Das perpetuum mobile in der Musik

  • Kleiner Exkurs:


    Durch mehrere Jahrhunderte hindurch versuchte sich der Mensch an der Konstruktion einer Maschine, die auf einen Schlag alle unsere Energieprobleme lösen würde. Die Rede ist vom sog. perpetuum mobile.


    Derer gibt es zwei Arten:


    Die erste besteht in der Konstruktion einer periodisch arbeitenden Maschine, die ohne die Zufuhr von Energie in irgendeiner Form fähig ist, Arbeit zu verrichten.
    Eine solche Maschine wäre fähig, sich ständig selbst anzutreiben und ihr Betrieb wäre hypothetisch zeitlich unbegrenzt selbstversorgend.


    Eine solche Maschine verstößt gegen den 1. Hauptsatz der Thermodynamik (Wärmelehre), der nichts weiter sagt, als daß Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann, sondern nur in eine andere Form umgewandelt werden kann. (der Hauptsatz läßt sich nicht herleiten, er ist Gesetz gewordener Erfahrungswert der Menschheit - deshalb probieren sich noch heute Menschen mit viel Freizeit an der Konstruktion einer solchen Maschine :rolleyes: ).



    Die zweite Maschine ist clever, da sie nicht gegen den 1. Hauptsatz verstößt.
    Sie ist eine periodisch arbeitende Maschine, die nichts weiter tut, als eine Last zu heben (Arbeit zu verrichten) unter Abkühlung eines Wärmebads.


    Auch solch eine Maschine konnte nie konstruiert werden. Sie widerspricht einer anderen Erfahrungstatsache: von alleine (d.h. ohne äußere Energiezufuhr) fließt Wärme nur vom wärmeren zum kälteren Körper.


    Ein Stein, der ins Wasser fällt, erhöht dessen innere Energie und Temperatur.
    Selbst wird er natürlich abgebremst.
    Es ist aber noch beobachtet worden, daß sich ein See spontan abkühlt und die freigewordene Wärmeenegie dazu nutzt, einen Stein "auszuspucken" (reichlich bekloppte Vorstellung).


    Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik macht also eine Aussage über die Richtung des Energieaustauschs.
    Wenn ich einen Körper ständig kühlen will, ihm also Wärmeenergie entziehe und die einem anderen Wärmebad zuführen möchte, muß ich einen Haufen Energie von außen rein stecken (Kühlschrank!!!)



    Nun zum eigentlichen: In der Musik lehnt sich der Begriff (der auch moto perpetuo genannt wird) eher an die Vorstellung der ersten Maschine an.
    Eine scheinbar rastlos schnell arbeitende Maschine, die sich immer wieder selbst versorgt.
    Musikwerke also, mit anhaltend zügige Tempo und (mit Vorsicht zu genießen) periodischer Formgestaltung.


    Nun die Frage: Was kennt ihr moto perpetuo aus der Welt der Musik?


    Ein Beispiel, was mir einfällt: Schumann 2. Symphonie - 2. Satz
    Vielleicht noch viel eher Schumanns Toccata op. 7 .


    :hello:
    Wulf

  • Lieber Wulf,


    bevor es ein anderer tut: Mir fällt da sofort das Stück ein, das ich endlich einmal wieder beim Neujahrskonzert hören will: Perpetuum mobile von J. Strauß.


    LG,


    Christian

  • Da wäre natürlich in erster Linie das PERPETUUM MOBILE op. 257 von Johann Strauß II zu nennen, das er auch als einen "musikalischen Scherz" bezeichnete. (EDIT: ich sehe gerade, dass mir der Großinquisitor zuvor gekommen ist, während ich das schrieb. Gratuliere)


    Ein Kind des gleichen Geistes ist auch das einst sehr beliebte Stück THE TYPEWRITER von Leroy Anderson, das früher ein beliebtes Repertoirestück deutscher Rundfunkunterhaltungsorchester war und zuletzt vor allem durch die pantomimischen Auftritte von Jerry Lewis bekannt wurde, der in seinem Film THE PATSY / DER BÜROTROTTEL erstmals seine spätere Paradenummer zu diesem Stück kreierte.
    Wenn man statt des letzten Taktes den ersten einsetzt, könnte das Stück sogar als akustisches perpetuum mobile funktionieren, wenn die Musiker nicht irgendwann schlapp machen würden.


    Wegen der sinnentleerten Motorik, die nur noch die Virtuosität des Ausführenden unterstreicht, hat man den Begriff sehr gerne auf besonders virtuose Stücke Niccolo Paganinis angewsndt, ohne dass ich jetzt eine bestimmte Komposition nennen könnte.


    Allein vom musikalischen Eindruck her erinnern mich auch diverse Sampler mit Ouvertüren Rossinis an diesen Begriff. Das liegt aber nicht zwangsläufig NUR am Komponisten.


    :hello: Rideamus

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  • Hallo zusammen,
    da fällt mir doch das Stück Introduction et Moto Perpetuo für Violine und Orchester des 1921 geborenen armenischen Komponisten Eduard Mirzoyan ein. Diese tonale Komposition (kommt aus der UdSSR und Mirzoyan war/ist beileibe kein »bürgerlicher Formalist«) stammt aus dem Jahr 1957. Es ist hochvirtuos und tatsächlich ununterbrochen bewegt – eigentlich sehr hübsch, wenn man auf aberwitzige Saitenartistik steht. Ich hab’s zweimal live erlebt (allerdings in einer Fassung für Violine und Klavier). Mein Eindruck: das, was man sieht, versetzt einen in Staunen; das was man hört, versetzt einen nach und nach eher in Langeweile.
    Ganz herzlich,
    Medard

  • Haydn: Quartett op.64,5 "Lerche", Finale


    Mozart, Ouverture zu Figaro


    Beethoven: Klaviersonate op.26, 4. Sinfonie, Quartett op.59,3, jeweils die Finalsätze


    Schumann: Scherzo aus der 2. Sinfonie


    Smetana: Ouverture zu "Die Verkaufte Braut"


    Und ich liebe natürlich auch Strauß' Perpetuum mobile (gibts auch sehr hübsch mit den Comedian Harmonists)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    Spontan schreibe ich meine Wiedergabeliste für Perpetuum mobile bei Beethoven auf dem iPod ab:


    WoO 51 1. Satz
    Op. 2/1 IV
    Op. 10/2 III
    Op. 26 IV
    Op. 27/1 IV
    Op. 31/1 III
    Op. 31/2 III
    Op. 31/3 IV
    Op. 54 II
    Op. 59/3 IV
    Op. 60 IV
    Op. 126 Presto
    OP. 130 II
    Op. 131 V


    Wer bietet mehr? 9. Symphonie II habe ich nicht als Perpetuum mobile empfunden. Ich denke, daß ist auch wieder mal eine sehr individuelle Sache


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Cum grano salis könnte man auch Ravels "Bolero" hier anführen, unter der Würdelinie - wenn gestattet - sogar jene Endlos-Scherzlieder, mittels derer man sich in früher Jugend auf Skikurs-Abend und dgl. wach hielt ("Ein Hund kam in die Küche", "Eisgekühltes Coca-Cola").


    Psychologisch interessant ist aber, daß man um das Unmögliche des Perpetuum mobile weiß, aber dem Reiz, ihm zumindest so nah wie möglich zu kommen, doch nicht immer widerstehen kann oder will.


    LG


    Waldi

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  • Wenn man so will, stellen Saties Vexations auch eine Art Perpetuum mobile dar.
    Man kann ja als Interpret ruhig noch ein paar mal öfter wiederholen, als der Komponist es vorschreibt. :P



    Gruß, Peter.

  • Hallo,
    Prokofiev, Prelude f. Harfe op12


    Adams, Short Ride in a fast Machine, Lollapalooza


    Schostakowitsch, Scherzo der 10. :D


    Nyman, Bees In Trees, MGV 5th Region


    Herrmann, Overture North by Northwest, Psycho; Prelude+ The Murder


    Antheil, Hot-Time Dance


    Elfman, PeeWees Big Adventure Overture, Hitchhike; Back to School, Overture


    Da gibts endlos viele Sachen die sich Perpetuum mobile ähnlich anhören...
    oben Genannte sind mir Spontan eingefallen....


    Gruß
    embe

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  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    Mir fällt noch die Chopin-Prélude b-moll op. 28/16 ein, trotz ihrer runden Minute Dauer.


    LG,


    Christian


    Aber dann doch auch ein Teil der anderen Préludes in etüdenhaftem Charakter, etwa g-dur, fis-moll (auch wenn die Figuren sich dort im Hintergrund abspielen),
    es-moll, Es-Dur, und natürlich ein gutes Teil der Etüden Chopins.

  • Zitat

    Original von petemonova
    Nicht zu vergessen:


    Georges Bizet: Sinfonie C-Dur - 4. Satz


    Ein sehr schönes Stück, aber ob wir da nicht anfangen (oder schon mitten drin sind), "Uhren"-Musik unter dem Begriff "perpetuum mobile" zu subsumieren?


    Das regelmäßige Ticken der Uhr hat ja ebenfalls viele Musikstücke inspiriert, nicht nur die nachträgliche Namensgebeung von Haydns Symphonie Nr. 101 D-Dur.


    Ich jedenfalls denke da eher an den Zahn der Zeit (oder ihren Gleichlauf) und weniger an ein perpetuum mobile.


    :hello: Rideamus

  • Hallo Rideamus,


    die Sache mit der Uhr war mir nicht bekannt und ich habe beim Hören auch noch nie eine Uhr ticken hören.
    Vielleicht jetzt, wenn ich das Wissen dazu habe.


    Nichtsdestotrotz kommt mir (zumindestens das Anfangsthema) viel mehr wie ein Perpetuum mobile vor.



    Gruß, Peter.

  • Hallo Peter,


    ich glaube auch nicht, dass Bizet sich ausdrücklich auf das Ticken einer Uhr bezogen hat, sondern wollte nur darauf hinweisen, dass es neben dem perpetuum mobile auch die Uhr als Inspiration für solche Stücke gibt.


    Ist im Grunde auch egal, denn beide sind ja von einem sehr regelmäßigen Rhythmus bestimmt, der im Grunde nie aufzuhören braucht.


    Beste Grüße


    :hello: Rideamus