Frederick Delius: Die Sonaten für Violine und Klavier

  • Frederick Delius (1862 - 1934)


    Die Sonaten für Violine und Klavier


    Die einzigen Instrumente, die der britische Komponist deutscher Abstammung Frederick Delius je zu einem gewissen grad meisterte, waren Violine und Klavier, und er hatte in beiden während seiner „Lehrjahre“ Unterricht. Das ernsthafte Studium im Fach Violine wurde 1881 bei Hans Sitt fortgesetzt und später in Leipzig wieder aufgenommen. Was das Klavier betraf, so war sein Studium weniger systematisch.


    Die vier Sonaten für Violine und Klavier bilden einen Höhepunkt in der vergleichsweise kleinen Menge an Kammermusik, die Delius geschaffen hat; sie erstrecken sich fast über die gesamte Karriere des Komponisten. Leider, wie auch bei anderen Musikern, werden diese Werke oft stiefmütterlich behandelt und stehen nicht im gleichen Interesse wie die großen, effektvolleren Orchesterwerke. Dabei ist gerade der intime Charakter dieser Kompositionen oft reizvoller und der Ausdruck viel intensiver als die klangstarken und opulenten Partituren.


    In seiner erst 1977 posthum veröffentlichten Sonate in H-dur, bestehend aus drei Sätzen, begegnen wir Themen aus Delius' erster Oper „Irmelin“ und dem symphonischen Gedicht „Paa Vidderne“. Die Sonate entstand während Delius' Pariser Zeit und wurde im privaten Rahmen das erste Mal einem kleinen Kreis vorgestellt. Nachdem unter fadenscheinigen Angaben des Verlages eine Veröffentlichung abgelehnt wurde verschwand das Werk in der Schublade des Komponisten. Erst Sir Thomas Beecham arrangierte das Manuskript für eine Rundfunkübertragung der BBC im Jahre 1950, in der die Sonate von Wilfred und Bernice Lehmann gespielt wurde.


    Von Krieg und Krankheit ist die Entstehungszeit der ersten Sonate in C-Dur überschattet. Erste Skizzen aus dem Jahre 1905 wurden mit dem 1914 komponierten Finale zu einem kompletten Werk verknüpft. Auffällig ist der erzählerische Stil des ersten Satzes. Hier verbinden sich tanzende Abschnitte und rhapsodische Themen zu einem ersten verhaltenden Höhepunkt, bevor wir ohne Unterbrechung in den langsamen Satz geführt werden, der eine sehr nachdenkliche, fast mysteriöse Stimmung verströmt. Ein unruhiges, aber stolzes Thema in h-moll eröffnet das abschließende Finale (mit Energie und Lebhaftigkeit). Nach einem langsamen Zwischenspiel werden Elemente der ersten beiden Sätze erneut aufgegriffen und beenden in strahlenden H-Dur den virtuosen Schluss.


    Die zweite Sonate aus dem Jahre 1923 ist mit 13 Minuten die kürzeste der vier Werke. Aufgrund der zunehmenden Schwierigkeit umfangreiche Kompositionen infolge seiner fortschreitenden Krankheit zu bewerkstelligen, wurde das letzte Drittel des Werkes wahrscheinlich von Deluis' Frau Jelka niedergeschrieben. Das einsätzige Stück kann in drei Hauptabschnitte unterteilt werden. Eine endlos wandernde Melodie arbeitet sich zu einem ersten Höhepunkt und mündet in den langsameren Abschnitt, der mit seinen leidenschaftlichen Stimmungen mein persönlicher Lieblingssatz geworden ist. Das Finale beginnt selbstbewusst und entschlossen. Gedanken aus vorangegangenen Abschnitten treiben den Spieler in die höchsten Register. Nach einem letzten Zitat des ersten Themas wird der Satz in C-Dur kraftvoll beendet.


    Eine kurzzeitige Besserung seines Gesundheitszustands ermöglichte es Delius 1924 mit der Arbeit an seiner dritten und letzten Sonate für Violine und Klavier zu beginnen. Kurz danach bedeutete ein weiterer Zusammenbruch von Delius' Gesundheit, dass vorläufige Ende dieses Projekts. Erst 1928 konnte unter Mithilfe von Jelka Delius und Eric Fenby, der uns mit vielen Anekdoten aus seinem Buch „Delius as I know him“ erfreut, die Arbeit an der Sonate wieder aufgegriffen werden. Weiteres Material wurde von Delius diktiert und so nahm das Stück allmählich seine heutige Form an. 1930 wurde die Sonate von der Violinistin May Harrison und dem Komponisten Arnold Bax in London uraufgeführt. Musikalisch glänzt der erste Satz in Dur und verströmt durch seinen melodischen Fluss eine angenehme Wärme. Der tanzende Charakter des zweiten Satzes erinnert an ein Thema aus Delius' Oper „A Village Romeo and Julia“. Eine dreitaktige Einleitung des Klaviers eröffnet den aufgewühlten dritten Satz, der nach einem leidenschaftlichen Höhepunkt friedlich verklingt.




    Frederick Delius: Porträt von Ida Gerhardi (Öl auf Leinwand, 1903)
    Quelle: Wikipedia




    Sonate für Violine und Klavier H-Dur op. Posth.


    1. Allegro con biro
    2. Andante molto tranquillo
    3. Allegro con moto


    Entstehung: 1892
    Uraufführung: 1893, Paris
    Künstler: Serge Rivarde, Harold Bauer
    Verlag: Boosey & Hawkes, London
    Dauer: ca. 26 Minuten




    Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 C-Dur


    1. Wiht easy movement but not quick -
    Mit einfacher Bewegung, jedoch nicht schnell -
    2. Slow
    Langsam
    3. With vigour and animation
    Mit Energie und Lebhaftigkeit


    Entstehung: 1905 - 1914
    Uraufführung: 24.02.1915, Manchester
    Künstler: Arthur Catterall, R. J. Forbes
    Verlag: Forsyth, Manchester
    Dauer: ca. 22 Minuten




    Sonate für Violine und Klavier Nr. 2


    Con moto - Lento - Molto vivace


    Entstehung: 1923
    Uraufführung: 07.10.1924, London
    Künstler: Albert Sammons, Evlyn Howard Jones
    Verlag: Boosey & Hawkes, London
    Dauer: ca. 13 Minuten




    Sonate für Violine und Klavier Nr. 3


    1. Slow
    2. Andante scherzando - Meno mosso - Tempo primo
    3. Lento - Con moto


    Entstehung: 1924 / 1928 - 1930
    Uraufführung: 06.11.1930, London
    Künstler: May Harrison, Arnold Bax
    Verlag: Boosey & Hawkes, London
    Dauer: ca. 17 Minuten




    Empfohlene Einspielung:


    Tasmin Little, Violine
    Piers Lane, Klavier


    Conifer Classics





    Welche Erfahrungen habt Ihr mit den Sonaten gemacht und welche Einspielung könnt ihr empfehlen?



    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht