KLENAU, Paul August von: REMBRANDT VAN RIJN

  • Paul August von Klenau (1883-1946):


    REMBRANDT VAN RIJN
    Oper in vier Akten - Libretto vom Komponisten


    Doppelpremiere am 23. Januar 1937 in den Staatsopern Berlin und Stuttgart



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG:


    Rembrandt van Rijn (Bariton)
    Hendrickje, seine Frau (Alt)
    Cornelia, seine Tochter (Sopran)
    Cornelis Suythof, Verlobter Cornelias (Tenor)
    Aert, Schüler Rembrandts (Tenor)
    Maerten Kretzer, reicher Maler (Tenor)
    Borri, Alchimist (Bass)
    Barent Fabritius, Freund Kretzers (Bariton)
    Jan Lievens (Tenor), Ferdinand Bol (Bass), Govaert Flinck (Bariton), Maler
    Clement de Jonghe und Abraham Francen (Baritone), Bildhändler und Geldverleiher
    Cornelius Witsen und Cornelis Graef (Baritone), Stadträte
    Thomas Jacobsz Haringh, Auktionator (Bariton)
    Schuurman, Wirt in „De Keyzerskroon“(Bass)
    Ein Konkursverwalter (Bariton)
    Ein Notar (Bariton)
    Christiaen Dusart, Maler (stumme Rolle)
    Janne, ein junges Mädchen (Sopran)
    Ein Matrose (Bariton)
    Ein alter Fischer (Bass)
    Ein Gastwirt (Bass)
    Ein Offizier und drei Soldaten (Sprechrollen)
    Ein Bettler (Bariton)
    Chor: Soldaten, Bauern, Bäuerinnen, Matrosen, Fischer, Bettler, Volk


    In einer Traumszene
    Der 35jährige Rembrandt (Bariton)
    Saskia, Rembrandts erste Frau (Sopran)


    Ort und Zeit des Geschehens: Amsterdam, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts.



    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Erstes Bild: Zimmer im Hause des Alchimisten Borri (dargestellt wie in Rembrandts Bild „Der Alchimist“): Fenster mit bunten Glasscheiben; Käfige mit ausgestopften Vögeln und Exoten; an den Wänden Waffen und Uhren. Es ist Nacht.


    Borri und Kretzer wollen Gold herstellen um reich und berühmt zu werden; Borri verlangt zunächst von seinem Gast den Schwur, sich von keinem Ereignis, so merkwürdig es ihm auch vorkommen mag, abschrecken zu lassen. Dann stoßen sie an mit einem Wein, der gekeltert wurde

    aus dunklen Trauben, bei Nacht gepflückt, beim Mondenschein. Trinkt auf das Wohl des Teufels!


    Borri beginnt die Beschwörung mit der Anrufung des Höllenfürsten, wird aber enttäuscht, denn die Flamme erlischt und er wertet das als Desinteresse Satans. Trotzdem macht er einen neuen Versuch, entfacht die Flamme mit dem Blasebalg - und zu seiner und Kretzers Überraschung formt sich aus dem aufsteigenden Rauch ein menschliches Gesicht, das stark an Rembrandt, Kretzers Intimfeind, erinnert. Der gerät sofort in Wut und schwört, von Borri noch angestachelt, den Berühmten, der ihm ständig seine künstlerischen Mängel vor Augen führt, zu vernichten. Dann verabreden sie, beim nächsten Vollmond nochmals einen Anlauf zur Goldherstellung zu wagen. Kretzer begibt sich mit seinem Diener, der die Lampe trägt, auf den Heimweg...


    Zwischenakt: Straße, Nacht.


    ...und trifft dabei auf seinen Bekannten Barent Fabritius, der, wie sich herausstellt, Rembrandt auch nicht leiden kann: Er erzählt ihm nämlich brühwarm, dass sich der Maler beim Finanzhai de Jonghe doch tatsächlich zweitausend Gulden geliehen habe und dass außerdem Bürgermeister Jan Six einen Schuldschein Rembrandts über fünftausend Gulden für nur tausend Gulden verkaufen will. Kretzer wundert sich: Six, Rembrandts ehemaliger Schüler, ist mit seinem Meister über Kreuz? Wenn das so ist, dann soll Fabritius jenen Schuldschein kaufen, am Morgen damit zu ihm kommen und auch den Konkursverwalter mitbringen, denn er will Rembrandt pfänden lassen. Fabritius sagt freudig zu.


    Zweites Bild: Platz vor dem Schützenhaus bei Sonnenaufgang; Wachsoldaten, jubelndes Volk (das Bild ist nach und nach wie Rembrandts „Nachtwache“ zu stellen).


    Während die Wache unter dem Jubel der Bürger aufzieht, tritt Rembrandt mit seinem Schüler Aert auf den Platz und macht ihn auf das Wechselspiel von Hell und Dunkel aufmerksam; dabei zieht er aus dem Rock sein Skizzenbuch hervor und zeichnet die Szenerie ab. Als er von einem Bettler um einen Kreuzer angegangen wird, lässt er ihm, ohne sich vom Zeichnen abbringen zu lassen, durch Aert eine Münze geben. Der Bettler geht dankend ab.


    An einer anderen Stelle des Platzes treffen Kretzer und Fabritius auf eine Gruppe vornehmer junger Männer. Das Gespräch beweist, dass man sich kennt und schnell auf den Gedanken kommt, den Tag mit fischen zu vertreiben und die Beute dann am Abend bei Kretzer mit einem „guten Wein aus der Bourgogne“, kredenzt von „schönen Mädchen“ bei angenehmer Lautenmusik, zu verzehren. Dieses „Symposion“ ist ohne einen Sokrates aber unvollständig, meint Kretzer und Fabritius macht ihn auf den immer noch zeichnenden Rembrandt aufmerksam. Kretzer kann sich nach anfänglichem Zögern mit der Idee anfreunden, seinen verhassten Gegner einzuladen und in der Runde vorzuführen. Also geht er auf Rembrandt zu - erfährt aber demonstrative Nichtbeachtung. Selbst Kretzers Hinweis auf unhöfliches Verhalten lässt Rembrandt an sich abprallen, nur Aert fühlt sich bemüßigt, dem Meister beizuspringen. Kretzer zieht beleidigt seinen Degen, den Aert ihm jedoch reaktionsschnell aus der Hand schlägt. Rembrandt macht eine demütigende Bemerkung über Kretzers Malkunst und geht, weiterem Streit ausweichend, mit Aert ab, Kretzer zornesrot stehen lassend. Das Geschehen haben einige Bettler verfolgt und einer bittet Kretzer um Almosen, der den Armen aber rüde abweist. Weil daraufhin dessen Leidensgefährten eine drohende Haltung einnehmen, schlägt Kretzer einem von ihnen mit der flachen Klinge seines Degens auf den Rücken und eilt davon. Die Bettler rufen ihm deftige Flüche nach, verziehen sich aber, als die Wache kommt.


    Zwischenakt: Straße nachmittags. Cornelia von der einen, Aert von der anderen Seite aufeinander zukommend.


    Aert steht unerwartet vor seines Meisters Tochter Cornelia und bittet sie um ein Gespräch -„alleine, in Ruhe“. Doch Cornelia hat keine Zeit, muss mit dem Einkauf schnell zur Mutter. Aber sie will ihm bei nächster Gelegenheit gerne einmal zuhören! Dann geht sie weiter und Aert sieht ihr sehnsüchtig seufzend nach: „Ich liebe Dich, Cornelia - Engel meiner Träume - ich liebe Dich“!


    Drittes Bild: Geräumiges Zimmer in Rembrandts Haus (darzustellen wie bei Johannes Vermeer van Delft „Der Brief“), gegen Abend.


    Als sich Rembrandts Frau Hendrickje mit Tochter Cornelia unterhält, kommt der Maler hinzu und meint, das Licht sei ideal für ein Portrait seiner Frau. Hendrickje ist einverstanden, holt Geschmeide und schmückt sich; dann setzt sie sich nach seinen Anweisungen auf einen Stuhl und Rembrandt beginnt zu zeichnen. Cornelia singt währenddessen ein Strophenlied zur Laute, findet es aber kurz darauf langweilig, denn nach der zweiten Strophe verabschiedet sie sich und wünscht ihren Eltern eine gute Nacht. Nicht viel später reicht Rembrandt das Licht nicht mehr aus und er bedankt sich mit einem Handkuss bei Hendrickje für ihre Geduld - daraus entsteht eine anrührende Liebesszene, die aber vom eintretenden Konkursverwalter brutal unterbrochen wird. Der teilt dem verdutzten Ehepaar mit, dass Mijnheer Maerten Kretzer Konkurs „gegen Euch“ angemeldet habe und er am nächsten Tag pfänden müsse, wenn die Schulden nicht getilgt würden. Rembrandt ist fassungslos, Hendrickje den Tränen nahe und von einer Sekunde zur anderen lässt der Maler seine aufgestaute Wut gegen Kretzer und Mitbürger heraus. Schließlich bekräftigt er - und damit endet der erste Akt -, dass er nicht zahlen kann.



    ZWEITER AKT


    Erstes Bild: Saal in dem Wirtshaus „De Keyzerskroon“: Auf langen Tischen Zeichnungen, Bilder, Kupferstiche, Radierungen, auch Helme, Schwerter, ausgestopfte Vögel, Schmuck aller Art aus Rembrandts Besitz.


    Rembrandts gepfändete Habe findet bei Kunsthändlern und Malern unterschiedliche Auffassungen über den Wert: Die Maler Lievens und Flinck halten viel von Rembrandt und seinen Arbeiten, deren Kollege Bol ist da kritischer. Bildhändler und Geldverleiher Clement de Jonghe und sein Kollege Abraham Francen äußern, vor Rembrandts „Diana im Bade“ stehend, das Rubens der bessere Maler sei, denn der beherrsche auch Nacktheit, Rembrandt dagegen nicht. Francen sieht das Bild aus der Sicht eines Kapitalisten: Er hält es für unverkäuflich, weil es für den braven Bürger zu unanständig und für ein Fürsten-Zimmer zu zahm sei!


    Inzwischen hat sich der Saal gefüllt und der Auktionator Thomas Jacobsz Haringh Platz genommen. Von niemandem im Gedränge wahrgenommen hat sich auch Rembrandt eingefunden und sieht dem Geschachere um sein Eigentum zunächst erstaunlich ruhig zu. Als jedoch ein Bild von dem großen „Michel Angelo“ für dreihundert Gulden an Kretzer geht, für das er selbst das dreifache gezahlt hat, kann er nicht mehr an sich halten und lässt seinem Zorn freien Lauf:

    Ihr tätet besser, traun! mit Zwiebeln oder Heringen zu schachern


    und schließlich direkt zu Kretzer:

    O Schimpf und Schande über Euch! Fürwahr! Ein Meister seid Ihr!
    Ein Meister im Raffen, ein Meister im Stehlen, ein schändlicher Pfuscher, ein feiner Betrüger.


    Zornesrot stürmt er hinaus. Während Rembrandts Malerkollegen seine Wut verstehen können und ihn sogar hochleben lassen, beschimpfen ihn die Kunsthändler als Betrunkenen und Verrückten. Aus einem zunächst verbalen Schlagabtausch zwischen den Malern und Kunsthändlern entwickelt sich allmählich, die Kunstauktion vollkommen in den Hintergrund drängend, ein Handgemenge, an dem sich auch Kretzer beteiligt; als es ihm zu bedrohlich wird, verschwindet er...


    Zwischenakt: Straße am Nachmittag.


    ...und trifft auf der Straße Alchimist Borri, der ihm von einer nächtlichen Geisteranrufung erzählt, in der ihm ein geheimnisvoller, aber unmissverständlicher Spruch zugeraunt wurde:

    Wer der Jungfrau Mädchenblume bricht, der hat Macht über den Alten!


    Das kann doch nur auf Rembrandt gemünzt gewesen sein und so hat es auch Kretzer verstanden. Er fragt jedoch entnervt zurück, wie er wohl Cornelia „habhaft werden“ könne, worauf Borri spöttisch mit „Das bleibt Eure Sache“ antwortet. Kretzer droht Borri, sich an ihm zu rächen, wenn es wieder daneben gehen sollte, wie bei der Goldherstellung und geht weiter. Borri lässt die Drohung kalt, er ist sich vollkommen sicher, dass der Spruch seine Wirkung entfalten wird.


    Zweites Bild: Bank nahe einer Mühle, bei untergehender Sonne, dann Mondenschein (darzustellen nach Rembrandts „Die Mühle“ oder auch nach van Goyens „Flaches Land“).


    Cornelis Suythof, Verlobter Cornelias, kommt mit einer Laute, setzt sich auf die Bank und singt ein Liebeslied. Er merkt nicht, dass Cornelia leise von hinten an ihn herantritt, erst zuhört, ihm nach der zweiten Strophe die Augen zuhält und schließlich küsst. Die beiden gestehen sich ihre Liebe, ärgern sich über jede Minute, die sie nicht zusammen verbringen können und behaupten unisono, ohne den anderen nicht mehr leben zu können. Schließlich springt Cornelia auf, rennt mit dem Ruf „Kannst Du mich fangen“ davon und Cornelis hastet ihr nach.


    Zwischenakt: Straße.


    Diese Szene ist eine humoristische Einlage, für den Handlungsverlauf ohne Bedeutung: Ein Bettler erzählt seinem Kumpel, dass er einst von seinem „versoffenen Vater“ eine unverwüstliche Reithose geerbt habe, die ihm aber leider gestohlen wurde. Dann sei er ja „hosenlos“ gewesen, lässt sich der andere kichernd aus. Ja, lautet die Antwort, aber nach drei Wochen Ernte bei einem Bauern konnte er sich eine neue kaufen, die allerdings nach einem Jahr so zerrissen war, dass die Obrigkeit hätte einschreiten müssen:

    Die Frauenzimmer nahmen schnell die Augen zu sich, obwohl es nicht viel zu sehen gab.


    Laut lachend gehen beide weiter.


    Drittes Bild: Ärmliche Spelunke mit Bettlern und Dirnen. Heißer Nachmittag.


    Es geht in der Gaststube hoch her: Einige Bettler schlagen ihre Zeit mit Würfelspiel tot und geraten, wie nicht anders zu erwarten, in einen lauten Streit. Andere beklagen singend ihre Lebensnöte, kein Weib und Nachtlager zu haben und nur von Betteln und Stehlen leben zu müssen.


    In dieses Tohuwabohu kommt nun der Wirt mit Kretzer, der sofort von einigen Bettlern erkannt und als „Geizkragen“ beschimpft und bedroht wird. Kretzer lässt das kalt; er macht sich sogar den Spaß und wirft in hohem Bogen Münzen in die Stube und ergötzt sich an dem Streit unter den Armen. Es wird aber auch schnell klar, warum er hier ist: Er will mit Hilfe des Wirtes Männer finden, die für ein hübsches Sümmchen bereit sind, Rembrandts Tochter zu entführen. Und der Wirt kennt, wie von Kretzer vermutet, die Männer, spricht sie an und die fünf begeben sich auf die Straße...


    Zwischenakt: Straße vor der Spelunke, später Nachmittag.


    ...wo man sich nach einigem Hin und Her - zunächst ist den drei Männern die Sache zu heiß, dann bringt Kretzers klingende Münze sie doch noch „auf Linie“- einig wird. Plötzlich aber tauchen neue Probleme auf, denn einer der drei Männer, der sich als Anführer geriert, bringt 'Vorkasse' ins Spiel, was Kretzer jedoch ablehnt - Ware gegen Bezahlung ist seine Devise. Die Drohung des Anführers, dann die „Sache sofort anzuzeigen“, klopft Kretzer schließlich weich - er zahlt und gibt den drei Männern den Hinweis, dass bei der Schleuse jenes Boot liege, mit dem sie Cornelia zum Gartentor bringen sollen.


    Viertes Bild: Volksfest bei den Schleusen, Dünenland. Es ist Abend. Gewitterstimmung.


    Aert, Cornelia und Cornelis kommen auf die Szene und Cornelia fordert ihren Verlobten sofort zum tanzen auf. Aert erbittet sich von Cornelia den nächsten Tanz, erhält aber - mit dem Hinweis auf die vielen anderen tanzwilligen Mädchen - eine Abfuhr. Enttäuscht blickt Aert den beiden nach, wird aber von der hübschen Janne aus seinem sehnsuchtsvollen Traum gerissen. Nicht begeistert wirkend folgt er ihr auf den Tanzboden. Als Cornelia und Cornelis beim Tanz in den Vordergrund kommen, hört man Cornelis' Versprechen, dass im nächsten Frühjahr geheiratet werden soll.


    Kurz darauf geschieht es: Als sie von der Tanzfläche kommen und Cornelia ein Glas Wasser haben möchte, tritt, kaum dass Cornelis im Gedränge verschwunden ist, ein Bettler auf sie zu und bittet sie um ein Almosen. Cornelia weist ihn höflich, doch bestimmt zurück, wird aber blitzschnell und ohne dass es die Umstehenden wahrnehmen, gefesselt und geknebelt vom Bettler abgeführt. Als Cornelis zurückkommt, sie nicht sieht und die Leute auch nicht wissen, wo sie ist, wird er unruhig. Mit Aert, der mit Janne gerade von der Tanzfläche kommt, sucht er, im Gedränge immer wieder ihren Namen rufend, seine Verlobte, doch Cornelia bleibt verschwunden. Da tritt ein Bettler an ihn heran, bittet um ein Almosen, erhält es auch, und raunt ihm dann zu, dass ein gewisser Kretzer jene Cornelia entführen und in sein Haus bringen ließ. Sofort machen sich Cornelis und Aert auf den Weg und der Bettler äußert sich befriedigt:

    So zahl' ich Dir die Schläge zurück, verdammter Spitzbube! Teufel!


    Inzwischen hat die Natur dem Volksfest ein jähes Ende gesetzt: Ließ zunächst der Regen schon die ersten Besucher davoneilen, rennen jetzt, bei Blitz und Donner, auch die letzten Unentwegten nach Hause.



    DRITTER AKT


    Erstes Bild: Zimmer im Hause Kretzers. Kretzer geht unruhig hin und her.


    Kretzer wartet ungeduldig und sehnsüchtig auf die Entführer mit Cornelia - sogar Borri hat sich mit seinem Zauberspiegel eingefunden und beide beobachten darin das langsam näher kommende Boot, das auf den Wellen des vom Gewitter unruhigen Sees bedenklich schaukelt. Sie sehen die gefesselte und geknebelte Cornelia - offensichtlich ohnmächtig - auf dem Boden des Bootes liegen.


    In diesem Moment reißt ein Windstoß das Fenster auf, löscht Kerzen und Kaminfeuer und man hört Glas klirren. Kretzer und Borri zucken zusammen und sehen mit einer neu angezündeten Kerze den zerbrochenen Zauberspiegel - kein gutes Omen, wie Borri meint. Da klopft es an der Türe, Kretzer stürzt hin, öffnet sie und steht zwei maskierten Männern gegenüber, die Cornelia hereintragen und auf das Bett legen. Borri schickt die Maskierten hinaus, spricht eine Zauberformel und fordert dann vor seinem Abgang Kretzer auf, das „Werk zu vollenden“!


    Cornelia ist inzwischen aus ihrer Ohnmacht erwacht und wird von Kretzer von Knebel und Fessel befreit. Er gesteht ihr ungestüm seine Liebe und wünscht sich eine Nacht in ihren Armen. Cornelias entsetzte Zurückweisung lässt ihn daraufhin das Angebot „feinster Seide“ und „schönster Perlen“ machen, doch sie bleibt weiter ablehnend. Nun geht er mit offener Gewalt gegen sie vor und ist sich sicher, ein leichtes Spiel zu haben, doch Cornelia gelingt es, seinen Dolch zu entwenden und ihn damit auf Abstand zu halten. Kretzer hat aber noch sein Florett, mit dem er sie niedergestoßen hätte - wären nicht in diesem Moment Cornelis und Aert durch das Fenster eingestiegen. Während sich Cornelis sofort seiner Verlobten zuwendet, geht Aert mit seiner Waffe gegen Kretzer vor, wird aber im Zweikampf tödlich getroffen. Borri, inzwischen ins Zimmer getreten, ruft Kretzer zu, das Weite zu suchen, denn inzwischen sind, angelockt durch den Tumult, Nachbarn gekommen. Kretzer kann im letzten Moment fliehen...


    Zwischenakt: Straße. Mondschein nach dem Gewitter.


    ...und trifft auf der Straße die Bettler, die er nach dem Boot fragt und sie ihn nach Cornelia. Leider ist das Boot vollgelaufen und deshalb unbrauchbar, erfährt Kretzer, beantwortet aber die Frage nach Cornelias Befinden nicht, sondern rennt, weil Stimmen hörbar werden, schnell davon. Die Stimmen gehören drei jungen Männern, die von den Bettlern wissen wollen, ob sie einen flüchtenden Mann gesehen haben. Die Bettler verneinen die Frage wahrheitswidrig, verwickeln die Männer sogar in ein Gespräch, um Kretzer entkommen zu lassen. Als plötzlich Ruderschläge zu hören sind, rennen die drei Männer Richtung Wasser und einer der Bettler wünscht Kretzer den Tod im See, während ein anderer hämisch meint, dass Ratten schwimmen können.


    Zweites Bild: Dachboden in Rembrandts Haus mit Druckerpresse. Es ist Nacht.


    Rembrandt ist dabei, einen Druck aus der Presse zu nehmen, als Hendrickje, unterdrückt hustend, mit einer Kerze kommt und voller Unruhe sagt, dass es bald zwei Uhr und Cornelia noch nicht da sei. Ohne seine Arbeit zu unterbrechen versucht Rembrandt, Hendrickje zu beruhigen, doch sie ist und bleibt besorgt. Schritte und Stimmen vor dem Haus lassen sie einmal aufhorchen, doch waren es wohl nur Fremde auf dem Heimweg vom Volksfest. Hendrickje mahnt Rembrandt zur Nachtruhe - da treten Cornelis und Cornelia ein und berichten sofort von den Ereignissen der letzten Stunden. Dass Aert tot ist, versetzt alle in tiefe Trauer, Rembrandt sogar in Wut über Kretzer; Hendrickje aber mahnt erneut zur Nachtruhe und schleppt sich, gefolgt von den anderen, hustend hinaus.


    Zwischenakt: Straße im Morgenlicht.


    Zwei Amsterdamer Stadträte, die Herren Cornelis Witsen und Cornelis Graef, führen ein Gespräch über das schreckliche Verbrechen, das sich in der letzten Nacht ereignet hat. Beide hoffen, dass der flüchtige Mörder gefasst und hingerichtet werden kann. Graef findet es allerdings schlimm, dass der Name Rembrandt mit diesem Mord verknüpft ist. Diese Bemerkung versteht Witsen nicht; er meint, dass man den Maler doch nur bedauern kann. Wie jetzt klar wird, stört sich Graef am Lebenswandel Rembrandts, wirft ihm vor, Sitte, Moral und Religion mit den Füßen zu treten - und macht das am Zusammenleben mit der „Konkubine Hendrickje“ fest. Nun regt sich Witsen auf: Graef weiß doch so gut wie er, dass Rembrandt wegen des „Testamentes seiner ersten Frau“ nicht wieder heiraten konnte und er hält es auch für unangebracht, über „die Unglückliche“ so zu reden, denn ihre Tage sind, wie ja jeder weiß, gezählt. Hoffentlich, so setzt Witsen im Abgang den Schlusspunkt, zeigt der „große Richter mehr Barmherzigkeit an uns“, als „Ihr dem Rembrandt erweist“.


    Drittes Bild: Schlafzimmer in Rembrandts Haus; Hendrickje, immer wieder hustend in ihrem Bett. Anwesend sind der Notar und der Maler Christiaen Dusart. Mittagszeit.


    Hendrickje hat, ihren Tod vor Augen, den Notar rufen lassen, und gibt zu Protokoll, dass Cornelia ihre Habseligkeiten erben soll und Rembrandt der Vormund sein soll, denn nur ihm vertraue sie. Der Notar hat alles gewissenhaft mitgeschrieben und bittet sie um ihre Unterschrift, erlaubt ihr aber, da sie nicht schreiben kann, ein Kreuz zu machen:

    Dieser Herr (er zeigt auf Christiaen Dusart) wird bezeugen, dass es Euer letzter Wille ist.


    Nachdem auch Dusart als Zeuge unterschrieben hat, gehen beide hinaus; Rembrandt tritt ein und in einer ebenso traurigen wie anrührenden Abschiedsszene bedankt sich Hendrickje für seine Liebe, für seine Treue und seinen Schutz für sie und Cornelia:

    Was konnten die Menschen mir anhaben, wenn Du bei mir warst?
    Sie waren streng mit mir, sie richteten mich hart, weil wir uns liebten, Rembrandt.
    Am härtesten, als sie mir verboten, zum Abendmahl zu gehen, weil ich das Kind von Dir unter dem Herzen trug. Doch Gott ist gütiger, als die Menschen es sind. Gott weiß, was Liebe ist.


    Auf ihren Wunsch hin ruft Rembrandt Cornelia und Cornelis herein, denen Hendrickje ihren Segen gibt und bittet, sich stets zu lieben. Noch einmal bäumt sie sich auf, bittet Gott um Vergebung aller ihrer Sünden und haucht dann ihr Leben aus.


    Zwischenakt: Straße im Morgenlicht.


    Kretzer tritt, als Bettler verkleidet, dem dahin hastenden Barent Fabritius in den Weg und bittet ihn um ein Almosen. Der Angebettelte reagiert zuerst unwirsch, bleibt dann aber plötzlich stehen, weil ihm die Stimme bekannt vorkommt. Als sich Kretzer daraufhin zu erkennen gibt, warnt er ihn vor dem Aufruhr in der Stadt und vor der Polizei, die ihn als Mörder von Aert sucht. Kretzer meint so leichthin, er hätte besser „das Mädchen“ töten sollen, kommt dann aber mit der Neuigkeit heraus, dass er Amsterdam für immer verlassen, in Italien einen Palazzo kaufen und sich dort niederlassen will, wo Fabritius dann sehr gerne sein Gast sein darf. Bevor er jedoch verschwindet, will er sein Verhältnis zu Rembrandt bereinigen, weshalb Fabritius den Maler unter irgendeinem Vorwand, vielleicht einem Beratungswunsch, zu sich einladen soll:

    […] und ich werde kommen, versteht Ihr, nur um Lebewohl zu sagen.


    Fabritius ist die Sache, wie man an seinem Gesicht sehen kann, nicht geheuer, will es sich aber noch überlegen. Sie verabschieden sich und gehen zu unterschiedlichen Seiten davon.


    Viertes Bild: Rembrandts Atelier mit dem Riesenbild „Die Verschwörung des Claudius Civilis“ im Hintergrund; vorn ein fast fertiges Selbstbildnis, überall stehen Bilder herum. Es ist Früh.


    Rembrandt steht sinnierend vor seinem Selbstbildnis, als die Ratsherren Witsen und Graef eintreten, um sich das Auftragsbild des Amsterdamer Stadtrates „Die Verschwörung des Claudius Civilis“ mal „in natura“ anzusehen. Graef gerät, als er das Riesenbild sieht, sofort in den Angriffsmodus und regt sich nicht nur über den einäugigen Claudius auf (Rembrandt scherzt, er habe dem Herrn das Auge nicht ausgestochen), sondern bemängelt auch die dargestellten Lichtverhältnisse. Rembrandt meint, weil Verschwörungen nie im Hellen, sondern bei Dunkelheit stattfinden würden, sei das dargestellte Licht richtig. Graef bleibt trotzdem bei seiner Ablehnung: Er hatte sich ein pompös-prunkvolles, ein Feierlichkeit ausstrahlendes Bild vorgestellt und ist nun enttäuscht. Er setzt noch eins drauf und will das Bild geändert haben. Warum, fragt Rembrandt spitz, hat er nicht selbst eines gemalt? Als Graef daraufhin von „unhöflichem Ton“ spricht, versucht der Maler, beiden Herren seine künstlerischen Motive zu erläutern, hat aber keinen Erfolg. Da eine Einigung nicht zu erzielen ist, verabschieden sich Graef und Witsen, letzterer sogar mit dem Hinweis, dass die „Behörden“ mit dem Bild wohl nicht einverstanden sein werden, was Rembrandt doppeldeutig kommentiert:

    Ich kann's nicht ändern!


    Während er die Staffelei mit dem Selbstbildnis zurecht rückt, die Farbpalette mixt und dann weiter an seinem Eigenbild malt, beginnt er einen großen Monolog über die Dummheit im Allgemeinen und der Menschen im Besonderen und beschließt damit den dritten Akt.



    VIERTER AKT


    Erstes Bild: Wirtshaus in heller Sommernacht; Matrosen, Fischer, Bauern und Dirnen in buntem Durcheinander. Im Hintergrund wird getanzt.


    Nachdem Seeleute ein Matrosenlied gesungen haben, spinnt ein Steuermann großes Seemannsgarn, das die Zuhörer mit lautem Gelächter quittieren. Als Rembrandt eintritt, wird er freundlich von allen begrüßt - nur ein junger Bauer kennt ihn nicht. Ein Schiffer erklärt ihm daraufhin, dass

    Meister Rembrandt van Rijn ein Müllerssohn, […] einer aus dem Volk, ein großer Seefahrer und Abenteurer der Malerei [sei], der einst zweitausend Gulden für ein einziges Bild [bekam]. Jetzt mögen ihn die Reichen nicht mehr.


    Von allen unbeachtet ist derweil Barent Fabritius in die Gaststube gekommen, geht auf Rembrandts Tisch zu und setzt sich neben ihn. Ohne Aufschub fragt er den Witwer, ob ein halber Gulden Lohn ihn reizen könnte, als „Henker“ für sein in Arbeit befindliches Bild „Johannes der Täufer“ Modell zu stehen. Rembrandt sagt ohne groß zu nachzudenken zu und Fabritius bestellt beim Wirt „zwei Kornbrannt“ mit denen der „Vertragsabschluss“ feucht begossen wird. Rembrandt bleibt, nach dem Weggang von Fabritius noch vor sich hin starrend sitzen.


    Zwischenakt: Straße.


    Abermals eine Kontrastszene, in der sich ein alter und ein junger Bettler über die zwei Worte „Zu spät“ unterhalten. Für den alten Bettler ist in den beiden kleinen Worten das „ganze Elend der Welt“ verborgen. Der junge Bettler merkt an, dass ihm Philosophie abgehe. Der Alte versucht deshalb eine Erklärung zu geben: Wenn, nur mal angenommen, vom Himmel zweitausend Gulden direkt in seine verschlissene Tasche fielen, dann kämen sie zu spät, denn er ist alt und klapprig. Der junge Bettler meint, ihm könnten sie, weil er ja jung ist, helfen. Der Alte schüttelt bedenklich den Kopf: Jung ist er, ja, aber er begeht genau aus diesem Grund Dummheiten, weil die Alters-Erfahrung fehlt, die halt zu spät kommt. Folglich brächte ihm der Geldsegen nur Schaden. Das Resümee lautet also

    Ob einer ein König oder ein Bettler ist - ganz gleich!
    Bei dem Einen wie bei dem Anderen gilt das Gesetz: Auf dieser Welt kommt alles zu spät.


    Zweites Bild: Im Atelier von Fabritius: Eine Person kniet auf dem Boden; dahinter Rembrandt als Henker mit dem Schwert (wie in der Radierung „Die Hinrichtung Johannes des Täufers“). Es ist Nachmittag.


    Während Fabritius malt, denkt Rembrandt laut über die Boshaftigkeit und Dummheit der Menschen nach: Er behauptet, dass beide negativen Eingenschaften im Kopf eines jeden Menschen stecken und sein Handeln beeinflussen. Fabritius' Einwand, dass es doch bestimmt auch kluge und zugleich gute Menschen gebe, pariert er mit dem Satz, dass ihm noch keiner begegnet sei, denn die

    Klugen sind meist schlau - und Schlauheit paart sich leicht mit Bosheit!
    Die Dummen sind gefährlich - und wodurch wird der Mensch gefährlich? Durch Bosheit!


    Eine Aussage, eines Plato würdig, meint Fabritius, bittet Rembrandt aber im gleichen Atemzug, sich das gerade fertig gestellte Bild anzusehen und seine Meinung dazu zu sagen. Während der „Henker“ das Schwert auf den Tisch legt und vor die Staffelei tritt, erhebt sich auch das zweite Modell vom Boden und geht hinaus. Rembrandt betrachtet sich das Bild von verschiedenen Seiten und kommt, wie von Fabritius gewünscht, zur Einzelkritik, die nicht schmeichelhaft ausfällt. Er nimmt sogar den Pinsel und bringt Korrekturen an.


    Währenddessen ist leise und unbemerkt Maerten Kretzer maskiert und mit einem Dolch in der Hand eingetreten. Er zögert, offensichtlich zweifelnd, wer von den beiden Männern Rembrandt ist, stürzt dann nach vorn und stößt Fabritius den Dolch in den Rücken. Der fällt nach einer Schrecksekunde zu Boden und Kretzer erkennt entsetzt seinen Irrtum. Rembrandt wirft Palette und Pinsel fort, packt sich Kretzer und zwingt ihn in die Knie; den Kopf fest in beiden Hände haltend beschimpft er ihn als Untier, Mörder und Mädchenschänder, der beichten und Gottes Gnade erflehen sollte, denn die Menschen werden sie ihm nicht gewähren. Winselnd bittet Kretzer um Barmherzigkeit und bietet Rembrandt viel Geld, wenn er ihn laufen lässt. Angeekelt über die jämmerliche Gestalt jagt ihn Rembrandt, mit einem Stock auf ihn einprügelnd, hinaus und wünscht ihm dabei einen elendigen Tod.


    Zwischenakt: Eine Brücke. Sturm und Gewitterregen.


    Kretzer fordert, der Sturm solle die Welt mit allem, was kreucht und fleucht, zu zerschmettern. Wer, schreit er sich die Kehle aus dem Hals, hat ihn so erschaffen, wie er ist? Ein Gott? Ein Teufel? Wer? Es werde alles vernichtet - nur einer soll am Leben bleiben: Borri, sein Teufelsbruder, in dessen Blut er seine Hände waschen will.


    Drittes Bild: Kellerraum in Borris Haus, in dunkler Nacht.


    Alchimist Borri lässt von seinen Dienern Säcke und Kisten durch eine Falltür in ein wartendes Boot versenken, um zu fliehen. Er entzündet eine Pechfackel, die das ganze Haus vernichten soll. Kretzer schleicht herein und fordert mit dem Schwert in der Hand von Borri das geraubte Gold zurück. Der ist aber nicht bereit, sich zu ergeben und wehrt sich mit seiner Pechfackel gegen Kretzers Angriffe. Plötzlich wirft Borri die Fackel in den Raum und gibt Kretzer damit die Gelegenheit, ihn zu töten - doch Borri hat aus dem Hintergrund seine Diener kommen sehen, die im letzten Augenblick Kretzer von hinten packen, auf einen Stuhl binden und knebeln. Borri eilt mit seinen Dienern hinaus und verriegelt die Tür, dem Gefesselten von außen hämisch zurufend:

    Kretzer, Verdammter, schaue jetzt zu!
    Feuer hab' ich für Dich entfacht, auf dem Scheiterhaufen zerspringe Dein Herz.


    Aber die Fesselung durch Borris Diener war wohl doch nicht so gut, denn Kretzer kann zunächst eine Hand frei machen, dann den Knebel entfernen und sich schließlich ganz befreien. Dabei schreit er laut um Hilfe und versucht, allerdings vergebens, Türe und Falltür zu öffnen. Inzwischen hat sich das Feuer immer weiter ausgebreitet und von der Decke löst sich ein Balken, der den panisch nach einem Ausweg suchenden Kretzer erschlägt. Merkwürdigerweise erlischt plötzlich langsam das Feuer und Bettler kommen durch Tür und Fenster herein, dabei ihre Absicht, das Haus des Borri zu plündern, laut heraus brüllend. Als einer Kretzers Leiche findet und ihn erkennt, verfluchen ihn alle und rufen ihm, der in der „Hölle betteln“ gehen soll, allerhand Injurien zu.


    In diesem Augenblick sind Schüsse zu hören und die Bettler halten es für angebracht, das Weite zu suchen, denn die Wache, das kennen sie, wird ihnen kein Pardon geben. Kaum, dass sie den Raum verlassen haben, tritt ein Leutnant mit drei Wachtposten auf die Szene und stellt fest, dass alle „auf und davon“ sind. Im Abgang sieht einer der Wachtposten Kretzer, reißt seine Pistole hoch und ruft „Hände hoch“- doch ein anderer meint lakonisch, es sei ein Toter, das Pulver kann gespart werden. Ein weiterer Wachtposten hat den Toten gar erkannt und teilt dem näher kommenden Leutnant den Namen mit: Maerten Kretzer. Der Offizier horcht auf und sagt dann:

    Der Schuft wird noch aufgehängt. Ein Tod ist für ihn zu wenig.


    Alle vier gehen ab; nur Kretzer sitzt, von einem letzten kleinen Feuerschein erhellt, wie unheimlich grinsend in der Ecke.


    Viertes Bild: Armseliges Zimmer bei Rembrandt. Es ist Abend.


    Rembrandt malt an einem Familienbild und merkt in einem Selbstgespräch nachdenklich an, dass einige Personen auf dem Bild schon gestorben sind: Titus, sein Sohn, der von Geburt an den Keim des Todes schon in sich trug und den er begraben musste. Auch Saskia, seine erste Frau, lebt nicht mehr; wenn sie, die er so sehr geliebt hat, ins Zimmer trat, wurde es hell, strahlten die Wände und der Fußboden. Nur in diesem Bild leben sie weiter. Und auch Hendrickje, seine zweite Frau, Mutter von Cornelia, ist ihm schon in die jenseitige Welt voraus gegangen.


    Es ist inzwischen so dunkel geworden, dass Rembrandt nicht mehr malen kann; er setzt sich in den alten Sessel, den Blick auf das Gemälde gerichtet und weiterhin Palette und Pinsel festhaltend. Es dauert nicht lange, dann senkt sich sein Kopf auf die Brust und er schläft ein.


    Das Zimmer erhellt sich in einem magischen, bläulichen Licht.


    Im Traum erscheint ihm Saskia als junge Braut; im Traum sieht er, wie sie zu ihm kommt, wie eine Rose oder ein Rubin schön, mit einem hellen, frischen Lachen, das an Silberglöckchen erinnert; im Traum führt er Saskia heim; im Traum erinnert er sich mit Wehmut an ihre „starken Lippen“ und die „hohen Brüste“ und an eine „lange Brautnacht“. Plötzlich tritt ein Mann, Mitte Dreißig, den er als sein Alter ego erkennt, in den Raum und geht Saskia entgegen; er sieht, dass sie sich umarmen und sie ihm den Vorwurf macht, sich vom Nachtlager weggeschlichen zu haben, während sie von unstillbarem Verlangen nach ihm erfüllt war. Dann löst der jüngere Rembrandt sich von ihr, geht auf die Staffelei zu und sagt, er wolle sie so im Bild festhalten.


    Das Traumbild wird schwächer und verschwindet dann ganz. Rembrandt ruft nach Saskia, will, dass sie noch bei ihm bleibt - doch er kommt mit einem Augenaufschlag in die Wirklichkeit zurück und merkt, dass alles nur ein Traum war. Doch jetzt denkt er an seine zweite Frau:

    Hendrickje, ach Hendrickje. Auf unsere Liebe tropfte die Bitterkeit des Lebens.
    Saskia war - ein Spiel, aber in Deiner Liebe, Hendrickje, war - die Ewigkeit.


    Er bleibt lange unbeweglich sitzen. Plötzlich fragt er sich, wo denn Cornelia mit dem Licht bleibt. Er tastet mit dem Pinsel an das Bild, lässt ihn sinken, als sei er tonnenschwer, und sagt sich, er habe für heute genug getan. Der Kopf sinkt wieder auf seine Brust.


    Kurz darauf kommt Cornelia mit Licht ins Zimmer; ein kleines Mädchen ist an ihrer Seite, das einen Ball fallen lässt, der vor Rembrandts Füße rollt. Das Kind rennt zu ihm, hebt ihn auf, sieht auf Rembrandt und sagt dann leise zu Cornelia: „Er schläft“ und geht hinaus. Cornelia hat das Licht auf den Tisch neben dem alten Sessel gestellt und spricht ihren Vater leise an, beugt sich, weil er sich nicht rührt, zu ihm hinunter und bricht dann in Tränen aus. Die Kirchenglocken fangen an zu läuten und aus der Ferne hört man einen Chor das „Kyrie eleison“ singen. Eine unsichtbare Stimme aus der Höhe verkündet, dass ein „Fürst im Reiche des Geistes, ein Großer unter den Größten starb!“


    Fünftes Bild: Ein großer, gotischer Kirchenpfeiler; daneben ein aufgeworfenes Grab. Die Totengräber tragen Rembrandts Sarg. Cornelia und Cornelis folgen; dahinter in einiger Entfernung drei Bettler.


    Den Sarg stellen die Totengräber neben dem Erdhügel ab und entfernen sich dann. Cornelia und ihr Cornelis stehen, stumm-ergriffen Abschied nehmend, vor Rembrandts Sarg und die geheimnisvoll- unsichtbare Stimme erklärt den verstorbenen Künstler zu einem Wahrheitssuchenden Bettler mit königlichem Charakter, der jedoch den Purpur nicht nötig hatte, für den der Bettlerrock das richtige Kleid war und dessen Tod ihn, den unsichtbaren Sprecher, mitleidig, ratlos und staunend, aber auch dankerfüllt für „köstlichste Gaben“, zurücklässt. Nachdem Cornelia und Cornelis beiseite getreten sind, kommen die drei Bettler zum Grab; zwei knien zu beiden Seiten des Sargs, der dritte steht, die Arme zum Himmel gereckt, den Kopf im Nacken, davor - schweigend. Der Schlusschor (der nur als Silhouette vor der sich in einen Sternenhimmel verwandelnden Bühne zu sehen ist), verklärt den Verstorbenen mystisch...



    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2016
    unter Hinzuziehung des Librettos (© 1936 bei Bote & Bock, Berlin W 8)

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    MUSIKWANDERER

    2 Mal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Lieber musikwanderer, herzlichen Dank für diesen Opernführer. Jemand, der sich - wie ich - für Klenau zu interessieren beginnt, würde das Werk nur zu gern hören. Wie kamst Du darauf? Bei Recherchen im Netz bin ich immer wieder auf Fotos aus der von Dir erwähnten parallelen Stuttgarter Uraufführung gestoßen. Sie werden im Landesarchiv Baden-Württemberg verwahrt. Dieser Link führt hin. Da die Fotos als Archivgut offenbar geschützt sind, wollte ich keines direkt einstellen. Über die Besetzung fand ich keine Angaben. Die kennen wir aber aus der gleichzeitigen Berliner Aufführung vom 31. Januar 1937. Sie war ausgesprochen hochgradig. Der Rembrandt wurde von Rudolf Bockelmann gesungen, die Cornelia von Käthe Heidersbach, die Saskia von Hilde Scheppan. Cornelius ist Marcel Wittrisch gewesen, der spätere Leipziger Heldentenor Ferdinand Bürgmann der Aert. Das sind nur einige Namen. Am Pult stand Robert Heger.


    Offenbar hat es nur das Lied des Cornelis Suythof, das er - wenn ich den Opernführer richtig gelesen habe - zu Beginn des zweiten Bildes im zweiten Akt singen dürfte, auf Tonträger geschafft: "Es neigt sich der Tag". Marcel Wittrisch, der Sänger der Berliner Uraufführung, nahm es für Electrola auf. Hier kann es gehört werden:


    Lied des Cornelis mit Wittrisch


    Der Tenor wird von Mitglieder der Staatskapelle Berlin unter Bruno Seidler-Winkler begleitet. Es ist in einer der vielen Wittrisch-Sammlungen, die auch auf CD erschienen sind, enthalten. Nur weiß ich nicht mehr, in welcher. Auf seiner späten Schallplatte "Für meine Freunde" von 1978 nahm sich auch Rudolf Schock mit den Berliner Symphonikern unter Fried Walter des Liedes an. Es findet sich bei Youtube:



    Das Lied ist sehr schlicht und eingängig. Ich gehe nicht davon aus, dass die ganze Oper so gehalten ist. Vergleichen mit auf CD zugänglichen anderen Werken Klenaus dürfte so wenige typisch für die "Rembrandt"-Oper sein wie das Lied des italienischen Sängers für den "Rosenkavalier". Es klingt nur einfach schön. Weiß wer mehr?


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold, ich hatte nicht viel recherchiert, die wenigen Bilder, die Du über den Link eingestellt hast, aber auch gefunden. Ich wollte meine Neugierde eigentlich mehr der Entstehungsgeschichte dieser Oper widmen, fand im Web jedoch so gut wie gar nichts brauchbares. Auch der Blick ins "MGG" war nicht hilfreich. Das Libretto und der Klavierauszug von Bote & Bock, aufbewahrt u.a. in München, von dort aus ausgeliehen, haben ebenfalls kein "Vorwort" mit näheren Auskünften über das Stück. Immerhin konnte ich mir den Text kopieren - wer weiß...


    Was nun Deine musikalische Neugierde betrifft (die ich übrigens teile), kann ich Dir bestätigen, dass von Klenau seine Oper durchaus mannigfaltig gestaltet hat: Dramatisch an den exponierten Stellen, innig in den entsprechenden "romantischen" Szenen. Meine Notenkenntnisse sind nicht so gewaltig, hier Einzelheiten darüber mitteilen zu können, reichen aber aus, um die Unterschiede zwischen Drama und Liebe (beispielsweise Rembrandt/Hendrickje oder auch Cornelia/Cornelis) erkennen zu können. Dass es auch manchmal "ungewöhnliche Harmonien" gibt (für meine Ohren bestimmt nicht förderlich :evil: ), die mich an die Schönberg-Schule denken lassen, will ich nicht verschweigen.


    Deine Frage "Wer weiß mehr" kann ich hier gerne aufnehmen und verdoppeln. Wäre schön, wenn da "jemand" )vielleicht der Christian, der Biskup) hier Einzelheiten einfügen könnte...



    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Musikwanderer, lieber Rheingold,


    verzeiht meine späte Meldung zu diesem Thread - tatsächlich bin ich nicht mehr so aktiv hier im Forum unterwegs - dennoch möchte ich Euch gerne antworten. Erstmal Dir, lieber Musikwanderer, herzlichen Dank für diesen ausführlichen Beitrag zum Opernführer, den ich mit großem Gewinn gelesen habe. Wie Du weißt ist mein Interesse für Klenau recht groß, weshalb ich etwas über diese mir gänzlich unbekannte Oper gerne gelesen habe.
    Auch das Lied, das Du Rheingold gepostet hast, war mir neu. Der Hörschnipsel, der wahrlich wunderschön ist, ist das Lautenlied des Cornelis aus dem zweiten Bild des zweiten Akts. Offenbar muss es populär gewesen sein - es erschien als seperate Notenausgabe bei der Universal-Edition.


    Wirklich viel kann ich zu Euren Fragen auch nicht sagen. Die Rembrandt-Oper wird zu Klenaus großen Zwolftonopern gezählt. Wobei man diese Zwölftontechnik in Anführungszeichen setzen müsste. Vielmehr verklärt er durch solche Reihen (z.T. als Vorhalte genutzt) die Harmonien, behält aber ihren harmonischen Charakter bei und kadenziert (!), was bei Schönberg nicht der Fall ist - erhält also das tonale Systhem. Dadurch bleib die Musik klar tonal und verliert m.E. nur wenig von spätromantischen Charakter. Ein Bekannter sagte mir mal, dass es am ehesten mit Reger zu vergleichen sei. Ich habe in meinem "nordischen Notenarchiv" neben diversen Klavierwerken aus Klavierauszüge der Oper Sulamith, sowie des Balletts "Klein Idas Blumen", und man mag sich in anbetracht seiner durchaus moderneren Sinfonien wundern, zu welch schwelgerisch, tief in der Romantik verwurzelten Ideen Klenau fähig war. Seinen Liederzyklus "Gespräche mit dem Tod" kann ich auch nur jedem ans Herz legen.


    Zurück zu Rembrandt - ich habe einen großen Artikel in einer englischsprachigen Musikzeitschrift von 1937 gefunden, an den ich gerne versuche heranzukommen (ich bin ja selber neugierig). Sobald ich näheres weiß, melde ich mich hier wieder.


    Liebe Grüße
    Christian