Hilfe! Schubert, "Der Tod und das Mädchen", 2. Satz anders aufgelegt - Vokalbegleitung?

  • Hallo,


    ich bin ja sowohl in der elektronischen Musik als auch in der großorchestralen Klassik beheimatet. Neben ein paar Ausreißern. Ein von mir sehr geschätzter Künstler (Fernando Corona aka "Murcof") hat einmal den 2. Satz aus dem Streichquartet "Der Tod und das Mädchen" von Franz Schubert anders aufgelegt. Musikalisch ist der elektronische Anteil gar nicht sonderlich interessant, aber insgesamt funktioniert es für mich. Und ich kam über diesen Weg zu dem Streichquartett. Gerade der 2. Satz und auch das elektronische Stück - beide reißen mich in den Wahnsinn, positiven Wahnsinn :).


    Nun meine Frage. Das Stück hier:


    Gleich am Anfang, 0:20, aber auch im Verlauf, ist Gesangsbegleitung vorhanden. Ich verstehe kein Wort. Nun ist den Elektronikern auch zuzutrauen, dass sie Stimmen aus anderen Kontexten entnehmen und vermatschen...
    Gibt es also einen derartigen Gesang zu dem Stück? Irgendwie finde ich nichts. Es gibt wohl auch ein Kunstlied "Tod und das Mädchen", jedoch passte nach meinem ersten Reinhören der Gesang so gar nicht zu dem im Murcof-Stück. Ich habe das hier auch schon mal in einem anderen Thread gefragt, aber wenn es einen derartigen Gesang gibt, vielleicht auch ein Chor, dann muss doch etwas via Youtube zu finden sein, wo der gesang so wie oben im Video ist? Vielleicht sind das so um 4:00 aber auch vermischte Einzelsänger und kein Chor...


    Dankbar für Hinweise
    Michael

  • "Helfen" kann ich Dir leider nicht, lieber Tapio. Aber Deine Bemerkung wundert mich: "Es gibt wohl auch ein Kunstlied "Tod und das Mädchen", jedoch passte nach meinem ersten Reinhören der Gesang so gar nicht zu dem im Murcof-Stück. "


    Dieses Schubert-Lied "Der Tod und das Mädchen" entfaltet sich klanglich-melodisch doch ganz aus dem zentralen Motiv, das auch in diesem "Murcof-Srück" ganz im Zentrum seiner Klanglichkeit steht. Es ist Schuberts "Todes-Rhythmus": Einmal lang, zweimal kurz, einmal lang. Das Vorspiel von Schuberts Lied setzt in diesem Rhythmus ein, und seine Melodik vernimmt man in der von Dir hier präsentierten Musik.
    Und vor allem: Dieser Arrangeur hat sehr wohl das Wesen der Schubert-Musik erfasst: Das so überaus eindringliche Verharren der in d-Moll harmonisierten melodischen Linie auf einem Ton.

  • Ich verstehe in der Bearbeitung oben auch kein Wort (es scheint jedenfalls nicht der Claudius-Text zu sein), aber melodisch/harmonisch ist es relativ eng an der Vorlage (wenn auch deutlicher am Quartett; es werden ja einige der dortigen Variationen aufgegriffen). Hier ist das originale Lied:



    Der Rhythmus und Gestus findet sich so ähnlich schon im allegretto in Beethoven's 7. Silcher hat das etwas später zu einem Trauergesang arrangiert:



    PS Anhören der Silcherschen Textunterlegungen zu Melodien aus Beethovenschen Instrumentalwerken auf eigene Gefahr! Das verlinkte Beispiel funktioniert ziemlich gut, andere sind eher unfreiwillig komisch.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Dieses Schubert-Lied "Der Tod und das Mädchen" entfaltet sich klanglich-melodisch doch ganz aus dem zentralen Motiv


    Dank an Euch, dass Ihr Euch Zeit genommen habt.


    Ich meinte, dass ich den Gesang von Christa Ludwig kaum in Zusammenhang mit dem Gesang aus dem neuen Stück bringen kann, die hatte ich nach einer Youtube-Suche nämlich auch als erstes gefunden...
    Ich hatte ja nur gehofft, dass es ein allseits bekanntes Vokal/Chor-Stück gibt, dass sich so anhört wie eben der Gesang, den ich im neuen Stück vorfand; dies scheint nicht der Fall zu sein.

  • Wie gesagt, es ging erst einmal darum, dass es nicht so weit hergeholt ist, Gesang einzusetzen. Und am Anfang wird auf die Hauptmelodie (die im Lied erst später kommt, weil es zuerst ja das "Mädchen" singt, dann erst "der Tod") gesungen. Und ein bißchen was eigenes muss der Arrangeur ja auch noch machen ;) Klar, das ist stilistisch anders als klassischer Kunstgesang, aber es soll wohl ein gewisser Anklang, evtl. auch an eine Art Grufti-Klischee von Kirchenmusik ;) erhalten bleiben. Die Musik basiert m.E. durchweg auf dem Quartettsatz, insofern braucht es kein weiteres Chorstück. Ich kenne nicht alle Chormusik Schuberts (es gibt erstaunlich viel); eines der bekanntesten, ebenfalls recht geheimnisvoll klingend, ist der "Gesang der Geister über den Wassern" (aber der hat mit dem Murcof-Arrangement von TuM nichts zu tun).


    Der Text soll anscheinend deutsch sein. Ich meine, in der ersten Zeile "auf Erden" und in der zweiten "er labe dich". Danach verstehe ich nichts mehr. Evtl. mal in einem Forum, das sich dieser Art Musik widmet, nachfragen; vielleicht hat sich da jemand die Mühe gemacht, mehr Text zu entschlüsseln.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • OK, danke. Nein, da stehen die Chancen schlecht und ich hätte etwas mitbekommen, ich bin im forum.watmm.com zuhause :) Ich muss wohl Herrn Corona selbst fragen.

  • Murcof, wie der Name des mexikanischen Künstlers lautet, kann auf ein langjähriges Wirken zurückblicken. Auf Wikipedia kann man mehr über ihn erfahren. Er ist in der Szene der elektronischen Musik eine anerkannte Grösse.


    Ich vermute, die auf YouTube gesetzte Musik stammt aus dem Album Remembrancas (2005), das ein Requiem für die verstorbene Mutter Murcofs ist. Der Text des Gesanges ist nicht zu verstehen.


    Diese Verfremdung gefällt mir. Wenn sie dazu dient, den einen oder anderen Hörer zum Original zu führen, soll es mir recht sein. Hier eine Aufnahme von Franz Schuberts Streichquartett Nr. 14 *Der Tod und das Mädchen" 2. Satz Andante con moto mit dem Quatour Ebène.



    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Nett, dass Du zusammenfast. Ja, er ist eine anerkannte Größe, von der Größenordnung her ist er ein kleiner unter den Großen, er bedient eben eine gewissen Nische. Seine Alben erscheinen relativ selten und deren ersten Buchstaben sind der Reihe nach aus den Buchstaben "MURCOF" gebildet. Das letzte Album war Cosmos, nun warten wir schon seit Jahren auf "Océano". Viele meinen, er macht zu viel in der Kunstszene, statt "reguläre" Alben zu produzieren.
    Es ist aber 2014 das Album "Being human being" erschienen, eine Zusammenarbeit mit Eric Truffaz, das durchaus Anerkennung in der IDM-Szene findet.
    Ich mag auch experimentellere Stücke, wie bspw. Urano (hat eine tolle Auflösung), oder Pegasus, ebenfalls eine Gemeinschaftsarbeit (mit Phillipe Petit). https://soundcloud.com/aagoo/pegasus-murkof-and-philippe
    Die Szene wünscht sich vor allem sowas zurück: https://www.youtube.com/watch?v=5GNuQEwEX4Y - aber sie soll mal ruhig aufgeschlossener sein.


    Übrigens, das hier besprochene Stück erschien nicht auf Remembranza (auf keinem Album).


    An tatsächlich vorhandene Stücke ist er auch in "Versailles Sessions" herangegangen, bspw. findet sich Purcells Dido and Aeneas..., "Ah Belinda", glaube ich kam vor.


    Hmm. Kammermusik ist das wohl nicht...


    Schöne Aufnahme mit Quatour Ebène, danke. P.S.: Der Gesichtsausdruck des zweiten Herrn von rechts passt sehr gut zu unserer (häufig) von Leid und Tragik getragenen europäischen Musik. :D Eine Melange aus allem, was ich liebe, und was meine beste Ehefrau von allen verabscheut. Sie: "Das Leben ist schon hart genug".. ich: "Wer etwas durchleidet, empfindet die Freude umso stärker". Wir konnten uns noch auf keine Wahrheit einigen.

  • Eine Randbemerkung zum Bratscher Mathieu Herzog, dem Musiker mit dem leidenden Gesichtsausdruck: Er ist nicht mehr Mitglied des Quatour Ebène. Mehr erfährt man in diesem Internetartikel des Bayrischen Rundfunks, br-klassik, das ein Interview mit dem Musiker wiedergibt.


    http://www.br.de/radio/br-klas…herzog-bratscher-100.html


    Eine persönliche Bemerkung gestatte ich mir. Immer wenn ich das Quatour Ebène in der Zusammensetzung mit Mathieu Herzog sah, fiel mir seine Leidenschaft und Konzentration innerhalb des Ensembles auf. Das kommt auch schön in dieser Aufnahme des Schubert Quartetts zum Ausdruck.


    lg moderato
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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
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