Mozarts Requiem und ein Pferdeballett

  • Ich gebe zu, der Titel dieses Threads hat Erklärungsbedarf.


    Vergangenes Wochenende sah ich auf dem Kultursender Arte eine aktuelle Aufführung der Salzburger Festspiele 2017. Gegeben wurde Mozarts Requiem KV 622 in der Felsenreitschule. So weit so gut. Das Besondere war ein Pferdeballett. Mit diesem Zusatz war es in der Programmzeitschrift angekündigt. Ich konnte mir nicht vorstellen, was dies sollte. Neugierig, was mich erwartete, wählte ich den Sender. Man muss wissen, ich bin kein Pferdefreund, der eine Affinität zu diesen Tieren besitzt.


    Die Musiker, der Chor sowie die Orchestermitglieder, waren in den aus dem Fels geschlagenen Bogen platziert. Wer diese Örtlichkeit kennt weiss, dass dies eine immens grosse Distanz zwischen den Musikern darstellt, ich schätze etwa 50 Meter. Der Dirigent Charles Minkowski war ebenfalls etwa fünfzig Meter von den Musikern am Rand des Sandplatzes postiert, wo die Pferde ihr Ballett zeigen sollten. Ich war gespannt, wie diese Entfernung gemeistert wurde. Das heisst, ich war skeptisch, ob die musikalische Präzision gewährleistet war. Konnten sich die Musiker hören?


    Ich zitiere die Produktinformation des Werbepartners jpc:


    „Mozarts Requiem aus der Felsenreitschule Salzburg
    Diese Produktion war ohne Frage eines der Highlights der Salzburger Mozartwoche 2017: Die edlen Pferde und Reiter der Akademie von Versailles tanzen in der Felsenreitschule zu Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem. Der französische Pferdechoreograf Bartabas setzte Mozarts Messe in einen neuen theatralischen Zusammenhang, der auf der Tatsache basiert, dass in vielen Kulturen die Seelen der Verstorbenen von Pferden ins Totenreich begleitet werden. Er erschuf nicht nur eine beeindruckende Reitchoreographie, sondern im Zusammenspiel zwischen Menschen, Tieren und Musik ein bewegendes Gleichnis auf die universelle Verbundenheit aller Existenz.
    Marc Minkowski, seinerseits leidenschaftlicher Pferdeliebhaber, erfüllte sich mit dieser Produktion einen Herzenswunsch. Er dirigiert die Musiciens du Louvres, den Salzburger Bachchor und das exzellente Solisten-Quartett – Elisabeth Kulman, Julien Behr und Charles Dekeyser, angeführt von der Starsopranistin Genia Kühmaier.
    Die Kronenzeitung titelte euphorisch: »Ein Requiem für alle Sinne!«“


    Zunächst das Musikalische: Es begann mit einem wenig bekannten Werk Mozarts Miserere mei Deus KV 85 (73s). Es gemahnte an einen gregorianischen Choral. Dann folgte Georg Friedrich Händel: The Ways of Zion do Mourn HWV 264 aus "Funeral Anthem for Queen Caroline". Mozarts Requiem KV 622 bildete den Kern. Überrascht hat mich der Abschluss mit Mozarts „Ave Verum Corpus“ KV 618. Es war der einzige Teil, in dem sich die Reiterinnen gesanglich beteiligten. Der Leistung des Chores sowie der Solisten und der Orchestermusiker gebührt höchstes Lob. Soweit ich es sehen konnte, wurden teils historische Instrumente benutzt. Das Musikalische in dieser Abfolge war für mich stimmig. Ich konnte keine Patzer feststellen. Eine bewegende Interpretation, die Mark Minkowski mit seinen Musikern bot, auch wenn ich beeindruckendere Einspielungen von CD kenne. Man muss sich die Gegebenheit des Aufführungsortes vor Augen führen. Dann relativiert sich dies.


    Und das Pferdeballett, das ich in der Einleitung skeptisch beurteilte, wie ist es einzuschätzen? Die Pferde und Reiter und Reiterinnen führten die Choreografie mit grossem Ernst und hundertprozentiger Genauigkeit aus. Wie die Schimmel gegeneinander liefen, sich bewegten, umkreisten, durch die Lücken trabten, war schlicht atemberaubend. Geschätzt hätte ich es, vor der Aufführung eine Einführung über Sinn und Zweck der Verbindung von Mozarts Musik und den Intentionen der Choreografie, die sich der Pferdeflüsterer Bartabas ausgedacht hatte, zu erhalten. Der Hinweis auf die mythologische Bedeutung des Pferdes und des Totenreiches wäre hilfreich gewesen. So sass ich vor dem Bildschirm und war ratlos, was ich von dieser Aufführung halten sollte. Ich gab mich den schönen Bildern hin oder hatte mich auf die mozartsche Musik konzentriert, ein Wunder der Musikgeschichte.


    Einen Einwand zur Choreografie habe ich anzubringen: Die auf die Sättel aufgeschnallten menschlichen Gerippe in einem Satz des Requiems hatten etwas Lächerliches. Diesen Einfall hätte man sich sparen können. Es war der einzige Teil des Werkes, bei dem die Reiterinnen nicht auf den Pferden sassen, sondern die Tiere am Zügel führten. Die Wirkung ohne diesen Skeltett-Zusatz, nur mit den gesattelten Pferden, wäre in meiner Einschätzung, grösser gewesen.


    Wer die Aufführung in der Felsenreitschule live erlebt hat oder am Fernsehgerät verfolgt konnte, soll seine Eindrücke wiedergeben.


    Wer sich von der Aufführung ein eigenes Bild machen möchte, hat die Möglichkeit dazu: Die DVD wird am 17. August ausgeliefert.



    Auf YouTube kann man es auch noch sehen. Auf diesem Portal Mozart und Pferdeballett eingeben und man wird das Passende finden.


    Abschliessend drei Links zu Kritiken:


    Der Kritiker der Münchner Abendzeitung schreibt:


    "http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.mozartwoche-salzburg-mozarts-requiem-als-pferdeballett.f89f527d-0032-4971-b080-de766d64f36a.html"


    Der Rezensent Der Presse hat dies verfasst:


    http://diepresse.com/home/kultur/klassik/5162207/Salzburg_Requiem-mit-Pferdeballett“


    Der Reporter des ORF formulierte es so:


    http://salzburg.orf.at/news/stories/2690935/“


    Links zwischen den beiden Anführungszeichen kopieren.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Beim Durchschalten Richtung Nachrichtensender bin ich ebenfalls auf diese Übertragung gestoßen und tatsächlich hängen geblieben. Zum einen, weil es vom Musikalischen herhervorragend gespielt war - und das auch noch in HIP - zum anderen weil mich die Pferdenummer interessiert hat. Nach einer gewissen Irritation hab ich dieses Ballett dann ganz passend gefunden, gibt es doch genügend Darstellungen des Todes als Reiter.
    Die Skelette zu Pferd hätte es nicht unbedingt gebraucht, und wenn doch dann wenigstens etwas besser abgefedert, sind sie zum Teil doch recht wackelig daher gekommen. Was es definitiv nicht gebraucht hätte, waren Männer in knöchellangen Hosenröcken.


    John Doe