Ein finnischer Komponist, der auf jeden Fall einen eigenen Eintrag braucht, ist Aulis Sallinen. Seine Musik ist so charakteristisch für die heutige finnische Szene, wie ich sie gerne höre, dass man auf ihn detailliert eingehen muss. Wenn meine Erinnerung nicht trügt, war Sallinen der erste finnische Komponist nach Sibelius, auf den ich aufmerksam wurde, d.h. meine Bekanntschaft dauert vermutlich schon 20-25 Jahre an. Er war auch einer der ersten zeitgenössischen (also noch lebenden) Komponisten, die ich mir wirklich gerne angehört habe (Penderecki und Pettersson waren die anderen, o.k. Pettersson war gerade gestorben).
Ich muss aber zugeben, dass ich bestimmt seit 10 Jahren nichts mehr von Sallinen gehört habe, bis ich dann gestern diese CD aus der Verpackung nahm, die es beim Werbepartner gerade zum absoluten (ja fast beleidigenden) Spottpreis von € 2,99 gibt. Wer da nicht zugreift, ist selbst Schuld.
Die 6. Symphonie - mit 40 min seine längste - kannte ich noch gar nicht und ich finde, SIE IST EIN HAMMER. Wow, an einem Wochenende zwei Meistersymphonien entdeckt (Kaipainen 3 und diese), das kommt wirklich selten vor. Sallinen ist der Inbegriff des genialen Eklektikers, in seiner Musik findet man fast das gesamte Arsenal des 19. und 20. Jahrhunderts. Der erste Satz beginnt pochend wie Brahms 1, geht über in eine Schostakowitsch-artige Passage, dazu kommen Bläsereinwürfe aus dem Sacre. Abgelöst wird das von einem brucknerschen Bläserchoral, der in eine Musik übergeht, die ich "Aufgang der Sonne über dem Canyon" betiteln würde (die Symphonie trägt den Untertitel, "New Zealand Diaries" und wurde partiell auch dort komponiert), bald sind wir in der Alpensymphonie und es sind noch keine 10 Minuten vergangen. Der dritte Satz ist in der zweiten Hälfte Ives pur. Und das ganze komponiert er so überzeugend, als seien alle diese Ideen von ihm, es hat (für mich zumindest) überhaupt nichts abgeschmacktes, zweitklassiges. Gut, eine gewisse Nähe zur Filmmusik ist auch da, aber was für eine Filmmusik. Ich finde es jedenfalls grandios und kann nur jedem raten, sich das mal anzuhören.
Das Cellokonzert ist ein zusätzliches Bonbon, klassisch dreisätzig, in den ersten beiden etwas melancholisch (Elgar grüßt aus der Ferne) und im dritten Satz tänzerisch und volksliednah.
Der Cellist ist wiederum Jan-Erik Gustafsson (s. Einar Englund) und das Norrköping Symphony Orchestra spielt unter Ari Rasilainen.
Grandioses Klangbild. Der Preis geht eigentlich gar nicht.