Stimmen, die wir niemals hören werden: Pauline Garcia-Viardot - mehr als nur die kleine Schwester

  • Ich möchte heute eine Frau vorstellen, die stets und immer noch im Schatten ihrer noch berühmteren Schwester stand und steht: Pauline Viardot-Garcia.(1821-1910).

    Pauline Viardot-Garcia war nicht nur eine der berühmtesten Sängerinnen ihre Zeit , sondern in ihrem sehr langen und reichen Leben auch Pianistin, Komponistin, Lehrerin am Pariser Konservatorium, Muse und Inspirationsquelle berühmter Künstler (z.B. Gounod, Berlioz, George Sand, Turgeniev) und nicht zuletzt auch die Seele eines blühenden Künstlersalons in Paris, sowie Ehefrau und Mutter von vier Kindern (ihre Tochter Louise ist ebenfalls als Komponistin hervorgetreten)




    Pauline Garcia wurde in eine der aussergewöhnlichsten Sängerfamilien aller Zeiten hineingeboren.
    Der Vater, Manuel Garcia, war ein berühmter Tenor und Gesangslehrer und leitete eine Operntruppe, die überwiegend aus seiner eigenen Familie (einschliesslich Ehefrau) bestand und (nicht nur) Rossinis Werke bis nach Amerika brachte.
    Der Bruder Manuel Garcia junior war ebenfalls Sänger aber vor allen Dingen ein bis heute legendärer Gesangspädagoge , der durch die Erfindung des Kehlkopfspiegels die Gesangstechnik revolutionierte und damit Sängerinnen wie z.B die schwedische Nachtigall Jenny Lind vor dem Stimmruin rettete.


    Am berühmtesten aber wurde die ältere Schwester Maria, auch genannt die "Malibran", die sehr jung an den Folgen eines nicht auskurierten Reitunfalls starb.


    Maria Malibran war die Muse Rossinis und Bellinis. Sie war die erträumte Ideal-Norma und Bellini transponierte eigens für sie seine Oper „I Puritani“, weil er von ihrer Stimme und Ausdruckskraft sowie ihrer offenbar ausserordentlichen Schönheit so fasziniert war, dass er sie unbedingt als Elvira wollte. Diese Malibran –Fassung konnte durch Bellinis und Marias Tod (beide starben mysteriöserweise am selben Tag , Bellini allerdings schon ein Jahr vor Maria) leider nciht mehr aufgeführt werden.


    Zu Maria Malibran wird es hier noch einen eigenen Beitrag geben.



    Pauline, die als „hässlich“ und sängerisch nicht so virtuos galt, sollte zunächst Pianistin werden und stand stets im Schatten der umjubelten und vielgeliebten Schwester.


    Sie wurde von Liszt unterrichtet (mit ihm verband sie neben einer schwärmerischen Jugendliebe eine lebenslange Freundschaft) und gab bereits in sehr jungen Jahren erfolgreiche Klavier-Konzerte. Sie pflegte auch regen Kontakt zu ihrer virtuosen „Kollegin“ Clara Schumann.


    Wenn man dem biographischen Roman von Arièle Butaux „La Vestale“ glaubt, dann haben Pauline und Maria kurz vor Marias Tod zusammen das Freundschaftsduett „Mira o Norma“ aus Bellinis Norma öffentlich und im Zwillingslook (gleiche Kleider in verschiedenen Farben) gesungen. Dabei hat Maria Pauline das Versprechen abgenommen, ihren Weg als Sängerin nach ihrem Tode als Vermächtnis fortzusetzen.


    Dieses angebliche Vermächtnis hat sie mit allem Fleiss, Talent und bis zur Selbstaufgabe erfüllt. Sie hat ihre Pianistenkarriere an den Nagel gehängt und sich fortan dem Gesang verschrieben.


    Ein weiteres familiâres Vermâchtnis war der Erwerb der Partitur des Don Giovanni.
    Pauline gelang es schließlich nach zahlreichen vergeblichen Versuchen (Arièle Butaux beschreibt serh eindrücklich einen Besuch bei Mozarts Witwe) und im Austausch gegen ihrem gesamten kostbaren Schmuck diese Partitur in England auf mehr oder weniger undurchsichtigen Wegen zu erwerben.
    Es soll sich um den letzten Wunsch ihres Vaters gehandelt haben. Ob Vater oder Schwester - all diese Geschichten zeigen, wie sehr Pauline von ihrer übermächtigen Familie beeeinflusst war und ihren Lebensweg auf deren Wünsche und Bedürfnisse abstimmte.


    Zur Sängerin Pauline Viardot:
    Ihr offizielles Operndebut gab sie im Alter von 17 Jahren in London mit der Desdemona aus Rossinis Othello. Ihre letzte öffentliche Premiere war das Oratorium Marie-Madeleine von Jules Massenet 1873. Danach trat sie jedoch weiter in privaten Konzerten und Vorstellungen auf . Eine zu dieser Zeit ungewöhnlich lange Karreire für eine Sängerin.


    Ob Norma oder Adalgisa, ob Isabella oder Desdemona oder Rosina , ob Zerlina oder Sonnambula - vom Koloratursopran bis zum Contralto gab es nichts, was Pauline Viardot zunächst nicht singen konnte. Als sie z.B. in London für Bellinis "I Capuleti ed i Montecchi" engagiert war und vor Ort erfuhr, dass sie aufgrund einer Intrige der Rivalin Grisi nciht die geplante Giulietta singen sollte, übernahm sie kurzerhand die Mezzo-Hosenrolle des Romeo.
    Und feierte damit Triumphe.

    Da sie in Paris wegen ihrer angeblichen Hässlichkeit bzw der Intrigen ihrer Rivalinnen Grisi, Persiani, Stolz etc lange nicht Fuß fassen konnte, unternahm sie ausgedehnte Konzertreisen durch ganz Europa. Sie triumphierte in Sankt Petersburg und verliess die Stadt in drei aufeinanderfolgenden Opernsaisons beladen mit Gold und Juwelen, die der Zar ihr geschenkt hatte. Sie wurde in London, Spanien, Deutschland und Österreich umjubelt , bis sie schliesslich auch zur Primadonna der Pariser Oper wurde.

    Meyerbeer (Fides in „Le Prophete“), Gounod (Sapho in „Sapho“) und Berlioz komponierten ihr in die Kehle.

    Gounod, mit dem sie eine unerfüllte Jugendliebe verband, konnte dank Paulines Vermittlung erstmal als Opernkomponist in Paris in Erscheinung treten. Obschon seine Sapho kein Erfolg wurde und nur kurze Zeit auf dem Spielplan stand, war damit seine spätere Karriere an der Opéra vorgezeichnet . Leider dankte er es seiner Gönnerin wenig, denn er machte sie als Protagonistin für das Scheitern der Sapho verantwortlich. Heute kennt man aus dieser ersten Oper Gounods allerdings nur noch die herrliche Arie „O ma lyre immortelle“...... Zu finden z.B. auf Cds mit Regine Crespin oder Vesselina Kasarova.


    Auch mit Meyerbeers Fides hatte sie bei der Kritik kein grosses Glück. Ihre Freundin Clara Schumann warf ihr sogar vor, sich an eine unwürdige Musik verkauft zu haben.


    Auf Rat ihres Bruders Manuel Garcia hatte Pauline in ihren dreissiger Jahren nach beginnenden Stimmproblemen beschlossen, von den (zu) hohen Sopranrollen Abschied zu nehmen und sich auf das tiefere Mezzo- und Altfach zu konzentrieren. Diese Entscheidung erlaubte ihr nicht nur, bis weit jenseits der 40iger ihre internationale Karriere fortzusetzen, was für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich war, sondern auch, ihren so lange vergeblich ersehnten Triumph im geliebten Paris feiern zu können. Hector Berlioz, der ihr in tiefer Verehrung verbunden war, schrieb für sie die Rolle des Orpheus in Glucks „Orphée“ um, und so entstand die berühmte Berlioz-Fassung dieser Oper.


    Erst mit dieser Hosenrolle gelang es Pauline Viardot, das Pariser Publikum UND die Kritik von ihrer überragenden Künstlerpersönlichkeit zu überzeugen. Als Orpheus feierte sie Triumphe!


    Angescihts dieses Riesen-Erfolgs blieb sie dem Komponisten Gluck treu und sang in zahlreichen Vorstellungen neben dem Orpheus auch die Alceste.
    Auch ausserhalb der Opernbühne, als Lied und Oratoriensängerin machte sich die Viardot einen Namen. Schumann und Fauré widmeten ihr Liederzyklien, Brahms seine Alt-Rhapsodie.


    Ihre Freundesliste liest, wie das "Who is who“ der frz. Kulturgeschichte des 19 Jh: Balzac, George Sand (die sie in ihrem Roman „Consuelo“ verewigte), Delacroix, Chopin, Dumas und seine Kameliendame Marie Duplessis, um nur ganz Wenige zu nennen.


    Sie wurde sehr jung auf Betreiben ihrer späteren Busen-Freundin George Sand (die angeblich leidenschaftlich in sie verliebt war) an den wesentlich älteren Musikkritker und Publizisten Louis Viardot verheiratet und hatte eine langjährige serh komplizierte nebeneheliche Liebesbeziehung zu dem russsischen Dichter Ivan Turgeniev.


    Da Turgeniev immer wieder mit dem Ehepaar Viardot zusamenlebte und sogar (unbestätigte) Gerüchte kursierten, dass der einzige Sohn Paul von ihm sei, kann man wohl von einer „Menage à trois“ sprechen.



    Foto von wikipedia.org
    Skulptur des Kopfes der Pauline Viardot
    Sculptor: Birgit Stauch (2004)
    Photographer: Frank C. Müller
    Deutsch: Die Skulptur steht in einem öffentlichen Park. Panoramafreiheit.


    Nach ihrem Rückzug von der Bühne unterichtete sie am Pariser Conservatoire werdende Sängerinnen - ausdrücklich nur Frauenstimmen! Daneben unterhielt sie einen blühenden Künstlersalon und förderte junge Talente nach Kräften.


    Über all das hinaus komponierte Pauline Viardot sehr schöne Lieder, einige Operetten u a. Werke. Sie war ein absoluter Superstar ihrer Zeit und ist leider, zumindest im deutschen Sprachraum sehr in Vergessenheit geraten. Obschon sie sie um drei Generationen mit einem überreichen künstlerischen Schaffensweg überlebte, steht sie bis zum heutigen Tage im Schatten ihrer angeblich so viel attraktiveren Schwester.




    Fairy Queen

  • liebe Fairy Queen


    vielen Dank für den Beitrag zu meinem AVATAR Pauline-Michelle-Ferdinande.


    Diese faszierende Frau hat auch in Deutschland eine Zeitlang gelebt. In Baden-Baden im Thiergartenviertel betrieb sie eine Kunsthalle und ein Theater. Auch Johannes Brahms gehörte zum engen Freundeskreis in dieser Zeit. Robert Schumanns Op 24 und Saint-Saéns Samson et Delila sind ihr gewidmet.
    In Frankreich gehörten neben von den von dir erwähnten "Stars" Chopin und George Sand auch Berlioz und Gounod zu ihren Freunden.
    Ich besitze ein Portrait von Fischer-Diskau von ihr und darin ist auch wunderschön die Zeit, sowie die deutsch-französisch-russische Denk- und Lebensart der damaligen Zeit dargestellt.
    Neben ihren vielen Aufgaben fand sie noch Zeit, 4 Operetten zu komponieren, von denen 3 Turgenjev gewidmet sind.


    "auf ihren Befehl hin auf dem Dach zu tanzen, nackt, mit gelber Farbe angestrichen" - dieser Ausspruch stammt von Turgenjev in Bezug auf seine Angebetete. Allerdings verliebte er sich später in Paulines Tochter.

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

  • Liebe Nala, wie schön, dass ich mit diesem Thread etwas zu Deinem Avatar beitragen kann-das war mir gar nciht bewusst.
    Dein Zitat von Turgeniev kannte ich auch noch nciht.


    Es passt aber haargenau zu dem Eindruck, den ich bisher von dieser serh komplizierten Beziehung gewonnen habe: er hätte sich für sie auf diesem Dach auch knallgelb angestrichen und nackt vierteilen lassen, während sie sich -und nicht einmal das ist sicher- alle Jahre mal bereit erklärte , sich gnädigerweise lieben zu lassen.
    Die Anzahl der Zurückweisungen und sogar öffentlichen Demütigungen dieses hartnäckigen Anbeters muss Legion gewesen sein.


    Als sie dann schliesslich" frei "war (d.h. Monsieur Viardot gestorben war) ,fiel Turgeniev ncihts Besseres ein, als kurze Zeit danach auch zu sterben.
    Es muss sich um irgendeine Art von romantischer Hörigkeit gehandelt haben, denn er hat sein gesamtes Leben auf Pauline ausgerichtet, nachdem er sie in Petersburg als Sängerin erlebt und sich unsterblich verliebt hatte. Was die Tochter angeht-da muss man wohl keine grosser Psychologe sein, um das zu deuten......



    Um wieder zu Handfesterem zu kommen:


    ich möchte auch gleich eine Cd vorstellen und allerwärmstens empfehlen, auf der man zumindest schonmal drei Lieder von Pauline Viardot hören kann:




    Hai Luli, Havanaise und Les filles de Cadix


    Cecilia Bartoli , die mcih auch live mit diesem Repertoire zu Begeisterungsstürmen hinriss, singt Viardots Lieder wie man es sic besser kaum wünschen könnte. :jubel: :jubel: :jubel:


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    auch von mir vielen Dank für dieses schöne Portrait meiner "imaginären Schwester"! Stimmen die wir niemals hören werden... aber mich würde interessieren, ob von Ihr oder Jenny Lind oder von Manuel García mit deren Schülern eine Gesangstradition ausgeht, von der es Tonzeugnisse gibt, so dass man zumindest von den Schülern etwas über deren Lehrer erfahren (oder spekulieren) kann. Immerhin hat Jenny Lind bis um 1880 in London unterrichtet umd Manuel Garcia wurde 101 Jahre alt.


    Liebe Grüße


    Manuel
    ;( 8) ;(

  • He Nala,


    für Dich gibt's extra den Thread Paminen, die wir selten lesen dürfen.


    :angel:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • hier musste ich ja wohl einhaken :) @ ulli ... wenigstens habt ihr mich noch nicht vergessen!


    WENN MUSIK DER LIEBE NAHRUNG IST von Dietrich Fischer-Diskau heisst das mitreissende Buch, das - wie schon geschrieben - interessante Einblicke in die Zeit vor 1900 gibt. Ich dachte früher, dass die Frauen unter dem "engen Korsett" leiden mussten, in das man(n) sie zwängte, aber Madame Viardot scheint sich darüber nicht allzusehr eingeengt gefühlt zu haben.


    Sie war auch eine ausgezeichnete Pädagogin auf dem Musiksektor.
    "Une heure d'etude. Exercises pour voix de femmes" war eine Gesangschule mit strengen Regeln mit Hauptaugenmerk auf perfekter Intonation, reinem Klang und Eleganz im stimmlichen sowie körperlichem Ausdruck. Viele Berühmtheiten der damaligen Zeit nahmen bei ihr Unterricht, sie aufzuzählen bringt nichts, man kennt sie nicht mehr...... also ich kenne sie nicht. Das alleine zeigt aber schon den Unterschied zu Pauline, die nicht in der Versenkung verschwand.


    Egal wo sie gerade wohnte, in Deutschland, Frankreich (Landsitz Courtavenel und Rue de Douai am Montmartre) oder England, überall war sie rasch der Mittelpunkt der gesellschaftlichen Welt. Auch unternahm sie viele Reisen, darunter natürlich ins geliebte Russland.


    Camille Saint-Saéns schrieb am 5. Februar 1911 in L'Echo de Paris: Ich hatte die Ehre, für gewöhnlich am Klavier und an der Orgel ihr Begleiter zu sein. Auch Flaubert nahm an diesen Soireen teil.

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    (Maria Callas)

  • Lieber Ulli, man muss einfach nur die richtigen Themen finden.... :D


    Ich hatte mich bei diesem abgelegenen Thema eigentlich schon auf einen stummen Thread eingestellt, für den sich eh niemand interessiert und freue mich serh, dass sich hier schon zwei "Familienmitglieder" gemeldet haben!!!!


    Lieber Manuel Patricio (nicht zu verwechseln mit seinem Herrn Papa Manuel del Popolo Vicente Rodriguez):
    Ja, von den Garcias geht eine Gesangstradition aus.
    Ich stehe diesbezüglich noch am Anfang meiner Recherchen, habe aber in einer Notensammlung schon einen interessanten Artikel einer Mezzosopranistin namens Patricia Adkins Chiti gefunden, die zusammen mit ihrem Mann Gian Paolo Chiti auch Kompositionen der Garcias in Italien und für Radiosender(z.B. Rai Tre) aufgeführt hat.


    Der Vater der Garcias hat vor Allem seine Kinder ausgebildet. Er muss ein furchtbarer Choleriker und sehr strenger Lehrer gewesen sein- alle drei Kinder sind durch härteste Schule gegangen, wobei Pauline als Nesthäkchen und potentielle Pianistin sowie Klavierbegleiterin der Schüler ihres Vaters noch am besten weggekommen ist.
    Maria hat die Tyrannei des Vaters nciht ertragen und ist mit 17 Jahren in eine Ehe von sehr kurzer Dauer mit dem mehr als doppelt so alten Eugène Malibran geflohen.
    Manuel junior hat zuerst in der väterlichen Truppe die Baritonrollen übernommen und dann mit gerade mal 24 Jahren die Bühne für immer zu verlassen,um sich der Gesangspädagogik und Stimm-Therapie zu widmen.
    Er hat etliche Werke hinterlassen, die du als sein Alter Ego sicher schon kennst. ;)
    Die Schulung erfolgte zunächst nach der damals üblichen und anerkannten italienischen Belcanto-Methode, die auch die Kastraten und alle anderen grossen Sänger von Rang anwendeten.
    Im Falle der Garcia-Kinder wurde offensichtlich eine natürliche Veranlagung zur sehr ausdrucksvollen mittleren Stimme gewaltsam nach oben getrieben, denn alle Drei hatten überlieferte Höhenprobleme in einem zu hohen und forcierten Repertoire, das ihren Stimmen nciht entsprach.
    Hinzu kam eine totale stimmliche und physische Überforderiung allein was die Reisen, die Quantität der Auftritte und deren Frequenz betraf. Maria ist zu jung gestorben(und nciht zuletzt daran!!!!) um darunter weiter zu leiden und ihre Stimme zu verlieren.
    Die Gefahr wurde aber bereits in den letzten Jahren ihrer internationalen Karriere gesehen!!!!!
    Manuel hat der Bühne äusserst früh den Rücken gekehrt und seine Konsequenzen gezogen und Pauline hat ihren Schülerinnen am Pariser Conservatoire in die Wiege gelegt:


    "Macht es bloss nciht so wie ich. Ich wollte Alles singen und ruinierte meine Stimme."



    Man sollte also Manuels und Paulines Erkenntnisse als die eigentliche brauchbare Garcia-Methode betrachten und von ihren aus eigner Erfahrung geborenen Lehren ausgehen.


    Manuel P. Garcias Hauptwerk ist " Traité complet de l'Art du chant".
    Da ich das Ganze noch nicht gelesen habe, kann ich nichts weiter dazu sagen.
    Einige seiner Schüler waren: Julius Stockhausen, Sir Charles Santley und Mathilde Marchesi.


    Pauline Viardot hat am Pariser Conservatoire etliche Sammlungen von Studenten-Literatur zusammengestellt, in denen zum ersten Mal nciht nur italienische und frz. Werke berücksichtigt wurden. Sie arrangierte auch Werke ihrer Geschwister und komponierte selbst Duette und Solo-Lieder für ihre Studentinnen. Ich habe Einigie davon gesehen und kann sagen, dass es sich fast nur um Mittellagen-Literatur handelt. Auf Verzierung, Phrasierung, Nuancen wird viel Wert gelegt, nichts ist höher als a2 , Sprachen sind frz. italien. und spanisch. In manchen Stûcken gibt es ausgeprägte Koloraturen mit spanischem Charakter. Das Meiste verlangt eine gewisse dramatische Ausdruckskraft, die wohl auch ein Markenzeichen der Garcias war. Insgesamt serh hübsche und nciht übermässig schwierig zu singende Sachen.
    Von der Überforderung des Garcia-Vaters weit entfernt, scheint mir.


    Adkins Chiti führt eine Schülerin der Viardot an, Anna Eugenie Schön-René, die Professorin an der New Yorker Juilliard School war, nach der Garcia Methode unterrcihtet und unter anderem Rise Stevens ausbildete.


    Soweit mal fürs Erste, vielleicht finden wir hier zusammen ja noch eine ganze Menge mehr interessanter Details heraus? Ich bin nciht ganz so klasse im Recherchieren, mir fehlt leider die Geduld und der Biss.


    Und nun hab ich grosse Lust bekommen "Hai Luli" zu singen, das in meinen Ohren schönste Lied der Viardot und bin erstmal weg am Klavier :pfeif: :hello:



    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    ein wunderschöner Beitrag zu den "Stimmen, die wir (leider!) niemals hören werden"
    :jubel::jubel::jubel:


    Ich reise ja gern durch die Gesangsgeschichte und bleibe oft bei Sängern hängen - männlich wie weiblich - die noch mit einem Bein im 19 Jh. standen, z.B. diejenigen, die noch aus der Marchesi-Schule kamen.


    Und wenn diese Sänger oft auch nur noch mit den schönen Resten der Stimme gesungen haben und die Aufnahmen meist recht heftig rauschen und knistern - ich höre diese letzten Vertreter der alten Belcanto-Schule sehr gern.


    Und finde diese Vorstellung der Ursprünge dieser Gesangskunst sehr interessant - auch die Biografie der Damen und Herren, die leider wirklich zu alt waren, um noch Tondokumente zu hinterlassen.


    :hello: Petra

  • das mit dem Alter Ego gefällt mir gut und ich kann somit in der Ichform weiterschreiben, ohne jedoch unverfroren sein zu wollen....


    erstmal hallo Brüderchen :hello: Du bist ja auch berühmt!
    Du hast die Laryngoskopie erfunden.

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  • Vielleicht tauchen hier noch mehr Alter Egos auf... Rosenkavalier wird neuerdings von mir auch schon Paulinchen genannt ;)


    War jemand von euch schon in Baden-Baden im Haus der Viardots? Gibt es da etwas Interessantes zu sehen?
    Ich habe nicht übel Lust, dort mal einen Besuch zu machen und auf mancherlei Spuren zu lustwandeln.


    Vom "mordseligen Melodienthread" angeregt, hier noch eine Anekdote zur Viardot und Verdi.
    Die Beiden kannten sich und schätzten sich sehr.
    Leider eignete sich Pauline überhaupt nciht zur Verdi-Heldin, zumindest nicht in den Opern, die zu ihrer noch aktiven Zeit auf den Spielplänen standen.
    Aber sie hat in Paris Giuseppina Strepponis Gesangsuntericht besucht und vor allem: sie hat Verdi auf die Geschichte der Kameliendame aufmerksam gemacht und ihm mehrfach nahegelegt daraus einen Opernstoff zu kreieren.
    Pauline Viardot kannte Alexandre Dumas und die von ihm angebetete Marie Duplessis gut. Ihre anrührende Geschichte und ihr früher Tod sorgten in Paris für sehr viel Klatsch-und Zündstoff.
    Pauline ist der Duplessis anders als George Sand, die sich moralisch über "solche Frauenzimmer" erhob, freundlich verbunden gewesen und war sehr glücklcih, als Verdi nach anfänglichen Bedenken schliesslich seine wunderbare Traviata doch noch komponierte.


    Liebe Petra, kannst du mal einige Beispiele und evtl Cd-Tipps zu der Marchesi Schule geben? Damit ist evtl Manuel Garcia(dem User meine ich ;)) auch geholfen?
    Und danke für Dein Lob :]


    Fairy Queen

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  • Man kann die Villa Viardot in Bougival/La Celle St. Cloud bzw. das direkt daneben liegende Musee Tourgeniev besichtigen. Ganz in der Nähe hat auch Bizet das Bad in der Seine genommen, von dem er sich nicht mehr erholt hat, ausserdem ist das Chateau de Monte Cristo (der Landsitz der Familie Dumas) nicht weit entfernt - und schliesslich kann man dann noch ein Stückchen über die Insel der Impressionisten schlendern und schauen, wo einst Auguste Renoir das Dejeuner des Canotiers malte.


    Die Villa Viardot wurde von der Stadt La Celle St. Cloud erworben und dort finden immer wieder Konzerte, Masterclasses etc. statt. Einige Jahre lang wurde die Villa Viardot vom dortigen Conservatoire für Prüfungen genutzt. Ich selbst habe dort für meinen Prix d'Excellence gesungen. Leider ist aber kein Mobiliar erhalten, im Gegensatz zur Villa Tourgeniev, die komplett eingerichtet ist.


    Herzliche Grüsse sendet LaCastafiore

  • als ich - ich als Nala - vor Jahren am Montmartre für 3 Monate gelebt habe - Rue des Abesses - habe ich mich mal in die Rue de Douai geschlichen um Pauline nahe zu sein. Die Straße befindet sich im 9'eme arrondissement und man spürt leider nicht mehr viel..... Es ist gleich um die Ecke von Pigalle - Blvd. de Clichy ist der Parallelboulevard - und das ist ja heutzutage nicht mehr die beste Adresse :yes:


    Zur damaligen Zeit, als Toulouse-Lautrec sich dort herum "trieb" war es noch anders.


    Letzte Woche war ich wieder nach langer Zeit im Musée d'Orsay im obersten Stock :jubel:


    Maurice Ravel hat auch von 1900-1901 in dieser Straße gewohnt.


    Mein nächster Parisaufenthalt wird mich sicherlich nach Bougival führen und DANKE Castafiore für diesen Tip.


    "Mein" Grab - als Pauline - befindet sich übrigens am Pariser Nordfriedhof, dem Cimetiere de Montmartre und da bin ich sehr guter Gesellschaft (Berlioz, Dumas, Halévy, Jaques Offenbach, Mme. Alphonsine Plessis, Stendhal, Truffaut, Zola, Heine usw.....) Die Liste ist natürlich unvollständig!

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    (Maria Callas)

  • Ich habe irgendwo mal gelesen, dass Pauline sogar die Isolde in einer Privataufführung von Tristan und Isolde gesungen hat, und Wagner hätte höchstselbst den Tristan gegeben.
    Ist das belegbar oder nur eine schöne Geschichte.....?!?!


    LG
    Rosenkavalier

  • wahrscheinlich über den gemeinsamen Freund Hans von Bülow ist auch Richard Wagner im Hause Viardot aus und ein gegangen. Ihm hat Wagner eine Stelle als Konzertmeister in München vermittelt. Es gibt auch ein Büchlein über den Briefverkehr zwischen Pauline und Richard und es ist anzunehmen, daß bei den gemeinsamen Zusammenkünften auch gesungen wurde.


    Gestern habe ich auf der HP der Baden-Badener Philharmonie gestöbert und folgenden Eintrag entdeckt:


    Es gibt regelmäßig Konzerte zum Saisonhöhepunkt. Am 16. August erleben in Baden-Baden unter dem Dirigat von Hector Berlioz Teile der großen Oper „Die Trojaner“ ihre Uraufführung. Der französische Komponist wird über viele Jahre als künstlerischer Leiter der Baden-Badener Sommerfestspiele tätig sein. Solistin der Veranstaltung war die legendäre Sängerin Pauline Viardot die bis zum deutsch-französischen Krieg in Baden-Baden wohnte.


    .... das war 1856.

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    (Maria Callas)

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Ich habe irgendwo mal gelesen, dass Pauline sogar die Isolde in einer Privataufführung von Tristan und Isolde gesungen hat, und Wagner hätte höchstselbst den Tristan gegeben.
    Ist das belegbar oder nur eine schöne Geschichte.....?!?!


    Das entspricht wohl der Wahrheit - allerdings gibt es nur einen einzigen Bericht über dieses Ereignis, und der stammt von Wagner selbst, aus seiner Autobiographie Mein Leben. Das Ganze fand im Juli 1860 im Hause von Mme Viardot in Paris statt, aufgeführt wurden anscheinend Teile des zweiten Akts. Anwesend war außer der Wagner-Mäzenin Marie von Kalergis auch Hector Berlioz. Es war wohl das letzte persönliche Zusammentreffen der beiden Komponisten, deren Zerwürfnis sich hier bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befand (besonders perfide Berlioz' Kompliment bezüglich Wagners Stimme :D). Das Klavier bediente der Liszt-Schüler, Wagner-Jünger und spätere Winifred-Wagner-Ziehvater Karl Klindworth.


    Wagners Bericht lautet folgendermaßen:


    Ich improvisirte eigens für sie [Mme Kalergis] eine Audition des zweiten Aktes von "Tristan", bei welcher Mme Viardot, die ich mir bei dieser Gelegenheit näher befreundete, mit mir gemeinschaftlich die Gesangpartien übernehmen sollte, während ich für das Klavierspiel Klindworth aus London auf meine Kosten mir kommen liess. Diese sehr merkwürdige intime Aufführung ging im Hause der Viardot vor sich; ausser Madame Kalergis, für welche sie einzig stattfand, war nur Berlioz noch zugegen. Für seine Hinzuziehung hatte sich Mme Viardot ganz besonders verwendet, wie es schien, in der sehr bestimmten Absicht, die zwischen mir und Berlioz entstandenen Verstimmungen zu verwischen. Welchen Eindruck die unter solchen Umständen vor sich gehende Aufführung dieses exzentrischen Fragments auf die Betheiligten und Anwesenden hinterliess, ist mir undeutlich geblieben; Mme Kalergis blieb stumm, Berlioz äusserte sich einzig anerkennend über die "Chaleur" meines Vortrages, der sich allerdings von dem meiner Assistentin, welche Alles meist nur mit halber Stimme andeutete, merklich genug unterscheiden mochte. Von der hieraus entstehenden Situation schien besonders Klindworth zu grossem Unmuth berührt worden zu sein; er hatte sich zwar seiner Aufgabe vortrefflich entledigt, erklärte aber bei der Wahrnehmung des Benehmens der Viardot, welche vermuthlich aus Rücksicht auf den anwesenden Berlioz zu jener Lauheit im Vortrage ihrer Partie bestimmt worden sei, vor Ärger sich verzehrt zu haben.


    (Richard Wagner, Mein Leben, Band II, München 1911, S. 731)




    Zitat

    Original von nala
    Gestern habe ich auf der HP der Baden-Badener Philharmonie gestöbert und folgenden Eintrag entdeckt:


    Es gibt regelmäßig Konzerte zum Saisonhöhepunkt. Am 16. August erleben in Baden-Baden unter dem Dirigat von Hector Berlioz Teile der großen Oper „Die Trojaner“ ihre Uraufführung. Der französische Komponist wird über viele Jahre als künstlerischer Leiter der Baden-Badener Sommerfestspiele tätig sein. Solistin der Veranstaltung war die legendäre Sängerin Pauline Viardot die bis zum deutsch-französischen Krieg in Baden-Baden wohnte.


    .... das war 1856.


    Im August 1856 dirigierte Berlioz zwar auch ein Konzert in Baden-Baden, in dem Pauline Viardot sang. Mit der Komposition der Trojaner hatte er da allerdings erst gerade begonnen. Das Konzert mit den Ausschnitten aus Les troyens fand am 29. August 1859 im Baden-Badener Kurhaus statt. Hier wurden neben Werken anderer Komponisten auch Teile aus den Duettpartien des ersten Akts der Trojaner sowie das Liebesduett aus dem vierten Akt derselben Oper geboten. Mme Viardot sang dabei aus den Partien der Cassandre und Didon, ihr Partner als Chorèbe und Enée war Jules Lefort (offenbar ein Sänger von beträchtlichem Stimmumfang). Berlioz zeigte sich in einem Brief an Auguste Morel begeistert von den Darbietungen:


    J’arrive de Bade, exténué et malade, mais bien heureux du succès énorme qu’ont obtenu mes scènes des Troyens et les 4 parties de Roméo et Juliette. Mme Viardot a été une magnifique et émouvante Cassandre, on a fait recommencer le duo d’amour entre Didon et Enée.


    Berlioz' Hoffnungen auf einen Werbeeffekt des Baden-Badener Konzerts für Paris zerschlugen sich dann aber bald, trotz Mme Viardot...



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Lieber Zwielicht, danke für diese Episode - ich frage mich langsam, WAS Pauline Viardot eigentlich nciht gesungen hat und wen sie NICHT kannte, vom Who is Who des 19.Jh... eine wirklich faszinierende Person!


    1860 war sie 39 Jahre alt und bereits definitiv im Mezzo-Alt-Fach angekommen. Die Isolde wird ihr schlicht zu hoch gewesen sein, denke ich mir.
    Daher hat sie anscheinend nur markiert?
    Wie gut oder schlecht Wagner selbst den Tristan gesungen hat, geht ja aus dem Text nciht hervor... vielleicht waren sich Beide durchaus ebenbürtig??? :D
    Der arme Berlioz! ;)
    Warum sie aber gerade aus Rücksicht auf ihn schlechter als sonst singen sollte, erschliesst sich mir nun überhaupt nciht ?(
    Um Wagners Werk herabzusetzen?




    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    1860 war sie 39 Jahre alt und bereits definitiv im Mezzo-Alt-Fach angekommen. Die Isolde wird ihr schlicht zu hoch gewesen sein, denke ich mir.
    Daher hat sie anscheinend nur markiert?


    das scheint mir die einleuchtendste Erklärung zu sein.



    Zitat

    Warum sie aber gerade aus Rücksicht auf ihn schlechter als sonst singen sollte, erschliesst sich mir nun überhaupt nciht ?(
    Um Wagners Werk herabzusetzen?


    Die ganze Passage wirkt etwas ungereimt.


    Wenn Pauline Viardot Herrn Wagner und Herrn Berlioz miteinander versöhnen wollte, wäre es sicher das falscheste Vorgehen gewesen, den Gesang ohne Not nur zu markieren - so musste Wagner verstimmt sein und zugleich wurde es Berlioz noch schwerer gemacht, die Komposition überhaupt zu verstehen.


    Wenn Mme Viardot sich aber auf Kosten Wagners bei Berlioz hätte einschmeicheln wollen (wie Wagner es Klindworth als Vermutung in den Mund legt) - warum sagt Wagner dann, er habe sich bei dieser Gelegenheit näher mit der Sängerin befreundet?


    Wagners gestelzter Kanzleistil erleichtert das Verständnis auch nicht gerade... Mein Leben gehört definitiv nicht zu den großen Sprachkunstwerken des 19. Jahrhunderts :D.


    Ich spekuliere mal, dass Pauline Viardot - wie Du vermutest - aufgrund ihres Fachwechsels nur markiert hat, dass Wagner dies auch wusste und ihr für den Abend trotzdem dankbar war - dass er aber in seiner Autobiographie, die ja Cosima in die Feder diktiert wurde, Pauline Viardot wie allen Frauen, die in seinem Leben eine Rolle gespielt hatten, lieber einen Seitenhieb zuviel als einen zu wenig mitgab.


    (Bezüglich des Verhältnisses Berlioz-Wagner, das hier etwas OT ist: Man muss Wagner zugutehalten, dass er in Bezug auf den "Tristan" große Erwartungen in Berlioz gesetzt hatte. Er schenkte Berlioz eine Partitur des Werks mit der Widmung Au cher et grand auteur de Roméo et Juliette l’auteur reconnaissant de Tristan et Yseult. Trotzdem hatte Berlioz bereits im Februar 1860 eine Aufführung des Tristan-Vorspiels unter Wagners Leitung öffentlich verrissen - er hat die neuartige Musiksprache Wagners überhaupt nicht verstanden. Da zudem weder Wagner noch Berlioz zu den umgänglichsten und selbstlosesten Zeitgenossen gehörten, war das Zerwürfnis wohl unvermeidlich. Trotzdem: "Tristan" als Antwort auf "Roméo", "Béatrice et Bénédict" als Antwort auf "Tristan" und die "Meistersinger" als Antwort auf "Benvenuto Cellini" sind ein musikalisch-dramatischer Dialog zwischen zwei Komponisten auf höchstem Niveau.)



    Viele Grüße


    Bernd

  • Lieber Bernd, Wagner hat seine Ehefrau wohl nicht immer ganz zu Unrecht beschwichtigen müssen. ......


    Der Maler Ary Scheffer hat von Pauline Viardot gesagt: "Sie ist furchtbar hässlich, aber wenn ich sie wiedersähe, würde ich mich sofort wahnsinnig in sie verlieben"
    Was all die zahlreichen unerfüllten Lieben zu Pauline Viardot angeht, muss sie die geborene Muse udn Inspirationsquelle gewesen sein.
    Der sehr interessante Satz: "Wieviele Männer verdanken nicht ihr Genie der Liebe zu einer Frau, die sie zurückgewiesen hat?" findet in ihrer Biographie seinen richtigen Platz.


    Noch eine Frage an die Kunsthistoriker: dieser oben genannte Maler Ary Scheffer(geboren in Dordrecht :hello:) hat Pauline Viardot portraitiert. Zumindest hat sie ihm laut Biographie in zahlreichen Sitzungen (auch nackt) Modell gesessen. Angeblich(nach Arièle Buteaux) ist sie die Francesca auf seinem Gemälde Francesca da Rimini und Paolo erscheinen Dante.
    Gibt es noch ein anderes nachweisbares Portrait von ihr? Kann da jemand jenseits von Goggle auf die Sprünge helfen?


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    Die Ary-Scheffer-Dissertation von Leo Ewals, die auch ein OEuvreverzeichnis umfaßt, erwähnt lediglich allgemein die Bekanntschaft zwischen Pauline Viardot und Ary Scheffer. 1840 hat er ein großes Porträt von ihr gemalt (in Pariser Privatbesitz?), zu dem es auch eine Studie gibt. Möglicherweise aus dem gleichen Jahr stammt ein kleines Medaillon, wo P.V. als Hl.Cäcilie dargestellt ist.


    Die Francesca da Rimini weist eigentlich keinen ausgesprochenen Porträtcharakter auf, da müßte man im Museum Ary Scheffer in Dordrecht nachfragen, ob das nicht vielleicht Klatschgeschichten sind. Vielleicht kann unser Paul etwas dazu sagen! In Wien sind wir mit entsprechender LIteratur nicht so versorgt.


    LG


    Waldi

  • Merci, lieber Waldi! :]


    Kann man diese Portraits irgendwie im Internet einsehen?


    Zu den Klatschgeschichten: Pauline dachte nach dieser Biographie, dass Scheffer ein richtiges Portrait von ihr fertigen würde, und war not amused über das Thema Francesca und Paolo-sprich Ehebruch.
    Selbiger wurde ja nciht nur ihr mit Turgeniev nachgesagt, sondern ihre Schwester Maria, die der Francesca angeblich auch ähnlich sieht, wurde wegen "Ehebruchs" mit Charles de Bériot(sie war offiziell noch nciht geschieden) aus der Pariser (musikalischen) Gesellschaft ausgestossen.


    Scheffers mysteriöser Tod kurze Zeit später wird auch angedeutet. Weisst du , ob das Selbstmord war?


    Fairy Queen

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Kann man diese Portraits irgendwie im Internet einsehen?


    Leider nein; möglicherweise hat man in Dordrecht graphische Wiedergaben oder sogar ein Foto im Archiv.


    Zitat


    Scheffers mysteriöser Tod kurze Zeit später wird auch angedeutet. Weisst du , ob das Selbstmord war?



    Auch dazu kann ich nichts sagen, ich bin zu weit vom Schuß. Du kannst es bei info@verenigingdordrechtsmuseum.nl versuchen. Aber vielleicht kennt Paul dort sogar einen Mitarbeiter, man weiß ja nie.


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Kann man diese Portraits irgendwie im Internet einsehen?


    Liebe Fairy,


    hier kann man sich immerhin eine graphische Reproduktion von Achille Martinet nach einem Pauline-Viardot-Porträt von Ary Scheffer ansehen.



    Eine weitere Google-Frucht:


    An der Hamburger Hochschule für Musik und Theater gibt es ein Forschungsprojekt der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) zum Thema Orte und Wege europäischer Kulturvermittlung durch Musik. Pauline Viardot – Sängerin, Komponistin, Arrangeurin, Volksmusiksammlerin, Pädagogin und Veranstalterin (Leitung: Beatrix Borchard).


    Hier haben die Hamburgerinnen neben diversen anderen Informationen schon ein Vorläufiges, systematisch-chronologisches Verzeichnis der Kompositionen Pauline Viardots erarbeitet, außerdem eine sehr umfangreiche Bibliographie.


    Überhaupt scheint die Hamburger Website Musik und Gender im Internet eine wahre Fundgrube zum Thema "Musikerinnen" zu sein.



    Viele Grüße


    Bernd

  • :jubel: :jubel::jubel: :lips:
    Zwielicht for President!



    Mal eine indiskrete Frage: fidnet ihr Pauline eigentlich auch so hässlich wie manch zeitgenössische Urteile?

  • Liebe Fairy, lieber Waldi,


    das 1835 gemalte Bild "Francesca da Rimini" (im Thieme-Becker auch: Paolo und Francesca genannt) befindet sich in der Wallace Collection in England. Das Gemälde findet sich auf der Internetseite des Museums.


    Das Ary-Scheffer Museum Dordrecht bewahrt den Großteil des künstlerischen Nachlasses von Ary Scheffer, darunter 110 Bilder und Skizzen. Von diesem Konvolut dürfte Fairy sich wohl für den ersten Entwurf zu dem Gemälde interessieren. Ob der dauerhaft ausgestellt ist, wage ich zu bezweifeln.


    Eine Anfrage nach einem Druck, sowohl in London, als auch in Dordrecht dürfte aber aussichtsreich sein. Museen sind bekanntlich stets um Geld verlegen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Zitat


    Original von Fairy Queen
    Mal eine indiskrete Frage: fidnet ihr Pauline eigentlich auch so hässlich wie manch zeitgenössische Urteile?


    Liebe Fairy,
    zunächst zu der Frage, die ich als Frau eigentlich nicht beantworten kann. Eine klassische Schönheit war sie sicherlich nicht. Mir fällt auf ihren Porträts in jungen Jahren nur eine Ähnlichkeit mit George Sand auf und Aurore war ja auch keine Schönheit. Zur damaligen Zeit waren in diesen Künstlerkreisen wohl andere Attribute reizvoller. Eine Ähnlichkeit mit Scheffers Francesca ist schon vorhanden.


    Jedenfalls danke für diesen Thread, der mich so neugierig auf Pauline Viardot macht, die ich bisher nur aus Liszt-, Chopin- und Sand-Biografien kannte, dass ich mich auf die Suche nach einer deutsch- oder englischsprachigen Biografie begebe.


    LG


    Emotione

  • Zitat

    Original von Walter Krause
    Die Francesca da Rimini weist eigentlich keinen ausgesprochenen Porträtcharakter auf, da müßte man im Museum Ary Scheffer in Dordrecht nachfragen, ob das nicht vielleicht Klatschgeschichten sind. Vielleicht kann unser Paul etwas dazu sagen! In Wien sind wir mit entsprechender LIteratur nicht so versorgt.


    Lieber Waldi,


    Schicke mir bitte eine PN. Darin die Punkte, die ich nachfragen muß. Dann kann ich es morgen schon telefonisch zuerst versuchen. Das Museum steht ja in Dordrecht. :D


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    lieber Waldi, ob Paul hier mitliest weiss ich zwar nciht- aber die Welt ist wirklich klein!


    Was dachst Du. :motz:
    :D

  • Lieber Paul, ich dachte Threads über hässliche und schon lange tote Frauen interessieren Dich soweiso nicht....... :untertauch: :D



    Liebe Emotione, als ich mich in das Thema einarbeitete, wurde ich sofort und immer wieder mit diesem Vorwurf "Hässlichkeit" konfrontiert. Glubschaugen, grobe Züge, Mangel an Anmut und Grazie, unattraktive Figur usw usw Und immer wieder der Vergleich mit der viel "schöneren" Schwester. Die Eltern Garcia hatten Pauline aufgrund ihrer unvorteilhaften Erscheinung zunächst für eine Sänger-Karriere ausgeschlossen und zur Pianistin bestimmt-was in dieser Familie schon eine echte Sensation war, denn man lebte für und vom Gesang und die Bühne. Darin war die ganze Familie strikt eingebunden.
    Dass sie trotzdem auch stimmlich ausgevbildet wurden, stand ausser Frage und ihr Talent in diesem Bereich war nun auch Alles Andere als klein.
    Aber der "Nachteil" muss so gravierend gewesen sein, dass die Bühne nciht in Frage zu kommen schien.


    Daneben aber stehen all die Elogen, Liebesbezeugungen und teilweise lebenslangen Leidenschaften etlicher berühmter Männer und Frauen.


    Mich fasziniert dieses Phänomen im Besonderen und gerade auch der Vergleich zu unserer heutigen Zeit und den Superstars der Gesangsszene wie etwa Anna Netrebko.


    Das was Du oben schon andeutest, scheint mir ein ganz spezielles Merkmal des 19 Jh gesesen zu sein: die Ausdruckskraft und das Anregen der Phantasie als glecihwertiger und sogar überlegener "Schönheitsersatz".


    Pauline hat ja mit ihren Erfolgen alles elterlcihe Schwarzsehen Lügen gestraft. sie wurde umjubelt, angebetet, bedichtet, gemalt, geliebt und auf Händen getragen.


    Ihre Stimme und ihre Darstellungskraft auf der Bühne, ihre Musikalität und vor allem auch die totale Hingabe an den Beruf müssen so überzeugend gewesen sein, dass sich ein Turgeniev, de Musset , Gounod oder Berlioz spontan und Ersterer gleich lebenslänglich und mit umwälzenden Folgen in sie verlieben konnten.


    Gibt es heute noch klasssiche Sängerinnen, von denen man im Hinblick auf reine Ausdruckskraft und künstlerisches Wesen soetwas sagen kann?
    Zâhlt eine oberflächliche schöne "Larve" heute mehr als zu dieser Zeit? Haben sich Werte da wirklich gewandelt?


    Warum sind Maria Malibran und Paulne Viardot solche Superstars geworden und haben soviele Künstler inspiriert?
    Je weiter ich mich mit der Biographie dieser Schwestern befasse, desto mehr solcher Fragen steigen auf.
    Und Vergleche mit ienem Phänomen wie Callas drängen sich allmählich auch auf......
    (Zur Malibran wird es auch in absehbarer Zeit einen Thread geben)


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    Zitat

    Original von Fairy Queen: Liebe Petra, kannst du mal einige Beispiele und evtl Cd-Tipps zu der Marchesi Schule geben?


    entschuldige bitte, dass ich so spät antworte, aber ich habe in den letzten Tagen aus Zeitmangel nur sehr sporadisch bei Tamino hineinschauen können und daher deine Frage heute erst gesehen.
    Ein wenig kann ich dazu beisteuern, aber da gibt es sicherlich noch weitaus mehr als ich kenne.


    Zunächst einmal direkt zu deinem Thread:
    Zwei Schülerinnen der Pauline Viardot-Garcia sind mir vom Namen her bekannt:
    Ada Adini(1855-1924), die ein riesiges Repertoire von Koloraturpartien bis Wagner beherrscht haben soll, von der ich aber leider keine Aufnahmen kenne (obwohl sie einige wenige im ersten Jahrzehnt des 20. Jh.s gemacht haben soll).


    Ferner Felia Litvinne(1860-1936), die außer bei Pauline Viardot auch bei Victor Maurel studierte. Sie war international sehr erfolgreich, verheiratet mit dem Bassisten Edouard de Reszke. Ich kenne zwei Aufnahmen von ihr, die auf den „Introuvables de Chant Français“ zu finden sind:
    Selikas „Sur mes genoux“ aus „L´Africaine“ (1905) und Sapphos „O ma lyre immortelle“ (1902). Es ist eine sehr schöne Stimme und technisch makelloses Singen, wirkt aber auf mich etwas kühl und hart. Da sie aber an allen großen Bühnen der Welt gesungen hat, denke ich, dass diese Aufnahmen vielleicht nur einen unzureichenden Eindruck von ihrer Wirkung vermitteln können, was ja gerade bei den Sopran-Aufnahmen dieser Zeit immer mit berücksichtigt werden muss. Und sie war in erster Linie ein dramatischer Sopran und hat auch einige Wagner-Rollen im Repertoire gehabt; wer sie „at her best“ hören will, sollte vielleicht eher in dieser Richtung suchen (ich weiß aber nicht, wie viel sie in dem Bereich aufgenommen hat). Auf jeden Fall ist sie wohl ein Vorbild für spätere französische dramatische Soprane gewesen: für Germaine Lubin und indirekt vielleicht auch für Régine Crespin (obwohl ich gerade bei letzterer weniger Wagner und mehr französisches Repertoire gewünscht hätte).


    Manuel Garcia hat ja auch eine ganze Reihe Schüler gehabt, von denen ich bisher nur einen gehört habe – den englischen Bariton Sir Charles Santley (1834-1922), wohl einer der ältesten Sänger, der auf Schallplatte verewigt ist. Ich kenne von ihm „Non piu andrai“ aus Mozarts „Nozze“, und von ihm würde ich gern noch mehr hören, denn das ist feinste Buffo-Tradition: ein leichter, eleganter Bariton, makellose Technik und sehr gestisches Singen ohne alles Grimassieren. Und er war zur Zeit der Aufnahme fast 70 Jahre alt; leider hat er nur wenige Aufnahmen hinterlassen.
    Er soll auch ein hervorragender Don Giovanni gewesen sein; Gounod war von seinem Valentin im „Faust“ so begeistert, dass er nach der englischen Erstaufführung für ihn das Gebet des Valentin nachkomponierte. Auch Wagners“Holländer“ sang er in der englischen Erstaufführung (biografische Angaben aus Kutsch/Riemens 1975, S. 576).


    Was Mathilde Marchesi betrifft, so habe ich Aufnahmen einiger ihrer Schülerinnen gehört. Biografisches nach wikipedia:
    Sie wurde als Mathilde Graumann am 24. März 1821 in Frankfurt am Main geboren, war Opernsängerin (Mezzosopran) und ist wohl noch mehr als Musikpädagogin in Erinnerung geblieben. Sie studierte in Paris bei Manuel García Gesang und hatte 1849 ihr Debüt als Sängerin; 1854 begann sie ihre Karriere als Musikpädagogin am Konservatorium in Wien.
    Sie war mit dem Bariton Salvatore De Castrone (Künstlername: Salvatore Marchesi) verheiratet. Ihre Tochter Blanche Marchesi (1863-1940) hatte ebenfalls eine große Karriere als Sopranistin.


    Jürgen Kesting schreibt in seinem einbändigen Werk über die „Großen Sänger unseres Jahrhunderts" (S. 94) über die französische Sopranistin Emma Calvé, dass man das lebendige Bild, das die zeitgenössischen literarischen Zeugnisse von ihr vermitteln (sie war sehr berühmt, hatte ein riesiges Repertoire und wurde insbesondere als Carmen gefeiert), über den Stimmklang nicht nachvollziehen könne, eher über technische Virtuosität und Finessen im Ausdruck. Sie habe eine ausgesprochen „gerade“ Stimme besessen, und in diesem Zusammenhang nennt er auch Nellie Melba und Emma Eames, die er ähnlich beurteilt.


    Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, aber sowohl Calvé als auch Melba und Eames waren Marchesi-Schülerinnen (Calvé allerdings wohl nur ein halbes Jahr).
    Und besonders die Aufnahmen von Melba (die ja im Schellack-Forum schon einen eigenen Thread hat) und Eames zeigen einen sehr reinen, kristallinen, verhaltenen Klang, der ihrem Singen manchmal etwas Damenhaft-Zurückhaltendes gibt. Marchesis Ideal bei den Sopranstimmen war eine präzise Attacke und eine klangliche Konzentration; die Stimmen erhalten dadurch oft etwas „Leuchtendes“, das man eigentlich schwer beschreiben kann, das ich aber gern höre.


    Ich weiß nicht, inwieweit Frances Alda noch bekannt ist: Sie hat in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh.s an allen großen Bühnen sowohl französische als auch italienische Partien gesungen. Über ihre französischen Aufnahmen habe ich irgendwo mal geschrieben, sie zeigten ein zartes, mädchenhaftes Bild. Inzwischen kenne ich einige Verdi- und Puccini-Aufnahmen, und dort ist sie dramatischer, vor allem in dem packenden „Miserere“ mit Caruso, aber auch als Desdemona, die hier für meine Ohren nicht nur der zarte, reine Engel ist. Oder als Manon Lescaut in „In quelle trine morbide“. Frances Alda konnte den Ausdruck meiner Meinung nach gut zwischen dem französischen und italienischen Repertoire variieren.


    Das war jetzt vielleicht ein bisschen viel OT im Pauline-Thread, aber wenn wir die großen Pädagogen selbst schon nicht hören können, geben vielleicht die Aufnahmen der Schüler einen kleinen Nachklang davon :angel: .


    :hello: Petra

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