch am Kindbett Cosimas, die Wagner gerade eine zweite Tochter geschenkt hatte, und es ist überliefert dass Bülow gesagt haben soll: »je pardonne,« worauf sie antwortete, »il ne faut pas pardonner, il faut comprendre.« (ich verzeihe ... man muss nicht verzeihen, man muss verstehen).
Eines Tages kommt Cosima mit Richard Wagner nach Basel, um Bülow wieder nach München zurückzuholen, Wagner braucht einen guten Dirigenten zur Einstudierung seiner »Meistersinger«. Im Mai 1867 kehrt Bülow als Hofkapellmeister und Leiter der Musikschule nach München zurück, wo er ein ungeheures Arbeitspensum bewältigt und auch noch - ganz Diener der Musik - vor Ort bleibt, als ihm Cosima am 14. Oktober 1868 brieflich mitteilt, dass sie nun mit Richard für immer zusammenbleibt. Bülows Ehe wurde am 18. Juli 1869 gerichtlich geschieden.
Es ist in diesem Rahmen unmöglich auf alle Aktivitäten dieses bienenfleißigen Musikers einzu- gehen, aber seine erste Reise nach England, im Mai 1873, ist so ein Beispiel des Fleißes - allein im Mai/Juni trat er in London sieben Mal als Pianist auf, die lobenden Kritiken überschlugen sich während seines fünfwöchigen Aufenthalts. Bei folgenden Reisen lernte er England noch besser kennen. Konzertreisen nach Warschau, St. Petersburg und Moskau wurden unternommen. In Warschau hinderte ihn morgens um sieben ein Dienstbote am Spielen, weil im Nebenzimmer Adelina Patti schlief. Erfolg reihte sich an Erfolg - bis Bülow 1871 in Mailand auftaucht und sich dort negativ über Verdi äußert, diesen als einen »allgewaltigen Verderber des Italienischen Kunstgeschmacks « bezeichnete. Die Empörung war dann entsprechend groß und es war klar, dass Bülow in dieser Stadt nun nicht konzertieren konnte.
Nun trat Frau von Heldburg auf den Plan, die Herzogin von Meiningen, die ihm ihre Villa Feodora bei Bad Liebenstein zur Verfügung stellte - Meiningen sollte später für Bülow noch interessant werden.
Hans von Bülow konzertierte auch in der neuen Welt, drei Mal war er in Amerika. Erstmals segelt er im September 1875 los, wird auch prompt seekrank und erreicht nach zehn Tagen Boston. Er ist von Amerika zunächst hell begeistert, aber nach zehn Monaten verließ er Amerika enttäuscht und gesundheitlich schwer angeschlagen. Sein alter Freund Bronsart konnte ihm nach seiner Genesung eine Dirigentenstelle in Hannover anbieten, dann ging es wieder aufwärts mit ihm - bis es zu einem Streit mit dem Tenor des Hauses kam und Bülow ging.
Er selbst hätte damals wohl nicht geglaubt, dass er nochmals 1889 und 1890 übers große Wasser fährt, aber da war die Passage dann schon wesentlich komfortabler.
Baden-Baden näher, das war im September 1877. Als die musikalische Welt bemerkt, dass sich Bülow für Brahms ins Zeug legt, reiben sich die Wagnerianer verwundert die Augen, aber Bülow setzt sich auch weiterhin für Wagner ein, indem er mit Beethoven-Sonaten Geld für Bayreuth einspielt. Aber da war nicht nur die Hinwendung zu Brahms, die erstaunt, sondern ebenso rätselhaft die Abwendung von seinem einst so verehrten Meister Franz Liszt - fast unglaublich, wenn man hier das Zitat einfügt:
»Die Werke und selbst der Name des von mir durch Jahrzehnte hindurch abgöttisch verehrten "Großmeisters" sind mir heute Gegenstand beinahe ebenso uneingeschränkten wie unüberwindlichen Abscheus geworden.«
Natürlich erfährt Liszt von solchen Äußerungen seines ehemaligen Schülers, stellt sich aber dennoch schützend vor ihn.
Bülow war Intendant und Dirigent des Meininger Hoftheaters geworden, sein Vertrag galt ab 1. März 1880. Die Herzogin war früher in Berlin Klavierschülerin Bülows gewesen und hatte sich bemüht Bülow nach Meiningen zu holen. Das Gehalt Bülows war nicht allzu üppig, aber er hoffte hier ausreichend Zeit zu haben, um auf hohem künstlerischem Niveau arbeiten zu können; es sollten Musteraufführungen der klassischen Orchestermusik entstehen. Bülow kümmerte sich auch um scheinbare Kleinigkeiten: Ein korrektes Thermometer musste angeschafft werden, Stühle und Pult ... et cetera, mussten repariert werden. Eine noch wichtigere Aufgabe war die Aufstockung des Orchesters von bisher 36 Musikern auf 44, Bülow schaute selbst in Nachbarstädten nach geeigneten Musikern und hatte auch die Militärkapelle im Auge, falls Verstärkung notwendig wurde. Das Meininger Orchester entwickelte sich zu einem »Markenartikel« und »Exportschlager« - es gab kaum eine bedeutende Stadt, in der das Orchester nicht gastierte. Das »Sahnehäubchen« war Brahms, der mehrmals anreiste und mit dem vorzüglich eingespielten Orchester, unbeobachtet von der musikalischen Öffentlichkeit, neue Werke aufzuführen.
Daneben fand Bülow noch die Zeit eine zweite Ehe einzugehen; während eines Gastspiels in Hamburg ergab sich ein Wiedersehen mit der Schauspielerin Marie Schanzer, die er 1877 in einer Aufführung des Karlsruher Hoftheaters gesehen hatte. Bülow konnte es richten, dass die Dame ein Engagement am Meininger Theater bekam; am 29. Juli 1882 war die Hochzeit.
Kurz vor seiner Hochzeit war Bülows lebenslanger Freund Joachim Raff in Frankfurt gestorben, im Februar 1883 Richard Wagner in Venedig; den Tod Wagners traute man sich ihm nur in Gegenwart eines Arztes mitzuteilen, in tiefer Depression verließ Bülow Meiningen zu Kuraufenthalten in Würzburg und in der Schweiz. Neben dem renommierten Brahms, musizierten in Weimar damals auch Edvard Grieg und der noch ganz junge Richard Strauss.
Das erfolgreiche Reiseorchester gastierte weiterhin eifrig in verschiedenen Städten, so auch in Berlin, wo sich Bülow erdreistete das königliche Opernhaus einen Zirkus zu nennen, da war dann anschließend der Teufel los; der Berliner Hof beschwerte sich beim Meininger Herzog, und dieser musste Herrn von Bülow rügen. Der stolze Bülow bat um seine Entlassung, zog dann aber seine Kündigung zurück. Eigentlich einer Nichtigkeit wegen, wurde Bülows Frau vom Theater entlassen, Bülow war wütend und kündigte erneut - zu viel hatte sich angestaut - der Herzog nahm die Kündigung an. Sechs Jahre einer glanzvollen Tätigkeit waren vorüber, Bülows Nachfolger sollte erst noch einen großen Namen bekommen, er hieß Richard Strauss.
Bülow sieht man nun als reisenden Dirigenten, eine Weile behält er noch seinen Wohnsitz in Meiningen, zum 1. Juli 1887 lässt er sich in Hamburg nieder, 1892 erhält er das Hamburger Bürgerrecht. Hamburg, Bremen und Berlin sind für ihn die musikalischen Schwerpunkte, aber mit seiner Gesundheit geht es bergab. Zudem bricht im August 1892 in Hamburg die Cholera aus. Am 5. Dezember des Jahres muss Bülow wegen Unwohlsein in der Mitte des Programms pausieren. Gesundheitlich schwer angeschlagen dirigiert er im April 1893 nochmals in Berlin, konsultiert auch Ärzte dort, bleibt der Krankheit wegen alleine in Berlin zurück, reist in den Schwarzwald, und zu einem Arzt nach Aschaffenburg.
Richard Strauss kommt im Januar 1894 gesund aus Ägypten zurück, nun suchte Bülow Heilung von seinem Lungenleiden und reist mit seiner Frau nach Ägypten, aber die Sonne Ägyptens sollte keine Hilfe bringen, sie brachte ihm im Diakonissen-Hospital in Kairo den erlösenden Tod. Der Sarg mit dem einbalsamierten Leichnam wurde nach Hamburg gebracht, wo am 20. März in der Michaeliskirche die Trauerfeier stattfand, die siebenstündige Trauerfeier im »Michel« war von Theaterdirektor Bernhard Pollini arrangiert und Gustav Mahler hörte man an der Orgel, wo er an diesem Tag die Idee zum Finale seiner Zweiten Sinfonie entwickelte.
Die Namen der prominenten Nachfolger des großen und vorbildlichen Dirigenten
1978 konnte das Grabmal, das sich in den Jahren zuvor in einem desolaten Zustand befand, durch private Spender restauriert werden. Auf Initiative des Interessenverbandes Deutscher Komponisten und der Berliner Philharmoniker unterstützten auch die bedeutendsten Dirigenten dieses Vorhaben zu Ehren von Hans von Bülow.
Praktischer Hinweis:
Das Grab befindet sich auf dem Friedhof Ohlsdorf, Fuhlsbüttler Straße 756 - 22337 Hamburg.
Wer das Grab im Friedhofsplan sucht: V 22, man geht vom Bestattungsforum aus geradeaus etwa eintausend Meter auf der Nebenallee bis zur Waldstraße, wo man sich nach links wendet und sich dann in unmittelbarer Nähe des Grabes befindet - dort muss man sich etwas umschauen, weil die Grabanlage nicht direkt an der Waldstraße steht, sondern seitlich im Grünen.