Im Thread über Hans Rott habe ich es angedacht - leider. Dadurch gibt's nämlich eine Thread-Abweichung von der Art, die Alfred nicht mag. Also versuche ich das Thema hier zu fokussieren.
Man kennt das ja: Da schreibt ein Komponist eine einfach sagenhaft schöne Passage - aber als Zuhörer denkt man insgeheim: Wenn ich das komponiert hätte, hätte ich die Posaunen weggelassen...
Solche Stellen gibt es zuhauf, und es ist meist der persönliche Geschmack der beim Komponisten oder Zuhörer über eine Klangfarbe entscheidet.
Ein herrliches Beispiel dafür ist der Anfang des "Boris Godunow": Mussorgskij lässt ihn in seiner eigenen Instrumentierung auf dem Fagott spielen - in einer Lage, die einen engen, nasalen, ziemlich erstickten Klang erzeugt. Rimskij-Korsakow schreibt die Passage in die Klarinette, die hier in ihrer besten Lage spielt, was fabelhaft klingt - viel besser als bei Mussorgskij.
Aber: Wollte Mussorgskij am Ende symbolisieren, wie es dem russischen Volk geht? Wie es selbst ein Volkslied (denn danach klingt die Stelle) nur noch mit Mühe herausbringt?
Eine geniale Idee.
Die Instrumentationsfehlentscheidung hat also Rimskij-Korsakow getroffen, indem er den schöneren Klang wählte.
Eine Instrumentatonsfehlentscheidung völlig anderer Natur ist in meinen Ohren die Triangel in der Rott-Symphonie. Es vergeht keine markante Stelle, ohne daß sie nicht deutlich hineinklingelt. Und Rotts herrliches Stück ist an markanten Stellen sehr reich - um es vorsichtig zu sagen.
Ähnlich grauenhafte Triangelstellen findet man bei übrigens auch bei Liszt.
Wagner war ein Meister der Instrumentationskunst - aber auch er hat für mich ein Mal, noch dazu in meiner Lieblings-Wagneroper, Mist gebaut: Im "Parsifal" kommt am Schluß eine derart geballte Ladung Harfenkitsch dazu, daß es die Grenze der Erträglichkeit streift. Ich persönlich wünsche mir immer, daß ein Mal, nur ein einziges Mal, die Harfenisten bei einem "Parsifal" - aus welchen Gründen auch immer - streiken und ihr Part einfach unausgeführt bleibt.
Selbst ein grandioser Instrumentationskünstler wie Olivier Messiaen schafft es, mir ein Mal instrumentationstechnisch auf die Nerven zu gehen: In der "Turangalila" klingelt und bimmelt fast durch das ganze Werk das Metallschlagzeug mit. Ich bin ziemlich sicher, das ist der Grund, warum mir die "Turangalila" ferner steht als die meisten anderen Werke dieses genialen Komponisten.
Etwas Ähnliches passiert in der sonst bemerkenswerten Ersten Symphonie von Peter Maxwell Davies: Es geht um übereinandergelegte rhythmische Zyklen, die Vergrößerungen und Verkleinerungen erfahren. Und das signalisiert Max Davies, indem er die Tondauern fast permanent von Metallschlagzeugen markieren läßt. Das Geklingel ist 10 Minuten schön, weitere 10 Minuten noch interessant, aber das Werk dauert knapp über 50 Minuten...
Womit ich den Ball Euch zuspiele - welche Instrumentationsfehlentscheidungen fallen Euch ein?