Ich bin um 2.00 Uhr von einem erfüllenden Konzertabend aus der Kölner Philharmonie zurückgekommen:
Peter Iljitsch Tschaikowsky:
Francesca di Rimini op. 32, Orchesterfantasie
Richard Wagner:
Wesendonck-Lieder für Frauenstimme und Klavier, in der Orchestrierung von Felix Mottl für Frauenstimme und großes Orchester
Richard Strauss:
Ein Heldenleben op. 40, Tondichtung für großes Orchester
Anja Harteros, Sopran
Münchner Philharmoniker
Dirigent: Valery Gergiev
Die "Francesca di Rimini" habe ich von Bernstein (New York Philharmonic), Pletnev (Russisches Nationalorchester) und Haitink (Concertgebouw). Sie war mir also nicht unbekannt, aber doch schon länger nicht gehört. Umso schöner war das Gefühl nach den ersten Takten, auch wenn ich sie noch nie gehört hätte, zu wissen, dass sie von Tschaikowsky ist. Zu unverwechselbar ist seine Tonsprache. Er ist ja einer der ganz großen Meister der großorchestralen Werke, nicht nur der Symphonie, speziell seiner drei letzten, sondern auch der großartigen symphonischen Dichtungen, wie eben der vorliegenden viersätzigen Francesca, die auf Dantes "Divina commedia" zurückgeht.
Im ersten Satz, dem "Andante lugubre", arbeitete Gergiev:
mit seinem Münchener Orchester sehr schön die triste, ausweglose Situation in der Hölle heraus, in die Francesca mit Paolo, ihrem Geliebten und Bruder ihres Mannes nach der Ermordung durch ihren Mann geraten sind. Wie es im zweiten Höllenkreis zugeht, stellte das Orchester eindrucksvoll im zweiten Satz, dem Allegro vivo, mit aufgerauhtem Klang, großer dynamischer Kraft und exzellentem Rhythmus dar.
Im dritten Satz, einem betörenden Andante cantabile non troppo, zeigt das Orchester seine andere Seite, das überaus lyrische Ausdrucksvermögen, eingeleitet durch ein anrührendes Klarinettensolo und getragen von schwelgerischen Streicherkantilenen und anmutigen Holzbläserfigurationen. Hier geht es um die Liebe zwischen Francesca und Paolo.
Doch dieser wunderschöne Satz findet bald ein rasches Ende durch ein erneutes Allegro vivo, den abschließenden Satz, praktisch eine Art Reprise des ersten Satzes, deren Kulminationspunktzehn massive fff-Tuttischläge des riesigen Orchesters sind. Hier wird geschildert, wie der Mörder der Beiden auftritt und wie ihre armen Seelen erneut fortgewirbelt werden.
Dieses in jeder Beziehung kontrastreiche Stück des russischen Klangmagiers Tschaikowsky war weit mehr als eine Ouvertüre, kongenial umgesetzt vom russischen Pultmagier Gergiev und seinem fabelhaften Münchner Orchester.
Im zweiten Programmteil vor der Pause gab Anja Harteros,
die ich zum ersten Mal live erlebte (im Gegensatz zu Gergiev), Richard Wagners "Wesendonck-Lieder", die ich auch zum ersten Mal live erlebte.
Live wirkte ihre in allen auch in Extremlagen völlig unangestrengte, sehr klangschöne und auch dynamisch sehr überzeugend differenzierende Stimme mit perfekter Aussprache auf mich, und sicherlich auch auf die anderen Zuhörer, noch stärker, wie sie es schon in ihren Aufnahmen (u. a. Verdi-Requiem und Don Carlos (mit Jonas Kaufmann und Matti Salminen sowie Thomas Hampson) getan hat.
Die Wesendonck-Lieder hatte ich vorher noch nicht gehört, bin aber nun auf den Geschmack gekommen und werde mir mal die eine oder andere Aufnahme anschaffen. Ich werde später dann mal über das eine oder andere Lied sprechen.
Nach der Pause stand die außerordentlich stark instrumentierte Tondichtung "Ein Heldenleben" op. 40 von Richard Strauss auf dem Programm mit u. a. 5 Trompeten, 8 Hörnern, drei Posaunen, einem Tenorhorn und einer Kontrabasstuba und einem mächtigen Streicherapparat sowie umfangreichem Schlagwerk.
Wer das Heldenleben noch nicht gehört hätte, die anderen Tondichtungen aber doch, der hätte sicherlich Einiges wiedererkannt. So ließ z. B. "Zarathustra" im letzten Satz "Des Helden Weltflucht und Vollendung " grüßen. Ebenso wie der Tschaikowsky zu Beginn war auch Richard Strauss' Meisterwerk hochdynamisch, wie ja die Besetzung schon andeutete.
Hier trat auch besonders der 1. Konzertmeister, Sreten Krstic, mit Soli hervor:
Während des ganzen Konzertes habe ich wohl immer wieder die Münchner Philharmoniker mit dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks verglichen, das ich ja zuletzt zweimal live erlebt hatte mit Mahler III (Bernhard Haitink) und Verdi-Requiem (Riccardo Muti), denn in dem Zusammenhang hatte Jospeh II. anlässlich einer Diskussion zu Mariss Jansons 75. Geburtstag zuletzt gesagt, dass die Münchner Philharmoniker nicht an das Bayerische Rundfunk-Orchester heranreichen würde.
Während des gestrigen Konzertabends hatte ich aber zunehmend den Eindruck, dass sich die Münchner Philharmoniker nicht vor dem Bayerischen Rundfunk-Sinfonieorchester zu verstecken brauchten.
Liebe Grüße
Willi