Aulis Sallinen (1935- )

  • Ein finnischer Komponist, der auf jeden Fall einen eigenen Eintrag braucht, ist Aulis Sallinen. Seine Musik ist so charakteristisch für die heutige finnische Szene, wie ich sie gerne höre, dass man auf ihn detailliert eingehen muss. Wenn meine Erinnerung nicht trügt, war Sallinen der erste finnische Komponist nach Sibelius, auf den ich aufmerksam wurde, d.h. meine Bekanntschaft dauert vermutlich schon 20-25 Jahre an. Er war auch einer der ersten zeitgenössischen (also noch lebenden) Komponisten, die ich mir wirklich gerne angehört habe (Penderecki und Pettersson waren die anderen, o.k. Pettersson war gerade gestorben).
    Ich muss aber zugeben, dass ich bestimmt seit 10 Jahren nichts mehr von Sallinen gehört habe, bis ich dann gestern diese CD aus der Verpackung nahm, die es beim Werbepartner gerade zum absoluten (ja fast beleidigenden) Spottpreis von € 2,99 gibt. Wer da nicht zugreift, ist selbst Schuld.



    Die 6. Symphonie - mit 40 min seine längste - kannte ich noch gar nicht und ich finde, SIE IST EIN HAMMER. Wow, an einem Wochenende zwei Meistersymphonien entdeckt (Kaipainen 3 und diese), das kommt wirklich selten vor. Sallinen ist der Inbegriff des genialen Eklektikers, in seiner Musik findet man fast das gesamte Arsenal des 19. und 20. Jahrhunderts. Der erste Satz beginnt pochend wie Brahms 1, geht über in eine Schostakowitsch-artige Passage, dazu kommen Bläsereinwürfe aus dem Sacre. Abgelöst wird das von einem brucknerschen Bläserchoral, der in eine Musik übergeht, die ich "Aufgang der Sonne über dem Canyon" betiteln würde (die Symphonie trägt den Untertitel, "New Zealand Diaries" und wurde partiell auch dort komponiert), bald sind wir in der Alpensymphonie und es sind noch keine 10 Minuten vergangen. Der dritte Satz ist in der zweiten Hälfte Ives pur. Und das ganze komponiert er so überzeugend, als seien alle diese Ideen von ihm, es hat (für mich zumindest) überhaupt nichts abgeschmacktes, zweitklassiges. Gut, eine gewisse Nähe zur Filmmusik ist auch da, aber was für eine Filmmusik. Ich finde es jedenfalls grandios und kann nur jedem raten, sich das mal anzuhören.
    Das Cellokonzert ist ein zusätzliches Bonbon, klassisch dreisätzig, in den ersten beiden etwas melancholisch (Elgar grüßt aus der Ferne) und im dritten Satz tänzerisch und volksliednah.


    Der Cellist ist wiederum Jan-Erik Gustafsson (s. Einar Englund) und das Norrköping Symphony Orchestra spielt unter Ari Rasilainen.


    Grandioses Klangbild. Der Preis geht eigentlich gar nicht. :D

  • Aulis Sallinen ist im April dieses Jahres 80 geworden, was leider von der Musikwelt kaum zur Kenntnis genommen wurde. Erfreulicherweise wurde er zumindest in dem führenden Klassikforum angemessen gewürdigt.


    Das Ondine-Label war aber auch nicht ganz tatenlos und hat ein brandneue prallgefüllte Doppel-CD mit den bisher 8 Kammermusiken herausgebracht,. Diese Stücke entstanden zwischen 1975 und 2008, insgesamt 5 davon im neuen Millennium. Grundlage aller Kompositionen ist ein Streichorchester. In der Kammermusik I bleibt dies auch für sich alleine. In den anderen gibt es Soloinstrumente, 2 x Cello (II und VIII), 2 x Piano (IV und V, letzteres alternativ mit Akkordeon), Flöte (II) sowie Streichquartett (VI) und Bläserquintett (VII). Nach ersten Höreindrücken (I, III und VI) haben wir hier ein überaus attraktives Kompendium von bestens anhörbarer zeitgenössischer Musik vorliegen, dass belegt, dass Sallinen, um den es in den letzten Jahren etwas ruhiger wurde, immer noch auf hohem Niveau aktiv ist. Für mich besonders interessant die Kammermusik VI, die ein Streichquartett dem Streichorchester gegenüberstellt. Sehr originelle und interessante Klangmöglichkeiten erschliessen sich da und das 25-minütige Stück mit drei Sätzen, darunter ein wunderbarer langsamer Miitelsatz, habe ich sofort ins Herz geschlossen. Das finnische Spitzenquartett Meta4 wird wie bei allen Stücken von der Jyväskylä Sinfonia begleitet, Dirigent ist Ralf Gothoni, der sich diese Arbeit mit Ville Matvejeff teilt. Interpretatorisch und Klangtechnisch alles auf allerhöchstem Niveau, für den gefragten Preis ein Superschnäppchen.
    Was hat wohl Minna Pensola da im Sinn :D

  • Aulis Sallinen - sieben Jahre jünger als Einojuhani Rautavaara - hat wie dieser bisher acht Symphonien komponiert. Seine erste von 1971 liegt aber wesentlich später als die von Rautavaara (1955/56). Das erklärt vielleicht, warum sich Sallinen gar nicht erst mit der Musik der 60er Jahre auseinandergesetzt hat, sondern mit seiner ersten Symphonie gleich in die Postmoderne durchstartet...als einer der ersten überhaupt. Die erste knüpft ungefähr da an, wo Sibelius' letzte aufhört. Sie ist einsätzig und dauert um die 16 min. Die Musik ist tonal und gemässigt modern, bezieht aber durchaus Effekte der Avantgard als Klangfarben mit ein. Glocken spielen wie auch bei Rautavaara eine wichtige Rolle. Und auch die Musik von Sallinen steht zeitgenössischer Filmmusik nahe. Jedenfalls ist die erste sehr wirkungsvoll und müsste eigentlich viele Freunde finden können. Mir liegen zwei Aufnahmen vor, die jede für sich hervorragend ist.


  • Die Erste knüpft ungefähr da an, wo Sibelius' letzte aufhört. Sie ist einsätzig und dauert um die 16 min. Die Musik ist tonal und gemässigt modern, bezieht aber durchaus Effekte der Avantgard als Klangfarben mit ein. Glocken spielen wie auch bei Rautavaara eine wichtige Rolle. Und auch die Musik von Sallinen steht zeitgenössischer Filmmusik nahe. Jedenfalls ist die erste sehr wirkungsvoll und müsste eigentlich viele Freunde finden können.


    Hört sich ja wirklich interessant an, lieber Lutgra,
    könnte nach Deiner Beschreibung angenehmes Neuland für mich werden. Aber wie geht es weiter bei den späteren Sinfonien weiter ? Sind die auch so kontrastreich wie bei Rautavaara, bei dem die Eine oder Andere (in der Mitte seines Sinfonien-Zyklus) eher ungenissbarere Töne anschlägt ? Oder ist Sallinen durchweg "sauber" ... :D und durchweg geniessbar ?


    Ich bin kein grosser Freund nach Hörschnipseln zu beurteilen, aber was JPC anbietet (leider wenig nur aus den Sinfonien Nr. 1 und 7) stimmt mich positiv mit Blick auf den "Bestellklickfinger" ...


    OT:
    Ich finde Eure (Lutgra und WolfgangZ) Diskussion über Rautavaara interessant und werde mir die Schinken in Kürze auch wieder einmal vorknöpfen.
    Rautavaara ist ein Komponist, der seine persönliche Tonsprache offenbar ewig gesucht hat; daher die auffallend starken Kontraste zwischen den Sinfonien, die von Schostakowitsch über Bruckner bis zum Avantgardissmus reichen.
    Sallinen ist offenbar einheitlicher.


    Ganz grosses Fragezeichen wieder:
    Warum so unbekannt ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    ... bei dem die Eine oder Andere (in der Mitte seines Sinfonien-Zyklus) eher ungenissbarere Töne anschlägt ...


    Ach was, Herr Kollege! Nichts bei Rautavaara ist ungenießbar, weder für mich noch für Dich! :P


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Sallinen ist offenbar einheitlicher.


    Ganz grosses Fragezeichen wieder:
    Warum so unbekannt ?


    Als ich Aulis Sallinen kennenlernte (vor ca. 30 Jahren) war er in meiner Wahrnehmung der bekannteste lebende finnische Komponist. Kalevi Aho und Einojuhani Rautavaara sind m.E. erst später bekannter geworden und haben dann Sallinen auch überflügelt, warum kann ich gar nicht sagen. Ich stelle auch gerade fest, dass die Enthaltsamkeit, die ich selbst gegenüber Sallinen und seiner Musik geübt habe, ein Fehler war, den ich schleunigst wieder gut machen werde. Soweit ich das Oeuvre von Sallinen derzeit überblicke, hat er nichts "Ungenießbares" geschrieben, sondern ist im Vergleich zu den beiden anderen Genannten konsistenter der Tonalität verhaftet geblieben. Insofern gibt es vermutlich auch für Dich einiges hier zu entdecken. Bester Einstieg ist das kurze aber geniale Stück "Shadows", dass die Musik von Sallinen sozusagen in kondensierter Form darbietet. Mit dem Stück hat es bei mir angefangen.


    "https://www.youtube.com/watch?v=AR9nKcLPO1c"

  • Aulis Sallinen hat bisher acht Symphonien geschrieben, ob es noch eine neunte geben wird, wage ich zu bezweifeln, der Komponist ist 81 und die Achte liegt 14 Jahre zurück. Interessanterweise ist auch Landsmann Rautavaara bis zur Nummer 8 gekommen. Ob beide vor der Neunten halt machen wollten, die Achte, die ihr Landsmann und Vorbild Sibelius uns allen vorenthielt, aber schreiben wollten? Kalevi Aho ist übrigens bei 2 x 8 = 16 angekommen.
    Die Achte entstand im Jahre 2001 und habe sie erst jetzt kennengelernt. Nach dreimaligem Hören bin ich von diesem Werk absolut angetan. Es ist eines dieser rätselhaften späten Symphonien, bei denen der Komponist offensichtlich nichts mehr beweisen muß, sondern quasi für sich selbst schreibt, Nielsens 6. und Schostakowitschs 15. sind in diesem Sinne vergleichbare Werke.


    Die Achte von Sallinen besteht aus einem Satz und dauert knapp 25 min. Der Untertitel "Autumnal Fragments" deutet daraufhin, dass das Stück mosaikartige aus kleineren Klangzellen zusammengesetzt ist, die erst im grösseren Kontext ihre Wirkung entfalten. Das ist ihm hier meisterhaft gelungen. Großes Orchester mit vier Schlagzeugern, dabei eine kammermusikalische und sehr transparente Faktur. Während des Komponieren ereignete sich die New Yorker Jahrhundertkatastrophe, was den Komponisten nach eigenen Worten zu einer Abänderung des Schlusses bewogen hat, der jetzt ruhig und traurig verklingt. Der Titel "Autumnal Fragments" bekommt in diesem Kontext eine ganze neue makabre Bedeutung.


    Ganz starkes Werk.

  • Was Du seit Beitrag1 immer wieder berichtest macht Sallinen so interessant, dass ich die längst überfällige Bestellung der jpc-GA heute veranlasst habe, lieber Lutgra.
    Mein Vorsatz ist ja für 2016 mich erst einmal mit meinem riesigen vorhanden CD-Material zu befassen .... insofern wird es bei mir dieses Jahr wenige CD-Neuzugänge geben. Aber bei Sallinen mache ich gerne eine Ausnahme.


    So ist das eben mit dem Zugang ... bei mir waren bei den Finnen Rautavaara und dann Aho zuerst an der Reihe gewesen. Sallinen habe ich erst hier bei Tamino erstmals als existent wahrgenommen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Das freut mich, denn auch ich entdecke gerade diesen Komponisten wieder und finde, dass er tolle Musik komponiert hat.

  • Gestern hatte ich die Sallinen-GA mit seinen Sinfonien und Konzerten (cpo) in der Post.
    Abends habe ich dann eine Marathon-Sitzung mit KH gemacht und erst einmal die CD mit Shadows (1982) und der Sinfonie Nr.8 (2001) - Violinkonzert (1968) gehört.
    Mein Interesse und die einhergehende Begeisterung wuchs mehr und mehr, sodass ich dann bis 23Uhr alle Sinfonien Nr. 1 (1971) - Nr.8 (2001) gehört habe.


    Ganz entscheidend bei Sallinen sind das Einkomponieren von Orchesterfarben in seine Werke, die er auch durch Glocken, Celesta und meine hochgeschätzten Vibraphonklänge sowie Schlagzeug und Pauken erreicht. Seine postmoderne Tonsprache ist supermodern und eigenständig, aber nie ungeniesbar und im Prinzip auf tonalem Boden angesiedelt.
    Er erreicht auch mit ruhigen Mitteln unglaubliche Wirkungen.


    Die Werke mit den vielfältigen Orchesterfarben wirken in der ausgezeichneten cpo-Klangqualität angemessen begeisterungswürdig. Eine historische- oder Monoaufnahme würde ich für verfehlt halten, da dann die Klangwirkung kaum erreicht werden würde.
    Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland Pfalz und das Norrköping PO (bei Sinfonie Nr.2, 4,und 6 u. Konzerten) haben so ein hohes Niveau, dass Wünsche nach bekannten Spitzenorchestern ausbleiben, weil sie selber Spitzenklasse sind. Ari Rasilainen, den ich bereits aus zahlreichen anderen nordischen cpo-Aufnahmen (Atterberg, Englund) u.a kenne ist der Fachmann für seine finnischen Komponisten.


    Seine Sinfonie Nr.2 (1972) - ein sinfonischer Dialog zwischen einem Soloschlagzeuger (mit Vibraphon, Marimba, Croales, 3 TomToms, Bangos, Tempelblocks und Gongs, grosse und kleine Trommeln) hat es mir angetan - Dauer ~17Min.
    *** Auch die knappe Form mit Spieldauern zwischen 17 - 39Min pro Sinfonie finde ich weit ansprechender als so manchen "Warteschinken bei dem sich nix tut" von Pettersson.
    Sallinen ist Liebhaber der einsätzigen Form (Sinfonien Nr. 1, 2, 8), aber auch bei mehreren Sätzen lässt er die Sätze meist attacca ohne Pause ineinander übergehen.



    cpo, 2002-2004, DDD


    Mir gefällt Sallinen besser als vieles von Rautavaara (bes. was Raut. mittlere Sinfonien angeht) und auch Kalevi Aho.
    :angel: Vom persönlichen Geschmack stelle ich ihn an die Seite von Einar Englund (1916-1999).
    Auffallend war für mich, dass Sallinen kaum packende Finalschlüsse komponiert, sondern ruhige abgeklärte nachdenkliche Schlüsse. In diesem Punkt ziehe ich Englunds dramatischere Tonsprache noch vor, der ebenfalls ein finnischer Komponist ist, von dem wir viel zu wenig hören und hier schreiben.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Lieber Wolfgang
    es freut mich, dass Dir die Musik von Aulis Sallinen gefällt, ich hätte ehrlich gesagt auch an meiner Wahrnehmung gezweifelt, wenn Du geschrieben hättest, das sei jetzt gar nicht Deine Musik. :D Die Musik von Einar England kenne ich dagegen bisher nur auszugsweise und ich werde mich da zeitnah auch noch mal mehr mit beschäftigen.
    Gruß
    Lutgra :hello:

  • Shadows is ein Auftragswerk des National SO Washington und seines damaligen Dirigenten M.Rostropowitsch. Es wurde am 30.Nov 1982 von ihm uraufgeführt.


    Die Stimmung und Atmosphäre in diesem 9-10miütigen Werke sind berauschend. Ein Meisterwerk des späten 20.Jhd.
    Da mich die cpo-Box (Abb Beitrag 10) bereits sehr angenehm überrascht hat, habe ich mir jetzt als Ergänzung die abgebildete Finlandia - Doppel-CD zugelegt, die u.a. Shadows, die Sinfonien Nr.4 und 5, sowie das Cellokonzert op.44, u.a. enthällt. Das Cellokonzert soll, laut Empfehlung mit Arto Noras noch autentischer klingen, als in der cpo-Aufnahme.
    Der Dirigent ist hier bei Finlandia Okko Kamu mit dem Helsinki PO.


    Shadows könnte mit Ari Rasilainen (cpo) und hier mit Okko Kamu (Finlandia) nicht unterschiedlicher interpretiert werden. Es hört sich an, als hätten wir mit biden aufnahmen zwei verschiedene Werke.
    Trotzdem muss ich diesesmal sagen: Beide Versionen vertragen die gebotene Leseart.
    1. Rasilainen legt mit dem Norköpping PO eine wuchtige, packende Interpretation mit dem Ausspielen aller Effekte hin (ist schon Megaklasse). Das Werk wirkt schneller und ungestümer, verfehlt aber so keinesfalls sein Wirkung.
    Spieldauer: 8:48
    2. Kamu kommt es mehr auf die Orchesterfarben und die Darstellung der Atmosphäre an. Er bewegt sich weit ruhiger und lässt einige Dissonanzen in ihren Klangfarben wirken und mit dem tonalen Klanggeschehen verschmelzen; es kommen mehr Details ans Licht.
    Spieldauer: 10:03


    Die Sinfonien Nr.4 und 5 sind auf den ersten Blick ähnlich gelagert, doch wirken Kamus Aufnahmen etwas dünn und stellenweise fast zu kammermusikalisch. Der Finlandia - Sound ist auch zu mittenbetont und damit nicht perfekt in der räumlichen Darstellung des Orchesters.
    Hier muss ich klar Ari Rasilainen den Vorzug geben, der wesentlich sinfonischer, emotionaler und damit viel interessanter klingt. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland Pfalz (Ludwigshafen) spielt bei cpo einen grossteil der Sinfonien in der GA. Das Orchester gefällt mir einfach besser als das trockene Helsinki PO und erweist sich so ganz und gar nicht als ein Provinzorchester. Bei Kamu empfindet man stellenweise Langeweile, die man bei Rasilainen nicht annähernd empfindet.


    Auch das Cellokonzert op.44 finde ich trotz des Cellisten Arto Noras in der cpo-Aufnahme mit Gustafson einfach hörenswerter. Es hat einen blühenderen Ton mit sinfonischem Anspruch. Der kurze Schlusssatz, bei dem Sallinen mal einen aufgewühlten Schluss bringt (denn die Finali sind sonst bei Sallinen eher mit ruhigem Schluss versehen), wirkt bei Kamu total flach und langweilig. Ohne Moos nix los !


    Sicher haben beide Aufnahmen ihre Werte (da sagen Worte wieder mehr als es ist), doch mit Kamu alleine hätte mich Sallinen nicht so begeistert und zum Best Buy 2016 geführt.



    Finlandia, 1984 - 1989, DDD


    Die Doppel-CD bietet noch ein paar weitere Werke:
    Sunrise Serenade op.63
    Aspects of the Funeral March (Orchesterversion eines Streichquartettes)
    Chamber Music I, op.38
    Chamber Music II, op.58

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Am 9. April 2020 feiert Aulis Sallinen seinen 85. Geburtstag. Interessanterweise hat er seit 5 Jahren nichts mehr geschrieben. Einen Grund finden wir in der eher kargen Biographie in der deutschen Wikipedia nicht angegeben. Dort eindet sein Schaffen schon im Jahre 2011 mit op. 93, Tatsächlich - wir entnehmen es der englischsprachigen Wikipedia - hat er seither noch einige kleinere Werke geschrieben, darunter das 6. Streichqurtett op. 103. Sallinen erscheint in keinem meiner Konzertführer und auch das Reclam Komponistenlexikon verschweigt ihn.

    Desungeachtet habe ich mir vor einigen Tagen die Box mit allen Sinfonien (und weiteren Werken) von Sallinen gekauft.


    Sinfonie Nr 1 op 24


    Die erste, kurze und einsätzige Sinfonie habe ich soeben gehört - und sie hat mich beeindruckt. Tonal und dennoch modern, schlank und dennoch stellenweise wuchtig mit einem unterschwellig düsterem oder geheimnisvollen Klangteppich, ein Raunen im Untergrund, durch instrumentale Effekte, wie beispielsweise Glocken, farbig aufgefrischt und belebt. Es ist - zumindest in dieser Sinfone (die weiteren kenne ich noch nicht) eine sehr individuelle Klangsprache, die mir sehr gut gefällt.

    Die Sinfonie entstand in den Jahren 1971/72 und trug ursprünglich den Titel "Sinfoniette". Die Namensänderung erfolgte anlässlich der Komposition der Sinfonie Nr. 2 (ebenfalls 1972).


    Mal sehen wie sich der Komponist in seinen Werken weiterentwickelt hat - oder auch nicht.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aulis Sallinen: Sinfonie Nr 2 op 29


    Ich bin inzwischen bei Sinfonie Nr 2 angekommen und bin inzwischen hin und weg. Für alle jenen, die mich als Freund der Wiener Klassik kennen, muss ich dennoch eine Warnung aussprechen: Das ist eine ganz andere Welt.

    Die einsätzige Sinfonie wurde 1972 komponiert und hat eine Spieldauer von guten 16 Minuten. und dit dem Schalgzeuger Rainer Kuisma (*1931) gewidmet

    Die Uraufführung war am 25. Februar 1973 mit dem SinfonieOrchester Norrköping uner Okko Kamu (*1946)

    Sie trägt den Untertitel "Sinfonischer Dialog"

    Gemeint ist hier der Dialog zwischen Soloschlagzeug und Orchester, der quasi die Leitlinie des Stückes ist. Bemerkenswert ist auch der verwendeter Orchesterapparat
    Marimba, Vibraphon, Crotales, Tom Toms, Gomgd. Trommeln etc. Im Booklet findet man die komplette Auflistung.

    Das Ergebnis ist IMO von dem was ich unter einer Sinfonie vertehe sehr unterschiedlich - ABER ÄSSERST beeindruckend . Es kling exotisch, eigenwillig aber auch aud seine Art eingängig und suggestiv.

    Geheimtipp; Abgesehen von allen anderen Vorzügen eignet sich diese Aufnahme auch zur Demonstration von Stereoanlagen!!!!

    Und zwar wegen der Vielfalt an Klangfarben und extremer Räumlichkeit

    Der Komponist dürfte das irgendwie vorgeahnt haben, denn er warnt davor das Werk als "reines Schaustück" zu betrachten.......


    mfg aus Wien

    Alfred


    PS: Die Sinfonie kann in dieser Einspielung nicht mehr einzeln erworben werden , nur als preisgünstige Box.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Violinkonzert op.18 (1968)


    Aulis Sallinens Sinfonien _ GA war mein bester Neuzugang im Jahre 2016.
    In der GA ist sein Violinkonzert (und Cellokonzert) enthalten.

    Das Konzert sollte vom Violinsolisten Oleg Kagan uraufgeführt werden. Da die sowjetischen Behörden ihm die Ausreise verweigerten, wurde es von Okko Kamu am 8.April 1970 uraufgeführt. Kamu war zu dieser Zeit gerde dabei seine Solistenlaufbahn mit dem Taktstock zu vertauschen.

    Das VC ist traditionell in 3 Sätze Andante sostenuto - Larghetto - Allegro giocoso gehalten. Die Sätze 2 und 3 gehen ohne Pause ineinander über.
    Die moderne und eigenständig ausgebildete Klangsprache Sallinens ist allerdings keinesfalls traditionell. Mit einer interessanten Instrumentation (Vibraphon wird mit Fingernägeln angeschlagen; Klavier und Harfe werden mit einem Plektrum gezupft; lang andauernde Klangcluster) begeistert er durch eine unglaubliche Atmosphäre und erzeugt farbenreiche Klangwirkungen. Die Tonsprache mit kontrastierenden Materialien wechselt zwischen tonal und atonal, die Harmonien mit Bruchstücken von Tanzmusik und orchestralen Finessen kann einfach nur begeistern.


    :) Ich möchte mich nihct zu weit hinauslehnen, aber als ein Meisterwerk des 20.Jhd möchte ich dieses VC schon beurteilen.

    Der absolut aktuelle, im Prinzip audiophil anmutende Klang dieser Aufnahmen, ist einmal mehr ein absoluter Pluspunkt mit Hörspass, für diese fabelhafte Musik Sallinens.
    Ari Rasilainen und die Staatphilharmonie Rheinland-Pfalz / Norköpping PO(bei einigen anderen sinfonischen Werken) erweisen sich als ausgezeichnete Sachwalter für diese Musik.


    CPO, 2002-2007, 2005 (VC), DDD


    Dies ist die Abb der CPO-Einzel-CD, die sich im Schuber der Sallinen-GA befindet:

    51EMPFHCW8L._SY300_.jpg

    CPO, 2005, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wenn ich das richtig sehe sind seine Werke für Cello und Klavier und sein Klaviertrio nicht vorgestellt worden. Werke aus dem 21. Jahrhundert bis auf den Swan Song von 1990 für Cello und Klavier. Auch, wenn der Komponist offensichtlich kein Freund von Modeentwicklungen ist und seine eigene Sprache hat, die irgendwie ein Amalgam der finnischen Klangwelt eines Sibelius mit einer durchaus fremdtönernen, sparsamen Erzählweise der musikalischen Nachkriegswelt darstellt macht es zumindest mir Spaß, in diese Klangwelt zu tauchen. Das frühere Werk macht tatsächlich noch den progressiveren Eindruck. Im Klaviertrio gefällt mir der Umgang des Komponisten mit den Instrumenten besonders gut.


    Angesichts des momentanen Preises bei jpc muss man das Album sowieso bestellen, selbst, wenn man nur Interesse an der Leerhülle haben sollte ;)


  • Aulis Sallinen: Sinfonie Nr 3 op 35




    Die zwischen 1974/75 entstandene Dritte Sinfonie ist - im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen - mehrsätzig:

    Der Komponist hat sich dazu auch schriftlich geäussert. Er hatte urprünglich ebenfalls ein einsätziges Werk geplant, wobei sich bei der Ausarbeitung herausstellte, daß dies

    mit der bereits komponierten Musik zu diesem Werk in Widerspruch stand und daher nicht ausführbar schien.


    1) Tempo energico et sostenuto

    2) Chaconne

    3) Vivace giocoso - Finale


    Das Werk ist ein Auftragswerk des Finnischen Rundfunks und dem dem Dirigenten Okko Kamu gewidmet, der auch die Uraufführung dirigierte.

    Bemerkenswert ist auch die verlangte Größe des Orchesters, wo auch relativ exotische Instrumente mit eingebunden sind.


    Der Erste Satz ist tendenziell wichtig und Langsam, bedrohlich und gewaltig, aber niemals exzessiv laut. Ich verband damit einen subjektiven Eindruck durch Gebirge in der fortgeschrittenen Abenddämmerung, wo die Felsmassen einen schweigend, aber drohend einschüchtern-

    Der zweite Satz ist etwas dezenter, auch hier hatte ich ein Bild vor Augen (das natürlich keine Allgemeingüligkeit hat)

    Eine tief unter der Erde liegende Höhle, mit gelegentlichen wasser führenden Stollen und unterirdischen Seen - ein Gefühl der Einsamkeit und unterschwelligen Bedrohung

    Der dritte Satz indessen ist gelegentlich voll Attacke, aktiver, agressiver und zeigt stellenweise die gesamte Wucht des Schlagzeugs, das überigens auch das letzte Wort hat.


    Eine weitgehend düstere und eigenwillige Sinfonie - nicht unbedingt klangschön - aber voller Effekte und beeindruckend.

    Sie wird ihre Liebhaber finden, wenngleich wir die nicht bei den Autoren von deutschen Konzertführen orten.....

    Dort wird der Komponist nämlich beharrlich totgeschwiegen....


    Neben der bereits mehrfach in diesem Thread genannten und verlinkten Box mit den Sinfonien Nr 1-8

    gibt es auch noch eine Einspielung von BIS in superber Anaolgtechnik.

    Allerdings Vollpreis. Reinhören in die Samples wird empfohlen....


    mfg aus Wien

    Alfred


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !