Zum heutigen Geburtstag von Eugen d´Albert
Als Sohn eines Franzosen und einer Engländerin kam er in Glasgow zur Welt, in eine Welt, die in Glasgow wirtschaftlich etwas aus den Fugen geraten war. Dennoch hatten genügend Leute Lust die damals üblichen Ballhäuser zu besuchen, wo Eugens Vater als Komponist und Kapellmeister für den nötigen Schwung sorgte. Geldsorgen kannte die Familie nicht, der angesehene Vater konnte mit seiner Familie gut leben. Die Mutter war bei Ankunft des Kindes 37 Jahre alt. Im Familienkreis nannte man den Jungen Eugy (Judschi gesprochen). Ansonsten wünschte der Vater, dass zu Hause französisch gesprochen wurde, während Annie d´ Albert darauf bestand mit ihrem Sohn englisch zu sprechen, weil sich ja das Kind in seinem Geburtsland verständlich ausdrücken können müsse. Als schließlich der siebenjährige Knabe ein deutsch-englisches Wörterbuch in die Hände bekam, war es um ihn geschehen, diese Sprache wollte er unbedingt kennen lernen und noch im Kindesalter las er deutsche Bücher, sogar »Faust« soll er gelesen haben.
Das Kind konnte von der Erbmasse her aus einem überreichen Fundus schöpfen. Eugens aus Italien stammende Vorfahren waren auch Musiker von einiger Bedeutung, seine Großmutter war eine ausgezeichnete Pianistin und sein Vater hatte in Paris eine vorzügliche Ausbildung bei Wilhelm Michael Kalkbrenner genossen.
Als Eugy in dem Alter war, dass er einen Klavierstuhl erklimmen konnte, versuchte er natürlich das Tun seiner Eltern nachzuahmen, was viele Kinder tun, ohne dass aus ihnen dann musikalische Größen werden. Man darf vermuten, dass der Vater das Geklimpere seines Sprösslings in geordnete Bahnen lenkte, denn als der Zehnjährige erfuhr, dass ein Musikpreis für Kinder ausgeschrieben war, wollte er dabei sein. Als er nun vor der Prüfungskommission die a-Moll-Sonate von Mozart und eigene Kompositionen zu Gehör brachte, war er auch schon Preisträger.
Die Eltern ahnten, dass hier etwas Außergewöhnliches am Werden war und verlegten ihren Lebensmittelpunkt nach London, denn Eugy hatte eine Freistelle an der »National Training-School for Music« erhalten. Der Unterricht war dort vom Organisatorischen her nicht optimal, weil Arthur Sullivan eher als Star seiner Zeit auftrat, worunter die Unterrichtsplanung litt. Nachdem einige Schüler-Eltern darüber ihren Unmut äußerten kamen neue Lehrer an das Institut. Sein nächster Lehrer hielt alle Unterrichtsstunden exakt ein, fand aber bewundernd alles gut, was d´ Albert machte. Erst als der aus Österreich stammende Klavierlehrer Ernst Pauer in London auftauchte - selbst ein Schüler Czernys - war Eugy ernsthaft gefordert, denn Pauer rügte auch die kleinste Kleinigkeit, wenn nicht absolut exakt gespielt wurde. Pauers Sohn Max, zwei Jahre jünger als Eugy, wurde in der gleichen Klasse unterrichtet und die beiden freundeten sich an. Dass Vater Pauer seinen Sohn mitunter bevorzugte, störte die beiden Jungs nicht weiter.
Als sich Eugy bei einem weiteren Wettbewerb einen Preis erspielt hatte, wurde das auch in der Presse entsprechend gewürdigt und er durfte zwei Mal Königin Queen Viktoria vorspielen. Dies wurde wiederum vom Adel beobachtet, was dem sich entwickelnden Jungstar Zugang zu diesen Kreisen verschaffte. Seine öffentlichen Auftritte wurden für ihn zur Routine.
Sein Idol war Richard Wagner, den er aus Klavierauszügen und Partituren spielte und er konnte mit dem Text »Morgendlich leuchtend« etwas anfangen, hatte er doch stets seine Deutsch-Studien betrieben.
In dieser Lebensphase stellte er manch Herkömmliches in Frage, zerriss auch mal vor den Augen der entsetzten Eltern ein Notenblatt und es kam zum familiären Streit, insbesondere mit dem Vater, der ja schließlich auch eine Menge von Musik verstand. Der Vater beendete den häuslichen Unfrieden damit, dass er seinen 16-jährigen Sohn für ein Jahr zu seinem in Paris lebenden Stiefbruder schickte, der dann die mittlere Phase der Adoleszenz seines Gastes erleben durfte und diesen nach einem Jahr gerne wieder nach London gab.
Wieder zuhause in London, beschäftigte sich Eugy neben seiner Musik mit Geschichte, Literatur und Sprachen. Dazu kam er mit bedeutenden Künstlern seiner Zeit in Kontakt, wie Anton Rubinstein, Clara Schumann, Max Bruch ... Eine besondere Zusammenarbeit ergab sich mit Hans Richter, der anregte, dass das vom 16-jährigen Eugéne d` Albert komponierte a-Moll-Konzert im Herbst 1881bei einem »Richter-Konzert« von dem jungen Mann selbst vorgestellt wird. In der »Times« erschien eine umfangreiche Kritik, die Eugen d`Albert eine große Zukunft als Komponist und Pianisten vorhersagte.
Es gab einen großen Abschied von den Eltern - Hans Richter hatte mit diesen ausgehandelt, dass er ihren Jungen mit nach Wien nimmt und Eugy versprach beim Abschied seinen Eltern, dass er ihnen die Kosten erstatten wolle, wenn er erst mal sein eigenes Geld verdienen würde.
Eugens flegelhafte Anfälle gab es nicht mehr, er fühlte sich bei Familie Richter pudel wohl und bewunderte seinen »Ersatzvater«, der ihn zu den Proben der Philharmoniker mitnahm und ihn mit dem 70-jährigen Franz Liszt bekannt machte, der damals eine lebende Legende war. Nachdem Eugen Liszt vorgespielt hatte, meinte dieser: »seit Tausig hörte ich niemand so spielen! - Du wirst die Welt in Erstaunen versetzen!«
Im Folgenden kam Eugen d´Albert mit den wichtigsten Leuten der Stadt in Kontakt, lernte Bruckner kennen und wurde Brahms vorgestellt. Ende Februar 1882 präsentierte Richter seinen Schützling in einem großen Philharmonischen Konzert, das Publikum feierte den Jungpianisten enthusiastisch, die Presse war in ihrer Beurteilung eher reserviert.
Eugen d`Albert wollte zu Liszt nach Weimar und bewarb sich brieflich, wurde vom Meister angenommen und hatte im Mai 1882 seine erste Unterweisung in Weimar und machte dort über Wochen eine gute Figur, und begleitete Liszt dann auch nach Bayreuth, wo ihn Liszt weiter unterrichtete, wenn Wagner nicht um den Weg war, denn der mochte es nicht, wenn Liszt auf seinem Terrain unterrichtete.
Wieder zurück in Weimar, drängte Liszt, dass d´Albert nun in Berlin konzertieren sollte, aber ein überfordertes Publikum und ein unzulängliches Programm sorgten für einen Misserfolg. Weitere Konzerte in Berlin waren erfolgreich und der Pianist wurde an den Hof gebeten und von Kaiser Wilhelm I. empfangen. Nun war d´Albert zum vielgefragten Künstler geworden und gastierte in vielen Städten, in Weimar war er zum Hofpianisten ernannt worden. In Weimar hatte sich für Eugen um 1882 eine Liebschaft zu Louise Schärnack, einer Hofopernsängerin entwickelt, woraus sich aber keine dauerhafte Bindung ergab. Als Eugen 1884 auf einem Tonkünstlerfest Louise Salingré, die eigentlich von Geburt Salinger hieß, kennenlernte, hatten beide eine nicht funktionierende Liebschaft hinter sich gebracht und strebten eine innige Gemeinsamkeit an, aber da beide Heiratswillige noch nicht volljährig waren, konnten sie nicht einfach heiraten, so wie das heute möglich ist. Helgoland galt damals als Hochzeitsinsel für schwierige Fälle, auch die Staatszugehörigkeit spielte keine Rolle, am 12. September 1884 heirateten beide auf der Insel.
Als Wohnsitz hatten sie Coburg ausgewählt, der Gatte war mit Konzertverträgen gut ausgestattet, die wirtschaftliche Basis war vorhanden. Er spielte in vielen deutschen Städten, aber auch in Mailand, Turin ... und hatte Optionen für Gastspiele in Österreich und Frankreich.
War der konzertierende Gatte einmal zu Hause, entwickelte er einen gesundheitsbewussten vegetarischen Lebensstil, war er weg, genehmigte sich seine Gattin schon mal ein Thüringer Würstchen.
Musikalisch war sein Augenmerk ganz auf die Fertigstellung seiner ersten Symphonie gerichtet, aber wie sich noch herausstellen sollte, war dies nicht sein ihm adäquates Genre.
Mit der Zeit gab es für das Ehepaar d´Albert zu viele gesellschaftliche Verpflichtungen, die Eugen vom Komponieren abhielten; er suchte eine Stadt ohne Hofhaltung. Die Wahl fiel auf Eisenach. Dort wurde sein Sohn Wolfgang geboren, der ganz neue Töne zu Gehör brachte, die seinem Vater das Klavierspiel unmöglich machten; d´Albert ließ sich deshalb im Garten einen Turm bauen, um dort ungestört spielen zu können, aber es stellte sich heraus, dass dies auch keine ideale Lösung war.
Eine längerfristige Lösung ergab sich Ende 1889, als d´Albert zusammen mit dem Violinvirtuosen Pablo Sarasate eine einjährige Konzerttournee durch Nordamerika vereinbarte; Gattin Louise begleitete ihren Mann. Louise begann sich am Lebensstil amerikanischer Damen zu orientieren, man lebte sich auseinander. Wie missionarisch d´Albert unterwegs war sieht man zum Beispiel auch daran, dass er auch die Sängerin Lotte Lehmann zu vegetarischer Kost überredet hatte.
Als die Amerika-Tournee beendet war, begab sich Louise in ärztliche Behandlung, d`Albert betrieb die Scheidung und löste seinen Eisenacher Haushalt auf.
Im Oktober 1889 kam die 35-jährige venezolanischen Pianistin und Komponistin - man könnte noch Dirigentin und Sängerin hinzufügen - Teresa Carreño nach Berlin. Vor sachkundigem Publikum hatte sie gleich mit ihrem ersten Konzert hier einen Riesenerfolg, dem weitere, auch in anderen Städten, folgten; bei einem Gewandhauskonzert in Leipzig beeindruckte Teresa Carreño den anwesenden Edvard Grieg mit dem Vortrag seines a-Moll-Konzertes und auf einer Russland-Tournee begeisterte sie ihr Publikum ebenso wie in Deutschland.
Als nun 1891 die große Tonkünstlerversammlung in Berlin stattfand, traf Eugen d´Albert erstmals mit dieser exotischen Schönheit zusammen, die Dame soll d´Albert zunächst kühl begegnet sein, wurde aber zutraulicher als sie in einer öffentlichen Orchesterprobe von ihrem Klavierkonkurrenten hörte, wie er das G-Dur-Konzert von Beethoven spielte. Die beiden näherten sich immer mehr an, gaben gemeinsame Konzerte und eine Heirat wurde ihnen von allen möglichen Seiten eingeredet, führende Zeitungen berichteten von der Heirat, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach. Hans von Bülow betätigte sich dann auch noch als Ehevermittler und redete den beiden gut zu. Beide Partner hatten gescheiterte Ehen hinter sich und aus diesen Verbindungen waren Kinder da. Am 27. Juni 1892 gab man sich in London das Ja-Wort und die neue Familienplanung konnte in Angriff genommen werden. In Coswig, knappe zwanzig Kilometer von Dresden entfernt, hatte man ein großes Grundstück mit einem geräumigen Haus erworben, Eugen ließ sich an einer abgelegenen Ecke des Parks einen Pavillon zum Arbeiten bauen; so war gewährleistet, dass sich beide bei ihrer künstlerischen Arbeit nicht störten.
Es war ein für jeden sichtbar ungleiches Paar, sie groß, schön und stattlich, er wirkte daneben eher unvorteilhaft, der Altersunterschied betrug elf Jahre.
Neben einigen Kompositionen war auch Eugenia, die gemeinsame Tochter von Teresa und Eugen entstanden. Endlich sollte nun auch seine so lange geplante erste Oper »Der Rubin« aufgeführt werden, am 12. Oktober 1893 fand die erfolgreiche Uraufführung in Karlsruhe statt, aber heutzutage ist das Werk weitgehend unbekannt.
In Coswig war Ende 1893 Herta, die zweite Tochter zur Welt gekommen und die Kinderschar auf fünf angewachsen, von Eingeweihten ist die Episode überliefert, dass Teresa mal ihren Mann um Hilfe bat und rief: »Eugenio, komm und schaffe Ordnung, meine Kinder und dein Sohn hauen unsere Kinder.«
Der Geburt von Herta folgte ein Paukenschlag; d´Albert setzte sich ans Wochenbett seiner Frau, um ihr mitzuteilen, dass er die Scheidung möchte. Wie Zeitgenossen mitteilen, sei das wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen, es seien keine Unstimmigkeiten vorausgegangen. Terese nahm sich in Berlin gute Anwälte und d´Albert musste mehr berappen, als er wollte. Erwähnenswert ist, dass beide noch in gemeinsamen Konzerten auftraten.
Eugen d´Albert gab noch ein verunglücktes Gastspiel Hofkapellmeister in Weimar, das den alten Glanz inzwischen verloren hatte, aber ihm winkte neues Liebesglück, er und die Sängerin Hermine Finck waren sich bei gemeinsamer Arbeit näher gekommen. Die optische Erscheinung des Paares war jetzt gerade umgekehrt, Hermine war wesentlich kleiner als Eugen. Es war die Oper »Ghismonda« entstanden und das nächste Opernwerk »Gernot« war im Werden, aber auch eine neue Ehe, die Trauung mit der Sängerin Hermine Finck fand am 21. Oktober 1895 in Gernsbach, einem Ort unweit von Baden-Baden statt. Einem Freund schrieb er dazu: »Es ist dies in Wirklichkeit das erstemal, dass ich mit vollem Bewusstsein, mit Bedacht in die Ehe trete. Ich habe endlich das ersehnte Ideal, mein Glück, meinen Frieden gefunden.«
Das Paar reiste quer durch Europa, nicht immer zu zweit. Hermine war eine gute Sängerin, aber bei weitem keine so dominante Künstlerpersönlichkeit, wie es Teresa Carreño gewesen war. Eugen d´Albert reihte in seinem Schaffen Oper an Oper, sie seien hier aufgezählt, es ist in diesem Rahmen nicht möglich, auf die Entstehung und Aufführung der Stücke näher einzugehen:
Der Rubin 1893 / Ghismonda 1895 / Gernot 1897 / Die Abreise 1898 / Kain 1900 / Der Improvisator 1902 / Tiefland 1902-1903 / Flauto solo 1905 / Tagaldabas 1907 / Izeyl 1909 / Die verschenkte Frau 1912 / Liebesketten 1912 / Die toten Augen 1912-1913 / Der Star von Olivera 1918 / Die Revolutionshochzeit 1919 / Sirocco 1921 / Mareike von Nymwegen 1923 / Der Golem 1926 / Die schwarze Orchidee 1928 / Mister Wu (unvollendet)
!897 ließen sich die d´Alberts in Sachsenhausen bei Frankfurt am Main nieder und d´Albert eilte während der Saison mit einem ungeheuren Schaffenspensum durch Europa. d´ Albert sah seine Pianistentätgkeit immer primär als Broterwerb und seine Kompositionen als etwas Höherwertiges. Es traf ihn deshalb, dass seine sechste Oper »Der Improvisator« nur mäßigen Beifall erhielt und in der Presse überhaupt nicht gut ankam. Wie immer nach der Konzertsaison, sollte es auch 1902 in die Sommerfrische gehen, diesmal war das Ziel Stresa, wo Frau Hermine schon im März vorausgefahren war, um das gemietete Haus ihren Bedürfnissen entsprechend auszustatten. Nach einiger Zeit reifte die Idee heran, sich am Lago Maggiore ein eigenes Refugium zu schaffen, sie bezogen in Meina die »Villa Erminia«.
Und dort entstand dann das Werk, das man automatisch assoziiert, wenn der Name Eugen d´Albert erwähnt wird - »Tiefland«.
Das Libretto stammt von Rudolf Lothar, der das Stück nach einem Schauspiel des katalanischen Dichters Angel Guimera herausgearbeitet hat, wobei der Komponist tatkräftig mithalf. Aber ohne einen Zufallsgriff des Generalmusikdirektors von Schuch in Dresden, wäre dieses Werk nie entstanden, der fischte das Stück aus einem Stapel von Manuskripten heraus, die zurückgeschickt werden sollten.
Gustav Mahler war einer der ersten, die das neue Werk kennenlernten, die d´Alberts waren vom Lago Maggiore nach Wien gereist und spielten ihm »Tiefland« vor, wobei Frau Hermine den gesanglichen Teil übernahm, was Mahler aufhorchen ließ, er hätte diesen Mezzosopran gerne an seinem Opernhaus gehabt. Anfang Juli 1903 war »Tiefland« fertiggestellt, aber niemand mochte das Stück zur Aufführung bringen.
Endlich ein Hoffnungsschimmer, Angelo Neumann wollte das Werk in Prag aufführen. Hier ergab sich dann die Schwierigkeit einen für die Rolle des Pedro geeigneten Tenor zu finden, weil sowohl Weichheit als auch dramatische Kraft gefordert war. Der Heldentenor Elsner schien dieser Aufgabe gewachsen zu sein, starb aber wenige Monate vor der geplanten Aufführung. Nach einigen weiteren Schwierigkeiten hob sich dann der Vorhang am 15. November 1903, und als die Vorstellung zu Ende war, hob er sich zum Schlussapplaus 42 Mal, es war ein überwältigender Erfolg geworden.
Man könnte nun annehmen, dass sich alle maßgeblichen Theaterleute um diese so erfolgreich aufgeführte Oper gerissen hätten, aber dem war nicht so; auch die folgenden Aufführungen in Leipzig brachten unterschiedliche Kritiken, dann stand eine ausgedehnte Amerika-Tournee an, die ihm allerhand Ärger einbrachte. Hermine und Eugen waren froh wieder in Europa zu sein; sie ging gleich nach Meina, er »hausieren«, um seine Oper »Tiefland« an den Mann zu bringen, auf dieser musikalischen Geschäftsreise klapperte er einige deutsche Opernhäuser ab. Es kamen Zusagen aus Köln und Mannheim; er arbeitete schon an neuen Opern und Liedern aus »Des Knaben Wunderhorn«.
Die Hamburger Uraufführung von »Tragaldabas« war ein völliger Misserfolg, ein Eklat. Aber der Erfolg folgte auf dem Fuß, »Tiefland« entwickelte sich prächtig, Anfang Januar 1908 erlebte die Oper in Berlin ihre 50. Aufführung und schon im Mai des gleichen Jahres stand d´Albert wieder in Berlin am Pult, um die hundertste Aufführung zu dirigieren.
Im Alter von 45 Jahren wurde Eugen d´Albert 1909 noch einmal Vater einer Tochter, Violante hieß das Kind, aber fast gleichzeitig trug er sich einmal wieder - nach fünfzehnjähriger Ehe - mit Abwanderungsgedanken. Er hatte die verwitwete Dichtergattin Ida Fulda als für ihn interessante Frau entdeckt und es stellte sich heraus, dass sein Sohn aus erster Ehe, Dr. Wolfgang d´Albert, in Punkto Frauen den gleichen Geschmack hatte, es gab deswegen Krach zwischen Vater und Sohn. Am 15. Mai 1910 brachte Ida Fulda Töchterchen Disiderata zur Welt, geheiratet wurde später, womit Ehefrau und Tochter automatisch Engländerinnen wurden; die Familie zog nach Wien. Eugen d´Albert reduzierte seine Konzerttätigkeit erheblich. Ida wollte, wie aus Berlin gewohnt, einen großen Salon führen, aber Eugen mochte lieber in Ruhe arbeiten; die Zänkereien häuften sich ... - man ahnt es - Eugen dachte an Scheidung. Dramatisches war vorausgegangen: Bei einer Auseinandersetzung in der Wiener Stadtbahn drohte Ida aus dem fahrenden Zug zu springen; da sagte Eugen »Bitte!« Die Gattin sprang hinaus und brach ein Bein. Die Ehe war rasch zu Ende; zwischen all diesen Turbulenzen fand der Mann noch Zeit an neuen Opern zu arbeiten, es waren »Die verschenkte Frau« und »Die toten Augen«, und schon ging die Suche nach neuen Stoffen weiter - »Scirocco« war angedacht.
Im April 1913 kam der vielreisende d´Albert auch nach München und fand im Kreise von Klavierschülern und -Schülerinnen einen besonderen Zugang zu Friederike Jauner, die in ihrem Bekanntenkreis Fritzi genannt wurde. Um es kurz zu machen, am 17. Dezember 1913 war die Hochzeit, die neue Ehefrau war 24 Jahre alt, wirkte jedoch erheblich jünger, wie berichtet wird. Die junge Frau konnte so richtig zu ihrem berühmten Mann aufschauen und staunen, wenn sie ihn auf seinen Konzertreisen begleitete. Die Ferien verbrachte das Paar in Kärnten, im Juni 1914 hatte d´Albert gerade den zweiten Akt zu »Scirocco« fertiggestellt, da fielen die Schüsse in Sarajevo, die beiden packten schleunigst ihre Koffer und reisten nach Zürich. Eugen d´Alberts wichtigstes Konzertland war Deutschland, dort galt er nun als feindlicher Ausländer. Unverzüglich beantragte er die Schweizer Staatsbürgerschaft, reiste dann aber nach Italien weiter, das zu diesem Zeitpunkt noch neutral war.
Nach einigem Umherirren erwarb er ein Haus in Rapallo. Im September 1915 wurde Eugen mal wieder Vater einer Tochter, Wilfriede war geboren worden, die Familie hatte sich in Montreux niedergelassen, da Italien in den Krieg eingetreten war. Aber bald darauf ging es nach Zürich, wo er dann für ein halbes Jahrzehnt sesshaft wurde. Eugen d´Albert konnte alte Kontakte aktivieren und erreichen, dass er eine Sondererlaubnis zum Konzertieren in Deutschland bekam. An der Berliner Hofoper konnte »Tiefland« unter dem bewährten Dirigat von Leo Blech, der schon das Werk in Prag aus der Taufe gehoben hatte, Triumphe feiern; an der Dresdner Hofoper stand die Uraufführung von »Die toten Augen« auf dem Programm und wurde ein großer Erfolg. Ein privater Erfolg stellte sich am 20. Februar 1917 ein, als ihm die Tochter Felicitas geboren wurde. In diesem Jahr arbeitete d´Albert intensiv an der »Revolutionshochzeit«, wobei er zum Ausdruck brachte, dass er dieses Werk am meisten liebt. Der Mann führte das Leben eines Gehetzten, seine Arbeitsleistung ist kaum glaubhaft. Von all seinen Reisen schrieb er eine Unmenge lieber Briefe nach Hause. Fritzi hatte sich verändert, Konkretes wurde nie bekannt, das Paar dachte an Trennung, mochten die aber der Kinder wegen nicht vollziehen, aber wegen des Geredes zog man nach Luzern.
Nach einiger Zeit schien das Zusammenleben wieder zu klappen, der Krieg war zu Ende und Fritzi konnte ihrem Gatten berichten, dass er im Oktober erneut Vater werden würde. Nun war d´Albert wieder ständig auf Reisen, sein Sohn Benvenutos wurde an dem Tag geboren, als in Leipzig die Uraufführung der »Revolutionshochzeit« über die Bühne ging, es war der 24 Oktober 1919. Nach der grandiosen Aufführung gab es - trotz großer Not n Deutschland - eine rauschende Feier, bei der sogar der mit d´Albert befreundete Gerhart Hauptmann ein Gedicht vortrug. Die Heimfahrt scheute d´Albert offenbar wie der Teufel das Weihwasser; noch immer hatte er seinen Sohn »Das Kind der Versöhnung« nicht gesehen; er begab sich per Schiff im November auf eine Tournee nach Norwegen. Nach langer Abwesenheit traf sich das Ehepaar in Leipzig, die Mutter war gekränkt, weil der Vater bis dahin seinen Sohn noch nicht gesehen hatte. Familiär schien alleswieder gut zu laufen 1920 feierte die nun fünfköpfige Familie ein harmonisches Weihnachtsfest. Nach den Festtagen bereitete der Meister »Scirocco« vor, die Uraufführung sollte am 16. Mai 1916 in Darmstadt sein. Zu diesem Ereignis war Fritzi aus der Schweiz angereist. Vor Ort musste sie dann erleben, dass sich ihr Gatte mit auffallender Intensität um eine zierliche junge Dame mit Pagenfrisur und hübschem Gesicht kümmerte; sie hielt es für einen harmlosen Flirt.
Fritzis Erstaunen war groß, als Anfang Juni Eugens Nachricht eintraf, dass er jetzt endlich die Frau seines Lebens gefunden habe und sich deshalb scheiden lasse. Die Scheidung war im Frühherbst 1921 amtlich; die Hochzeit mit Hilde Fels aus Mannheim konnte am 15. November des gleichen Jahres stattfinden. Die Neuvermählten besaßen während der Zeit ihrer Ehe kein eigenes Heim, sie waren mit großem Gepäck ständig auf Reisen.
Unversehens trat Margit Labouchére, eine Deutsche mit Mann und Kind, in das Leben d´ Alberts, der es möglich war, den berühmten Komponisten mit spirituellen Tricks zu umgarnen, Eugen d´Albert war solchen Dingen schon immer zugänglich gewesen. Urplötzlich war Hilde abgemeldet und er setzte seine Reisetätigkeit mit der neuen Bekanntschaft fort, die vom staunenden Publikum als die siebente Ehefrau wahrgenommen wurde.
Es hatte Tradition, dass d´Albert einen Teil des Sommers dazu verwendete, um mit seinen drei Kindern aus der Ehe mit Fritzi entspannte Ferienwochen zu verbringen. Es hatte sich so eingespielt, dass während dieser Wochen stets Fräulein Zanetti zur Kinderbetreuung zur Verfügung stand, die zu den Kindern ein gutes Verhältnis hatte.
Mit seiner neuen Oper »Golem«, an deren Gestaltung Margit Labouchére nicht unwesentlich mitgearbeitet hatte, war d´Albert mal wieder der Überzeugung, dass dies das Beste sei, was er bisher geschaffen hat. Am 14. November 1926 wurde das Werk in Frankfurt a. M. uraufgeführt, Clemens Krauss dirigierte. Die Kritik liest sich gut und befasst sich ausgiebig mit musikalischen Aspekten, so etwas wird heute nicht mehr gedruckt ...
Einige Opernhäuser übernahmen das Werk, aber dann wurde es um die Oper still. Dennoch kannte d´Albert keinen Stillstand, schon waren seine Gedanken bei einer neuen Oper, es sollte etwas noch nie Dagewesenes werden, eine »Jazz-Oper« mit dem Titel »Die schwarze Orchidee«. Als Margit von diesen Plänen hörte, gab es heiße Diskussionen.
Von Margit Labouchére ist schriftlich folgendes überliefert:
»D´ Albert verlässt die hohe ernste Richtung. Er wendet sich anderen Zielen in der Kunst zu. Es lebe der Jazz! "Die schwarze Orchidee" wird komponiert. Ich gehe diesen Weg nicht mit. - Ich ziehe mich seelisch zurück! - Ich kämpfe. - Ungehört - verfliegen meine Worte!«
Bei all dem Zank war d´Albert immer damit befasst sich von Hilde scheiden zu lassen, die jedoch dazu partout keinen Anlass sah. Bei Margit Labouchére hatte er es vergeigt, er war ohne Frau. Als jedoch die Sommermonate kamen, trat wieder das so viele Jahre bewährte Kinderfräulein in Aktion, Virginia Zanetti reiste aus Lugano an, um den Ferienhaushalt zu regeln.
»Die schwarze Orchidee«, mit deren Vorarbeiten er schon 1925 begonnen hatte, war im Sommer 1928 fertig. Der Effekt des absolut Neuen war jedoch inzwischen nicht mehr gegeben, denn Ernst Krenek hatte schon 1927 seine Jazzoper »Jonny spielt auf« vorgestellt. Als »Die schwarze Orchidee« am 1. Dezember 1928 in Leipzig erstmals aufgeführt wurde, war das ein Achtungserfolg mit guten Kritiken.
Inzwischen sind die Sommer mit seinen Kindern auch Geschichte, ein Kinderfräulein ist nicht mehr nötig, dennoch besteht Kontakt zu Virginia Zanetti, die nun in den Jahren 1929 und 1930 in der Betreuung von d´Albert ein neues Betätigungsfeld gefunden hat, wenn dieser in der Gegend aufkreuzt.
In einem letzten Konzert hatte sich d´Albert Ende 1929 vom Publikum verabschiedet, aber weitere Opernpläne hatte er noch. Immer noch beanspruchte ihn die Auseinandersetzung mit seiner sechsten Ehefrau, die sich immer noch der Scheidung widersetzte. In Riga, so las es d´Albert in der Zeitung, sollte es auf Grund der Gesetzeslage möglich sein sich scheiden zu lassen, die Stadt galt damals als Scheidungsparadies von internationalem Rang, also nichts wie hin. 1931 zog er mit Virginia Zanetti nach Riga, wo er drei Zimmer gemietet hatte.
Am Vormittag des 3. März befasste er sich noch mit der Instrumentierung seiner neuen Oper »Mister Wu«, wobei er über Atemnot klagte. Nach dem Mittagessen klagte er über starkes Unwohlsein; man rief die Ärzte und auch seine Rechtsbeistände eilten ans Krankenbett, mit denen er noch juristische Fragen besprechen konnte, dann wurde die Herztätigkeit immer schwächer, um viertel vor sechs starb Eugen d´Albert nach einem arbeitsintensiven und ereignisreichen Leben. Das schweizerische Generalkonsulat ließ unverzüglich den Nachlass versiegeln und das Testament sicherstellen.
Seine letzte Oper wurde von Leo Blech fertiggestellt. Am 29. September 1932 fand am Sächsischen Staatstheater in Dresden die Uraufführung statt.
Seine letzte Ruhestätte fand Eugen d´ Albert hoch oben auf dem über dem Luganer See liegenden historischen Friedhof von Morcote, einem Ort, etwa zehn Kilometer südwestlich von Lugano. Auf einem Bild von der Beisetzung sind ganz vorne die drei Kinder aus seiner fünften Ehe zu sehen.
Hinweis: Nur einige Schritte rechts vom Grab d´Alberts befindet sich das Grabmonument des Sängers Georges Baklanoff.
Die Kirche Santa Maria del Sasso am Bergfriedhof Morcode - das Grab befindet sich ganz in der Nähe

In der Grabstätte wurden auch d´Alberts Töchter Violante und Desiderata bestattet.