Der DVD-Vorläufer

  • Völlig vernachlässigt hier im Forum ist ein Genre, welches doch sehr viel dazu beigetragen hat, die Menschen für Musik zu begeistern (oder aber: Musik in die Herzen der Menschen zu bringen).
    Ich meine die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg: die Filme mit Gesang, angefangen mit „The Jazz Singer“ (1927), der erste Film mit Ton (das Vitaphonverfahren von Warner Brothers), wodurch die Name Al Jolson unsterblich wurde. In jenem Film wurde auch das Kol Nidrei von Bruch gesungen. Aber bekannt geblieben ist vor allem „My Mammy“.
    Jolson trat darin als Neger geschminkt auf und wenn seine Nummer nachher im Theater gebracht wurde, war der Darsteller fast immer auch schwarz geschminkt und trug auch weiße Handschuhe.



    Vielleicht bekannter noch wurde aus „The Singing Fool“ (1928 ) das Lied „Sonny Boy“. Millionen Zuschauer fingen an zu weinen, als die rührende Szene im Film kam, in welcher Jolson stockend das Ende dieses Liedes sang. Dieses Lied hat Geschichte gemacht; zig Mal wurde es im Theater – sogar nach dem zweiten Weltkrieg, als es noch üblich war, während der Pause „lebendes Entertainment“ anzubieten - gesungen.


    Climb up on my knee Sonny Boy
    Though you're only three Sonny Boy
    You've no way of knowing
    There's no way of showing
    What you mean to me Sonny Boy.


    When there are grey skies,
    I don't mind the grey skies.
    You make them blue Sonny Boy.
    Friends may foresake me.
    Let them all foresake me.
    I still have you Sonny Boy.


    You're sent from heaven
    And I know your worth.
    You made a heaven
    For me here on earth.
    When I'm old and grey dear
    Promise you won't stray dear
    For I love you so Sonny Boy.


    When there are grey skies,
    I don't mind grey skies.
    You make them blue Sonny Boy.
    Friends may foresake me.
    Let them all foresake me.
    I still have you Sonny Boy.


    You're sent from heaven
    And I know your worth.
    You've made a heaven
    For me right here on earth.
    And the angels grew lonely...
    Took you... because they were lonely...
    Now I'm lonely too Sonny Boy.


    In Amerika kamen dann die Filme, in welchen gute Sänger mitwirkten. Ich nenne nur einen als Beispiel, „Rose Marie“ (1938 ), in welchem Nelson Eddy und Jeannette McDonald einige Songs weltberühmt machten. So berühmt, daß sogar jetzt noch manchmal „Indian Love Call“, „The Mounties“ und „Oh Rose Marie, I love you“ zu hören sind.


    Aber auch in Deutschland wurden Filme gemacht, in denen gesungen wurde. Wer weiß z.B., daß „Der Bettelstudent“ und „Gräfin Mariza“ schon vor dem zweiten Weltkrieg verfilmt wurden?
    1929-1930 fand n.m.W. die Produktion des ersten deutschen Filmes statt: „Der blaue Engel“. Dieser Film bedeutete den Durchbruch für Marlene Dietrich. Sie singt darin ihr berühmtes Lied „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Der Film wurde übrigens sowohl in einer deutschen, als in einer englischen Version aufgenommen. Der Cast blieb ungeändert.
    Und 1930 wurde eine „Filmoperette“ herausgebracht: „Die Drei von der Tankstelle“. Darin spielten u.a. Lilian Harvey und Willy Fritsch. Aber auch Heinz Rühmann und die Comedian Harmonists waren darin zu bewundern.
    „Der Kongreß tanzt“ (1931) wurde sogar deutsch, englisch und französisch aufgenommen. Lilian Harvey sang in alle Versionen und wieder hatte Willy Fritsch die Nebenhauptrolle.
    Und sehr berühmt ist „Ein Lied geht um die Welt“ (1933), worin Joseph Schmidt so fabelhaft sang. Inzwischen besetzten die Braunhemden die Regierung, und vielen Künstler wurde verboten, weiter aufzutreten. Zu den vielen Verbrechen der Nazis gehört auch, daß sie bestimmten, was Kultur war und wer Künstler.


    Am 1. Oktober 1937 wurden sogar mehrere Filme verboten.


    Es gab mehr: „Mein Herz ruft nach Dir“ mit Musik von Robert Stolz, wo Jan Kiepura und Martha Eggerth sangen. Und der Tonfilm „Heimatland“ mit Nico Dostals berühmten „Heimatlied“.


    Eine Folge des „Arisierens“ der Kultur war, daß „ausländischen reinrassigen Künstler“ als Ersatz kamen. Ich denke dabei besonders an Zarah Leander (Schweden), Johannes Heesters (Niederlande) und Marika Rökk (Ungarn).


    Nach dem Krieg wurden vereinzelt noch musikalische Filme gemacht, so z. B. die berühmte „Don Giovanni“ Aufnahme mit Lisa della Casa, Erna Berger, Anton Dermota, Otto Edelmann und Walter Berry, welche Oper Furtwängler dirigierte, oder „Das Land des Lächelns“ mit Jan Kiepura, Martha Eggerth und Paul Hörbiger. Und natürlich sollen wir auch nicht Bergmanns „Zauberflöte“. vergessen.
    Aber der Film hat wohl ausgedient und die DVD läuft ihm den Rang ab.


    Dank sei Masetto für die (notwendige :D) Korrektur.


    LG, Paul

  • Hallo Paul


    Zitat

    Aber der Film hat wohl ausgedient und die DVD läuft ihm den Rang ab.


    Dieses Schlusswort verstehe ich nicht. Die DVD ist doch nur der Datenträger des Films, und fast alles, was du angesprochen hast, bekommst du auch auf DVD. Die beiden bedingen einander und schließen sich nicht aus. Was willst du mit der DVD, wenn du keine Filme hast?


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich wollte damit sagen, lieber Theophilus, daß man jetzt nicht mehr mit großen Aufwand und Kosten solche Filme macht.
    Nein, man "registriert" eine live-Aufnahme im Theater. Und die wird dann als DVD verkauft. Wenn möglich, um Kosten zu drücken, ist das Fernsehen daran auch noch beteiligt.


    LG, Paul

  • Hallo Paul


    Na ja, du vergisst aber offenbar, dass die wohl aufwändigsten Opernfilme noch gar nicht solange zurückliegen (Figaro mit Prey, Cenerentola mit Stade, Rheingold unter Karajan, Salome und Elektra unter Böhm, Carmen mit Miguenes/Domingo, Don Giovanni mit Raimondi und La Traviata mit Stratas/Domingo).


    Noch ganz jung ist die Tosca-Verfilmung mit Gheorghiu und Alagna, und im Moment wird gerade in einem anderen Thread über die aktuelle Verfilmung der Zauberflöte von Kenneth Branagh geschrieben. Ich sehe die Lage nicht so pessimistisch, wenngleich sicherlich Live-Mitschnitte von aktuellen Inszenierungen immer dominieren werden.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von musicophil
    Ich wollte damit sagen, lieber Theophilus, daß man jetzt nicht mehr mit großen Aufwand und Kosten solche Filme macht.
    Nein, man "registriert" eine live-Aufnahme im Theater. Und die wird dann als DVD verkauft. Wenn möglich, um Kosten zu drücken, ist das Fernsehen daran auch noch beteiligt.


    LG, Paul


    Hallo Paul,


    hier muss doch mal der Praktiker, d. h. der erfahrene Filmproduzent, etwas richtig stellen.
    Ich hatte es nämlich mit dem Videolabel TOPAZ CLASSIC mal selbst versucht, so etwas auf die Beine zu stellen und scheiterte kläglich, jedenfalls finanziell.


    Live-Aufzeichnungen sind teuer und, wie meine eigene Erfahrung zeigt , leider ohne erhebliche Fernsehgelder überhaupt nicht rentabel. Es geht also nicht darum Kosten zu drücken, wie etwa bei einem cd-Billiglabel, sondern Aufzeichnungen überhaupt erst finanzierbar zu machen, denn weder die bekannten Stars noch die beteiligten Chöre und Orchester, bzw. deren gewerkschaftliche Vertretungenen, lassen das umsonst mit sich machen, selbst wenn die Theater bereit sind/wären, ihren Bekanntheitsgrad auf diese Weise steigern zu lassen.


    Dass dann wiederum die ohnehin in ihren Anstalten sehr wenig einflussreichen Musikredakteure der weltweiten TV-Anstalten immer nur dieselben Stücke und Stars aufzeichnen um wenigstens einen Hauch von Quote zu bekommen, der ihre Existenz unter den Augen der Sendereigner rechtfertigen könnte, schlägt sich natürlich im verfügbaren Repertoire nieder.


    Auf diese Reedakteure und die sie beliefernden Produzenten zu schimpfen, ist wirklich zu billig. Solange das Publikum sein Geld lieber in die neuesten technischen Gadgets steckt, muss ihnen vielmehr dankbar sein, dass es überhaupt so etwas wie ein Film- und DVD-Repertoire gibt.


    Natürlich darf man die Ergebnisse dieser Bemühungen trotzdem kritisieren, und ich werde das in Kürze auch anhand einiger Beispiele tun.


    :hello: Rideamus


    PS: einer der besten Opernfilme überhaupt illustriert einiges von dieser Problematik und ist zugleich das beste Plädoyer für TANNHÄUSER, das ich mir vorstellen kann. Wer MEETING VENUS von Istvan Szabo noch nicht gesehen haben sollte, MUSS den Film auf seine Pflichtliste ganz obenan stellen!