Kranke in der Oper - schicksalhafte Krankheiten bei Opernfiguren

  • Nachdem ich in diesem Jahr über ein halbes Jahr in Krankenhäusern war, habe ich einmal recherchiert, welche Opernfiguren eigentlich auch in ein Spital gehört hätten.


    Zum Anstoß werfe ich mal 2 weibliche Hauptfiguren in den Ring, die schon seit Jahrzehnten den tragischen Operntod sterben.


    a) "Violetta" aus "La Traviata"
    b) "Mimi" aus "La Bohème"



    Ich bin mir sicher, den Experten fallen noch weitere Figuren ein, die krank sind.

  • Die Königskinder von Humperdinck hätten wahrscheinlich auch gerettet werden können, wenn ihnen rechtzeitig der Magen ausgepumpt worden wäre.

  • Zitat

    Original von Ingrid
    Die Königskinder von Humperdinck hätten wahrscheinlich auch gerettet werden können, wenn ihnen rechtzeitig der Magen ausgepumpt worden wäre.


    Das mit dem ausgepumpten Magen kann man einer ganzen Menge Opernhelden zubilligen, nicht zuletzt dem SIMON BOCCANEGRA. Auch TRISTAN UND ISOLDE sterben ja vorwiegend an Gift und Schicksal.


    Andere Opernhelden, die "ins Spital", genau genommen spätestens ab einem gewissen Punkt in die Nervenheilanstalt gehört hätten, gibt es nicht weniger zahlreich, besonders bei Verdi. Ich denke da nur mal an NABUCCO, MACBETH oder OTELLO. Aber auch für den BORIS GODUNOW , die SALOME, Hindemiths CARDILLAC oder gar Heinrich Marschners DER VAMPYR lassen sich da hervorragende Argumente finden. Und nicht zu vergessen, da wir schon beim Macbeth waren: was wäre die Oper ohne die Wahnsinnsarien der Lady oder der LUCIA DI LAMMERMOOR?


    Im rein physischen Sinn von Krankheit und Siechtum fallen mir spontan ein:


    zuvörderst der Amfortas des PARSIFAL und Pfitzners DER ARME HEINRICH, die eine ganze Oper lang dahin siechen. Das tut am langen Schluss der Oper auch der arme Johannes von Kienzls DER EVANGELIMANN. Und wenn er dann "Selig sind, die Verfolgung leiden" singt, tut es sogar ein Teil des Publikums. Das ist mir der Eremit aus Verdis I LOMBARDI ALLA PRIMA CROCIATA, der den verwundeten Oronte zu Tode pflegt, doch lieber.


    Auf einer leicht anderen Ebene siecht auch der notorisch schwermütige Prinz von Prokofiews DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN.


    Aubers DIE STUMME VON PORTICI und die unmenschlich-verstummte RUSALKA dagegen brauchen mindestens eine Logopädin.


    Die Krankenoper schlechthin scheint mir aber Pfitzners DAS HERZ zu sein, der im Sinne der Threadfrage mitten in eben dieses trifft.


    Soviel für's Erste. Dabei habe ich Schwermütige wie den EUGEN ONEGIN, Verhexte und Verzauberte wie den Max des FREISCHÜTZ, die lieblos verliebten Nymphen PLATÉE und DAPHNE, den FLIEGENDEN HOLLÄNDER oder den versteinerten Kaiser der FRAU OHNE SCHATTEN (wo es auch Behinderte in Nebenrollen gibt, von in der brutzelnden Pfanne auch nicht sehr gesunden, singenden Sardinen ganz zu schweigen) und Sexbesessene wie den DON GIOVANNI sowie die höchst ungesunden Geister des Komturs, den Priamus in den TROJANERN oder den giftigen Vater des HAMLET bewusst außen vor gelassen. Man könnte ja sonst noch auf den Gedanken kommen, dass die Oper an sich schon krank ist. Darauf deutet sogar noch der mindestens in vielen Inszenierungen zu Beginn des zweiten Aktes erkältete FALSTAFF hin. Da lobe ich mir doch sehr den wenigstens nur zum Schein todkranken GIANNI SCHICCHI


    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    was wäre die Oper ohne die Wahnsinnsarien der Lady oder der LUCIA DI LAMMERMOOR?


    ... und natürlich der der Elvira aus I PURITANI.



    In der GÖTTERDÄMMERUNG wäre Siegfried möglicherweise durch eine Not-OP zu retten gewesen.



    LG, Elisabeth


  • Ein herrliches Thema - zum Kringeln.


    Liebe Grüße aus München


    Kristin


  • Wobei dies sehr unwahrscheinlich ist. Der Tod tritt innerhalb von 4-6 Minuten ein (je nach Aufnahme :D). Das spricht beim vorliegenden Verletzungsmodus, also einer Stichverletzung des Brustkorbs von hinten mit einem groben Speer auf Höhe der Schulterblätter, schon für eine Verletzung der großen herznahen Gefäße und das ist fast immer ein Todesurteil. Die Tatsache, dass der Patient trotz Verletzung mindestens eines Lungenflügels noch einige Minuten zumindest piano singen kann, ist in diesem Kontext allerdings beachtlich.
    Dennoch, selbst in einer Großstadt wäre er wohl noch vor Eintreffen des Notarztes verblutet.


    Simone Boccanegra hätte andererseits die Magenspülung wohl auch keinen entscheidenden Vorteil gebracht. Er nimmt das Gift ja mit einer recht kleinen Menge Wasser auf, schläft dann sogleich ein. Und die Wirkung zeigt sich offenbar binnen Stunden. Da ist der Magen längst passiert worden, und mit Spülungen nichts mehr zu löten. Ob man danach noch hätte etwas machen können, hängt natürlich von der verwendeten Noxe ab. 14. Jahrhundert spricht immer sehr für die beliebten Arsenverbindungen, besonders in Italien und Frankreich inflationär genutzt, hier wäre das dann eine Akutvergiftung bei sehr hoher Dosis. Die typische korrekte Symptomatik wird aber im künstlerischen Zusammenhang leider meist verschleiert, was die Identifikation des Gites erschwert oder gar unmöglich macht. Ein Doge, der mit heftigsten Diarrhöen auf dem Donnerbalken über dem Canale Grande hängt, büßt halt auch etwas an Erhabenheit ein und korrekte Artikulation ist bei massivem Erbrechen auch nicht so einfach.


    Wirklich gute Chancen gestehe ich allerdings Gilda zu. Nach einer Stichverletzung noch längere Zeit in einem Sack zu überleben, spricht für eine durchaus beherschbare Blutung. Bei rechtzeitiger notärztlicher Versorgung sicher eine Chance, sofern diese angesichts des tobenden Unwetter gewährleistet werden könnte. Die langfristige Prognose sehe ich aufgrund des zugespitzten psychosozialen Umfeldes allerdings eher als ungünstig an.


    ;)
    Sascha

  • Bei Durchsicht der Krankenakten in der Praxis Wagner&Söhne& Enkel&Urenkel ist von statistischer Relevanz, dass ein erhebliches Maß an Protagonistenpatienten unter gehäuft falsch konfigurierten Amyloid-Beta- Peptiden im ZNS zu leiden scheint, vom Komponistendichter selbst zur dürftigen Kaschierung des differenzialdiagnostisch eindeutigen, vor den berüchtigten Auguste-Deter-Interviews noch nicht nach einem Marktbreiter Neuropathologen benannten, umso stärker seinerzeit allerdings in soziale Isolation rückenden Befundes mittels des Kniffes vorsätzlicher oraler Verabreichungen hyperhomöopathischer Dosierungen von pharmakoökonomisch eher unbedeutenden und in ihrer Eigenschaft als initiale Ereignisse mit wenig differenziert dargestellten pathophysiologischen Mechanismen in der Folge nicht näher bestimmten, synthetischen biochemischen Noxen, subsumiert unter dem Terminus „Trank“, als Griff in die dramaturgische Trickkiste verharmlost.


    Vergl. hierzu auch Threads „Blinde in der Oper“ und „Scheiße, Text vergessen“ im Forum Kunstlied.



    Dr. morb. alziamus



    .

  • Als wenn ich es gewusst hätte....



    schon bei diesen Beiträgen geht jede Depression verloren...(Es gibt leider keinen Smilie, der meine Bauchkrämpfe vor Lachen nur annähernd ausdrücken könnte.)

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  • Prima, hier kann ich gleich meine heutige Neurologie-Pathologie Vorlesung austesten und stelle euch meine Lern-Ergebnissen anhand zweier Bellini-Protagonistinnen vor:
    Elvira vergisst, dass ihr Arturo sie verlassen hat und bekommt als Belohnung die Erlaubnis ihn zu heiraten. Alzheimer lohnt sich manchmal doch.


    Amina leidet unter einer neurologischen Ausfallerscheinung namens Sonnambulismus, die sich eher nciht zu lohnen scheint.
    Ausser dass man überrraschend im Bett eines sehr charmanten Edelmannes landet, der aber leider zu anständig ist, die Situation entsprechned zu nutzen, wird man auch noc hfür Dinge verleumdet, die leider nciht vorgefallen sind- und das aus niedersten Motiven. Alles dumm gelaufen.


    Aber evtl bin ich ja auch schon degenerativ dement( :hello: Audiamus) und verwechsle da etwas? :untertauch:


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen


    Aber evtl bin ich ja auch schon degenerativ dement( :hello: Audiamus) und verwechsle da etwas? :untertauch:


    F.Q.


    Für die Diagnose eines dementiellen Syndroms wird mindestens ein Zeitraum von 6 Monaten gefordert, über den hinweg die Symptome, u.a. Gedächtnisstörungen vorliegen, müssen.
    Wir beobachten Dich also erstmal. :baeh01: :D


    Gruß
    Sascha

  • Lieber Sascha, wo hast du denn studiert? Oder im Fach Krankenbeobachtung Besseres zu tun gehabt? :D
    Ich bin immerhin schon 18 Monate in diesem Krankenhaus für Musico-Phile ( bitte nciht mit gleichnamigem User zu verwechseln ;) ) zur allgemeinen Beobachtung und bekomme so langsam den Verdacht, dass hier ein noch unbekannter Degenerations und RegressionsVirus sein Unwesen treibt.... :wacky: :faint:


    F.Q.

  • sehr lustige Beiträge zu so einem traurigen Thema! :yes:


    Was meinen denn die Taminomediziner zu Don Giovannis Herzinfarkt?


    Hätte er eine Chance gehabt bei sofortiger ärztlicher Versorgung, den Myocardanfall zu überleben?
    Obwohl er noch singt: "Ho fermo il core in petto" tritt der Angina-pectoris Anfall auf und reißt ihn mitten aus dem Leben.

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Sascha, wo hast du denn studiert? Oder im Fach Krankenbeobachtung Besseres zu tun gehabt? :D
    Ich bin immerhin schon 18 Monate in diesem Krankenhaus für Musico-Phile ( bitte nciht mit gleichnamigem User zu verwechseln ;) ) zur allgemeinen Beobachtung und bekomme so langsam den Verdacht, dass hier ein noch unbekannter Degenerations und RegressionsVirus sein Unwesen treibt.... :wacky: :faint:


    F.Q.


    Liebe Feenkönigin,


    im Medizinstudium lernste doch kaum was über Psychopathologie, ich bin wie alle Psychiater also studiumsmäßig weitgehend Autodidakt. :D
    Zur Krankenbeobachtung nur soviel: Obwohl hier im Forum allgemein sicher gelegentlich mnestische Störungen zu verzeichnen sind, scheint mir der Schwerpunkt doch in andern psychopathologischen Bereichen zu liegen. :stumm:
    Fachliche Details nur per PM. :pfeif: :D


    Gruß
    Sascha

  • Liebe Nala, bei Don Giovanni tippe ich auf Herzinfarkt infolge Dauermissbrauchs von Viagra .
    Der Komtur ist nur das Alibi um diese hochpeinliche Tatsache zu verschleiern. :pfeif:


    Lieber Sascha, du bist exculpiert und wirst nachgeschult.
    Ich lerne gottseidank derzeit, wie ich alle diese Psychopathologien zu therapieren habe. Im Moment mache ich schon ein paar Selbstversuche und arbeite mich dann langsam über Rosenkavalier, PeterB, Audiamus usw zu den wirklichen Hardcore-Fällen vor...... :stumm:
    Die therapeuthische Strategie erarbeiten wir aber wirklich per PN-wenn die schon Alles vorher wissen, können wir ja gleich einpacken-gel?



    Fairy Queen

  • Auch wenn es dem Körperumfang vieler ihrer Darstellerinnen kaum anzusehen ist:


    vieles spricht dafür, dass Elektra an den Folgen einer Anorexia nervosa gestorben ist. Ihr höchst pathologisches Verhältnis zur Mutter, die sie in ihrer Weiblichkeit ablehnt, die Zurückweisung der Frauenrolle auch ihrer Schwester in Verbindung mit der idelaisierten Identifikation mit dem Vater; trotz des sehr reduzierten Allgemeinzustandes eine hyperaktive teils ins extatische gesteigerte Psychomotorik, die schließlich zum Tod führt, der am wahrscheinlichsten durch Herzversagen im Rahmen einer Elektrolytverschiebung mit Hypolkaliämie infolge Mangelernährung mit oder ohne bulimische Attacken eintritt. Eindeutige Hinweise auf das Vorliegen einer Bulimie ergibt die Anamneseerhebung bei Hofmannsthal, Sophokles oder Euripides jedoch nicht.


    Gruß
    Dieter

  • Liebe Nala, bei Don Giovanni tippe ich auf Herzinfarkt infolge Dauermissbrauchs von Viagra . Der Komtur ist nur das Alibi um diese hochpeinliche Tatsache zu verschleiern. Pfeifender


    fairerweise und um niemand zu diskriminieren, könnte es aber auch Cialis gewesen sein.......

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

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  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    ...Psychopathologien zu therapieren habe. Im Moment mache ich schon ein paar Selbstversuche und arbeite mich dann langsam über Rosenkavalier, PeterB, Audiamus usw zu den wirklichen Hardcore-Fällen vor......



    Da verletzt Du aber gewaltig die herzliche Schweigepflicht.
    Jetzt wissen es alle...



    couchiamus



    .

  • Lieber Paul, ich habe nciht vergebens gewartet..... :D
    Sascha und ich sind schon dabei, nach franco-allemannischen streng wissenschaftlcihen Paradigmen eine Therapie-Strategie für die verschiedenen Psycho-Pathologien bei Tamino zu entwickeln. Selbstverständlich machen wir erste empirirische Tests im Selbstversuch und bei leichteren Fällen.
    Wenn ihr also nciht zur ersten oder zweiten Testreihe gehört, wisst ihr Bescheid! :pfeif:


    Liebe Nala, was ist denn Cialis? ?(
    Haben die dich bestochen, hier zu werben?



    Anorexia nervosa diagnostiziere ich aber auch bei den Aminas und Elviras... die Bellini Frauen sind einfach multivalent-sag ich ja schon immer!
    Was nicht heisst, dass Elektra nciht auch eine Therapie braucht. Gibts eigentlcih noc hdas gute alte Krankheitsbild Hysterie?
    (Das befällt übringens wider aller freudianischen Thesen keinesfalls nur Frauen!!!!!)
    Beste Beispiele in der Oper sind: Donna Anna und die Königin der Nacht.


    F.Q.

  • Warum wurden hier noch nicht Sarastro und die KdN genannt. Typisch Beispiele von einem "split personality". Schizophren (oder schizoide)? Eine Art "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" Figuren.


    LG, Paul

  • Sarastro und Königin der Nacht ein und dieselbe Figur? Wäre ein Mensch mit ungewöhnlichem Stimmumfang. Außerdem ist die Diagnose der gespaltenen Persönlichkeit äußerst umstritten, ich persönlich glaube nicht dran.

  • Ich bin mit der offensichtlichen Richtung des Threads nicht einverstanden: es ging doch vernehmlich um "Kranke in der Oper", die womöglich schicksalhafte Krankheiten bei Opernfiguren ansehen oder gar generieren - demnach schloß ich messerscharf auf eine Selbsthilfegruppe unserer lieben kleinen Gemeinschaft. Nu geht's ja doch wieder um die ganzen Lungenschwachen, Amnesiegeplagten oder Opfer des Stahls - wo anderes doch dringend Not täte!


    Hoffnung für die Hardcores!


    GI

  • Lieber Vitellozzo, ich glaube(auch) eher, dass viele der sogenannten gespaltenen Figuren in der Kunst in erster Linie philosophisch-weltanschaulich im Sinne von Dialektik und zerfallener Einheit bzw zu suchender Ganzheit zu verstehen sind und keine oder wenig psychopathologische Grundidee darin steckt.
    Bei Sarastro und der KdN finde ich das besonders einleuchtend.
    Die KdN hat für mich allerdings stark hysterische Züge, allerdings NICHT im Ur-Sinne von Freud!!!!!!
    Gottseidank entwickelt sich die Psychiatrie schneller weiter als ihre Opfer und Objekte.......


    Mir wird jedenfalls beim Hysteriebegriff von Charcot und Freud und dessen Konsequenzen für die "wissenschaftlcihe" Erforschung der weiblcihen Sexualität heute noch schlecht. :kotz:


    Ich werde mir heute abend die Salome aus der MET ansehen, die dort auftretenden Figuren einschliesslch des Täufers sind ja auch mehr als interessante Studienobjekte...... :wacky:


    F.Q.

  • Zitat

    Original von vitelozzo-tamare
    Sarastro und Königin der Nacht ein und dieselbe Figur?


    Ich schrieb doch Beispiele.
    Dann rede ich doch nicht über eine Person? :P
    Oder ist mein Deutsch soo schlecht? :untertauch:


    LG, Paul

  • Zitat

    Ich bin immerhin schon 18 Monate in diesem Krankenhaus für Musico-Phile


    Ich verbitte mir jeden spötischen Unterton in bezug auf die psychohygenische Heilanstalt "Tamino"
    Dieses medizinisch wirklich einmalige Institut vermischt erstmals Patienten, Pflegepersonal und Ärzte in der Form, daß sie nicht mehr auseinanderzuhalten sind - ganz abgesehen von den Zaungästen, die sich natürlich für "normal" halten , weil sie das Treiben in dieser Anstalt von aussen betrachten.


    Desungeachtet werde ich mich bemühen behutsam wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren.


    Ein dankbares Objekt hiefür ist beispielsweise "Hoffmanns Erzählungen"


    In neuester Zeit wurde die Rahmenhandlung in Lutters Keller verschiedentlich gedeutet:


    So wäre es beispielsweise möglich die drei Geschichten, die Hoffmann unter Alkoholeinluß zum besten gibt als Wahnvorstellungen eines manifesten Alkoholikers zu deuten - oder aber die Phantasien eines Paranoikers, der in den Alkohol flüchtet - und so letzlich sein Glück verspielt: Eine "selbsterfüllende Prophezeihung" ??


    Aber auch innerhalb der drei Geschichten gibt es genügend Stoff:_
    Am leichtesten zu deuten ist noch die Geschichte der Antonia, die schwindsüchtig ist, und wie fast alle, die an dieser Krankheit leiden ein übersteigertes Lebensgefühl aufweisen, das dann letztlich ja zusammenbricht.


    Komplexer ist hier schon der "Venedig- Akt" mit der Spiegel (Diamanten Arie) Der Verlust des eigenen Spiegelbildes könnte mit jenem der Seele gleichgesetzt werden, einer Art Identitätsverlust, wie sie bei gewissen Psychosen und sogar Neurosen auftreten kann.
    Unterstrichen wird dieses These dadurch, daß in verschiedenen Fassungen Hoffmann nicht nur Schlemihl im Duell tötet, sondern auch Giuliettas Diener - in weiteren Versionen sogar Giuietta selbst....


    Was hat es mit der Puppe "Olympia" auf sich ?
    Wieder bin ich auf Deutungen angewiesen, beweisbar ist gar nichts - aber gerade das macht ja den Reiz und die bis heute unverbrauchte Frische dieser Oper aus....
    Mechanische Puppen, Schachspielautomaten und ähnliches waren in vergangenen Jahrhunderten groß in Mode und begeisterten immer wieder das p.t. Publikum
    Und immer schon wurde versucht den Leuten einzureden, es handle sich um der Natur ebenbürtige Schöpfungen.......
    Hoffmann unterliegt dem ihm suggerierten Glauben an Zauberbrille und fokussiert sein Interesse auch einen toten - aber mechanisch bewegten Gegenstand, eben weil man ihm suggeriert hat, dieser wäre ein lebendiges Geschöpf. Ich gehe davon aus, daß dies bei einem Menschen mit normaler Geistesverfassung unmöglich gewesen wäre.


    Aber letztlich lässt sich dergleichen aus heutiger Sicht schwer beurteilen, war es doch eine Spezialität der Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts, Realität und Phantasie miteinander geschickt zu vermischen (beispielsweise Oskar Wildes: Bildnis des Dorian Gray)


    Aber das ist schon ein anderes Thema:


    Grusel- und Geisteropern des 19. Jahrhunderts


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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