Die schöne Müllerin - Kleiner Bruder der Winterreise?

  • sagitt:


    Nein, ein letztlich ganz anderes Werk. Es geht um unglückliche Liebe, nicht um bohrende Einsamkeit. Der Zyklys "Die schöne Müllerin" entstand sechs Jahre vor der Winterreise- der sog. Griechen-Müller auch hier der Dichter, wobei Schubert- das passt zu ihm- die ironischen Verse des Wilhlem Müller unvertont liess. Für Schubert war unerfüllte Liebe ein Drama, nicht romantisch gebrochen, wie es Heine dann so mustergültig tat und Schumann musikalisch umsetzte.


    Nun will ich mich gleich in die Nesseln setzen, weil ich Wunderlich und Giesen nicht für die Referenzaufnahme der schönen Müllerin halte. Ich fange mit dem Pianisten an, zu dem Wunderlich in Treue stand, der aber überhaupt nicht das Niveau eines Gerald Moore oder Dalton Balwin erreicht. Nun also das heikle Thema: Fritz Wunderlich, mit seiner so schönen Tenorstimme. Als er diese Aufnahme bei der DG machte, war er schon vielbeschäftigter Opernsänger. Dies hindert nicht prinzipiell eine Karriere als Liedsänger, aber dieser muss viel schneller als ein Opernsänger umstellen, Mini-Phrasen gestalten, feinste Schattierungen singen können. Ich finde, Wunderlich singt diesen Zyklus mit der Stimme eines OPERNTENORS. Das aber ist unangemessen für die eher zarten Lieder im kammermusikalischen Ton.
    Nun zu meinen Favoriten: Ich beschränke mich auf Tenöre. Ich halte diesen Zyklus -im Gegensatz zur Winterreise- für einen Tenorzyklus( auch wenn Fischer-Dieskau diese Lieder natürlich großartig singt).
    Ich möchte drei wirklich lyrische Tenöre nennen. Meinen favorite tenor zuerst. Hans Peter Blochwitz machte 1988 eine Aufnahme mit Cord Garben ( der ordentlich begleitet, die Aufnahme ist längst gestrichen). Ich höre diese Stimme einfach gerne und was Blochwitz an lyrischen Farben entfalten, zeigt sich mustergültig in " Baches Wiegendlied". Ich war sehr dankbar, dass ein russischer Klavierprofessor für Liedbegleitung in einem Blindversuch eindeutig Blochwitz der Einspielung von Wunderlich vorzog.
    An zweiten Stelle- gleichberechtigt- Peter Schreier und Josef Protschka. Schreier, begleitet von der Laute, eine sehr angenehme Farbe für diesen Zyklus, nimmt sich zurück und erzeugt dadurch herrliche lyrische Stimmung. Und Protschka, begleitet von Helmut Deutsch ( ein wirklich guter Klavierbegleiter) singt den Zyklus wunderbar zart. Damals sehr gelobt von der Kritik, heute längst vergessen.


    Ich denke, genug Stoff für Diskussion...

  • Sicher genug Stoff für Diskussion


    Es fragt sich ja immer in solche Fällen was man erwartet.


    Hier gibt es, so glaube ich, ziemliche Auffassungsunterschieder zwischen österreichischem (bzw. Wiener) Publikum und deutschem.
    Da ich diese Auffassunggsunterschiede immer wieder schmerzlich spüre, wenn ich deutsche Kritiken lese, und ich annehme, daß es umgekehrt genauso ist, habe ich schon vor einigen Jahren meinem Unterschrift "aus Wien" (als Warnung quasi) angefügt.


    Ich erinnere mich ziemlich genau, daß man in Wien am Text der Lieder eher nebenbei interessiert war, was zählte war ein wohlklingender Vortrag. Keinen Menschen interessierte doch in Wirklichkeit, was ein Müllerbursche empfindet oder nicht. :stumm:


    Aus dieser Sicht betrachtet ist es doch auch icht so wichtig wie opernhaft Wunderlich den Vortrag anlegt, die Stimme ist einfach traumhaft. Wunderlich hat "Die Schöne Müllerin übrigens schon einige Jahre vorher für Ariola Eurodisc (heute bei RCA) aufgenommen, damals war die Stimme jugendlicher und ungekünstelter, trotzdem gibt man im allgemeinen der neueren Aufnahme den Vorzug (Die Erstaufnahme war übrigens noch mono....


    Auch Dietrich Fischer Dieskau ist als Müllerbursch wenig überzeugend, was die Darstellung angeht, der Gesang jedoch ist makellos und überirdisch schön, vor allem die ersteren Aufnahmen als die Stimme noch 100prozentig intakt war.


    Auch Hermann Prey ist IMO ein interessanter Interpret. Ich besitze die Winderreise 2 mal von ihm. Eine , die er in seinen besten Jahren sang, eine, als er etwa 60 Jahre alt war. Man kann wählen, zwischen einer sehr melancholischen Auffassung mit merklich eingedunkeltem Bariton, oder einer etwas helleren jugendlichen Version. Ich weiß bis heute nicht, welcher der beiden Aufnahmen ich den Vorzug geben soll.


    Mit der Aufnahme von Protschka kann ich persönlich wenig anfangen, das liegt aber IMO nicht am Sänger sondern an der Aufnahmetechnik:
    Es ist dies schon die zeite mir bekannte CD, wo der (elektronische) Hall derart übertrieben wurde, daß man (nur mit Kopfhörer feststellbar) den Eindruck eines "Flatterechos" hat.


    Tenor oder Bariton, diese Frage stellt sich mir bei diesem Zyklus nicht, aber ach akzeptiere auch, wenn Sagitt das anders sieht. ich habe noch einige Aufnahme in meiner Sammlung, aber zuerst möchte ich die Meinung weiterer Forianer hören...



    beste GRüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    gut , dass ein Forum Gelegenheit zum Austausch gibt :]. Dieses Modell von Kunst, Hauptsache schöne Stimme, hat es ja immer gegeben und die Künstler, diejenigen, die Werke schaffen, genug gequält. Ich erwähne nur einmal Händel, in der Auseinandersetzung mit seinen Stimmbesitzern in London.
    Auch ich freue mich über eine schöne Stimme und deswegen mag ich ich auch Wunderlichs Stimme. Die ist sehr schön.


    Aber ein Kunstwerk ist mehr als die Gelegenheit, eine Stimme zu zeigen oder eine besonders gut klingende Stradivari vorzuführen. Die Kunst gibt uns nicht nur äußere Freude, sondern Spiegel des menschlichen Wesens. Insofern bleibt auch die Müllerin aktuell. Das ambiente Mülllerbursch ist überholt, die Geschichte der zurückgewiesenen Liebe allerdings ein zeitloses Thema. Dies setzt Schubert in geniale Töne um. Warum sind die Zyklen so viel bekannter als seine sonstigen, um die 600 Lieder ? Ich nehme an, weil sie an dem, was Schubert bewegte, näher dran sind. Immer wenn es um die Themen geht, die seine sind, wird seine Kunst höchst intensiv. Wir wissen von Schuberts Liebessehnsüchten, seinen Depressionen, seiner Angst vor Einsamkeit.
    Diese Inhalte will ich hören, weil sie zum Kunstwerk gehören.
    Zweitens gehört zum Liedgesang die Befähigung, wirklich leise zu singen. Das können Großmeister wie Fischer-Dieskau, aber eben auch Blochwitz und Protschka.Wunderlichd Stärke ist das Metall in seiner Stimme, nicht der lyrische Schmelz. Sehr viele Sänger, die durch die Bühnenauftritte grundsätzlich auf mindestens mezzoforte eingestellt sind, können das nicht. Dann ist der Ton zwar leise, aber auch ziemlich bis komplett farblos. In der Oper braucht man das nicht, weil das ohnehin keiner hören würde, aber in der "schönen Müllerin" braucht man ganz viel davon, weil darin soviel Aussage steckt. Der Weg von der Enttäuschung in den Selbstmord.


    Wenn ich schöne Stimmen hören will, höre ich mir die Wunschsendungen im Radio an oder gehe in ein Adventskonzert mit Granada und Funiculla. Das ist ein wenig polemisch, aber ein wenig Polemik soll diesem Forum ja zugehörig sein :D

  • Hallo Alfred,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich erinnere mich ziemlich genau, daß man in Wien am Text der Lieder eher nebenbei interessiert war, was zählte war ein wohlklingender Vortrag. Keinen Menschen interessierte doch in Wirklichkeit, was ein Müllerbursche empfindet oder nicht. :stumm:


    Ich werte das Smiley mal als Distanzierung - denn in der Tat würde es mich schwer wundern, wenn heute jemand ernstlich vertreten wollte, der Text (nicht nur) zu diesem Liederzyklus sei völlig egal, absolut nebensächlich, sobald jemand nur möglichst schön singt. Ich denke, wie sagitt, dass das Thema des Textes durchaus noch aktuell ist, und erst im gegenseitigen Wechselspiel von Text, Inhalt und Gesang ergibt sich doch erst eine wirklich gute Interpretation.


    "Schön"spielen kann man sicher vieles, was hernach wohlklingend klingt (und ich habe garnichts gegen Wohlklang, wo er hingehört!). Aber den Nerv der entsprechenden Werke wird doch dabei eher vernachlässigt.


    Meint nur, anmerkend und bestens grüssend,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Anlässlich meiner Neuanschaffung der "Schönen Müllerin" von heute (Ich hatte diese Version mit Gitarrenbegleitung vor etwa 20 Jahren in der Karl Löbl Sendung des ORF "Lieben Sie Klassik?" erstmals gehört und schon damals auf meine Wunschliste gesetzt, leider kam immer was dazwischen.) wollte ich diesen Thread wiederbeleben, aber ich sehe, er ar eigentlich nie richtig lebendig. ;(


    Wie dem auch sei, die Version mit Gitarrenbegleitung stellt mich 100%ig zufrieden, auch der Gesang Peter Schreiers ist der Begleitung ädiquat, nämlich völlig uneitel und intim.


    Wenn der Effekt einer Einspielung derart überzeugend ist, stellt sich meiner Meinung nach die Frage nach der Authenzität erst gar nicht.


    Man mag Schreiers Stimme mögen oder nicht, hier übertrifft er sich selber, abgesehen von ein paar dramatischen Stellen wo die Stimme ins Grelle abgleitet.


    Freundliche Grüße


    aus der Schubert- Stadt Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    wenn wir uns darauf einigen können, dass es sich um die "Schöne Müllerin" handelt (du hast zweimal "Winterreise" geschrieben), dann stimme ich dir voll zu.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ohja,Peter Schreier singt die Müllerin wirklich sehr schön!Er gibt ja in Dresden jedes Jahr ein Konzert,in dem er nur diese Müllerin singt,begleitet von einer Gitarre.Durfte ich vor 4 Jahren erleben :] Sehr beliebt dort,und immer ausverkauft.
    Erinnern möchte ich aber auch an die Liedaufnahmen von Haefliger! sagitt müsste daran eigentlich auch seine Freude haben,denn Haefliger besitzt nun wirklich eine schlanke,lyrische Stimme.
    Klar hat Wunderlich nicht die besten Liedbegleiter,doch er besitzt eine wunderschöne und einnehmende Stimme.Da man ja nicht jedesmal einfach so dasitzt und auf den Text hört,lege ich die Aufnahme mit Wunderlich am liebsten auf.
    Vom Blochwitz bin ich nicht mehr so überzeugt.Er hatte seine Karriere wunderbar gestartet,aber seit einigen Jahren ist seine Stimme irgendwie "brüchig" geworden.
    Gruß vom Wanderer aus dem frühlingswarmen Wien :hello:

  • Zitat

    Original von sagitt
    Sagitt meint:
    Warum sind die Zyklen so viel bekannter als seine sonstigen, um die 600 Lieder ? Ich nehme an, weil sie an dem, was Schubert bewegte, näher dran sind.


    ich nehme eher an, weil Zyklen eher aufgeführt werden als zusammenstellungen einzelner Lieder... nicht umsonst ist der "Schwanengesang" entstanden.


    naja, und von den 600 gibts es auch viele, die man eben nur zu Jubiläumsjahren ausgräbt und sonst schön weit unten in der Motten kiste läßt (bei allem Respekt... :stumm:)

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Sagitt meint:


    Natürlich schätze ich Haefliger und ziehe meinen Hut vor der Dauer seiner Karriere. Er hat sein Potential offensichtlich so ökonomisch eingesetzt, dass er sehr lange singen konnte, was andere Tenöre nicht von sich behaupten können, wie z.B. Blochwitz.Die Stimme ist deutlich schwächer geworden, wodurch weiss ich nicht.
    Aber die Schöne Müllerin, die er gesungen hat, war außergewöhnlich gut. Da war er im Besitz aller seiner stimmlichen Kräfte. Es ist intelligent gestaltet,wunderbar kann er die Register mischen,dadurch bekommt der Zyklus die zarte Traurigkeit, die gerade die späten Lieder brauchen. Wenn man jeweils den Schluß der Strophen des 20ten Liedes- Baches Wiegenlied- hört,kann einen das wirklich zu Tränen rühren.


    Ich finde es sehr bedauerlich, dass dieses großartige Tondokument seit Jahren gestrichen ist. Neben Wunderlich vermarktet die DF Araiza. Nichts gegen ihn, aber das ist überhaupt keine adäquate Alternative.

  • ich möchte hier, spät, aber doch (man kann ja nicht 1000 threads auf einmal lesen!), eine adresse empfehlen, die im zusammenhang mit der müllerin, aber auch darüber hinausgehend, äusserst interessante aspekte darlegt. alfred wird gnädig akzeptieren, da er den artikel auch mit gewinn lesen dürfte...


    http://www.christoph-keller.ch/index.html?artd.html


    (dieses posting würde auch zum thread "schubert-seine wichtigsten werke..." passen)
    :beatnik:

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  • Ähnlich genial wie Peter Schreiers und Andras Schiffs Winterreise ist auf seine Müllerin (übrigens halte ich sein Ständchen aus dem Schwanengesang für das beste).
    Giesen vermiest mir ein wenig den Wunderlich... auch wenn dieser, wie schon gesagt nicht leise und differenziert genug singt (wohlklang eben).
    Blochwitz habe ich mit der Müllerin noch nicht gehört.


    @tm kommt bei den baritonen allerdings wohl kaum jemand an goerne oder quasthoff ran (vielleicht höchtens gerhaher...).


    goerne habe ih am 15. mai in Baden Baden gehört. einfach nur genial. eric schneider begleitet wundervoll.


    Kleiner Bruder der Winterreise ist sie sicherlich nicht. Die Winterreise ist mehr eine Sammlung von Liedern... Die Müllerin erzählt eine Geschichte.

  • Zitat

    Kleiner Bruder der Winterreise ist sie sicherlich nicht. Die Winterreise ist mehr eine Sammlung von Liedern... Die Müllerin erzählt eine Geschichte.


    Lieber Maexl, ich denke doch daß die Winterreise auch eine Geschichte erzählt. Es ist nur der Freiraum für die Interpretation des Handlungsablaufs größer. Je nach Interpretation kann die Winterreise auch verschieden enden. Ich habe Fassungen wo der Wanderer in Resignation, Wahnsinn oder Tod endet, bis hin zur Erlösung (wenn ich an die Winterreise von Frau Ludwig denke).
    Die Müllerin ist hingegen in jedenfall düster und endet immer mit dem Tode des (in meinen Augen sehr paranoiden) Müllerburschen. Die fröhlichen Lieder am Anfang "Das Wandern","wohin"etc. machen den Kontrast zum Ende nur drastischer.


    Übrigens: Etwas was man auch separat erörtern könnte, was aber im speziellen zu diesem Thema passt:
    Wie bereits erwähnt, enthält die Müllerin nur einen Teil der Texte von Müller. Fi-Di pflegt nun hin und wieder die restlichen (ironischen) texte dazwischen zu lesen womit er meiner Meinung nach den Sinn des Werks und der Intension von Schubert komplett zuwiederhandelt.
    (ich muß gleich mal nachsehen ob es schon eine Diskussion zum Thema "inhaltliche Änderung von Werken durch Interpreten und Regisseure" gibt)

    "Du siehst mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit"

  • Hallo!
    Gerade habe ich "Die schöne Müllerin" von dieser CD

    gehört. Eine alte Aufnahme, aber eine interessante Alternative zu DFD, von dem ich das Werk bisher nur kenne. Gefällt mir vom ersten Eindruck her sehr gut. Julius Patzak kannte ich vorher überhauptnicht.
    Übrigens mochte ich Die schöne Müllerin schon immer mehr als die Winterreise, ist für mich also kein "kleiner Bruder" (müßte doch eher eine Schwester sein, oder?...).
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ich will nun mal eine Lanze für Hubert Giesen brechen.
    Zugegebenermaßen bekannt wurde er durch seine Liedbegleitungen,die von Fritz Wunderlich überliefert sind,hauptsächlich die "Müllerin" und "Dichterliebe" sowie eine Reihe weiterer Schubert-und Beethovenlieder.
    Es zeichnete ihn aber auch die frühe Zusammenarbeit mit dem Genie Yehudi Menuhin aus,so in den 30er Jahren.Somit muß schon eine künstlerische Reife bei H.Giesen vorausgesetzt werden.
    Wer sich anmaßt,Giesen mit Kritik zu belegen,wozu vielleicht auch Anlaß bestehen möge,den bitte ich doch höflich,Roß und Reiter zu benennen.
    Ich lerne gerne dazu.
    Gerald Moore sicherlich ist DER Liedbegleiter schlechthin,hat er doch an Dietrich Fischer-Dieskaus Liedsängerkarriere maßgeblichen Anteil.Aber sind die anderen Liedbegleiter deswegen schlecht?Ich denke nicht.


    Zur schönen Müllerin selbst:Ich besitze u.a.die Aufnahme von Fischer-Dieskau/G.Moore von 1972,die mir ob der Manieriertheit des Sängers überhaupt nicht gefällt.Im Lied Nr.20 z.B. völlig werksfremde Betonung:
    ..."Bis das Meer will trihiiiiinken die Bächlein aus" und dergl.mehr.Das schmerzt in meinen Ohren.
    Wesentlich besser Hermann Prey 1973 von L.Hokanson begleitet und mit Gefühl und Seele gesungen.Das ist eine werkgetreue Interpretation.
    Die Schreier'sche Gitarren-Müllerin besitzt auch für mich einen gewissen Reiz,obwohl mir die Stimme Peter Schreiers nicht sehr liegt.Aber dieses Werk ist wirklich gut interpretiert.
    Eine weitere Müllerin hat noch in der Presse Beachtung gefunden:Jochen Kowalski/M.Hinterhäuser bei Capriccio erschienen.Durch die Altusstimme wirkt der Liederzyklus sehr jugendlich und frisch.
    Da das Werk für eine "hohe Männerstimme" komponiert ist,findet hier kein Stilbruch statt,wenngleich die Aufnahme nicht Jedermanns Geschmack treffen dürfte.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Sagitt meint:


    Es ist sehr schade,dass es die Alternativen zu Wunderlich heute nicht mehr gibt. Man sollte Blochwitz oder Protschka mit diesem Zyklus hören, bevor man ein Urteil abgibt. Ich will Giesen nicht abwerten, Aber, mit welchen Sängern hat er noch gearbeitet ? Seine Begleitung finde ich einfach nicht inspiriert, Wenn man einen Deutsch oder Moore, einen Andreas Staier oder einen Brendel hört, merkt man, dass ist nicht bloß Begleitung, das ist ein eigenes Kunstwerk.
    Man sollte diese Aufnahmen irgendwie zugänglich machen. Wenn die Industrie nicht will, dann irgendwie ?

  • Guten Abend an alle!


    Nein, ich würde die schöne Müllerin auch nicht als kleinen Bruder der Winterreise ansehen, sondern als eigenständigen Zyklus mit einem eigenen Thema, wie einige von Euch ohnehin schon gesagt haben.


    Ich kannte bisher nur die Aufnahme mit Hermann Prey und Leonard Hokanson, die mich begeistert. Nun habe ich heute die Aufnahme mit Fritz Wunderlich und Hubert Giesen gefunden, ich hab sie mir ausgeborgt und bereits einige Male angehört. Meine Erwartungen wurden aber ziemlich enttäuscht und sagitt spricht mir aus der Seele.


    Über die Stimme von Fritz Wunderlich kann ich natürlich nur sagen, dass sie wunderschön ist, aber ich finde auch, das ist nicht genug für diese Lieder. Mir ist der Text sehr wichtig, und was er aussagt, möchte ich mitfühlen können. Wenn Hermann Prey in "Ungeduld" singt: "auf meinen Wangen müßt' man's brennen sehn", dann brennt es wirklich, in "Mein" ist die Freude und das Glück der erfüllten Liebe sehr spürbar, und von "Trockene Blumen" bis "Des Baches Wiegenlied" bin ich nur mehr in Tränen aufgelöst. Das alles kann ich bei Fritz Wunderlich überhaupt nicht empfinden.


    Liebe Grüße
    Terpsichore

  • Hier noch ein paar gute oder sogar tolle Müllerinnen:


    ... ein legendärer, aber fast vergessener Interpret der Müllerin wurde hier, wenn ich nicht schlampig gelesen ahbe, noch gar nicht erwähnt: Der Däne Aksel Schiøtz
    1945 machte er eine Aufnahme mit dem zu dieser zeit noch fast unbekannten Gerald Moore. Ein guter Freund, der einige Jahrzehnte älter ist, als ich und obendrein ein echter Connaisseur des Kunstlieds stieß mich auf diesen Interpreten. Was mich erstaunt, ist die (für die Zeit) ausgesprochene Modernität und Natürlichkeitseiner Interpretation (wenig Vibrato, sehr gemildertes Pathos, keine deklamatorischen Manierismen...) Hinzu kommen der Schmelz und die Wärme seines Timbres - ein echter Klassiker


    Eine ebenfalls zu wenig beachtete Müllerin legten Gerald Souzay und sein lebenslanger Klavierpartner Dalton Baldwin vor - vor allem der sonnige Charme von Souzays heller Baritonstimme ist überaus einehmend. Sein unidiomatisches, manchmal gaumig-nasales Deutsch würde heutigen Ansprüchen allerdings nicht mehr genügen.


    Olaf Bär nimt eine unaufdringliche Mittelposition im Feld der Schubert-Interpreten ein: Er singt mit maßvollem Ausdruck und blitzsauberer Technik und hat schlichtweg eine schöne Naturstimme.


    Ian Bostridge hat die Müllerin 2 Mal, ziemlich genau im Abstand von 10 Jahren gemacht (1994 & 2005) Die erste Aufnahme aus Graham Johnsons Schubert-Lied-Edition bei Hyperion bietet als Extraschmankerl eingeschobene Müller-Rezitationen durch FiDi. Erstaunlich ist, dass Bostridges Diktion in der frühen Aufnahme natürlicher klingt, als in der aktuellen Aufnahme mit der fabelhaft sekundierenden Mitsuko Uchida. Hier überformt Bostridge einzelne Vokale so sehr, dass sein Deutsch gekünstelt und verzerrt klingt. Stimmlich ist er toll. Keine große Stimme, aber eine überaus reizvolle. Erstaunlich ist, wie Bostridge sein nur mäßiges Stimmvolumen durch einen schier unerschöpflichen Reichtum an dynamischen Nuancen kompensiert. Bezaubernd ist seine Piano- und Mezza voce-Kultur. Auch wenn Bostridge gelgentlich zu sehr in die gestalterische Offensive geht und dann etwas blasiert oder kokett wirkt - ich finde, er ist derzeit einer der ganz großen (weil immer spannenden) Liedsänger.


    Schöne Grüße :hello:
    Daniel

  • Die Winterreise kenne ich schon sehr lange. Auf die Schöne Müllerin habe ich mich erst viel später eingelassen. Ich fand den Zugang erst, nachdem ich einige kritische Literatur dazu gelesen hatte.


    Da ich die Schöne Müllerin am liebsten von einem Tenor gesungen höre, sind diese zwei Aufnahmen sind für mich die schönsten bzw. die (auch von der Begleitung her) überzeugendsten, die ich kenne:


    Schreiers Aufnahme mit András Schiff: Mozartsaal (Wiener Konzerthaus), August 1989



    :jubel: :jubel: :jubel:



    Oder noch besser: gemeinsam mit Winterreise und Schwanengesang in dieser günstigen 3-CD-Box:




    und Prégardiens Aufnahme mit Andreas Staier am Hammerklavier:



    Mir ist eine deutliche Aussprache äußerst wichtig - ein Grund, warum Fi-Di für mich selten erste Wahl ist. Meine Aussage scheint paradox, aber ich verstehe ihn nicht so gut wie die beiden oben genannten Sänger.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Auch für mich war Aksel Schiøtz eine echte Entdeckung, seine "Müllerin" gehört in jede Sammlung für Freunde des Kunstliedes, genauso, wie seine "Dichterliebe".


    Und Gérard Souzay war ebenfalls ein ganz toller Sänger, der einen interessanten Gegenpol zu z. B. Fi-Di bietet... Ich höre seine Schubert-Aufnahmen immer wieder gerne.

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  • Zitat

    Original von Siegfried
    Das waren jetzt aber 3 Aufnahmen, Melot - oder? ;)


    Von der Schönen Müllerin sind's zwei verschiedene Aufnahmen, eine mit Schreier/Schiff und eine mit Prégardien/Staier.
    ;)

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Zitat

    Original von Alviano
    Und Gérard Souzay war ebenfalls ein ganz toller Sänger, der einen interessanten Gegenpol zu z. B. Fi-Di bietet... Ich höre seine Schubert-Aufnahmen immer wieder gerne.


    Hallo Alviano,


    Souzays Timbre war dunkeler als das von Fi-Di. Und beiden benützen ihr Timbre wunderbar. Dadurch sangen sie ein Lied auf verschiedener Art. Und trotzden ganz vorzüglich. Diese beiden Sänger haben mir viele Stunden Erholung geschenkt.


    LG, Paul

  • Eine Aufnahme, die ich besonders schätze, ist die von Peter Pears und Benjamin Britten. Ich weiß, dass viele mit Pears Stimme so gar nichts anfangen können, wer sich von dem eigenwilligen Organ jedoch nicht abschrecken lässt (mir persönlich sagt es z.B. ausgesprochen zu), der kann eine äußerst interessante, recht eigenwillige Interpretation erleben. Ich würde diesen Zyklus sogar über die bekanntere Winterreise desselben Teams stellen.


    Schon im ersten Lied fällt das extrem zügige Tempo auf, das deutsche Gemütlichkeit erst gar nicht aufkommen lässt. In "Der Neugierige" findet Pears in der "o Bächlein meiner Liebe" einen faszinierend verklärten Ton, so ein Pianissimo konnten nur wenige Tenöre singen. "Mein" ist fast extatisch geraten, man hört zwischendrin aber schon das drohende Scheitern der Liebe, das sich in den folgenden Liedern noch lange offen verleugnet. So gerät die Phrase "...doch sag ihr nichts, hörst du, kein Wort, von meinem traurigen Gesicht" geradezu erschütternd, ähnlich "Die böse Farbe". Das letzte Lied rührt mich in seiner fast monotonen Vortragsweise jedes Mal wieder zu Tränen. Britten ist - wie immer - ein kongenialer Begleiter.


    Von Blochwitz und Protschka habe ich viel gutes gehört, kenne die Aufnahmen aber nicht. Wunderlich begeistert mich stimmlich, im Vergleich zu Pears oder Schiötz (um mal eine deutsche Transkription zu wagen), finde ich seine Aufnahme aber fast etwas blass (außer "Trockne Blumen": das ist eine Sternstunde und m.E. eine der schönsten Liedaufnahmen von Fritz Wunderlich).


    Gruß aus Lübeck
    Dieter


  • Ein wirklich ergreifend schönes Lied. Zur Erinnerung hier der Text:



    Trockne Blumen
    Ihr Blümlein alle,
    Die sie mir gab,
    Euch soll man legen
    Mit mir ins Grab.
    Wie seht ihr alle
    Mich an so weh,
    Als ob ihr wüßtet,
    Wie mir gescheh?


    Ihr Blümlein alle,
    Wie welk, wie blaß?
    Ihr Blümlein alle,
    Wovon so naß?


    Ach, Tränen machen
    Nicht maiengrün,
    Machen tote Liebe
    Nicht wieder blühn.


    Und Lenz wird kommen,
    Und Winter wird gehn,
    Und Blümlein werden
    Im Grase stehn,


    Und Blümlein liegen
    In meinem Grab,
    Die Blümlein alle,
    Die sie mir gab.


    Und wenn sie wandelt
    Am Hügel vorbei,
    Und denkt im Herzen:
    »Der meint' es treu!«


    Dann Blümlein alle,
    Heraus, heraus!
    Der Mai ist kommen,
    Der Winter ist aus.

    Copyright: Wilhelm Müller

    Freundliche Grüße Siegfried

  • So, ich muss jetzt ein wenig sortieren:


    Für Paul: ich finde Souzays Stimme wunderschön, gerade in diesen etwas, ja, sentimentalen Einfärbungen. Es gibt Situationen, wo ich die Aufnahmen sehr gerne höre (neben der "Müllerin" auch die "Wintereise").


    Pears/Britten: eine wirklich interessante Aufnahme. An Pears Stimme habe ich mich erst gewöhnen müssen, aber dann war das ein wirkliches Erlebnis (wobei ich die "Winterreise" stärker finde). Wenn ich mich recht erinnere, ist Brittens Begleitung (von der Haltung her untadelig) an einigen Punkten unpräzise, was den Gesamteindruck etwas trübt. Trotzdem: eine ungewöhnliche, spannende Aufnahme.


    Erwähnen möchte ich noch einen Sänger, der zu meinen Favoriten gehört: der Schweizer Tenor Ernst Haefliger, begleitet von Erik Werba. Eine technisch gut geführte, sehr individuelle Stimme mit viel Sehnsucht und Nachdenklichkeit. Keine der ganz grossen Einspielungen, aber eine, an der man viel Freude haben kann.


    Haefliger hat die drei Zyklen (also auch den sog. "Schwanengesang") im fortgeschrittenen Alter nochmal aufgenommen - kennt dieses Aufnahme jemand? Ich hab sie mir (leider?) nie gekauft.

  • Zitat

    Original von Alviano
    Erwähnen möchte ich noch einen Sänger, der zu meinen Favoriten gehört: der Schweizer Tenor Ernst Haefliger, begleitet von Erik Werba. Eine technisch gut geführte, sehr individuelle Stimme mit viel Sehnsucht und Nachdenklichkeit. Keine der ganz grossen Einspielungen, aber eine, an der man viel Freude haben kann.


    Hallo Alviano,


    Wenn ich mich nicht irre, gab DGG damals mit Haefliger "Die Schöne Müllerin", aber war sie inkomplett. Die letzten Lieder fehlten jedenfalls auf meiner LP.


    LG, Paul

  • Zitat

    Haefliger hat die drei Zyklen (also auch den sog. "Schwanengesang") im fortgeschrittenen Alter nochmal aufgenommen - kennt dieses Aufnahme jemand? Ich hab sie mir (leider?) nie gekauft.


    Die wurden auf Claves eingespielt mit Jörg Ewald Dähler am Flügel. Sie haben eine sehr gute Presse bekommen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    ich kenne die Aufnahme der "Müllerin"mit Häfliger/Dähler.


    Die Aufnahme ist in einer Kirche produziert worden,


    sie ist dementsprechend unerträglich hallig,da der


    Sänger auch anscheinend noch weit vom Mikrophon


    entfernt stand.


    (Aber dieses diffuse Klangbild,gefällt sicher auch vielen.)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Alviano
    Erwähnen möchte ich noch einen Sänger, der zu meinen Favoriten gehört: der Schweizer Tenor Ernst Haefliger, begleitet von Erik Werba. Eine technisch gut geführte, sehr individuelle Stimme mit viel Sehnsucht und Nachdenklichkeit. Keine der ganz grossen Einspielungen, aber eine, an der man viel Freude haben kann.


    Haefliger hat die drei Zyklen (also auch den sog. "Schwanengesang") im fortgeschrittenen Alter nochmal aufgenommen - kennt dieses Aufnahme jemand? Ich hab sie mir (leider?) nie gekauft.


    Die späten kenne ich nicht, sie wurden damals in der Tat sehr gelobt und Haefliger soll, obwohl ca. 70 noch recht gut bei Stimme gewesen sein.


    Die Müllerin mit Werba war (komplett) auf Sony Essential Classics erhältlich, aufg. ca. 1970. Wenn man Haefligers manchmal etwas "belegt" klingende Stimme mag, ist die sehr zu empfehlen. Warum nicht eine der großen?
    Bin kein Sängerspezialist, aber Haefliger scheint mir doch eher unterschätzt zu sein. Wunderlich hat das schönere Organ, aber Haefliger (auch z.B als Evangelist und in dem underdog-Lied-v.d.Erde unter Jochum) mehr Erfahrung und differnzierteren Ausdruck. Er klingt allerdings schon 1970 kaum wie ein wirklich junger Mann.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Genau, damit ist auch Pauls Frage beantwortet: die Sony-Aufnahme ist vollständig und wurde 1967 in der Schweiz gemacht, der Tenor war damals knapp unter 50.


    Und da kommt auch der Einwand her, dass ich die Aufnahme vielleicht nicht ganz vorne ansiedeln würde, bei allem Können von Haefliger, dessen Evangelist allererste Wahl war (Tip für Bach: für mich unerreicht -die Kantate "Ich armer Mensch, ich Sündenknecht" mit Karl Richter) - an manchen Stellen fehlt mir das frische, jugendliche. Das verhaltene gelingt ihm sehr gut.


    Ich erinnere mich ebenfalls daran, dass die spätere Einspielung sehr gelobt wurde, mich würde auch interessieren, wie er denn klingt, ob die Stimme das denn noch mitgemacht hat. Zögerlich bin ich jetzt schon wegen Herberts Hinweis auf die schlechte Aufnahmetechnik, aber: die Aufnahme gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr im Handel, eine Kaufentscheidung sthet also gar nicht an.


    LG

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