Joseph Haydn - Das geistliche Werk

  • hallo,


    obwohl es natürlich schon einzelthreads zu einigen der großen messen j. haydns gibt, möchte ich diesen dem haydnschen gesamtwerk widmen. in meinem neuen großprojekt möchte ich nämlich sämtliche einspielungen vergleichend durchhören, die ich auf cd oder m-disc besitze. im lauf der zeit werde ich somit auf jede der einzelnen werke kurz eingehen.


    von haydn sind insg. 14 messkompositionen überliefert. manche sind fragmente (geblieben), manche in der urheberschaft umstritten.


    darüber hinaus gibt es einige weitere geistliche vokalwerke, so das stabat mater, 2 te deums (oder heißt es eigentlich tedeen?), mehrere salve reginas sowie diverse motetten etc.


    auch die sieben letzten worte in der vokalfassung zähle ich dazu.


    hier die - mit unsicherheiten bezgl. genauer datierung/urheberschaft und zuweilen auch zählung behaftete - liste: aufzählung erfolgt nach hob.


    (in klammern: meine einspielungen)


    messe nr.1: missa brevis (haydn et. al.?) mitte/ende der 1740er jahre ?
    (einspielungen: -)


    messe nr.2: missa sunt bona mixta malis (fragment) 1768 ?
    (hickox)


    messe nr.3: missa rorate coeli desuper (haydn und reutter?) ender der 1740er jahre?
    (hickox)


    messe nr. 4: missa in honorem sancti josephi (große orgelsolomesse) 1774 ?
    (einspielungen: -)


    messe nr. 5: missa cellensis nr. 1 (cäcilienmesse) 1766
    (hickox, jochum)


    messe nr. 6: missa sancti nicolai (nicolaimesse) 1772
    (pinnock)


    messe nr. 7 missa brevis sancti ioannis de deo (kl. orgelsolomesse) 1778?
    (einspielungen: -)


    messe nr. 8 missa cellensis nr.2 (mariazellermesse) 1782
    (einspielungen: -)


    messe nr. 9: missa in tempore belli (paukenmesse) 1796
    (bernstein, gardiner, harnoncourt, levine, marriner)


    messe nr. 10: missa sancti bernardi de offida (heiligmesse) 1796
    (gardiner, marriner, weil)

    messe nr. 11: missa in angustiis (nelsonmesse) 1798
    (gardiner, harnoncourt, marriner, pinnock


    messe nr. 12: missa (theresienmesse) 1799
    (gardiner, kord, marriner, pinnock)


    messe nr. 13: missa (schöpfungsmesse) 1801
    (gardiner, hickox)


    messe nr. 14: missa (harmoniemesse) 1802
    (gardiner, hickox)



    weitere werke in auswahl:


    te deum nr.1 (c-dur) 1763 ?
    (harnoncourt)


    te deum nr.2 (c-dur) 1799/1800 ?
    (gardiner, harnoncourt, kubelick, pinnock)


    stabat mater 1767
    (harnoncourt)


    salve regina (e-dur) 1756 ?
    (hickox)


    salve regina (g-moll) 1771
    (harnoncourt)


    die sieben letzte worte unseres erlösers am kreuze 1786 (orchesterfassung); 1787 (streichquartettfassung); 1795/96 (vokalfassung)
    (harnoncourt, vokalfassung)


    motette 'insanae et vanae curae' 1795
    (gardiner, weil)


    motetti de venerabili sacramenti 1776
    (weil)



    welche einspielungen kennt ihr, wie schätzt ihr diese ein und wie bewertet ihr das geistliche schaffen haydns? ich bin gespannt und grüße


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • freue mich auf die Vorstellugen, aber wahrscheinlich sind es: mehrere de deum und salve reginae, ansonsten sind es wahrscheinlich- so mein Latinum: die te dei und die salve reginae

  • Zitat

    Original von Heiwes
    freue mich auf die Vorstellugen, aber wahrscheinlich sind es: mehrere de deum und salve reginae, ansonsten sind es wahrscheinlich- so mein Latinum: die te dei und die salve reginae


    m.E. kann man das nicht ins Plural setzen. Es sollen ja nicht mehrere Götter oder reginae coeli gelobt werden (und dann hieße es vos deos laudamus, Euch Götter loben wir, Ketzerei! ;) )
    Ergo muß man am besten umschreiben: "verschiedene Vertonungen des X", "mehrere X-Vertonungen"


    Jedenfalls ein schöner Thread, da bis auf drei oder vier der späten Messen die Stücke ja kaum bekannt sind (mir auch nicht).


    viele Grüeß


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • hallo,


    ja, das dachte ich auch mit dem plural .. deshalb kam ich auf te deen wie requien als richtigem plural von requiem ....würde gerne mal wissen, wie das die altvorderen in ihren werkverzeichnissen geschrieben haben ... :]


    habe nun bereits die messen nr. 2, 3, 5, 6 sowie 12 und 14 intensiv gehört und von den kleineren das te deum nr.2. einige (meist positive) überraschungen habe ich bereits hier schon erlebt ...


    es folgt jetzt die nr. 13: die schöpfungsmesse (inkl.der alternativfassungen).


    berichte folgen in kürze.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • so, dann wollen wir mal :D


    den beginn macht - da ich die messe nr. 1 nicht besitze, die messe nr. 2 'missa sunt bona mixta malis' ('das gute ist mit dem schlechten vermischt': ...übrigens auch haydns zeitweiliger leitspruch...) geschrieben 1768.


    über 2 jahrhunderte verschollen, wurde sie 1983 in einem nordirischen bauernhaus (!!!) aufgefunden.


    sie besteht nur aus kyrie und gloria (bis gratias) und hat deshalb auch nur die knappe dauer von ca. 6,5 minuten aufzuweisen. angeblich ließ haydn sie unvollendet, da er das interesse daran verloren haben soll.


    als beispiel des stylus a cappella weist die messe nur vierstimmigen chor und continuo auf und ist in der palestrina-nachfolge - natürlich vermischt mit stilmitteln des 18. jhds. - zu sehen.


    bemerkenswert: im kyrie finden sich einzelne thematische vorausgriffe auf mozarts requiem-kyrie ... so das textheft, muß ich nochmals überprüfen ... beruht aber wohl eher - wie auch das booklet vermuten läßt - auf dem damaligen musikalikschen gemeingut


    nun meine (natürlich höchst subjektive) wertung: insgesamt recht 'strenger, herber charakter'


    kyrie: mittelmäßig
    gloria: uninspirierend


    deshalb: kurios, aber verzichtbar.
    wohl doch nur eher etwas für eingefleischte haydn-liebhaber.


    einspielung: hickox, collegium musicum 90, chandos


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • die missa rorate coeli desuper (titel bezieht sich auf den introitus des 4. adventssonntages) in g-dur wurde auch erst im 20. jhd. wiederentdeckt.


    die zuschreibung machte und macht große probleme, heute wird sie als gemeinsames werk von haydn und seinem lehrer georg reutter angesehen. entstanden ist sie wohl ende der 40er jahre, als haydn noch chorknabe am wiener stefansdom war.


    das werk, sehr anspruchslos in besetzung, dauer (knapp 7 min!!) und qualität, vermag mich wiederum nicht zufesseln, lediglich das agnus dei ist u.u. anhörbar.


    kuriusom: das kürzeste gloria - mit 40 sekunden - das ich kenne. hier werden vier textzeilen gleichzeitig gesungen. selbst das benedictus ist länger ....


    ich sehe die messe als schülerische/ schulmeisterliche pflichtübung an, ziemlich 'lustlos' komponiert. selbst das textheft sagt: ein beispiel dafür, wie oberflächlich österreichische kirchenmusik zu dieser zeit sein konnte ....


    einspielung: wiederum hickox, collegium musicum 90, chandos


    die messe nr. 4 habe ich leider (noch nicht), deshalb folgt bald die nr. 5 (cäcilienmesse, die einen gewaltigen qualitativen sprung nach vorne bedeutet und haydns längste messe überhaupt ist...siehe auch schon den bestehenden einzelthread)...


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Salut,


    ich hatte heute Haydn-Mess-Tag :D



    Programm:


    Theresienmesse
    Nelsonmesse [Paukenmesse]
    Missa in angustiis


    Tölzer Knabenchor usw...


    Alle drei verdienen :jubel: :jubel: :jubel:


    Sie locken mir zuweilen sehr oft literweise Tränen hervor, erst vor Schmerz und dann vor Freude, da weiß man gar nicht, wie man das "überblenden" soll... :D


    Ich weiß gar nicht, wie ich das 15 Jahre einfach "vergessen" konnte?


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • hallo, ulli, das weiß ich auch nicht ... :D


    da hast du dir ja auch die drei besten rausgesucht ..... :jubel: :jubel: :jubel:


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Salut á propos "Sucht":


    lange schon habe ich hier im Forum über die angeblcih deprimierende 'Missa in angustiis' gelesen - und das dann mal wieder mit der Nelsonmesse verwechselt... tja, der Zahn der Zeit... :D Die habe ich dann eingeworfen und dachte: " ?( ".


    Naja, dann ging die Suche los - ich war recht treffsicher.


    Jedenfalls schrieb der Haydnische premier Biograf Giesinger einst:


    [...]er hätte, anstatt der vielen Quartetten, Sonaten und Symphonien, mehr Musik für den Gesang schreiben sollen, denn er hätte einer der ersten Opernschreiber werden können […]


    Das trifft auch zum mindestens 100% auf seine geistlichen Werke zu. Ach, er hätte einfach 250 Jahre alt werden müssen...


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • hallo, ulli,


    jetzt blick ich aber bei deiner bemerkung nicht durch : die nelsonmesse ist die missa in angustiis ... und die paukenmesse die missa in tempore belli .... :D


    aber was du sonst über haydn schreibst teile ich voll und ganz


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Zitat

    Original von klingsor


    jetzt blick ich aber bei deiner bemerkung nicht durch : die nelsonmesse ist die missa in angustiis ... und die paukenmesse die missa in tempore belli .... :D


    :O


    Guckstu hier - war anscheinend ein Doppler...


    Wie dem auch sei, die Nelsonmesse fand ich "schröcklicher" als die "Kriegsmesse"... - oder war es doch umgekehrt? Ich blix grad selbst nicht mehr...


    Wenn ich Beruhigung gefunden habe, äußere ich mich mal ein wenig weniger verwirrend.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • haha, ich werd jetzt immer konfuser ... bei dem guckstu lande ich in nem kartoffelthread :D ?(8o


    ja, die nelsonmesse ist 'schröcklicher' mit dem martialischen kyrie! grandios! man kann sichs auch gut merken mit den kriegerischen pauken: bei nelson im benedictus, bei der paukenmesse im agnus dei .....alles klaro? :D

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Salut,


    das liegt aber am Bildaufbau - ich habe mein Posting #67649 vom 26.04.2006 18:28 verlinkt und beziehe mich auf den ausgedehnteren Absatz...


    Deine 'kriegerischen Pauken' sind vermutlich der Grund der Verwechslung. Ich finde aber beide Messen genial!


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • aha, jetzt kann ichs mir zusammenreimen


    ja, und natürlich sind die beiden messen genial. und die teresienmesse (bis zum credo) auch ....


    lg
    jörg


    :hello: :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • so, nun also zu einem ganz anderem 'kaliber' in dem mess-schaffen von j. haydn:
    der ersten mariazellermesse aus dem jahre 1766.


    die messe wurde nicht für eine aufführung in der obersteirischen wallfahrtskirche geschrieben, sondern für eine aufführung in wien zu ehren der berühmten mariazeller madonna bzw. in verbindung mit einer wallfahrt dorthin (dies gilt ebenso für die 2. mariazellermesse). später wurde sie caecilienmesse genannt - evtl. wegen einer darbietung am 22. nov. als namenstag der schutzheiligen der musik.


    haydn hatte mit dieser messe ganz besonderes vor: er wollte seinen kritikern, die ihm mangelndes formvermögen vor allem in bezug auf die geistl. musik vorwarfen, zeigen, daß er es 'kann' .... und er war stolz auf sein 'kind', das sich erklärtermaßen mit den österreichen prunkmessen von fux oder reutter messen lassen sollte.


    akademisch im besten sinne besitzt das als kantatenmesse komponierte werk fünf (!) große fugen, zahlreiche fughierte stellen, festliche grundstimmung durch trompeten und pauken, viele verzierungen ...und das alles bei einer messe mit ca. 70 minuten dauer ... das gab es vorher und danach bei haydn nie mehr ...


    ich schwanke zuweilen, wie mir die messe gefällt., zwischen großer begeisterung bis zum recht-langweilig-gefühl ... zum glück gewinnt aber meist das erstere.


    sehr schön finde ich den zweiten teil der messe ab dem herrlichen credo.
    einige längen finden sich m.e. im gloria, auch das kyrie ist mit ausnahme des ersten 'kyrie eleison' nicht sonderlich ansprechend. (das kann aber auch an den interpretationen liegen)


    ich habe bislang drei einspielungen (hickox, jochum, wilhelm) die letztere ist durch den klang der chorknaben indiskutabel (jedenfals für mich; ich kann einfach keine deutschen knabenchöre ertragen :kotz: ). aber auch die beiden anderen einspielungen befriedigen mich nicht.


    sehr breite tempi bei jochum (knapp 75 min. spieldauer; wilhelm kommt auf 74 min), ein wie mir scheint überalterter chor, der tenor hat durchhalteschwierigkeiten.
    bei hickox stört mich der extrem schneidende chor-diskant; hier ist natürlich alles flotter: 64 min. spieldauer).


    dennoch hat jochum m.e. mehr 'größe', 'schwere', 'bedeutung', auch das innigere ist wesentlich besser verwirklicht. hickox ist natürlich beschwingter, vielleicht auch freudig-festlicher, wie man haydns vokalwerk ja 'angeblich' auch bezeichnet.


    fazit: eine gute, geschweige denn ideale einspielung habe ich bislang nicht gefunden. wer kann raten?


    ich verweise zum schluß auf den bereits existierenden thread. (vielleicht kann den die moderation verlinken? - besten dank im voraus)

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • schön, aber leider zu unbekannt, so würde ich die sog. nicolaimesse bezeichnen, die wohl zur namensfeier des fürsten nikolaus von esterházy im jahre 1772 entstanden ist.


    mit knapp 30 min. spieldauer über die hälfte kürzer als die missa cellensis nr.1 und auch nur mit streichquartett, gerneralbaß, 2 oboen und hörnern besetzt, gibt sich die messe wesentlich schlichter und kammermusikalischer als die vorgängerin.


    stilelemente der pastoralmesse sind aufgrund des vorweihnachtlichen namenstages auch nicht zu verkennen. das liedhafte dominiert; homophonie herrscht weitgehend vor.


    wertung: eine schöne messe, die ich auch erst kürzlich kennen und schätzen lernte. die 'schwächen' im gloria und credo werden durch ein wahrhaft wunderschönes 'et incarnatus est' :jubel: sowie sehr ansprechende vertonungen des kyrie, sanctus, benedictus und agnus dei mehr als wett gemacht. das 'dona' wiederholt wie des öfteren zu dieser zeit üblich die musik des kyrie: 'dona ut kyrie' - so heißt die entsprechende vorschrift.


    einspielung: pinnock, the english concert, da mit einer grandiosen theresienmesse kombiniert, unbedingte kaufempfehlung!! :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von klingsor


    messe nr. 7 missa brevis sancti ioannis de deo (kl. orgelsolomesse) 1778?
    (einspielungen: -)


    Salut,


    Die "Kleine Orgelsolomesse" ist ein wirklich feines Kleinod. Auch hier ist das Gloria eines der weitschweifendsten, was ich je hörte: Inklusive der "Prologs" 50 Sekunden - dafür extrem spritzig, hurtig, leider schnell vorbei. Doch ein wenig Trost bietet das recht düstere Credo [ich beziehe mich auf die TIEFE Chromatik in den Bässen solo!] - Melodie-Teile des Gloria werden [wie üblich] wiederholt. Das Benedictus ist auch hier der Kern der Sache - mit knappen 5 Minuten diesmal wirklich [!] ausladend und Titelgebend: Denn hier findet sich das Orgelsolo wieder. Leider ist das genau die Musik, die ich nicht so sehr schätze: Nonen, igitt...



    Tölzer Knabenchor
    Benedictus-Solist: Ein Tölzer Knabenchorist :evil:
    Ensemble Tafelmusik
    Bruno Weil


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • so, nun habe ich mir auch noch eine einspielung der missa sancti ioannis de deo zugelegt, wenn auch (leider) keine gelungene: marriner, hendricks, staatskapelle dresden; vor allem der rundfunkchor leipzig singt mir zu behäbig, ist für das werk(chen) zu stark besetzt und wirkt überaltert; das problem so vieler chöre, wie ich finde :(


    ulli hat ja schon einiges geschrieben; hier also noch einige ergänzungen.


    mitte der 70er jahre geschaffen, war das gut 15minütige werk für die barmherzigen brüder in eisenstadt gedacht, dessen gründer hl. johannes von gott auch der namenspatron der messe ist.


    die besetzung ist wieder einmal minimal: zwei violinen, orgel, continuo.
    der volkstümliche name kl. orgelsolomesse geht wie bereits erwähnt auf die konzertierende orgel im benedictus (das fast die hälfte der gesamten vertonung einnimmt) zurück.


    beim gloria und credo werden wie des öfteren zu dieser zeit verschiedene textzeilen gleichzeitig gesungen, was natürlich zu einem gesungenen kauderwelsch führt (gerade beim durchgepeitschten gloria mit hier nur 47 sek. dauer!! :angry: :motz:
    zur ehrenrettung der kirche muß jedoch gesagt werden, daß diese praxis offiziell mißbilligt, aber leider wohl toleriert wurde ?(


    wertung: eine ziemlich uninspirierte vertonung, allein das benedictus ist recht hübsch; hendricks singt natürlich sehr schön; einige nette stellen im credo und agnus dei. heir auch eine besonderheit der messe: kein tempounterschied zwischen agnus dei und dona nobis. die bitte um frieden versinkt schließlich im pizzicato der streicher...guter einfall, doch leider nur viel zu kurz.


    nachdem nun die frühen vertonungen des mess-textes abgeschlossen sind (von nr. 1, 4 und 8 habe ich ja leider noch keine einspielungen), werde ich dann die reihe der GROSSEN und bedeutenden messkompositionen mit der paukenmesse eröffnen.


    da zeigt haydn, was er wirklich kann .... :jubel: :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von klingsor


    da zeigt haydn, was er wirklich kann .... :jubel: :jubel: :jubel:


    Ansichtskarte... äh... -sache: Ich finde es obergenial, ein Gloria in 47 Sekunden zu packen - und dann noch soooo schöööön... [immerhin hast Du auch Deine Bemotzung kundgegeben, oder?]


    :hello:


    LG
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • so,nach einer langen arbeits-sommer-wm-pause melde ich mich zurück und werde in der woche mit den beiden te-deums und einer generellen betrachtung der sechs späten messen beginnen. alle aufnahmen der paukenmesse habe ich gehört, dazu noch die der harmonie - und der theresienmesse. spannende ergebnisse und die gewißheit, daß haydn mit den sechs messen musikgecshichte geschrieben hat!!! :jubel: :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • hallo, nach langer abstinenz nun endlich weiter im thread. :D


    zur 'einstimmung' zwei kleinere werke haydns, die beiden te deums (die mehrzahl heißt wirklich so ... :beatnik: ).


    die erste der beiden vertonungen des ambrosianischen lobgesanges (4 solisten, chor, orchester; dauer: 7-8- min.) schrieb haydn wohl 1762 für seinen dienstherren in eisenstadt. der genaue entstehungszweck ist unbekannt - vermutet wird der festliche einzug von prinz paul anton und seiner braut marie therese erdödy in schloß esterhazy am 10.1.1763.


    obwohl sich das werk bis ende des 18.jhds. angeblich großer beliebtheit erfreute, reizt mich die komposition nur mäßig und kann sich mit dem bekannteren schwesterwerk nicht messen.


    als einspielung besitze ich harnoncourt bei teldec.



    von mitreißendem, festlichem schwung erfüllt ist das bis heute sehr prominente und beliebte te deum nr.2 - ebenfalls in c-dur; allerdings nur für chor und orchester gesetzt; dauer: ca.9 min.


    auch hier ist der kompositionsgrund unklar. evtl. wurde es für den besuch kaiserin maria theresias (nicht zu verwechseln natürlich mit 'der' maria theresia :beatnik: ) um 1799/1800 in eisenstadt geschrieben. andere quellen vermuten einen zusammenhang mit dem sieg bei abukir durch nelson über die franzosen.


    auf jeden fall ist das te deum nr. 2 m.e. ein kleines meisterwerk - kontrapunktik, knappe, geschlossene form, klangpracht gehen eine ideal zu nennende verbindung ein.


    meine einspielungen würde ich folgendermaßen 'raten'


    gardiner: sehr scharf, pointiert
    pinnock: ebenfalls zupackend, viell. ein wenig 'schöner' im klang als gardiner
    harnoncourt: tlw.sehr bombastisch in den pauken, aber leider viel zu breite tempi
    für vertreter des nicht-hippen: kubelick: sehr festlich im breitwandssound, leider ein wenig in der spannung nachlassend gegen schluß ...(leider nur eine radioaufnahme)
    für mich kaum erträglich wg. deutschem knabenchor: weil

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • nun zu zwei weiteren 'kleineren' geistlichen werken des meisters: den salve reginas hob XXIIIb: 1 und 2 in e-dur bzw. g-moll.


    haydn vertonte die letzte der vier marianischen antiphone wohl lediglich zweimal in seiner kompositorischen laufbahn. im liturgischen gebrauch wird das salve regina in der zeit von pfingsten bis advent als abschlußgesang des abendgebetes verwendet und im 17./18. jahrhundert sehr zahlreich und zum teil sehr festlich vertont.


    haydn beschränkt sich jedoch in beiden vertonungen auf streicher und orgel, zu denen im ersten salve solosopran und chor, im zweiten (lediglich) 4 solostimmen hinzutreten.
    dauer: immerhin 15 bzw. 18 minuten.


    während die bestimmung des 1. salve regina unbestimmt bleibt, vermutet wird 1756 als entstehungsjahr, scheint die des 2. salve regina relativ gesichert zu sein.
    wohl 15 jahre später entstanden, weist die konzertierende orgel auf die bestimmung für eine aufführung in der klosterkirche der barmherzigen brüder in eisendtadt hin, für die auch die sog. kleine orgelsolomesse (s.o.) bestimmt war.


    wie so oft, reizen mich die frühen geistl. kompositionen des meisters kaum. einige hübsche stellen - vor allem im 'ad te clamavus' oder dem 'et jesum' - wiegen m.e. die relativ uninspirierte musik nicht auf.
    wesentlich gehaltvoller hingegen das 2. salve regina mit interessanten musikalischen 'affekten', raffinierter instrumentierung und gefühlvoller textausdeutung. insbesondere die schmerzlichen 'einwürfe' des solosoprans im 'salve regina' sind sehr ergreifend! :jubel:
    durchaus lohnend!


    einspielungen:


    salve regina in e: hickox bei chandos
    salve regina in g: harnoncourt bei teldec

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Salve Klingsore,


    Hob XXIIIb: 1 ist doch nett. :D Es passt stilistisch durchaus gut in die frühen 1760er und die Koloraturen im Eja ergo erinnern durchaus an Mozarts Motette Exsultate, jubilate - bzw. anders herum. Ich denke, solch ein Kleinod könnte einen Gottesdienst durchaus bereichern. Leider ist die Fuge im Ad te clamamus so wahnsinnig kurz geraten... Mensch, was wäre da drin gewesen! Das O Clemens, o Pia ist sehr würdevoll, aber auch nur sehr kurz.


    Zu der "Redschina" Ann Monoyios gesellen sich bei Nr. 2 noch Monica Groop, Jörg Hering und Harry van der Kamp nebst Geoffrey [nicht Burt] Lancaster, Orgel.


    Bei Hob XXIIIb: 2 gibt's ja gar keinen [Tölzer Knaben-]Chor... ich finde Nr. 2 langweiliger.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Ich denke, solch ein Kleinod könnte einen Gottesdienst durchaus bereichern. Leider ist die Fuge im Ad te clamamus so wahnsinnig kurz geraten... Mensch, was wäre da drin gewesen! Das O Clemens, o Pia ist sehr würdevoll, aber auch nur sehr kurz.


    salve, ulrice, na, da gefallen dir gerade die dinge, die mir nicht gefallen 8o :D


    ad1: ja, genau deshalb gefallen mir ja die koloraturen nicht, da sie an das mozartsche 'exsultate' erinnern ... ich kann das werk einfach nicht ausstehen :stumm: dieses ewige jodeldihü :stumm: bin halt eher ein syllabist, anstelle eines melismatikers ;)


    ad2: ich finde das zweite salve viiiel besser, gerade gegen ende des ersten teils ... sehr schmerzlich, wunderbare, 'unerhörte' einwürfe der solisten ... :jubel: aus dieser zeit kenne ich so etwas eigentlich gar nicht ... :jubel: :jubel: :jubel: meisterhaft ...


    aber bei einem stimme ich dir voll und ganz zu: bei 2 gibts tatsächlich keinen chor, da hab ich wohl einfach zu schnell geschrieben :wacky: ;)


    eine gute nacht :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • hier toben die 'tollen' und 'eitlen' sorgen im sturm auf den sündigen geist ein: die rede ist von des meisters grandioser motette 'insanae et vanae curae'.


    der grund für die ausgewachsene (geistliche) sturmmusik liegt in der 1784 erfolgten einfügung des neu komponierten sturmchores 'svanisce in un momento' in haydns erstes oratorium 'tobias' aus dem jahre 1755 (kennt das eigentlich jemand?). die begeisterung war enorm- und nur zu verständlich.


    gut 10 jahre später soll dann die lateinische neutextierung 'insanae ..' erfolgt sein. die musik wurde fast gänzlich übernommen; anstelle der hörner traten dann trompeten hinzu; die paukenstimme wurde neu hinzugefügt.


    ich liebe dieses temperamentvolle, dramatische, sehr kontrastreiche chorstück (aba-form) sehr.


    dauer: ca. 6 min.
    meine einspielungen: gardiner (erste wahl!) und weil (aufgrund des dt. knabenchores für mich abgeschlagen auf dem 2.platz)


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • nun ein weiteres kleinwerk des meisters (diesmal durchaus in der negativen bedeutung des wortes) den 4 motetti de venerabili sacramento. obwohl sich auf dem manuskript der vermerk 1776 findet, enstanden sie in den 50er jahren des 18. jhds.


    auf mich üben die einzelnen stücke (lauda sion, ecce panis, in figuris, bone pastor) mit je ca. 2 min. dauer keinerlei reiz aus, obwohl das textheft der weil-cd sie in recht hohen (pr-)tönen lobt. absolut nicht nachvollziehbar; da ist von strahlenden trompeten die rede ...nur, bis auf ein paar (mickrige) einzeltöne im mf ist nichts zu hören .... ?( :evil:


    gedacht waren die werke wohl für die fronleichnamsprozesionen (evtl. in pest), die gerade in österreich mit großer prachentfaltung begangen wurden. hier ist jedoch nichts davon zu spüren.


    besetzung: 4 solisten (hier leider mit kanbensolisten :no: :kotz ) chor, streicher, oboen und trompeten, b.c.


    fazit: wieder ein beispiel für den - meiner meinung nach - 'belanglosen' kirchenmusikstil haydns der 50er bis anfang 70er jahre. (aber da gibts ja leider auch von anderen komponisten viel 'allzuleichtgewichtiges' in der geistl. musik)


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von Siegfried


    ich suche eine neuere Einspielung der Paukenmesse.
    Wer kann mir eine Aufnahme empfehlen?



    Bei mir stehen Berstein (Philips/DG) und Harnoncourt (Teldec) gemeinsam, sich ergänzend, auf dem Siegertreppchen.


    Gardiners Einspielung (Philips) finde ich im Vergleich zu Harnoncourt deutlich kälter, James Levines Einspielung (DG) durchaus klangschön, aber weniger herzlich als Bernstein.

  • Hallo!


    Wieder eine wunderbare Neuentdeckung:



    Joseph Haydn [1732-1809]
    Il Ritorno di Tobia
    Oratorio in due parti Hob. XXI:1 [1775/1784]


    Roberta Invernizzi, Sophie Karthäuser, Ann Hallenberg,
    Anders J. Dahlin, Nikolay Borchev


    Vokalensemble Köln
    Capella Augustina
    Andreas Spering


    In knappen 3 Stunden geht es um die Heilung des blinden Tobit durch dessen Sohn Tobias. Die sehr umfangreiche alttestamentarische Handlung wurde auf ein "brauchbares" Maß zusammengeschrumpft: Tobias kehrt von einem Seminar bei Apollo-Optik zurück und bringt dem Vater so eine neumodische Erfindung mit... Es handelt sich bei diesem um ein typisches Oratorium, wie es im Wien der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts Mode war: Es zeichnet sich eine besondere Nähe zur Oper ab, Chöre werden lediglich am Beginn und Ende eines jeden Teiles gegeben. Zwischendurch wechseln sich Arien und Rezitative ab. Der biblische Inhalt des Werkes wird allenfalls in den Schlußteilen der Chöre erkennbar, die jeweils aus einer Fuge bestehen - was einerseits nicht zu dem übrigen Musikstil passt, andererseits aber eben der damaligen Mode entsprach: Ein geschickter Ersatz für die an bestimmten Tagen verbotene Oper mit dem Etikett "blauer Engel". Etwa vergleichbar ist das Werk mit Leopold Kozeluhs Moisé in Egitto - und entsprechend mitreißend und überzeugend! :D


    Textdichter des Librettos ist interessanterweise ein gewisser Boccherini: Der 1742 in Lucca geborere Giovanni Gastone Boccherini [gestorben sein dürfte er mittlerweile auch, jedenfalls wurde er nach 1830 nicht mehr gesichtet], seines Zeichens Bruder des bekannteren Luigi Boccherini [1743-1805]. G. G. Boccherini librettierte u.a. auch für Antonio Salieri, interessanter fände ich aber, ob auch Bruder Luigi Texte von Giovanni Gastone vertonte? Gleichenfalls von Interesse ist in dem Zusammenhang, ob auch Andreas ein Bruder von Christoph Spering ist... auf alle Fälle aber sind sie Namensvettern.


    Annette Oppermann und Christine Siegert vom Haydn-Institut Köln berichten im umfangreichen Booklet sehr ausführlich über das Werk und diverse Hintergründe. Am wichtigsten scheint mir hier, daß Haydn etwa 9 oder 10 Jahre nach der Uraufführung eine sehr viel kürzere Version anfertigte, die dem geänderten Zeitgeschmack entsprach. Die von Haydn vorgenommenen Kürzungen wurden in dieser Einspielung nicht berücksichtigt, wohl aber wurden zwei nachträglich komponierte Chöre, welche die Statik des Werkschemas durchaus auflockern, miteingespielt!


    Die Interpretation ist erste Sahne: Neben der herrlichen Sophie Karthäuser und der für mich überraschend guten Roberta Invernizzi [meine Erfahrungen waren bisher eher nicht so überzeugende], treten auch die schwedische Ann Hallenberg als Alt sowie der Schwede Anders J. Dahlin als Tenor auf. Die Altistin hat eine einmalig dunkle Stimme, die ich sehr mag - der Tenor hingegen scheint etwas dünn. Besonders gefallen hat mir der z. Zt. 27jährige Bass Nikolay Borchev, m. E. eher Bariton.


    Von beeindruckender Qualität ist der Gesang des VokalEnsemble Köln und als Neuentdeckung für mich zu bewundern gab es die Capella Augustina, welche - ihrem Namen zu Ehren [oder umgekehrt] - die Brühler Schloßkonzerte [Schloß "Augustusburg"] bestreitet.


    Gespielt wird natürlich auf historischen oder entsprechend nachgebauten Instrumenten. Ich bin einfach nur geplättet von dieser grandiosen Darbietung: Die Ouvertüre beginnt ganz ähnlich Haydns "Sieben letzte Worte..." und geht dann über in ein kozeluhsches Sinfoniepresto. Die Chöre sind - wie bereits erwähnt - ebenfalls sehr kozeluhsch, teilweise aber auch an jede wohligen Chöre von Johann Christian Bach erinnernd. Kurzum...


    :lips: SAUGEIL! :lips:


    Ulli


    P.S. Die ebenso gerechte wie brillant-witzige Rezension des Spiegel ist an [URL=http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,517799,00.html]dieser[/URL] Stelle nachzulesen [empfehlenswert!]

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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