Ich möchte heute eine Frau vorstellen, die stets und immer noch im Schatten ihrer noch berühmteren Schwester stand und steht: Pauline Viardot-Garcia.(1821-1910).
Pauline Viardot-Garcia war nicht nur eine der berühmtesten Sängerinnen ihre Zeit , sondern in ihrem sehr langen und reichen Leben auch Pianistin, Komponistin, Lehrerin am Pariser Konservatorium, Muse und Inspirationsquelle berühmter Künstler (z.B. Gounod, Berlioz, George Sand, Turgeniev) und nicht zuletzt auch die Seele eines blühenden Künstlersalons in Paris, sowie Ehefrau und Mutter von vier Kindern (ihre Tochter Louise ist ebenfalls als Komponistin hervorgetreten)
Pauline Garcia wurde in eine der aussergewöhnlichsten Sängerfamilien aller Zeiten hineingeboren.
Der Vater, Manuel Garcia, war ein berühmter Tenor und Gesangslehrer und leitete eine Operntruppe, die überwiegend aus seiner eigenen Familie (einschliesslich Ehefrau) bestand und (nicht nur) Rossinis Werke bis nach Amerika brachte.
Der Bruder Manuel Garcia junior war ebenfalls Sänger aber vor allen Dingen ein bis heute legendärer Gesangspädagoge , der durch die Erfindung des Kehlkopfspiegels die Gesangstechnik revolutionierte und damit Sängerinnen wie z.B die schwedische Nachtigall Jenny Lind vor dem Stimmruin rettete.
Am berühmtesten aber wurde die ältere Schwester Maria, auch genannt die "Malibran", die sehr jung an den Folgen eines nicht auskurierten Reitunfalls starb.
Maria Malibran war die Muse Rossinis und Bellinis. Sie war die erträumte Ideal-Norma und Bellini transponierte eigens für sie seine Oper „I Puritani“, weil er von ihrer Stimme und Ausdruckskraft sowie ihrer offenbar ausserordentlichen Schönheit so fasziniert war, dass er sie unbedingt als Elvira wollte. Diese Malibran –Fassung konnte durch Bellinis und Marias Tod (beide starben mysteriöserweise am selben Tag , Bellini allerdings schon ein Jahr vor Maria) leider nciht mehr aufgeführt werden.
Zu Maria Malibran wird es hier noch einen eigenen Beitrag geben.
Pauline, die als „hässlich“ und sängerisch nicht so virtuos galt, sollte zunächst Pianistin werden und stand stets im Schatten der umjubelten und vielgeliebten Schwester.
Sie wurde von Liszt unterrichtet (mit ihm verband sie neben einer schwärmerischen Jugendliebe eine lebenslange Freundschaft) und gab bereits in sehr jungen Jahren erfolgreiche Klavier-Konzerte. Sie pflegte auch regen Kontakt zu ihrer virtuosen „Kollegin“ Clara Schumann.
Wenn man dem biographischen Roman von Arièle Butaux „La Vestale“ glaubt, dann haben Pauline und Maria kurz vor Marias Tod zusammen das Freundschaftsduett „Mira o Norma“ aus Bellinis Norma öffentlich und im Zwillingslook (gleiche Kleider in verschiedenen Farben) gesungen. Dabei hat Maria Pauline das Versprechen abgenommen, ihren Weg als Sängerin nach ihrem Tode als Vermächtnis fortzusetzen.
Dieses angebliche Vermächtnis hat sie mit allem Fleiss, Talent und bis zur Selbstaufgabe erfüllt. Sie hat ihre Pianistenkarriere an den Nagel gehängt und sich fortan dem Gesang verschrieben.
Ein weiteres familiâres Vermâchtnis war der Erwerb der Partitur des Don Giovanni.
Pauline gelang es schließlich nach zahlreichen vergeblichen Versuchen (Arièle Butaux beschreibt serh eindrücklich einen Besuch bei Mozarts Witwe) und im Austausch gegen ihrem gesamten kostbaren Schmuck diese Partitur in England auf mehr oder weniger undurchsichtigen Wegen zu erwerben.
Es soll sich um den letzten Wunsch ihres Vaters gehandelt haben. Ob Vater oder Schwester - all diese Geschichten zeigen, wie sehr Pauline von ihrer übermächtigen Familie beeeinflusst war und ihren Lebensweg auf deren Wünsche und Bedürfnisse abstimmte.
Zur Sängerin Pauline Viardot:
Ihr offizielles Operndebut gab sie im Alter von 17 Jahren in London mit der Desdemona aus Rossinis Othello. Ihre letzte öffentliche Premiere war das Oratorium Marie-Madeleine von Jules Massenet 1873. Danach trat sie jedoch weiter in privaten Konzerten und Vorstellungen auf . Eine zu dieser Zeit ungewöhnlich lange Karreire für eine Sängerin.
Ob Norma oder Adalgisa, ob Isabella oder Desdemona oder Rosina , ob Zerlina oder Sonnambula - vom Koloratursopran bis zum Contralto gab es nichts, was Pauline Viardot zunächst nicht singen konnte. Als sie z.B. in London für Bellinis "I Capuleti ed i Montecchi" engagiert war und vor Ort erfuhr, dass sie aufgrund einer Intrige der Rivalin Grisi nciht die geplante Giulietta singen sollte, übernahm sie kurzerhand die Mezzo-Hosenrolle des Romeo.
Und feierte damit Triumphe.
Da sie in Paris wegen ihrer angeblichen Hässlichkeit bzw der Intrigen ihrer Rivalinnen Grisi, Persiani, Stolz etc lange nicht Fuß fassen konnte, unternahm sie ausgedehnte Konzertreisen durch ganz Europa. Sie triumphierte in Sankt Petersburg und verliess die Stadt in drei aufeinanderfolgenden Opernsaisons beladen mit Gold und Juwelen, die der Zar ihr geschenkt hatte. Sie wurde in London, Spanien, Deutschland und Österreich umjubelt , bis sie schliesslich auch zur Primadonna der Pariser Oper wurde.
Meyerbeer (Fides in „Le Prophete“), Gounod (Sapho in „Sapho“) und Berlioz komponierten ihr in die Kehle.
Gounod, mit dem sie eine unerfüllte Jugendliebe verband, konnte dank Paulines Vermittlung erstmal als Opernkomponist in Paris in Erscheinung treten. Obschon seine Sapho kein Erfolg wurde und nur kurze Zeit auf dem Spielplan stand, war damit seine spätere Karriere an der Opéra vorgezeichnet . Leider dankte er es seiner Gönnerin wenig, denn er machte sie als Protagonistin für das Scheitern der Sapho verantwortlich. Heute kennt man aus dieser ersten Oper Gounods allerdings nur noch die herrliche Arie „O ma lyre immortelle“...... Zu finden z.B. auf Cds mit Regine Crespin oder Vesselina Kasarova.
Auch mit Meyerbeers Fides hatte sie bei der Kritik kein grosses Glück. Ihre Freundin Clara Schumann warf ihr sogar vor, sich an eine unwürdige Musik verkauft zu haben.
Auf Rat ihres Bruders Manuel Garcia hatte Pauline in ihren dreissiger Jahren nach beginnenden Stimmproblemen beschlossen, von den (zu) hohen Sopranrollen Abschied zu nehmen und sich auf das tiefere Mezzo- und Altfach zu konzentrieren. Diese Entscheidung erlaubte ihr nicht nur, bis weit jenseits der 40iger ihre internationale Karriere fortzusetzen, was für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich war, sondern auch, ihren so lange vergeblich ersehnten Triumph im geliebten Paris feiern zu können. Hector Berlioz, der ihr in tiefer Verehrung verbunden war, schrieb für sie die Rolle des Orpheus in Glucks „Orphée“ um, und so entstand die berühmte Berlioz-Fassung dieser Oper.
Erst mit dieser Hosenrolle gelang es Pauline Viardot, das Pariser Publikum UND die Kritik von ihrer überragenden Künstlerpersönlichkeit zu überzeugen. Als Orpheus feierte sie Triumphe!
Angescihts dieses Riesen-Erfolgs blieb sie dem Komponisten Gluck treu und sang in zahlreichen Vorstellungen neben dem Orpheus auch die Alceste.
Auch ausserhalb der Opernbühne, als Lied und Oratoriensängerin machte sich die Viardot einen Namen. Schumann und Fauré widmeten ihr Liederzyklien, Brahms seine Alt-Rhapsodie.
Ihre Freundesliste liest, wie das "Who is who“ der frz. Kulturgeschichte des 19 Jh: Balzac, George Sand (die sie in ihrem Roman „Consuelo“ verewigte), Delacroix, Chopin, Dumas und seine Kameliendame Marie Duplessis, um nur ganz Wenige zu nennen.
Sie wurde sehr jung auf Betreiben ihrer späteren Busen-Freundin George Sand (die angeblich leidenschaftlich in sie verliebt war) an den wesentlich älteren Musikkritker und Publizisten Louis Viardot verheiratet und hatte eine langjährige serh komplizierte nebeneheliche Liebesbeziehung zu dem russsischen Dichter Ivan Turgeniev.
Da Turgeniev immer wieder mit dem Ehepaar Viardot zusamenlebte und sogar (unbestätigte) Gerüchte kursierten, dass der einzige Sohn Paul von ihm sei, kann man wohl von einer „Menage à trois“ sprechen.
Foto von wikipedia.org
Skulptur des Kopfes der Pauline Viardot
Sculptor: Birgit Stauch (2004)
Photographer: Frank C. Müller
Deutsch: Die Skulptur steht in einem öffentlichen Park. Panoramafreiheit.
Nach ihrem Rückzug von der Bühne unterichtete sie am Pariser Conservatoire werdende Sängerinnen - ausdrücklich nur Frauenstimmen! Daneben unterhielt sie einen blühenden Künstlersalon und förderte junge Talente nach Kräften.
Über all das hinaus komponierte Pauline Viardot sehr schöne Lieder, einige Operetten u a. Werke. Sie war ein absoluter Superstar ihrer Zeit und ist leider, zumindest im deutschen Sprachraum sehr in Vergessenheit geraten. Obschon sie sie um drei Generationen mit einem überreichen künstlerischen Schaffensweg überlebte, steht sie bis zum heutigen Tage im Schatten ihrer angeblich so viel attraktiveren Schwester.
Fairy Queen