...oder: Nicht alle singen mit!
Es gibt in vielen Opern Personen, die maßgeblichen Anteil an der Handlung haben, jedoch keinen Ton von sich geben:
da wäre einmal Morold, der Verlobte Isoldens. Von Tristan erschlagen, heuchelt das Weib Isolde 'stundenlang,' wie tief sie das gewaltsame Ende dieses präpotenten Steuereintreibers getroffen habe........Es ist sehr typisch für Wagner, dass wir über diesen wackeren Irenhelden, der bei aufgehendem Vorhang schon einige Zeit im Grabe schlummert, genau Bescheid bekommen.
Im „Ring der Nibelungen“ hat Wagner keine Zeit gefunden, uns die verschiedenen Väter und Mütter vorzustellen. Bei Wotan kann man noch verstehen, dass der Wanderer ob der zahllosen Verhältnisse gar nicht mehr weiß, welche Maid ihm Sieglinde und Siegmund gebar. Deshalb wissen wir außer dem Namen Grimhild wenig über die Dame, die zunächst Gunther und Gutrune in die Welt setzte – und dann Hagen. Eine kleine Perversion muß ihre germanische Treue überlagert haben, denn ihr uneheliches Kind hat sie mit dem Zwergen Alberich gezeugt. Gibichung nahm sich aus Gram das Leben, nachdem Wotan tratschte: von ihm weiß man gar nichts! ... und auch nichts von Lohengrins Mutter – da ist man auf Spekulationen angewiesen. Obwohl er sich sehnlich wünscht, irdischen Glücks teilhaftig zu werden und wenigstens ein Jahr an Elsa’s Seite zu verleben, singt er nur von seinem Vater.
Wahrscheinlich war er Halbwaise und da wiederum ist er in guter Gesellschaft: Agathe, die allein im Försterhaus bei der Mutter aufgewachsen ist, oder Sophie wird es im Faninalschen Palais auch nicht leicht gehabt haben.
Aida hat auch keine Mutter! welches Fach sollte auch eine Königin von Äthiopien singen? Aida ist Sopran, Radames Tenor, Amneris Mezzo, Amonasro Bariton und Ramphis Bass.
Bei „La Traviata“ ist es Mlle. Germont, die Schwester Alfredos, die maßgeblich die Handlung beeinflusst – ohne Auftritt. Ihretwegen stimmt Violetta in den Vorschlag von Vater Germont ein, den Geliebten zu verlassen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie die sittenstrenge, bigotte Tochter, wahrscheinlich eine alte Jungfer, ihrem Vater in den Ohren lag, wahrscheinlich noch unterstützt von einer keifenden Mutter. Der Vater, erst wahrscheinlich neidisch auf das Glück seines Sohnes, musste sich moralisch entsetzen und dem Tun Einhalt gebieten.
Der Vater Belmontes, ein gewissen Senor Lostados, hat sich gegenüber Bassa Selim äusserst schlecht benommen, aber er zeigt sich uns nicht.....
Die nie erscheinende Mutter von Don José, eine baskische Bäuerin, treibt sich ‚virtuell’ in mancher Arie oder Duett umher.
Wo ist die Gattin des Herzogs von Mantua? Sie kommt vor: während Rigoletto sein Leid klagt, schickt die vom erotischen Vielfraß vernachlässigte Gattin einen Pagen, sie wünsche ihren Mann zu sprechen. Von ihrer Not geben uns wenige Sätzchen kund.
Ob die Marchesi Attavani schön war? Madonnengleich? Tosca jedenfalls ist ordentlich eifersüchtig auf die Aristokratin. Diese betritt jedoch nicht einmal die Bretter der Bühne, obwohl sie, unabsichtlich zwar, zum letalen Ende der drei Hauptgestalten maßgeblich beiträgt. Ebenso den Conte Palmieri, den Scarpia nur zum Schein füsilieren ließ, bekommen wir nicht zu Gesicht.
Fällt euch noch was ein?